Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.07.2025 – 24 B 24.50034
Titel:

Asylrecht, Dublin-Verfahren (Kroatien), Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh (verneint)

Normenketten:
GRCh Art. 4
EMRK Art. 3
RL 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) Art. 6, 28, 33, 38 f. der
RL 2011/95/EU (Anerkennungsrichtlinie) Art. 2 der
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsatz:
Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat gemäß der Dublin III-Verordnung für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. (Rn. 17-20)
Schlagworte:
Asylrecht, Dublin-Verfahren (Kroatien), Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh (verneint)
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 25.07.2024 – M 10 K 23.50843
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15691

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. Juli 2024 – M 10 K 23.50843 – aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid, mit dem das Bundesamt für ... (im Folgenden: Bundesamt) ihren Asylantrag als unzulässig abgelehnt hat und ihre Abschiebung in die Kroatische Republik (nachfolgend: Kroatien) angeordnet hat.
2
Die Kläger sind türkische Staatsangehörige, reisten am 14. Mai 2023 in das Bundesgebiet ein und stellten am 14. Juni 2023 förmliche Asylanträge. Die Kläger zu 1 und 2 sind die Eltern der minderjährigen Kläger zu 3 bis 6. Die Eurodac-Recherche durch das Bundesamt ergab Treffer der Kategorie 1 und 2 vom 7. Mai 2023 für Kroatien. Mit Schreiben vom 12. Juli 2023 gab die kroatische Dublin-Behörde dem Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamts gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO statt.
3
Im Rahmen der Anhörung gaben die Kläger an, sie seien auf ihrem Weg aufgegriffen worden, aber sie hätten nicht gewusst, dass es Kroatien gewesen sei. Sie hätten sich dort insgesamt zwei Tage aufgehalten und seien dort schlecht behandelt worden. Nachdem ihnen auf der Polizeiwache Fingerabdrücke abgenommen worden seien, habe man sie in ein Camp weitergeschickt, wo sie eine Nacht verbracht hätten. Danach hätten sie einen Lkw bestiegen.
4
Mit Bescheid vom 1. August 2023 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Kroatien an (Nr. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 19 Monate auf dem Tag der Abschiebung. Zur Begründung wird ausgeführt, Kroatien sei für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
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Mit Beschluss vom 22. August 2023 (M 10 S 23.55084) ordnete das Verwaltungsgericht München die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nummer 3 des Bescheids vom 1. August 2023 an.
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Mit Urteil vom 25. Juli 2024 gab das Verwaltungsgericht München der Klage statt und hob den Bescheid vom 1. August 2024 auf. Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig sowie die Abschiebungsanordnung seien rechtswidrig, da nach Auffassung des Verwaltungsgerichts in Kroatien systemische Schwachstellen bestünden. Zur Begründung seiner Auffassung verweist es vollumfänglich auf sein Urteil vom 22. Februar 2024 (M 10 K 22.50479). Das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten in die Beachtung des Unions- und Völkerrechts sei erschüttert, da in Kroatien Pushbacks nicht nur an den Grenzen, sondern auch aus dem Landesinneren heraus erfolgten und massenhaft Dublin-Rückkehrer nach Bosnien und Herzegowina aufgrund eines bilateralen Abkommens abgeschoben würden. Die Polizei wende hierbei regelhaft brutale Gewalt an, was gegen einschlägige UN-Übereinkommen verstoße. Dublin-Rückkehrer würden zudem als Folgeantragsteller behandelt, was einen beachtlichen systemischen Mangel darstelle.
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung.
8
Sie beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. Juli 2024 – M 10 K 23.50843 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
10
Die Kläger stellen keinen Antrag.
11
Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2025 teilten die Kläger mit, dass am 1. Oktober 2024 ein weiteres Kind der Kläger zu 1 und 2 geboren wurde, das sich mittlerweile im Asylverfahren befinde.
12
Die Beteiligten sind gemäß § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO zu einer Entscheidung über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung angehört worden und haben diesbezüglich ihr Einverständnis mitgeteilt.
13
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

14
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
A.
15
Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a Satz 1 VwGO über die Berufung der Beklagten durch Beschluss. Der Senat hält die Berufung einstimmig für begründet (zur Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids im Folgenden unter B.) und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Alle vorliegend maßgeblichen migrationsrechtlichen Fragen sind durch die Rechtsprechung beantwortet. Die tatsächlichen, namentlich auf die Rückkehrsituation im Mitgliedstaat bezogenen Umstände, sind auf Basis der den Beteiligten bekannten Erkenntnismittel in der Rechtsprechung des Senats aktuell aufgeklärt und bewertet. Die individuell auf die Kläger und ihr Migrationsschicksal bezogenen Gegebenheiten lassen sich den vorliegenden Akten ausreichend dokumentiert entnehmen. Mit Blick auf diese Umstände und darauf, dass im Rahmen der Anhörung die Beteiligten keine Einwände gegen das Beschlussverfahren vorgetragen haben und die Sache einfach gelagert ist, überwiegt der mit § 130a Satz 1 VwGO verfolgte Entlastungszweck vorliegend die Funktionen, die einer mündlichen Verhandlung im Normalfall zukommen und rechtfertigt die Entscheidung für das Beschlussverfahren (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 7.12.2023 – 2 B 14.23 – juris Rn. 8 ff. m.w.N
B.
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Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 1. August 2023 zu Unrecht aufgehoben. Der angefochtene Bescheid ist – in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetzes – AsylG – i.d.F. d. Bek. vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Februar 2024 (BGBl I Nr. 54)) – rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Asylantrag der Kläger ist zu Recht als unzulässig abgelehnt worden (I.). Auch Abschiebungsverbote hinsichtlich Kroatiens bestehen nicht (II.). Die Abschiebungsanordnung wie auch das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot sind ebenfalls rechtmäßig (III.).
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I. Die Beklagte hat den Asylantrag in Nummer 1 des Bescheids zutreffend gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG abgelehnt. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl Nr. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) – Dublin III-VO – für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist aufgrund der originären Zuständigkeit Kroatiens der Fall. Sie ist auch nicht aus anderen Gründen auf die Beklagte übergegangen.
18
1. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat zu prüfen sind. Nach Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO bestimmt sich der zuständige Mitgliedstaat nach den Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin III-VO in der dort genannten Rangfolge. Dabei ist gemäß Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Lässt sich anhand dieser Kriterien der zuständige Mitgliedsstaat nicht bestimmen, ist gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.
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2. Aufgrund der illegalen Einreise der Kläger aus einem Drittstaat nach Kroatien ist gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO Kroatien der für die Prüfung ihrer Asylanträge zuständige Mitgliedstaat.
