Titel:
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Justizverwaltungsakt, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Akteneinsichtsgesuch, Abgeschlossenes Verfahren, Betreuungsverfahren, Entscheidung des Amtsgerichts, Rechtsbehelfsverfahren, Rechtsbehelfsbelehrung, Statthafter Rechtsbehelf, Elektronisches Dokument, Verfahrenskostenhilfeverfahren, Beschlüsse des Amtsgerichts, Nichtgewährung von Akteneinsicht, Rechtsmittelbelehrung, Betreuungsgericht, Elektronischer Rechtsverkehr, Betreuungsakten
Schlagworte:
Akteneinsicht, Betreuungsverfahren, Justizverwaltungsakt, Rechtsprechungstätigkeit, Meistbegünstigungsgrundsatz, Zuständigkeitsverweisung, Beschwerdeverfahren
Vorinstanz:
AG Nördlingen vom -- – XVII 0015/98
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15844
Tenor
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für den als Beschwerde zu behandelnden Antrag vom 7. Mai 2025 nicht zuständig.
2. Das Verfahren wird analog § 17a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 GVG an das Landgericht Augsburg verwiesen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
Vor dem Hintergrund, dass zwei notariell beurkundete Kaufverträge zwischen dem Antragsteller und der unter Betreuung stehenden W. (im Folgenden: die Betroffene) über deren Anwesen betreuungsgerichtlich nicht genehmigt worden sind, begehrt der Antragsteller die Einsicht in die Akten des beim Amtsgericht Nördlingen unter dem Az. XVII 0015/98 Z geführten laufenden Betreuungsverfahrens betreffend den Zeitraum ab dem 1. Januar 2023. Die Betroffene und ihr Betreuer sind dem entgegengetreten.
2
Durch Beschluss vom 30. März 2025, der Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 8. April 2025, hat das Amtsgericht Nördlingen Einsicht in einzeln bezeichnete Aktenbestandteile gewährt und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Das berechtigte Interesse des Antragstellers gemäß § 13 Abs. 2 FamFG sei dargelegt und, da durch den Akteninhalt offensichtlich, glaubhaft gemacht. Die begehrte umfassende Akteneinsicht scheide aber aus, da die Betreuungsakte umfangreiche und sensible Informationen zur Person und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen enthalte, deren Geheimhaltung zu schützen sei. Die dem Beschluss angefügte Rechtsbehelfsbelehrunglautet:
Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung oder schriftlicher Bekanntgabe des Bescheides ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden (BGH, Beschluss vom 15.11.2023 ‒ IV ZB 6/23)
Der Antrag ist zudem nur zulässig, wenn der Antragsteller binnen der Frist von einem Monat begründet geltend macht, dass er durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt ist.
Der Antrag muss entweder schriftlich beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingereicht oder mündlich zur Niederschrift der Geschäftsstelle des
Bayerischen Obersten Landesgericht […]
oder eines Amtsgerichts erklärt werden.
3
Mit am selben Tag beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangenem Schriftsatz vom 7. Mai 2025 beantragte der Antragsteller gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG mit dem Ziel der Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses sowie der Gewährung von Einsicht in die Betreuungsakte „bezogen ab dem Zeitraum vom 01.01.2023 bis 07.05.2025“.
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Mit Verfügung vom 9. Mai 2025 hat der Senatsvorsitzende dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und beide Parteien darauf hingewiesen, dass der angegriffene Beschluss möglicherweise nicht als Justizverwaltungsakt, sondern als Akt der Rechtsprechung zu qualifizieren sei. Der in der Rechtsbehelfsbelehrunggenannte Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. November 2023, wonach gegen eine Entscheidung nach § 13 Abs. 7 FamFG über die Nichtgewährung von Akteneinsicht für einen am Verfahren nicht beteiligten Dritten der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG der statthafte Rechtsbehelf sei, habe ein abgeschlossenes Verfahren betroffen; soweit nach gegenwärtiger Aktenlage erkennbar, handle es sich bei dem Betreuungsverfahren, in dessen Akten vorliegend Einsicht begehrt werde, jedoch um ein laufendes Verfahren, in dem weiter eine spruchrichterliche Tätigkeit stattfinde. Der gesetzlich vorgesehene Rechtsbehelf könne somit die Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG sein, für die gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2, § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG das Landgericht Augsburg zuständig sei, an das eine Verweisung analog § 17a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 GVG in Betracht komme.
