Titel:
Erfolglose Nachbarklage gegen Vorbescheid zum Neubau eines Lager- und Abstellraumes
Normenkette:
BayBO Art. 59, Art. 71
Leitsatz:
Die Zwecke des Abstandsflächenrechts bestehen darin, eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung sowie die Sicherung des sozialen Wohnfriedens zu gewährleisten, Flächen für bestimmte Nebenanlagen freizuhalten oder den Brandschutz zu erleichtern. Auf die Erleichterung oder günstigere Durchführung von Renovierungs- oder Instandhaltungsarbeiten haben die Abstandsflächen allenfalls eine mittelbare, rechtlich nicht durchsetzungsfähige Wirkung. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage gegen Bauvorbescheid, Regelungsgehalt, Grenzbebauung, Gebot der Rücksichtnahme, Vorbescheid, Lager- und Abstellraum, benachbarte Wohnbebauung, erdrückende Wirkung, Zwecke des Abstandsflächenrechts, Instandhaltungs- und Renovierungserschwernisse
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 05.12.2024 – RO 7 K 22.180
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15683
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger wendet sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid zum Neubau eines Lager- und Abstellraumes für Gartenmöbel und Geräte.
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Das Vorhaben des Beigeladenen soll grenzständig an der östlichen Grundstücksgrenze des Klägers errichtet werden und schließt eine bisher bestehende Lücke zwischen dem grenzständig bzw. grenznah errichteten Gebäude des Klägers und einem bestehenden, grenzständig errichteten Gebäude des Beigeladenen. Der Beklagte erteilte den beantragten Vorbescheid und stellte unter Nr. 1 des Tenors die grundsätzliche bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens fest. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg, die mit Urteil vom 5. Dezember 2024 abgewiesen wurde. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass das Bauvorhaben das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Die Berufung ist nicht wegen allein geltend gemachter ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Aus seinem Zulassungsvorbringen ergeben sich solche hier allerdings nicht.
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1. Soweit der Kläger vorträgt, das Verwaltungsgericht habe den Prüfungsumfang des Bauvorbescheids „zu eng“ gesteckt und übersehen, dass vorliegend auch bereits über die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit entschieden worden sei, bleibt der Antrag erfolglos.
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Abgesehen davon, dass der Kläger keinen Verstoß des Bauvorhabens gegen das Abstandsflächenrecht darlegt, hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich ausgeführt, dass der Vorbescheid (nur) die grundsätzliche bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens feststellt (UA S. 10) und die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem Abstandsflächenrecht nicht Inhalt der Feststellungswirkung des angefochtenen Vorbescheids vom 3. Januar 2022 ist (UA S. 13 f.). Hiergegen ist nichts zu erinnern.
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Entgegen der Ansicht des Klägers, der Prüfungsumfang ergebe sich hier auch aus einem (verwaltungsinternen) Schreiben des Landratsamts vom 1. Dezember 2021 an die Gemeinde, in dem Ausführungen zum Abstandsflächenrecht gemacht werden, ergibt sich die Feststellungswirkung des angefochtenen Vorbescheids ausschließlich aus dessen Tenor und dem zugrundeliegenden Antrag (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2018 – 15 C 18.795 – juris Rn. 35; B.v. 23.1.2021 – 23 ZB 20.858 – juris Rn. 32). Aus Nr. 5 und 6 des Bauantrags vom 23. September 2021 (Behördenakte S. 7) sowie aus dem Tenor Nr. 1 des Vorbescheids vom 3. Januar 2022 (Behördenakte S. 27) folgt hier, dass Gegenstand des angefochtenen Vorbescheids ausschließlich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des geplanten Bauvorhabens ist. Da ein Vorbescheid regelmäßig – wie auch hier – nur zu einzelnen Fragen ergeht und es sich bei der Frage der grundsätzlichen bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit um eine zulässige, einzelne Frage handelt (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand 1/2025, Art. 71 Rn. 71, 75), kommt es nicht auf den – nur für die Erteilung der nachfolgenden Baugenehmigung relevanten – Prüfungsmaßstab des Art. 59 BayBO im Übrigen an. Die vom Kläger angeführten weiteren Prüfungen im Vorgriff auf die Erteilung der Baugenehmigung haben zudem in dem insoweit allein maßgeblichen Vorbescheid vom 3. Januar 2022 keinen Niederschlag gefunden. Der Vorbescheid enthält auch in der Begründung keinerlei Ausführungen zum Abstandsflächenrecht, so dass dieses auch nicht im Wege der Auslegung der Begründung in den Tatbestand „hineingelesen“ werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 11.12.2014 – 3 C 7/13 – juris Rn. 18).