20
Die Zuständigkeit Kroatiens ist insbesondere nicht nach Maßgabe von Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte hat fristgerecht innerhalb von zwei Monaten nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Dublin III-VO gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO ein Wiederaufnahmegesuch gestellt. Kroatien hat sich unter Verweis auf Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO zur Wiederaufnahme der Kläger bereit erklärt. Die Aufnahmeverpflichtung ist auch nicht wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist in Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO erloschen und deshalb die Beklagte zuständig geworden. Vorliegend ist die Frist noch nicht angelaufen. Die Frist beginnt nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 i.V.m. Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO erst mit Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung des Senats, weil die Klage aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom Beschluss vom 22. August 2023 – M 10 S 23.55084 – aufschiebende Wirkung hat.
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3. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Zuständigkeit nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO von Kroatien auf die Beklagte übergegangen.
22
a) Nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO ist der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat selbst für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, wenn es sich als unmöglich erweist, den Asylantragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaats zu überstellen und auch kein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags des Klägers zuständig ist. Als unmöglich erweist sich eine Überstellung, wenn wesentliche Gründe für die Annahme vorliegen, dass kumulativ – erstens – das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die – zweitens – eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh mit sich bringen (vgl. EuGH, U.v. 19.12.2024 – C-185/24 u. C-189/24 – juris Rn. 35; EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 57).
23
Im Zusammenhang mit der Prüfung der Unmöglichkeit im vorstehenden Sinn ist von dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten auszugehen, der im Unionsrecht fundamentale Bedeutung hat. Grundsätzlich hat deshalb jeder Mitgliedstaat davon auszugehen, dass der Umgang mit Personen, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, in jedem anderen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten steht (vgl. BVerwG, B.v. 7.3.2022 – 1 B 21.22 – juris Rn. 13; EuGH, U.v. 19.12.2024 – C-185/24 u. C-189/24 – juris Rn. 30 ff.; EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 43 ff.).
24
Diese Vermutung kann widerlegt werden. Deshalb können bei außergewöhnlichen Umständen systemische Schwachstellen angenommen und die Gefahr einer Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh prognostiziert werden.
25
aa) Aus der Vermutungsregel ergibt sich zum einen, dass das Vorliegen systemischer Schwachstellen und einer hiermit verbundenen Gefahr ausreichend substantiierten Vortrag des Betroffenen voraussetzt (vgl. EuGH, U.v. 19.12.2024 – C-185/24 u. C-189/24 – juris Rn. 39; EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 77 f.; NdsOVG, B.v. 4.12.2023 – 10 LB 91/23 – juris Rn. 30; s.a. für den Fall der bereits erfolgten Schutzgewährung durch einen Mitgliedstaat BayVGH, U.v. 28.3.2024 – 24 B 22.31136 – juris Rn. 23 ff.) und nur auf Basis von objektiven, zuverlässigen, genauen und gebührend aktualisierten Angaben bejaht werden kann (vgl. EuGH, U.v. 19.12.2024 – C-185/24 u. C-189/24 – juris Rn. 40).
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Bei der Würdigung diesen Anforderungen genügender Erkenntnismittel ist zu beachten, dass die Beurteilung der Lage in anderen Ländern meist ohne einen „schlagenden Beweis“ auskommen muss (insoweit zutreffend VG München, U.v. 22.2.2024 – M 10 K 22.50479 – juris Rn. 59) und deshalb in der Regel nur auf Basis einer Gesamtschau jeweils für sich genommen nicht ausreichend deutlicher Tatsachen gelingen kann. Gleichzeitig genügt es aber nicht, nur vereinzelt gesicherte Erkenntnisse mit Einzelberichten ungesicherter Aussagekraft zu verschränken und bestehende Erkenntnislücken durch Erklärungsmuster und Schlussfolgerungen auf Basis richterlicher Plausibilitätsüberlegungen zu schließen.
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bb) Zum anderen folgt aus der Vermutungsregel, dass eine entsprechende Gefahr nicht bereits dann besteht, wenn nicht sicher festzustellen ist, ob im Falle einer Rücküberstellung die Befriedigung einschlägiger Grundbedürfnisse oder eine anderweitig menschenwürdige Behandlung (positiv) sichergestellt ist, sondern nur für den Fall, dass deren Befriedigung oder eine solche Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist und der Drittstaatsangehörige dadurch Gefahr läuft, erheblich beeinträchtigt zu werden (vgl. BVerwG, U.v. 21.11.2024 – 1 C 24.23 – juris Rn. 21).
28
c) Systemische Schwachstellen liegen vor, wenn die in Rede stehenden Schwachstellen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorhanden sind und allgemein das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen betreffen, die für Personen gelten, die internationalen Schutz beantragen, oder zumindest für bestimmte insgesamt betrachtete Personengruppen, die internationalen Schutz beantragen (vgl. EuGH, U.v. 19.12.2024 – C-185/24 u. C-189/24 – juris Rn. 36; EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 59).
29
In welchem Umfang festgestellte schwerwiegende und systematische Verstöße gegen das Unionsrecht das Vertrauen erschüttern, ist eine Frage des Einzelfalls und hängt von der Art und Weise der bestehenden Schwachstelle ab. Im Allgemeinen ist es nicht möglich, aus dem unionsrechtswidrigen Zustand in einem Sach- oder Rechtsbereich auf einen anderen Bereich zu schließen (vgl. OVG NW, B.v. 4.7.2024 – 11 A 2105/23.A – juris Rn. 36, öst. BVwG, E.v. 13.7.2023 – W175 2273165-1 [ECLI:AT:BVWG:2023:W175.2273165.1.00] – pdf-UA S. 32) und hierauf gestützt sodann positiv einen Nachweis für einen rechtskonformen Zustand oder rechtskonformen Umgang mit Betroffenen zu verlangen (vgl. in diese Richtung EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 57, 65).
30
Daraus ergibt sich, dass bereits auf abstrakter Ebene relevant ist, ob von bekannt gewordenen Schwachstellen des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen Dublin-Rückkehrer überhaupt erfasst werden. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts München, die Einschätzung der ganz überwiegenden Rechtsprechung mit dem insinuierten Vorwurf des „blinden Vertrauens“ zu delegitimieren, verfängt daher nicht (U.v. 2.2.2024 – M 10 K 2.50479 – juris Rn. 55 f.).