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Der Antragsgegner hat in seiner Stellungnahme vom 2. Juni 2025 beantragt, das Verfahren gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige Landgericht Augsburg zu verweisen. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 10. Juni 2025 die Auffassung vertreten, ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei das zutreffende Rechtsmittel, da bezüglich des ersten notariell beurkundeten Kaufvertrags eine rechtskräftige Nichtgenehmigung durch das Betreuungsgericht Nördlingen und bezüglich des zweiten notariell beurkundeten Kaufvertrags eine rechtskräftige Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Augsburg vorliege, durch welche die vorangegangene Genehmigung durch das Betreuungsgericht Nördlingen aufgehoben worden sei. Diese Verfahrensteile seien abgeschlossen, sodass diesbezüglich keine spruchrichterliche Entscheidung durch das Betreuungsgericht mehr anstehe. Für den Fall, dass das Gericht nach wie vor der Auffassung sein sollte, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht in Betracht komme, werde hilfsweise eine entsprechende Verweisung des Verfahrens beantragt.
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Gegen die als Beschluss ergangene Entscheidung des Amtsgerichts, mit der dieses die Akteneinsicht zugunsten des Antragstellers teilweise abgelehnt hat, ist der in Übereinstimmung mit der Rechtsbehelfsbelehrunggestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung als Beschwerde gemäß § 58 FamFG statthaft (dazu 1.). Weil das Bayerische Oberste Landesgericht für die Entscheidung über die Beschwerde jedoch nicht zuständig ist, ist die Sache nach Anhörung der Beteiligten analog § 17a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 GVG an das zuständige Beschwerdegericht zu verweisen (dazu 2.).
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1. Ein zulässiger Rechtsbehelf liegt vor.
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a) Die als „Beschluss“ bezeichnete Entscheidung über das Einsichtsgesuch kann der Form nach als Justizverwaltungsakt angesehen werden. Dieses Verständnis ist maßgeblich durch dessen Bezeichnung als „Bescheid“ in der Rechtsbehelfsbelehrungund deren übrigen Inhalt bedingt, denn nur gegen Akte der Justizverwaltung kann nach §§ 23 ff. EGGVG Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. Die hierauf abstellende Rechtsbehelfsbelehrungist zudem in sich stimmig. Sie bezeichnet zutreffend die Antragsfrist gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG sowie das für die Entscheidung gemäß § 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG zuständige Gericht. Dass der „Bescheid“ das Aktenzeichen des Nachlassverfahrens trägt, ändert daran nichts.
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b) Allerdings ergeht die Entscheidung des Amtsgerichts über den Antrag eines privaten Dritten (nicht einer Behörde), ihm Einsicht in die Akte eines laufenden Betreuungsverfahrens (als eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne des § 271 Nr. 3 FamFG, § 23a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 GVG) zu bewilligen (§§ 1, 13 Abs. 2 und 7 FamFG), bei zutreffender Behandlung des Antrags nicht als Justizverwaltungsakt, sondern als Akt der Rechtsprechung.
