Inhalt

VGH München, Beschluss v. 18.06.2025 – 2 ZB 23.896, 2 ZB 23.897, 2 ZB 23.898, 2 ZB 23.899
Titel:

Klage gegen Gebührenerhebung für Baugenehmigung

Normenketten:
BayKG Art. 5 Abs. 4, Art. 6 Abs. 2, Art. 16 Abs. 5
BayBO Art. 63
Leitsätze:
1. Im Rahmen von Art. 16 Abs. 5 BayKG findet eine vollständige Rechtmäßigkeitsprüfung der Amtshandlung, für die eine Gebühr erhoben wird, nur dann stattfindet, wenn ein sonstiger Rechtsbehelf gegen diese Amtshandlung nicht gegeben ist. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die (bloße) Beantragung einer isolierten Abweichung scheidet aus, wenn es sich weder um ein genehmigungsfreies Bauvorhaben handelt, noch eine Abweichung von Rechtsvorschriften beantragt werden soll, die im Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft werden. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Von einem Tekturantrag oder einer Tekturgenehmigung kann nur gesprochen werden, wenn die Identität des (genehmigten) Vorhabens gewahrt bleibt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtmäßigkeit einer Gebührenerhebung für eine Baugenehmigung bei Streit über deren Erforderlichkeit, Gebührenrecht, Baugenehmigung, Tekturgenehmigung, Abweichung
Vorinstanzen:
VG München, Urteil vom 18.01.2023 – M 29 K 21.1610
VG München, Urteil vom 18.01.2023 – M 29 K 21.1608
VG München, Urteil vom 18.01.2023 – M 29 K 21.1609
VG München, Urteil vom 18.01.2023 – M 29 K 21.1607
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15796

Tenor

I. Die Verfahren 2 ZB 23.896, 2 ZB 23.897, 2 ZB 23.898 und 2 ZB 23.899 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 185.361,71 € festgesetzt.