31
d) Diese Schwachstellen müssen sodann eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, deren notwendige Ausprägung von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Andernfalls können Schwachstellen nicht mit der Gefahr einer von Art. 4 GRCh verbotenen Behandlung verbunden sein. Der Schutzgehalt des Art. 4 GRCh ergibt sich maßgeblich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (vgl. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh i.V.m. Absatz 5 Satz 1 der Präambel der GRCh; s. a. BVerwG, U.v. 21.11.2024 – 1 C 24.23 – juris Rn. 22).
32
aa) Vor diesem Hintergrund kann die Schwelle der Erheblichkeit insbesondere erreicht werden, wenn im zuständigen Mitgliedstaat die Behörden gegenüber Rückkehrern derart gleichgültig sind, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not gerät, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden („Bett, Brot und Seife“), und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EuGH, U.v. 19.12.2024 – C-185/24 u. C-189/24 – juris Rn. 37; EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 63 ff. m.w.N.; s.a. BVerwG, B.v. 13.11.2023 – 1 B 40.23 – juris Rn. 10; U.v. 21.11.2024 – 1 C 24.23 – juris Rn. 21).
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bb) Eine einschlägige Gefahr kann sich nicht nur aus entsprechend schlechten Lebensbedingungen ergeben, in die hinein ein Betroffener überstellt würde, sondern auch aus anderen Bedingungen, etwa im Falle zu erwartender Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen (vgl. EuGH, U.v. 29.2.2024 – C-392/22 – juris Rn. 57 ff. m. Anm. Pfersich ZAR 2024, 173/174). Aber auch ein unionsrechtswidriger Umgang mit von Rückkehrern gestellten Anträgen auf internationalen Schutz kann zu einem systemischen Mangel führen, der eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 GRCh mit sich bringt. Das kann zu bejahen sein, wenn der Staat, in den die Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens stattfinden soll (hier Kroatien), rechtswidrigerweise Unzulässigkeitsentscheidungen erlässt, dagegen keine Rechtsmittel möglich sind und die Betroffenen ohne sachliche Prüfung von Schutzgesuchen entweder in vermeintlich sichere Drittstaaten oder den Herkunftsstaat abgeschoben werden.
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Für sich genommen kann zwar die Verweigerung eines rechtmäßigen Asylverfahrens keine unmenschliche Behandlung darstellen, weil Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK (nur) vor der Zufügung – mehr oder weniger ausgeprägter – physischer oder psychischer Leiden oder Schmerzen schützen (vgl. Jarass, GRCh, 4. Aufl. 2021, Art. 4 Rn. 7 m.w.N.; ausführlich Bank in Dörr/Grothe/Marauhn, EMRK/GG, 3. Aufl. 2022, Kap. 11 Rn. 21 ff.). Allerdings kann eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegen, weil nach recht weitgehender, aber ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Art. 3 EMRK über eine Verfahrensdimension verfügt, die verpflichtet, sich im Rahmen einer Abschiebung wegen der Zuständigkeit eines anderen Staats zu vergewissern, ob das den Betroffenen erwartende Asylverfahren in diesem Staat ausreichende Garantien gegen eine direkte oder indirekte Abschiebung in sein Herkunftsland bietet, ohne dass die ihm unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 EMRK drohenden Gefahren angemessen geprüft worden sind. Wäre in Kroatien das Entfallen einer solchen Prüfung zu erwarten, läge hierin grundsätzlich eine Verletzung von Art. 3 EMRK, die für Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO relevant wäre (vgl. EGMR, U.v. 15.10.2024 – 13337/19 – NVwZ 2025, 157 Rn. 138 ff. – HT/Deutschland und Griechenland; EGMR, U.v. 21.11.2019 – 47287/15 – NVwZ 2020 937 Rn. 134 – Ilias u. Ahmed/Ungarn; zur Kritik Fritzsch/Haefeli NVwZ 2024, 468/473; Kluth ZAR 2024, 419/421; zu Ausnahmen für den wiederholten Versuch der Durchreise durch Kroatien ohne Stellung eines Asylantrags vgl. schweiz. BVGer, U.v. 2.3.2023 – E-148/2020 – Rn. 10.1).
35
Bei der Prüfung der Frage, ob das den Betroffenen (hier in Kroatien) erwartende Asylverfahren ausreichende Garantien gegen eine direkte oder indirekte Abschiebung im vorstehenden Sinn kennt, verlangt im Verhältnis von Mitgliedstaaten der Europäischen Union zueinander der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens Beachtung. Entsprechend bedarf es auch insoweit objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben, auf deren Basis die Vermutung erschüttert wird und die der Mitgliedstaat von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. EGMR Urt. v. 6.2.2024 – 80206/17 – BeckRS 2024, 1241 Rn. 60 ff. und Rn. 65; EGMR, U.v. 21.11.2019 – 47287/15 – NVwZ 2020 937 Rn. 141 – Ilias u. Ahmed/Ungarn; EGMR, U.v. 21.1.2011 − 30696/09 – NVwZ 2011, 413 Rn. 365 f. – M.S. S./Belgien u. Griechenland, der für seine Kontrollzuständigkeit von ernsthaften und stichhaltigen Gründen spricht; zusammenfassend Letsche/Rössler in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 1.7.2024, Art. 3 EMRK Rn. 30 ff. m.w.N.).
36
e) Ferner erfordert der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit stets eine zeitliche Nähe des Gefahreneintritts. Die Gefahr muss in dem Sinne konkret sein, dass die drohende Beeinträchtigung in einem solchen engen zeitlichen Zusammenhang mit der Überstellung durch den EU-Mitgliedstaat eintritt, dass bei wertender Betrachtung noch eine Zurechnung zu dieser Überstellung – in Abgrenzung zu späteren Entwicklungen im Zielstaat oder gewählten Verhaltensweisen des Ausländers – gerechtfertigt erscheint. Wo die zeitliche Höchstgrenze für einen solchen Zurechnungszusammenhang im Regelfall zu ziehen ist, ist keiner generellen Bestimmung zugänglich (vgl. BVerwG, U.v. 21.11.2024 – 1 C 24.23 – juris Rn. 24 ff. m.w.N.).
37
Dass bei der Überstellung von Asylbewerbern im Dublin-Verfahren nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs möglicherweise eine zeitlich weitere Perspektive in den Blick zu nehmen ist, weil es auch auf den Zeitraum nach Abschluss des Asylverfahrens ankommt, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Überzeugend geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht dahin zu verstehen ist, dass die Gefahr von Art. 4 GRChwidrigen Umständen dauerhaft ausgeschlossen sein muss. Eine zeitlich derart unbestimmte Prognose lässt sich schon nicht sinnvoll treffen und kann dem Erfordernis einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts nicht gerecht werden (BVerwG, U.v. 21.11.2024 – 1 C 24.23 – juris Rn. 26).