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2. Das Zulassungsvorbringen zeigt auch keinen Verstoß des Bauvorhabens gegen das Gebot der Rücksichtnahme auf.
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Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen dabei wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris Rn. 22). Hiervon ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen (UA S. 7, 11).
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Soweit der Kläger dem Bauvorhaben eine einmauernde Wirkung beimisst, ist dem nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche Wirkung nur bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarter Wohnbebauung in Betracht kommt (UA S. 12). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind dabei – neben der bloßen Distanz – insbesondere die besonderen Belastungswirkungen aufgrund der Höhe und der Länge des Bauvorhabens auf das benachbarte Wohngebäude (vgl. BayVGH, B.v. 22.11.2024 – 15 CS 24.1771 – juris Rn. 25). Eine derartige Situation lässt sich trotz der vorhandenen Grenzbebauung im Osten des Grundstücks des Klägers weder dessen Vortrag noch den genehmigten (Lage-) Plänen entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat auch eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen grenzständigen Bebauung auf dem Baugrundstück vorgenommen. Es hat damit die konkrete örtliche Situation und die Bebauung auf den beiden betroffenen Grundstücken bewertet und die „Anschlussbebauung“ auf dem Baugrundstück – entgegen dem Vortrag des Klägers – berücksichtigt (UA S. 12). Eine unzumutbare Beeinträchtigung wurde schließlich auch deswegen verneint, weil das Bauvorhaben eine geringere Kubatur aufweist als das seinerseits grenzständig bzw. grenznah errichtete Gebäude auf dem klägerischen Grundstück (UA S. 13). Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen.
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Zu den vom Kläger angeführten Erschwernissen bei Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass diese keine unzumutbare Betroffenheit des Klägers begründen (UA S. 13). Nur im Übrigen hat das Verwaltungsgericht – zutreffend – auf Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 5 BayBO verwiesen. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Abgesehen davon, dass die geltend gemachten Erschwernisse hier der Grundstückssituation geschuldet sind, weil das Gebäude auf dem klägerischen Grundstück nur teilweise grenzständig errichtet wurde und den ungeraden Verlauf der Grundstücksgrenze nicht abbildet, ist es einer beidseitigen Grenzbebauung bzw. grenznahen Bebauung immanent, dass Außenwände aneinandergebaut werden. Die Zwecke des Abstandsflächenrechts, auf die sich der Kläger beruft, bestehen darin, eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung sowie die Sicherung des sozialen Wohnfriedens zu gewährleisten (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2020 – 15 ZB 19.1846 – juris Rn. 21), Flächen für bestimmte Nebenanlagen freizuhalten oder den Brandschutz zu erleichtern (vgl. Kühner/Kraus in Busse/Kraus, a.a.O., Art. 6 Rn. 4). Auf die Erleichterung oder günstigere Durchführung von Renovierungs- oder Instandhaltungsarbeiten haben die Abstandsflächen allenfalls eine mittelbare, rechtlich nicht durchsetzungsfähige Wirkung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da der Beigeladene im Zulassungsverfahren über die Antragstellung hinaus keinen die Sache förderlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).