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aa) Diese Auffassung hat das Bayerische Oberste Landesgericht in Übereinstimmung mit weiteren Obergerichten unter Verweis auf die Zuständigkeitsnorm des § 13 Abs. 7 FamFG zunächst allgemein vertreten, also unabhängig davon, ob das Einsichtsgesuch ein laufendes oder ein abgeschlossenes Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit betraf (BayObLG, Beschluss vom 10. Januar 2023, 102 VA 127/22, NJW-RR 2023, 503 Rn. 17 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
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bb) In seinem oben genannten Beschluss vom 15. November 2023 (IV ZB 6/23, NJW-RR 2024, 672 Rn. 17 bis 21) hat der Bundesgerichtshof jedoch entschieden, dass jedenfalls in einem Fall, in dem ein Nachlassverfahren abgeschlossen ist, die Entscheidung über das Einsichtsgesuch eines Dritten als Justizverwaltungsakt anzusehen sei. Eine spruchrichterliche Tätigkeit finde dann nicht mehr statt; die Aufbewahrung und Verwaltung von Gerichtsakten nach Abschluss eines Verfahrens sei grundsätzlich nicht Aufgabe des Spruchkörpers, der mit dem Verfahren befasst gewesen sei, sondern der Gerichtsverwaltung. Der Wortlaut des § 13 Abs. 7 FamFG stehe dem nicht entgegen, da dieser über die Form der zu treffenden Entscheidung keine Aussage enthalte. Maßgeblich für die Abgrenzung von Justizverwaltungshandeln und rechtsprechender Tätigkeit sei, welche Art von Aufgaben wahrgenommen würden und nicht welche Stelle handle. Insbesondere ergebe sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/6308, S. 182 linke Spalte), dass auch der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, im Anwendungsbereich des § 13 FamFG finde trotz der in Absatz 7 geregelten Zuständigkeit der Rechtsbehelf nach den §§ 23 ff. EGGVG statt, „soweit es sich bei der Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch um einen Justizverwaltungsakt“ handle. Zwar bleibe offen, in welchen konkreten Fällen danach von Justizverwaltungsakten auszugehen sei. Es liege aber fern, dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung nur Akteneinsichtsgesuche von öffentlichen Stellen habe erfassen wollen. Jedenfalls für nicht am Verfahren beteiligte Dritte nach Abschluss des Verfahrens sei die Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch danach als Justizverwaltungsakt anzusehen. Auch Praktikabilitätserwägungen sprächen nicht für die Annahme einer spruchrichterlichen Tätigkeit. Zwar werde die Sachnähe, die durch die Zuweisung in § 13 Abs. 7 FamFG erreicht werde, im Rechtsbehelfsverfahren über §§ 23 ff. EGGVG anders als im Beschwerdeverfahren nach §§ 58 ff. FamFG aufgehoben. Bei einem Akteneinsichtsgesuch Dritter in einem abgeschlossenen Verfahren komme der Sachnähe in Anbetracht des Zeitablaufs und neuer zu berücksichtigender Umstände aber ohnehin nur geringe Bedeutung zu. Diese Argumentation des Bundesgerichtshofs spricht dafür, die Entscheidung nicht als auf Nachlassverfahren beschränkt anzusehen, sondern sie auf alle Gesuche Dritter auf Einsicht in Akten von jedenfalls abgeschlossenen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beziehen (so auch OLG Köln, Beschluss vom 29. Januar 2024, 7 VA 8/23, FamRZ 2024, 1309 [juris Rn. 6]; Kretz in Jürgens, Betreuungsrecht, 8. Aufl. 2025, § 13 FamFG Rn. 15 [für Betreuungsakten betreffende Einsichtsgesuche]).
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Der Auffassung des Bundesgerichtshofs hat sich das Bayerische Oberste Landesgericht in Fällen, die ein Einsichtsgesuch Dritter in Akten eines abgeschlossenen Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit betrafen, seither angeschlossen (Beschluss vom 7. Mai 2025, 101 VA 12/25, juris Rn. 33; Beschluss vom 9. Dezember 2024, 102 VA 138/24, juris Rn. 15). Dem Beschluss des Senats vom 28. Juni 2024 (102 VA 232/23, FamRZ 2024, 1561 [juris Rn. 24 f.]) lag ein Einsichtsgesuch eines Dritten in das Unterheft Verfahrenskostenhilfe eines bereits abgeschlossenen Verfahrenskostenhilfeverfahrens zugrunde.
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cc) Offen ist, ob der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. November 2023 auch Bedeutung für die Frage hat, ob die Entscheidung über das Gesuch eines Dritten auf Einsicht in die Akte eines noch laufenden Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit als rechtsprechende Tätigkeit oder als Akt der Justizverwaltung zu qualifizieren ist.