38
2. Vor diesem Hintergrund geht der Senat auf Basis der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch weiterhin (vgl. bereits BayVGH, U.v. 28.1.2025 – 24 B 24.50035 – juris Rn. 35 ff.) davon aus, dass in Kroatien keine systemischen Mängel des Asylsystems bestehen (vgl. auch OVG NW, B.v. 4.7.2024 – 11 A 2105/23.A – juris Rn. 17 ff.; NdsOVG, B.v. 4.12.2023 – 10 LB 91/23 – juris Rn. 110 ff.; VGH BW, U.v. 11.5.2023 – A 4 S 2666/22 – Rn. 36 ff.; öst. BVwG, E.v. 13.7.2023 – W175 2273165-1 [ECLI:AT:BVWG:2023:W175.2273165.1.00] – pdf-UA S. 31 ff.; Überblick zur Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte in der Europäischen Union, die überwiegend systemische Mängel verneinen: AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 52 ff.; EUAA Asylum Report 2024, S. 89 f.).
39
Gemessen an den beschriebenen Maßstäben steht nach Auswertung der dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO der Zuständigkeit Kroatiens und damit der Rechtmäßigkeit des Bescheids nicht entgegen. Es bestehen keine ausreichend belastbaren Erkenntnisse darüber, dass das Asylsystem in Kroatien für Dublin-Rückkehrer insbesondere hinsichtlich des sie betreffenden Verfahrens oder hinsichtlich des tatsächlichen Umgangs erhebliche systemische Schwachstellen aufweist, die für sie die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung begründen. Es fehlt durchgängig an Nachweisen, die die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefährdung spezifisch für Dublin-Rückkehrer tragen. Namentlich ist nicht anzunehmen, dass Dublin-Rückkehrer ohne die Möglichkeit ausreichend effektiven Rechtsschutzes von vornherein keine Asylanträge mit Erfolgsaussichten stellen können, weil sie entweder als Folgeantragsteller (a) oder so behandelt würden, als wären sie aus einem sicheren Drittstaat nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. c der RL 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) eingereist (b) oder weil sie ohnehin unter Vorenthaltung eines Asylverfahrens in Nachbarstaaten abgeschoben würden (c).
40
a) Eine Gefahr i.S.v. Art. 4 GRCh i.V.m. Art. 3 EMRK ergibt sich für Dublin-Rückkehrer nicht daraus, dass sie unter Verstoß gegen Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO systematisch als Folgeantragsteller behandelt würden, ihre Anträge deshalb von vornherein kaum Erfolg haben könnten und die Rückkehrer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ohne angemessene Prüfung von für Art. 3 EMRK relevanten Gefahren abgeschoben würden.
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aa) In der Regel kommen Dublin-Rückkehrer, die nach Kroatien überstellt werden, am Flughafen in Zagreb an (zur eher geringen Zahl an Dublin-Rückkehrern vgl. AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 47 f.; Antwort der Bundesregierung vom 27.3.2024, BT-Drs. 20/10869, S. 99, und vom 2.9.2024, BT-Drs. 20/12757, S. 10; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Kroatien, 2025, S. 18). Von dort aus müssen sie sich in ein Aufnahmezentrum für Asylbewerber begeben und können dort förmliche Asylanträge stellen (vgl. AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 58; EUAA, Information on procedural elements and rights of applicants subject to a Dublin transfer to Croatia, 2023, Nr. 1.1; 2.1; Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Kroatien, 2025, S. 18 f.; öst. BVwG, E.v. 13.7.2023 – W175 2273165-1 [ECLI:AT:BVWG:2023:Wl175.2273165.1.00] – pdf-UA S. 33). Die sich anschließende asylverfahrensrechtliche Behandlung richtet sich nach dem jeweiligen Status der Betroffenen vor ihrer Ausreise aus Kroatien.
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bb) Wurde der vorherige förmliche Asylantrag eines Dublin-Rückkehrers durch Kroatien bereits abgelehnt, kann dieser erneut einen Antrag auf internationalen Schutz stellen. Es handelt sich um einen Folgeantrag (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 13 des kroatischen Asylgesetzes (Zakon o međunarodnoj i privremenoj zaštiti – abrufbar unter https://www.zakon.hr/z/798/zakon-o-me%C4%91unarodnoj-i-privremenoj-za%C5%A1titi; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Kroatien, 2025, S. 19). Hiergegen ist unionsrechtlich nichts zu erinnern.
43
cc) Hatte die überstellte Person nach Anbringung ihres formlosen Antrags i.S.v. Art. 2 Buchst. h der RL 2011/95/EU (Anerkennungsrichtlinie) und vor ihrer Weiterwanderung keinen förmlichen Asylantrag i.S.v. Art. 6 Abs. 2 der RL 2013/32/EU in einem Aufnahmezentrum in Kroatien gestellt, so wird das Verfahren von Amts wegen eingestellt, da nach kroatischem Recht diese Fälle so zu behandeln sind, als ob der Betroffene seinen Asylantrag zurückgenommen hätte (vgl. AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 38). Es handelt sich um einen sehr häufigen Fall. Auch die Kläger im vorliegenden Verfahren haben ausweislich ihres Vortrags beim Bundesamt nach ihrer Registrierung eine Nacht im Aufnahmecamp verbracht und sind bereits am nächsten Tag mit einem Lkw weitergezogen und haben keine Asylanträge gestellt. Kroatien ist für Migranten vorrangig nicht Ziel-, sondern Transitland. Die überwiegende Mehrheit durchquert das Land auf dem Weg nach Mittel- und Westeuropa nur und stellt daher häufig keinen förmlichen Asylantrag (vgl. AIDA, Country Report Croatia, Update 2022, S. 16 f.; AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 17, 39; EUAA Asylum Report 2024, S. 134; vgl. auch schweiz. BVGer, U.v. 22.3.2023 – E-1488/2020 – Rn. 9.3.3; DRC – Dansk Flygtningehjælp, Landerapport Kroatien, S. 31 Nr. 31; vgl. zu den Schleuserrouten Richtung Kroatien die graphische Darstellung in Danish Refugee Council, Mixed migration in the Western Balkans, Stand August 2024, S. 13). Entsprechend haben im Jahr 2022 zwar knapp 13.000 Personen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation Kroatien, Version 2, Stand 14.4.2023, S. 2 – im Folgenden BFA 2023) und im Jahr 2023 rund 68.000 Personen (vgl. AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 37) in Kroatien formlose Anträge i.S.v. Art. 2 Buchst. h der RL 2011/95/EU gestellt, aber nur etwa in 2 bis 3% der Fälle wurden auch förmliche Asylanträge i.S.v. Art. 6 Abs. 2 der RL 2013/32/EU gestellt (vgl. AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 39; vgl. zum Verfahrensablauf die Beschreibung dort S. 36 ff.).