Gründe

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Die Anträge der Klägerin auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO haben keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen bzw. nicht ausreichend dargelegt sind.
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1. Die Urteile des Verwaltungsgerichts begegnen im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifeln an ihrer Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Gebührenerhebung für die nach der Grundstücksteilung des ursprünglichen Baugrundstücks in vier neue Buchgrundstücke gestellten Bauanträge ist nach diesem Maßstab rechtmäßig.
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a) Die in allen Verfahren gleichlautende Zulassungsbegründung wiederholt sinngemäß zunächst die erstinstanzliche Behauptung, Art. 16 Abs. 5 BayKG, wonach Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären, nicht erhoben werden dürfen, führe im hier zu entscheidenden Fall dazu, dass die Gebührenerhebung für die nach der Grundstücksteilung neu gestellten Bauanträge bereits deshalb nicht habe erfolgen dürfen, da die neu gestellten Bauanträge im Verhältnis zum ursprünglich genehmigten Bauantrag, der das Gesamtvorhaben auf dem ursprünglichen ungeteilten Baugrundstück betraf, nicht notwendig gewesen seien. Das Erstgericht hat insoweit darauf abgestellt, dass Art. 16 Abs. 5 BayKG nur eine verfahrensimmante Wirkung entfaltete, sodass nur kostenrelevante Fehler im konkreten Baugenehmigungsverfahren, für das die Kosten erhoben wurden, erfasst würden. Ob diese Auffassung zutreffend ist, kann dahinstehen, da anerkannt ist, dass im Rahmen von Art. 16 Abs. 5 BayKG eine vollständige Rechtmäßigkeitsprüfung der Amtshandlung, für die eine Gebühr erhoben wird, nur dann stattfindet, wenn ein sonstiger Rechtsbehelf gegen diese Amtshandlung nicht gegeben ist (vgl. etwa zu einer Gebührenerhebung für die Anwendung polizeilicher Zwangsmaßnahmen BayVGH, U.v. 17.4.2008 – 10 B 07.219 – juris). So liegt der Fall nicht. Die Klägerin räumt selbst ein, dass die Möglichkeit bestanden hätte, keine neuen Bauanträge zu stellen, sondern im Rahmen eines etwaigen Baueinstellungsverfahrens gegen die Realisierung der Vorhaben auf den neugebildeten Grundstücken gerichtlich klären zu lassen, ob die ursprüngliche Baugenehmigung hierfür ausreichend ist oder nicht. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung, nämlich die Genehmigungserteilung für die vier neu gestellten Bauanträge, allenfalls kursorisch zu prüfen, auch wenn viel dafür spricht, dass die Gebührenerhebung bereits deshalb rechtmäßig ist, da die Klägerin aus eigenem Willensentschluss vier neue Bauanträge gestellt hat, die eine Prüfungs- und Verbescheidungspflicht für die Behörde auslösen. Dass insoweit eine nicht anders auflösbare Zwangslage für die Klägerin bestanden habe, da sie an einer best- und damit schnellstmöglichen Verwertung des ursprünglichen bzw. der neugebildeten Grundstücke interessiert gewesen sei und dies den Interessen des bzw. der Käufer entsprechend eine Teilung und schnelle Bebauung bedingt habe, kann zwar aus wirtschaftlichen Gründen nachvollzogen werden, führt aber nicht zur Annahme einer Zwangsausübung durch die Behörde, die bei richtiger Sachbehandlung nicht hätte Platz greifen dürfen.
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Im Rahmen einer kursorischen Prüfung ist nichts dafür ersichtlich, dass die (hilfsweise) Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die ursprüngliche Baugenehmigung habe die Realisierung der Vorhaben auf den neugebildeten vier Buchgrundstücken nicht gedeckt, falsch sein könnte. Mit der Kammer ist davon auszugehen, dass jedenfalls die Neubewertung der Einhaltung der Abstandsflächen – die unstreitig die Erteilung von Abweichungen notwendig machte – in einem weiteren Baugenehmigungsverfahren stattfinden musste. Dem tritt die Zulassungsbegründung nicht substantiiert entgegen. Die Kammer hat insoweit ausgeführt: „Die (bloße) Beantragung einer isolierten Abweichung schied demgegenüber bereits deshalb aus, weil es sich weder um ein genehmigungsfreies Bauvorhaben handelte, noch eine Abweichung von Rechtsvorschriften beantragt werden sollte, die im Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft werden (vgl. zum Anwendungsbereich der isolierten Abweichung Dhom/Simon in: Busse/Kraus, BayBO, Stand: September 2022, Art. 63 Rn. 49 ff.).“ Insoweit wendet die Zulassungsbegründung ausschließlich ein, in Situationen wie der vorliegenden, nämlich nach Teilung des ursprünglichen Baugrundstücks nach Erteilung der Baugenehmigung, müsse eine analoge Anwendung von Art. 63 BayBO dahingehend erfolgen, dass die erforderlichen Abweichungen außerhalb eines neuen Baugenehmigungsverfahren erteilt werden können, ohne für eine solche Rechtsauffassung Belege aus Rechtsprechung und/oder Literatur anzuführen. Bei überschlägiger Prüfung kann das Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Abweichung außerhalb des Baugenehmigungsverfahrens im Wege einer entsprechenden Anwendung von Art. 63 BayBO vom Senat nicht erkannt werden. Gleiches gilt für die Frage, ob die Genehmigung der neu gestellten Bauanträge jeweils im Rahmen einer Tektur möglich gewesen wäre, was das Erstgericht zurecht (hilfsweise) verneint hat. Von einem Tekturantrag oder einer Tekturgenehmigung kann nur gesprochen werden, wenn die Identität des (genehmigten) Vorhabens gewahrt bleibt. Als für die Identität eines Bauvorhabens wesentliche Merkmale werden in der Rechtsprechung Standort, Grundfläche, Bauvolumen, Zweckbestimmung, Höhe, Dachform oder Erscheinungsbild herausgestellt. Ob eine Veränderung dieser für ein Vorhaben charakteristischen Merkmale die Identität von genehmigten und errichteten Vorhaben aufhebt, hängt vom Umfang der Abweichungen und von der Bewertung ihrer Erheblichkeit im jeweiligen Einzelfall ab. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob durch die Änderung Belange, die bei der ursprünglichen Genehmigung des Vorhabens zu berücksichtigen waren, neuerlich oder andere Belange erstmals so erheblich berührt werden, dass sich die Zulässigkeitsfrage neu stellt (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2022 – 1 ZB 22.597 – juris Rn. 10). Das ist im hier zu entscheidenden Fall bereits deshalb zu bejahen, da durch die Teilung neu zu klären war, ob jetzt notwendig gewordene Abweichungen von den Abstandsflächen – die die Klägerin in den neuen Bauanträgen selbst beantragt hat – erteilt werden können, was impliziert, dass das Vorhaben unter Berücksichtigung der vorgenommenen Grundstücksteilungen die Abstandsflächen nicht einhält, sodass sich die Zulässigkeitsfrage tatsächlich neu stellt.
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b) Mit dem Erstgericht und entgegen der Zulassungsbegründung ist auch die Gebührenhöhe nicht zu beanstanden. Eine Anwendung der Tarifstelle 1.25, die nach der Zulassungsbegründung geboten gewesen sei und zu einer Reduzierung der Gebührenhöhe geführt hätte, setzt voraus, dass es sich tatsächlich um eine Tekturgenehmigung handelt. Dass dies nicht der Fall ist, wurde bereits oben unter a) dargelegt. Zwar mag der Prüfungsaufwand durch die Durchführung des ursprünglichen Genehmigungsverfahrens reduziert gewesen sein. Dieser Umstand aber ist nach dem Kostenverzeichnis zum BayKG, das für die bauplanungsrechtliche Prüfung keinen Gebührenrahmen (vgl. Art. 6 Abs. 2 BayKG), sondern eine Wertgebühr von 1‰ bzw. 2‰ der Baukosten vorsieht (vgl. Art. 5 Abs. 4 BayKG), allerdings nicht berücksichtigungsfähig. Eine Reduzierung der Wertgebühr ist ausdrücklich nur für den Fall einer Änderung des Bauvorhabens vorgesehen, nicht aber im Falle eines aus sonstigen Gründen reduzierten Prüfungsaufwands. Soweit die Zulassungsbegründung umfänglich dazu vorträgt, in Bezug auf die erteilten Abweichungen sei der Prüfaufwand für die Behörde erheblich reduziert gewesen, sodass insoweit eine Reduzierung der festgesetzten Gebühr angezeigt gewesen wäre, übersieht sie, dass das Verwaltungsgericht unabhängig hiervon festgestellt hat, dass in Bezug auf die Erteilung von Abweichungen das Kostenverzeichnis selbst bei einer bloßen Änderung des Bauvorhabens keine Reduzierungsmöglichkeit vorsehe. Dieser Annahme des Erstgerichts tritt die Zulassungsbegründung nicht entgegen, sodass es auf die Frage, ob für die Erteilung der Abweichungen der Prüfaufwand tatsächlich reduziert war oder nicht, nicht ankommt.
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2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, diese höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist (vgl. BayVGH, B.v.12.10.2010 – 14 ZB 09.1289 – juris). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig sowie entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 9 ZB 16.2323 – juris). Daran fehlt es hier bereits. Soweit die Zulassungsbegründung unabhängig von der Formulierung einer konkreten Frage meint, die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen zur Vollzugsfähigkeit einer Baugenehmigung nach einer Grundstücksteilung seien verallgemeinerungsfähig, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Frage im hier zu entscheidenden Fall nach dem Maßstab des Art. 16 Abs. 5 BayKG allenfalls kursorisch zu prüfen ist (vgl. oben 1. a), sodass sie bereits aus diesem Grund nicht allgemein klärungsfähig sein kann.
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3. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Dessen Darlegung erfordert nicht nur die genaue Benennung des Gerichts und die zweifelsfreie Angabe seiner Divergenzentscheidung. Darzulegen ist auch, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte tragende Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Sätze müssen einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2008 – 9 B 15.08 – NVwZ 2008, 1115 Rn. 22 m.w.N.). Die von der Zulassungsbegründung in Bezug genommene Entscheidung des Senats (U.v. 28.11.2013 – 2 BV 12.760 – juris) mag die Frage betreffen, ob der Gegenstand einer ursprünglichen Baugenehmigung durch eine nachträgliche Grundstücksteilung wegfällt oder nicht. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an. Vielmehr waren die neuen Baugenehmigungen deshalb erforderlich, da die Grundstücksteilungen eine Neubewertung der Abstandsflächensituation erforderlich machte (vgl. oben 1.a).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
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5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm werden die Urteile des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).