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(1) Soweit ersichtlich, gibt es zu dieser Frage noch keine veröffentlichte Rechtsprechung, auch wenn der oben genannte Beschluss des Oberlandesgerichts Köln (FamRZ 2024, 1309 [juris Rn. 6]), der ein abgeschlossenes Verfahren betraf, die Tendenz erkennen lässt, die Bedeutung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs auf abgeschlossene Verfahren zu beschränken. Auch in der Literatur finden sich zu dieser Frage nur wenige Stimmen, die sich überwiegend dafür aussprechen, Entscheidungen über Gesuche auf Einsicht in Akten laufender Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (weiterhin) als einen Akt der rechtsprechenden Tätigkeit anzusehen (Kretz in Jürgens, Betreuungsrecht, § 13 FamFG Rn. 15; Pabst in Münchener Kommentar zum FamFG, 4. Aufl. 2025, § 13 Rn. 33; Lückemann in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 23 EGGVG Rn. 4.1 [Online-Aktualisierung vom 15. Mai 2024]; Fritzsche, NZFam 2024, 430 unter Verweis auf seine frühere Äußerung in NZFam 2022, 998; a. A. Stockmann, FamRB 2024, 376 [378]).
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(2) Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass sich die Bedeutung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 15. November 2023 (NJW-RR 2024, 672) auf Gesuche beschränkt, welche die Einsicht in Akten abgeschlossener Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit betreffen. Dafür spricht, dass sämtliche der oben (zu bb]) wiedergegebenen Argumente des Bundesgerichtshofs ausschließlich in Bezug auf Akten abgeschlossener Verfahren, aber gerade nicht in Bezug auf Akten laufender Verfahren zum Tragen kommen. Dagegen spricht auch nicht, dass bei Zugrundelegung dieser Ansicht ein Gleichlauf in der Behandlung der Ersuchen verfehlt wird. Die vom Bundesgerichtshof herangezogene Gesetzesbegründung erkennt mit der Formulierung: „Soweit es sich bei der Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch um einen Justizverwaltungsakt handelt“ ausdrücklich die Möglichkeit an, dass dies nicht bezüglich aller solcher Entscheidungen der Fall ist.
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dd) Daraus folgt, dass die hier angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts Nördlingen vom 30. März 2025, da sie den Antrag eines Dritten in die Akte eines laufenden Betreuungsverfahrens betrifft, als Akt der Rechtsprechung zu qualifizieren ist. Aus den Ausführungen im Schriftsatz des Antragstellers vom 10. Juni 2025 ergibt sich ‒ auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Senats vom 28. Juni 2024 (FamRZ 2024, 1561 [juris Rn. 24 f.]) ‒ nichts anderes. Diesem Beschluss lag der Antrag auf Einsicht in das Unterheft Verfahrenskostenhilfe zum abgeschlossenen Verfahrenskostenhilfeverfahren zugrunde. Bei diesem handelt es sich um ein auch formal vom Hauptverfahren abgrenzbares „Unterverfahren“, dessen abgeschlossener und keine richterliche Kognition mehr erfordernder Gehalt für den weiteren Gang des Hauptverfahrens keine Rolle mehr spielt. So liegt der Fall hier nicht. Das Einsichtsgesuch betrifft die Akte des laufenden Hauptverfahrens, in dem durchaus weitere spruchrichterliche Tätigkeit erforderlich werden kann. Darauf abzustellen, dass dies gerade mit Blick auf die zwei betreuungsgerichtlich nicht genehmigten Kaufverträge nicht der Fall sei, erscheint nicht überzeugend. Es wäre nicht nur unpraktikabel, sondern auch nicht sachgerecht, ein (in der Regel über mehrere Jahre laufendes) Betreuungsverfahren gedanklich in eine Vielzahl von Einzelakten zu zerlegen und die Verfahrensakte hinsichtlich eines jeden für sich betrachtet abgeschlossenen Einzelakts als Akte eines abgeschlossenen Verfahrens anzusehen. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass das Einsichtsgesuch, auch wenn es durch einen solchen für sich abgeschlossenen Einzelakt veranlasst worden ist, dennoch (auch) Aspekte betrifft, die auch im weiteren Betreuungsverfahren noch zum Tragen kommen und spruchrichterliche Tätigkeit verlangen. Im vorliegenden Fall wird das dadurch besonders deutlich, dass der Antragsteller keineswegs nur einzelne Aktenbestandteile einsehen will, die ausschließlich einen der beiden Kaufverträge zum Gegenstand haben; vielmehr will er, bezogen auf den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 7. Mai 2025, die gesamte Betreuungsakte einsehen.