44
Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass die Einstellungsquote in Kroatien sehr hoch ist (vgl. EUAA Asylum Report 2024, S. 117). Hiergegen ist unionsrechtlich aber grundsätzlich nichts zu erinnern (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 28 der RL 2013/32/EU).
45
Ein Rückkehrer, dessen Verfahren hiernach eingestellt wurde, kann nach kroatischem Recht seinen Asylantrag (erneut) registrieren lassen und einen förmlichen Antrag stellen. Das Verfahren wird in diesem Fall wieder aufgenommen. Es handelt sich dabei um ein Erstverfahren, hingegen nicht um ein Folgeantragsverfahren; nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 13 des kroatischen Asylgesetzes setzt ein Folgeantrag eine vollstreckbare Entscheidung voraus, die in diesen Fällen gerade nicht ergangen ist (vgl. AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 79; vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Kroatien, 2025, S. 20). Auch insoweit bestehen keine unionsrechtlichen Bedenken gegen die kroatische Vorgehensweise.
46
dd) Wurde ein Antrag vor der Weiterreise durch den Betroffenen indes explizit zurückgezogen, muss der Dublin-Rückkehrer ausweislich einiger Erkenntnismittel wohl in der Regel einen Folgeantrag stellen (vgl. BFA 2023 S. 3; AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 57/Fn. 230 – jeweils unter Verweis auf Balkan route reversed 2016, S. 30; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Kroatien, 2025, S. 15 u. 20). Abgesehen davon, dass die maßgeblich zitierte Quelle „Balkan route reversed“ bereits neun Jahre alt ist, und daher nicht ohne Weiteres noch für die Gegenwart maßgeblich sein kann, begründet der gegebenenfalls vorliegende Verstoß gegen Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO keine Gefahr i.S.v. Art. 4 GRCh.
47
Denn für die Bewertung einer entsprechenden Gefahr kommt es nicht allein darauf an, wie in der behördlichen Praxis Asylanträge von Dublin-Rückkehrern behandelt werden. Entscheidend ist vielmehr (auch), ob den Betroffenen gegen eine etwaige unionsrechtswidrige Behandlung ausreichender Rechtsschutz zur Verfügung steht (vgl. VGH BW, U.v. 11.5.2023 – A 4 S 2666/22 – juris Rn. 85 ff.; NdsOVG, U.v. 11.10.2023 – 10 LB 18/23 – juris Rn. 118). Denn die Funktion der Verfahrensgarantie des Art. 3 EMRK ist nicht, deutsche Gerichte zu ermächtigen, die Rechtsordnung anderer Mitgliedstaaten zu ihrem Gegenstand zu machen. Weder obliegt es deutschen Gerichten die Richtigkeit von gerichtlichen Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten über erhobene asylrechtliche Klagen noch die Rechtsordnung dieser Staaten auf ihre Unionsrechtskonformität hin zu überprüfen (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2023 – 24 ZB 23.30260 – juris Rn. 23).
48
Diese einer verfahrensrechtlichen Verletzung von Art. 3 EMRK entgegenstehende Rechtsschutzperspektive vernachlässigt das Verwaltungsgericht, wenn es anzunehmen scheint, dass bereits eine systemische rechtswidrige Praxis der Asylantragsverbescheidung der Verwaltung eines Mitgliedstaats einer Rücküberstellung entgegenstehe (vgl. VG München, U.v. 22.2.2024 – M 10 K 2.50479 – juris Rn. 63).
49
Dass Kroatien über keine funktionierende Verwaltungsgerichtsbarkeit verfügt, so dass (unions-)rechtswidrige Entscheidungen von vornherein nicht mit Erfolg angegriffen werden könnten, ist nicht der Fall. Gegen die Entscheidungen über den Asylantrag sind die Verwaltungsgerichte zuständig; Rechtsmittel haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung, der Zugang zu den Gerichten ist auch nicht erschwert und Prozesskostenhilfe ist möglich (vgl. AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 44 ff.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Kroatien, 2025, S. 16 f.; hpc, Information for people seeking international protection in the Republic of Croatia, 2024, S. 10, 14). Das gilt auch für Unzulässigkeitsentscheidungen (vgl. AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 60; siehe auch BFA 2023 S. 1 f.; NdsOVG, U.v. 11.10.2023 – 10 LB 18/23 – juris Rn. 97; VGH BW, U.v. 11.5.2023 – A 4 S 2666/22 – juris Rn. 85; VG Düsseldorf, B.v. 19.2. 2024 – 12 L 261/24.A – juris Rn. 42). Wenn Betroffene gar keinen Rechtsschutz suchen, sondern – ihrer häufig bestehenden Absicht entsprechend – zielstrebig Kroatien verlassen, weil ihr Migrationsziel ein anderer EU-Mitgliedstaat ist, so resultiert hieraus kein rechtlich relevantes Rechtsschutzdefizit.
50
b) Eine Gefahr i.S.v. Art. 4 GRCh i.V.m. Art. 3 EMRK lässt sich für Dublin-Rückkehrer entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht damit begründen, dass Kroatien Bosnien und Herzegowina oder andere Staaten als sichere Drittstaaten i.S.v. Art. 39 der RL 2013/32/EU behandele, deshalb gegenüber Dublin-Rückkehrern in der Regel eine Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. c der RL 2013/32/EU erlasse und daher den Asylantrag nicht in der Sache prüfe, sondern die Betroffenen in die sicheren Staaten abschieben würde.
51
aa) Den Erkenntnismitteln lässt sich entnehmen, dass das Konzept des sicheren Drittstaats in Kroatien keine, jedenfalls keine systematische Anwendung findet (vgl. EUAA, Safe country concept asylum procedure, 2022, S. 15; AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 82; BFA 2023, S. 7; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Kroatien, 2025, S. 15).
52
(1) Eine allgemeine länderspezifische Entscheidung Kroatiens, vom sowohl völkerrechtlich (vgl. Art. 33 Nr. 1, Art. 31 Nr. 2 GFK, hierzu Diehl in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 1.7.2024, Art. 33 GFK Rn. 27) als auch unionsrechtlich (vgl. Art. 38 f. der RL 2013/32/EU) grundsätzlich vorgesehenen Konzept des sicheren Drittstaats Gebrauch zu machen, ist nicht ersichtlich. Nach Art. 38 Abs. 5 und Art. 39 Abs. 7 der RL 2013/32/EU sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die EU-Kommission regelmäßig zu unterrichten, auf welche Staaten das Konzept des sicheren Drittstaats angewendet wird. Einen solchen Bericht gibt es nicht. Kroatien führt keine Liste sicherer Drittstaaten (vgl. Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, Empirische und statistische Informationen zum Konzept sicherer Drittstaaten im Asylrecht – WD 3 – 3000 – 113/23 – 2023, S. 5; EUAA, Applying the Concept of Safe Countries in the Asylum Procedure, 2022, S. 13). Nach Auskunft des kroatischen Innenministeriums für das Jahr 2023 ist das Konzept des sicheren Drittstaats nicht angewendet worden (vgl. AIDA, Country Report Coratia, Update 2023, S. 82). Auch Recherchen des Senats haben zu keinen anderen Erkenntnissen geführt.
53
(2) Darüber hinaus fehlen belastbare Hinweise darauf, dass Kroatien das Konzept systematisch einzelfallbezogen anwendet, wie es in Art. 45 Abs. 2 des kroatischen Asylgesetzes grundsätzlich ermöglicht wird. Nach einer Entscheidung des kroatischen Verfassungsgerichtshofs darf das vom Verwaltungsgericht mehrfach exemplarisch herangezogene Serbien ohnehin nicht als sicherer Drittstaat angesehen werden (vgl. Verfassungsgerichtshof vom 4.3.2021 – U-III-4865/2018 u.a. – Rn. 25, abrufbar im Original unter https://sljeme.usud.hr/usud/praksaw.nsf/vPremaDatumuDonos.xsp; Zusammenfassung (mit Angabe eines falschen Aktenzeichens) unter https://caselaw.euaa.europa.eu/pages/viewcaselaw.aspx?CaseLawID=1823). Die Annahme des Verwaltungsgerichts, diese Entscheidung würde nicht beachtet (U.v. 2.2.2024 – M 10 K 22.50479 – juris Rn. 28), findet in den von ihm herangezogenen Quellen keine Stütze. Weder dort noch in den weiteren in Bezug genommenen Quellen wird auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts Bezug genommen; ebenso wenig ist erkennbar, dass dort Pushbacks beschrieben werden, die andere Personen als erstmals ankommende Migranten betreffen.
54
(3) Umgesetzt ist in Kroatien (nur) das Konzept des sicheren Herkunftsstaats (vgl. EUAA Safe country concept_asylum_procedure, 2022, S. 5 f.), zu dem wohl auch Bosnien und Herzegowina gehört (vgl. BFA 2023 S. 7). Für die Türkei – die Kläger sind türkische Staatsangehörige – wird das Konzept nicht angewendet (vgl. AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 80 ff.; BFA 2023, S. 6; vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Kroatien, 2025, S. 14).
55
bb) Ungeachtet dessen hindert jedenfalls die Möglichkeit, in Kroatien effektiven Rechtsschutz gegen unionsrechtswidrige Entscheidungen der kroatischen Behörden zu erlangen, die Annahme, dass es insbesondere an einer angemessenen Prüfung von drohenden Art. 3 EMRK-Gefahren im Herkunftsstaat fehlen würde (s. oben Rn. 49).
56
c) Eine Gefahr i.S.v. Art. 4 GRCh i.V.m. Art. 3 EMRK für Dublin-Rückkehrer lässt sich schließlich auch nicht damit begründen, dass Kroatien systematisch (Ketten-)Abschiebungen in Nachbarstaaten (gleich, ob diese sichere Drittstaaten sind oder nicht) vornimmt und deshalb nach einer Rücküberstellung systematisch das Stellen von Asylanträgen oder die Durchführung der Asylverfahren verhindern würde. Es fehlen ausreichend belastbare Erkenntnismittel, dass Dublin-Rückkehrer trotz bekundetem Willen, sich einem Asylverfahren in Kroatien zu unterziehen, an die Landesaußengrenze verbracht und brutal in einen Nachbarstaat zurückgedrängt werden (vgl. schweiz. BVGer, U.v. 22.3.2023 – E-148/2020 – Rn. 9.4.1). Weder die bestehenden Rückübernahmeabkommen mit Bosnien und Herzegowina oder Serbien (aa) noch andere Anhaltspunkte rechtfertigen die Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts (bb).
57
aa) Kroatien hat mit den maßgeblichen Nachbarstaaten Bosnien und Herzegowina sowie Serbien Rückübernahmeabkommen abgeschlossen. Allerdings tragen weder diese Abkommen noch ihre Vollzugspraxis eine einschlägige Gefahrenprognose. Das Verwaltungsgericht unterliegt einem normativistischen Fehlschluss, wenn es der Sache nach bereits aus ihrer schlichten Existenz auf dessen praktische Verwirklichung durch Massenabschiebung schließt.
58
Solche Abkommen sind ein gewöhnliches Instrument zur Realisierung bestehender Ausreisepflichten (vgl. nur Art. 3 Nr. 3 Spiegelstrich 2 und Art. 6 Abs. 3 der RL 2008/115/EG – Rückführungsrichtlinie). Sie bilden im Allgemeinen und auch im vorliegenden Fall den rechtlichen Rahmen für Abschiebungen von Menschen, die keinen Asylantrag gestellt haben und sich deshalb illegal in Kroatien aufhalten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Kroatien, 2025, S. 15). Sie besagen allerdings nichts über den rechtlichen oder praktischen Umgang mit Dublin-Rückkehrern und tragen daher auch keine hierauf gestützten Vermutungen, zumal das Abkommen mit Bosnien und Herzegowina für den Fall eines noch nicht abgeschlossenen Asylverfahrens im ersuchenden Staat (Kroatien) nach seinem Art. 3 Buchst. e schon gar keine Pflicht zur Wiederaufnahme durch Bosnien und Herzegowina vorsieht.
59
bb) Ferner bestehen keine aussagekräftigen und spezifischen Erkenntnismittel, die die Annahme des Verwaltungsgerichts rechtfertigen, „die tatsächliche Situation“ unterscheide sich nicht „zwischen Erstankommenden in Kroatien von derjenigen, mit denen [Dublin-Rückkehrer] nach Ende des Abschiebungsvorgangs konfrontiert wären“ (VG München, U.v. 22.2.2024 – M 10 K 22.50479 – juris Rn. 45; vgl. auch Rn. 21 f., 44). Der aus einer zumindest teilweise fragwürdigen Behandlung von erstmals die Außengrenze erreichenden Migranten resultierende Verdacht eines „Gefährdungszusammenhangs zwischen Pushbacks und Dublin-Rückkehr“ (schweiz. BVGer, U.v. 22.3.2023 – E-1488/2020 – Rn. 9.4.4) lässt sich nicht erhärten. Es bedürfte entsprechender Erkenntnisse für die Betroffenheit von Dublin-Rückkehrern (vgl. auch schweiz. BVGer, U.v. 22.3.2023 – E-1488/2020 – Rn. 9.4.1; s.a. Rn. 7.4, 9.3.2 u. 9.3.5; VGH BW, U.v. 11.5.2023 – A 4 S 2666/22 – juris Rn. 31; öst. BVwG, E.v. 13.7.2023 – W175 2273165-1 [ECLI:AT:BVWG:2023:W175.2273165.1.00] – pdf-UA S. 32). Diese fehlen.