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ee) Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 30. März 2025 ist somit die Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG und nicht der gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG der statthafte Rechtsbehelf.
18
c) Jedoch gilt der Grundsatz der Meistbegünstigung in Bezug auf Entscheidungen, die nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form oder in der für den Verfahrensgegenstand einzuhaltenden Verfahrensart ergangen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2015, XII ZB 75/13, NJW-RR 2016, 67 Rn. 21; Beschluss vom 29. Mai 2013, XII ZB 374/11, NJW 2013, 2358 Rn. 7, je m. w. N.), wie auch in Bezug auf Entscheidungen, deren Inhalt im Hinblick auf ihre Anfechtbarkeit falsch oder unklar ist (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2015, XII ZB 586/14, NJW-RR 2015, 1346 Rn. 8). Dies ist hier insbesondere im Hinblick auf die Bezeichnung der mit „Beschluss“ überschriebenen Entscheidung vom 30. März 2025 als „Bescheid“ in der Rechtsbehelfsbelehrungder Fall, die nach den obigen Ausführungen zudem in der Sache fehlerhaft ist. Danach findet sowohl das Rechtsmittel statt, das gegen die tatsächlich ergangene Entscheidung gegeben ist, als auch wahlweise dasjenige, das bei einer in der richtigen Form und im korrekten Verfahren getroffenen Entscheidung eröffnet wäre.
19
d) Der vom Antragsteller gewählte Rechtsbehelf erfüllt die Voraussetzungen, die an die Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG zu stellen sind.
20
Bei Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes müssen die Zulässigkeitsvoraussetzungen desjenigen Rechtsbehelfs eingehalten werden, für den sich der Beteiligte entschieden hat (BGH, Urt. v. 28. Juni 2002, V ZR 74/01, NJW-RR 2002, 1651 [juris Rn. 12]; BayObLG NJW-RR 2023, 503 Rn. 22). Der Antrag, den Beschluss des Amtsgerichts vom 30. März 2025 aufzuheben und dem Antragsteller die begehrte Akteneinsicht zu gewähren, ist (in Übereinstimmung mit der erteilten Rechtsbehelfsbelehrung) als Verpflichtungsantrag gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EGGVG auszulegen.
21
Dessen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind eingehalten. Der Antrag ist schriftlich innerhalb der einmonatigen Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG bei dem nach § 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG zuständigen Gericht gestellt worden. Dem Begründungserfordernis des § 24 Abs. 1 EGGVG genügt der Antrag. Ob die rechtliche Sicht des Antragstellers zutrifft, kann im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung dahinstehen (BayObLG NJW-RR 2023, 503 Rn. 23; OLG Hamm, Beschluss vom 17. Januar 1983, 7 VAs 63/82, juris).
22
2. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Entscheidung über das Aufhebungsbegehren nicht zuständig und hat das Verfahren an das für die Sachentscheidung zuständige Gericht zu verweisen.
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a) Das angerufene Gericht hat das weitere Verfahren so zu betreiben, wie dies im Fall einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wäre (BGH, Beschluss vom 22. August 2018, XII ZB 312/18, NJW 2018, 3189 Rn. 10; Beschluss vom 2. September 2015, XII ZB 75/13, NJW-RR 2016, 67 Rn. 22). Der in zulässiger Weise eingelegte Rechtsbehelf ist deshalb als das Rechtsmittel zu behandeln, das gegen eine im richtigen Verfahren ergangene Entscheidung statthaft ist.
24
b) Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG ist nach § 72 Abs. 1 Satz 2 GVG das Landgericht Augsburg.
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c) Die Sache ist in Rechtsanalogie zu § 17a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 GVG an das für die Entscheidung über die Beschwerde zuständige Rechtsmittelgericht zu verweisen; aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Oktober 2020, 1 ARs 3/20, juris, folgt keine andere Bewertung (BayObLG NJW-RR 2023, 503 Rn. 27).
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3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob die Bescheidung des von einem Dritten gestellten Antrags auf Einsicht in die Akte eines noch laufenden Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Akt der Rechtsprechung oder als Justizverwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist von grundsätzlicher Bedeutung und auch nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. November 2023 (NJW-RR 2024, 672) noch nicht geklärt (vgl. oben zu 1. b] cc]).