60
(1) Von vornherein lässt sich eine einschlägige Gefährdung nicht aus den zumindest wohl noch teilweise praktizierten Pushbacks gegenüber erstmals die Außengrenze Kroatiens erreichenden Migranten ableiten (vgl. zum immerhin zu beobachtenden Rückgang Mixed Migration Center (MMC)/Danish Refugee Council (DRC), Mixed migration in the Western Balkans, Stand August 2024, S. 13 f.; Mixed Migration Center, Western Balkans Mixed Migration Trends and Dynamics, 2023, S. 6, 17, 24, 48 f.; AIDA, Country Report Croatia, Update 2023, S. 28 ff.; BFA 2023 S. 8: Danish Refugee Council, Border Monitoring Factsheet, März 2024).
61
Es ist unzulässig, aus einem unionsrechtswidrigen Zustand in einem Sach- oder Rechtsbereich auf einen anderen zu schließen (vgl. Rn. 56), wenn auf der Hand liegt, dass aus einem Umgang mit erstmals ankommenden Migranten nichts für den Umgang mit Migranten folgen kann, die in Rahmen eines intra-europäischen Verwaltungsverfahrens wegen einer bereits begründeten Zuständigkeit Kroatiens mit dessen Zustimmung überstellt werden (vgl. OVG NW, B.v. 4.7.2024 – 11 A 2105/23.A – juris Rn. 29; NdsOVG, B.v. 4.12.2023 – 10 LB 91/23 – juris Rn. 134; VGH BW, U.v. 11.5.2023 – A 4 S 2666/22 – juris Rn. 81). Das gegenseitige Vertrauen hinsichtlich eines unionsrechtskonformen Umgangs mit Dublin-Rückkehrern gegenüber Kroatien ist folglich insoweit nicht erschüttert. Positiver Belege für einen rechtskonformen Umgang mit Dublin-Rückkehrern bedarf es daher nicht. Allein, dass es „nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Pushbacks auch Dublin-Rückkehrende betreffen“ genügt für Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO gerade nicht (in diesem Sinne aber: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Kroatien, 2025, S. 30). Es überzeugt daher auch nicht, wenn das Verwaltungsgericht anzunehmen scheint, dass bestehende Erkenntnisdefizite durch eine zumindest partielle Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten kompensiert werden können (vgl. VG München, U.v. 22.2.2024 – M 10 K 22.50479 – juris Rn. 48).
62
(2) Weitere vom Verwaltungsgericht herangezogene Erkenntnismittel sind nicht ausreichend belastbar, sie differenzieren entweder gar nicht oder jedenfalls nicht ausreichend deutlich zwischen erstankommenden Migranten, etwaig ohne Erfassung weitergereisten Migranten und Dublin-Rückkehrern. Es ist nicht erkennbar, dass die vom Verwaltungsgericht erwähnten Pushbacks von im Landesinneren aufgegriffenen Personen systemische Mängel darstellen würden, die für Dublin-Rückkehrer von Relevanz wären.
63
Ohnehin ist es grundsätzlich zulässig, Personen (ggf. auch gemeinsam) abzuschieben, die sich illegal in Kroatien aufhalten und keinen Asylantrag stellen wollen (vgl. schweiz. BVGer, U.v. 22.3.2023 – E-1488/2020 – Rn. 7.3). Eine hingegen im Regelfall mit Art. 19 Abs. 1 GRCh und Art. 4 Zusatzprotokoll EMRK unvereinbare Kollektivausweisung liegt erst vor, wenn eine Ausweisung ohne Berücksichtigung der jeweils individuellen Situation erfolgt (vgl. EGMR, U.v. 13.2.2020 – 8675/15 u.a. – NVwZ 2020, 697 Rn. 193 ff.; s. a. schweiz. BVGer, U.v. 22.3.2023 – E-1488/2020 – Rn. 7.4., 7.6, 9.2. a.E. und 9.3.3. a.E.; zur anerkannten Ausnahme nach „Own culpable conduct“-Test vgl. EGMR, U.v. 13.2.2020 – 8675/15 u.a. – NVwZ 2020, 697 Rn. 200 ff.; EGMR, U.v. 5.4.2022 – 55798/16 u.a. – A. A. u.a./Nordmazedonien – Rn. 112). Das wäre nur der Fall, wenn die Betroffenen jeweils um internationalen Schutz ersucht haben bzw. ersuchen wollten oder die Abschiebung zu einer ernsthaften Gefahr der Verletzung von aus dem Refoulement-Verbot ergebender Rechte führt (vgl. schweiz. BVGer, U.v. 22.3.2023 – E-1488/2020 – Rn. 7.4., 9.3.3. a.E.).
64
Für eine solche unzulässige Praxis gegenüber Dublin-Rückkehrern gibt es keine Erkenntnisse (vgl. ausdrücklich DRC – Dansk Flygtningehjælp, Landerapport Kroatien, S. 33 Nr. 47). Dass die vom Verwaltungsgericht eingeholte Auskunft vom European Center for Constitutional and Human Rights vom 27. April 2023, S. 10, davon spricht, dass solche Pushbacks „erwiesenermaßen auch Geflüchtete betreffen, die tief im Landesinneren, ja sogar kurz vor der kroatisch-slowenischen Grenze aufgegriffen werden“, ändert hieran nichts. Die Auskunft lässt nicht ansatzweise eine Differenzierung zwischen Dublin-Rückkehrern und anderen Migranten erkennen und beschreibt auch keine Vorgehensweise, bei der zu erwarten wäre, dass sie systematisch Dublin-Rückkehrer erfasst, die sich dem Asylverfahren in Kroatien unterziehen wollen (und nicht abermals das Land in Richtung Mittel- und Westeuropa durchqueren).
65
Wenig überzeugend ist auch die vom Verwaltungsgericht eingeholte Auskunft von Amnesty International vom 20. September 2023, S. 9, die davon spricht, dass Betroffene Pushbacks „teilweise auch erlebt haben, nachdem sie schon weit auf kroatisches Gebiet gelangt sind“. Auch hier ergibt sich aus dem Gesamtkontext, dass der Bericht das Schicksal von Migranten beschreibt, die versuchen, Kroatien zu durchqueren. Anhaltspunkte für die Betroffenheit von Dublin-Rückkehren, die sich dem Asylverfahren in Kroatien unterziehen wollen, enthält die Auskunft nicht. Soweit des Weiteren explizit ausgeführt wird, dass „Amnesty International (…) im Rahmen der Recherchen und Befragungen von Betroffenen kein unterschiedliches Risiko von völkerrechtswidrigen Pushbacks für Geflüchtete an der kroatischen Grenze und Dublin-Rückkehrer*innen dokumentieren“ (S. 9) konnte, basiert die Auskunft im Kern auf einer Umkehr der Beweislast. Auch an dieser Stelle in die Einbeziehung von Pushbacks „weit im Landesinneren“ (S. 9) nicht erkennbar auf Dublin-Rückkehrer bezogen. Gerade auch die im weiteren Verlauf der Auskunft beschriebenen Erlebnisse der Betroffenen lassen erkennen, dass es um Personen geht, denen offenbar das Stellen eines Asylantrags verwehrt wurde. Das mag zwar rechtswidrig sein, ist aber für die vorliegende Fragestellung nicht relevant.
66
In gleicher Weise unergiebig sind andere Internetberichte. Beispielsweise verweist Human Rights Watch, Like we were just animals, 2023, S. 66 ff. in Fn. 302 auf Human Rights Council, Report on Means to Address the Human Rights Impact of Pushbacks of Migrants on Land and at Sea, A/HRC/47/30, Rn. 66, der ersichtlich das Schicksal von Migranten beschreibt, die noch nicht im Dublin-Verfahren sind. Gleiches gilt für den ebenfalls in Fn. 302 zitierten Internetartikel von Ylenia Gostoli, „Europe’s Chain of Migrant Expulsion, from Italy to Bosnia” (The New Humanitarian vom 17.11.2020). Der vom Verwaltungsgericht herangezogene Presseartikel des Balkan Insight vom 5. Mai 2023 berichtet für das erste Quartal 2023 über die Rücknahme von 768 Personen durch Bosnien und Herzegowina, gleichzeitig aber auch über die Verweigerung der Rücknahme in 1.816 Fällen unter Verweis darauf, dass Kroatien insoweit nicht ausreichend die Reiseroute über Bosnien und Herzegowina nachweisen könne. Abgesehen davon, dass es auch nach dieser Quelle wohl eher keine massenhaften Rücküberstellungen gibt, bleibt jedenfalls unklar, ob die dort genannten Personen einen Asylantrag in Kroatien gestellt haben oder zumindest daktyloskopisch erfasst worden sind. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Pressemitteilung des Border Violence Monitoring Network (BVMN) vom 31. März 2023 lässt ebenfalls nicht erkennen, dass auch Dublin-Rückkehrer von Pushbacks betroffen gewesen wären.
67
Im Ergebnis beruhen die vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung herangezogenen Berichte und Auskünfte zu sehr auf Spekulationen, Wertungen oder Schlussfolgerungen, aber zu wenig auf belastbaren Nachweisen. Die insoweit herangezogenen Berichte befassen sich erkennbar ganz überwiegend mit Personen, die in Kroatien (noch) kein Asyl beantragen wollten oder denen das Stellen eines solchen Antrags verweigert wurde.
68
(3) Schließlich ergeben sich auch keine anderen Annahmen aus der offenbar weit verbreiteten Ausgabe sog. 7-Tage-Papiere durch die kroatischen Behörden (vgl. hierzu VG München, U.v. 22.2.2024 – M 10 K 22.50479 – juris Rn. 26). Diese Papiere bilden kein Indiz für eine Verweigerung des Zugangs zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer. Es dürfte nicht fernliegen, dass diese Papiere auch ausgestellt werden, um den Aufenthalt kurzfristig zu legalisieren und damit auch die vielfach beabsichtigte Weiterreise von Migranten in andere Mitgliedstaaten zu beschleunigen, um möglichst die Stellung von Asylanträgen in Kroatien zu vermeiden (vgl. VGH BW, U.v. 11.5.2023 – A 4 S 2666/22 – juris Rn. 22). Eine Vereitelung des Zugangs belegen sie aber jedenfalls nicht.
69
3. Einer Überstellung der Kläger stehen auch nicht prekäre Lebensbedingungen entgegen. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass Dublin-Rückkehrer, darunter auch minderjährige Kinder, auf Lebensverhältnisse treffen, in deren Folge sie unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten (vgl. BFA 2023, S. 3 für Dublin-Rückkehrer; allgemein für Asylbewerber vgl. S. 8 ff. und für anerkannt Schutzberechtigte vgl. S. 11 ff.; vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Kroatien, 2025, S. 32 ff., S. 48 ff.; s.a. schweiz. BVGer, U.v. 22.3.2023 – E-1488/2020 – Rn. 10.2; öst. BVwG, E.v. 13.7.2023 – W175 2273165-1 [ECLI:AT:BVWG:2023:W175.2273165.1.00] – pdf-UA S. 33 ff.; NdsOVG, U.v. 11.10.2023 – 10 LB 18/23 – juris Rn. 119 f. m.w.N.).
B.
70
Der streitgegenständliche Bescheid ist auch hinsichtlich seiner Nummer 2 rechtmäßig. Nationale Abschiebungsverbote nach Maßgabe des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen nicht. Es ist nicht erkennbar, dass in der Person der Kläger Gründe vorliegen, die zu einer von der allgemeinen Lage für nach Kroatien zurückkehrende Dublin-Rückkehrer abweichenden Beurteilung führen (vgl. zum Maßstab BVerwG, U.v. 21.11.2024 – 1 C 24.23 – juris Rn. 125; BVerwG, U.v. 19.12.2024 – 1 C 3.24 – juris Rn. 145). Anhaltspunkte für das mögliche Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
C.
71
Auch die Nummern 3 und 4 des Bescheids sind rechtmäßig. Die Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG ist nicht zu beanstanden. Gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG bestehen ebenfalls keine Bedenken.
D.
72
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
E.
73
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor, auch weicht der Senat im Rahmen der Überprüfung der Unzulässigkeitsentscheidung in der Beurteilung der allgemeinen abschiebungsrelevanten Lage in Kroatien nicht von der Beurteilung anderer Oberverwaltungsgerichte ab (vgl. § 78 Abs. 8 Satz 1 AsylG).