Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.06.2025 – 15 ZB 24.1669
Titel:

Keine Funktionslosigkeit von Festsetzungen zur Dachform und zur Gebäudelänge

Normenketten:
VwGO § 122 Abs. 2 S. 3, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BauGB § 31 Abs. 2
BayBO Art. 81 Abs. 2 S. 2
Leitsatz:
Eine Festsetzung in einem Bebauungsplan ist dann funktionslos, wenn in der tatsächlichen Entwicklung ein Zustand erreicht ist, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans, Grundzüge der Planung, Funktionslosigkeit des Bebauungsplans (verneint)., Baugenehmigung, Wohngebäude, Aufstockung, zweigeschossiges Gebäude, Festsetzungen zur Dachform, Festsetzungen zur Gebäudelänge, Grundzug der Planung, Funktionslosigkeit, Befreiung, ernstliche Zweifel, Darlegungsgebot, Dachformvorgaben, Flachdach, Satteldach, Antrag auf Zulassung der Berufung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 20.06.2024 – RO 7 K 21.1967
Weiterführende Hinweise:
Grundlegend zur Funktionslosigkeit von Festsetzungen zur Geschossflächenzahl s. BVerwG BeckRS 2024, 16695
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15679

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung. Mit der begehrten Aufstockung seines bestehenden, 15,73 m langen, eingeschossigen Wohnhauses mit Flachdach entstünde ein zweigeschossiges Gebäude mit gleicher Länge und einem Flachdach. Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die hierauf gerichtete Klage des Klägers mit Urteil vom 20. Juni 2024 abgewiesen. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans, der für weniger als fünfgeschossige Bebauung Satteldächer und für freistehende, zweigeschossige Einzelhäuser eine maximale Länge von 14 m vorsieht, komme nicht in Betracht, weil die Grundzüge der Planung berührt seien.
2
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt, verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Er ist der Ansicht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und die Rechtssache weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf.
3
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
II.
4
Die Darlegungen des Klägers im Zulassungsverfahren, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) führen nicht zur Zulassung der Berufung.
5
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil dieser Grund nicht in der nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Weise dargelegt ist bzw. nach dem Dargelegten nicht vorliegt.
6
Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans scheitere daran, dass die Grundzüge der Planung berührt würden. Die Bedeutung der homogenen Dachgestaltung für den Plangeber sei dadurch erkennbar, dass er im gesamten Plangebiet eine Fülle von Vorgaben zur Dachform, zum Dachüberstand, zu Dachgauben und dem Dacheindeckungsmaterial vorsehe. Auch die einheitlich festgesetzte Länge zwischen 9 und 14 Metern für freistehende, zweigeschossige Einzelhäuser, von denen eine Ausnahme bis zu einer Maximallänge von 14,50 m erteilt werden könnte, sei Grundzug der Planung. Die Festsetzungen zur Dachform und Gebäudelänge seien nicht funktionslos geworden. Der Senat teilt diese Auffassung und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen deshalb zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen folgendes zu bemerken:
7
Das Vorbringen des Klägers, das im Wesentlichen seine Rechtsauffassung wiederholt, der Bebauungsplan sei im Hinblick auf die Festsetzungen zur Dachform und zur Gebäudelänge funktionslos geworden, genügt dem Darlegungsgebot nicht (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.2025 – 9 ZB 24.1100 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 1.2.2021 – 15 ZB 20.747 – juris Rn. 32). Das Verwaltungsgericht führt aus, in der Nähe des Bauvorhabens befänden sich etliche Hauptgebäude mit Satteldächern, die die Längenbegrenzung einhielten. Allein der Umstand, dass manche Gebäude die maximale Länge überschreiten, lasse nicht den Schluss zu, die Festsetzung sei obsolet. Der Kläger setzt sich mit diesen Argumenten nicht substantiiert auseinander und legt nicht dar, dass in der tatsächlichen Entwicklung ein Zustand erreicht ist, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (vgl. BayVGH, B.v. 11.8.2021 – 15 CS 21.1775 – juris Rn. 11). Auch der Vortrag des Klägers, das streitgegenständliche Gebäude, das aufgestockt werden soll, besitze ein Flachdach und sei bereits 15,73 m lang, so dass der daraus folgende Bestandsschutz dazu führe, dass dem Bauvorhaben die gegenteiligen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegengehalten werden dürfen, verhilft nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht führt dazu aus, auch wenn das bestehende eingeschossige Gebäude bereits ein Flachdach aufweise, entstehe ein neues eigenständiges Bauvorhaben, das sich an den Vorgaben des Bebauungsplans zu messen habe. Etwas Anderes folge auch nicht daraus, dass das aufzustockende Gebäude bereits eine Länge von 15,73 m habe, denn die Längenfestsetzung des Bebauungsplans komme nun erstmalig zum Tragen, weil erst durch die Aufstockung ein zweigeschossiges Gebäude entstehe. Hierzu verhält sich der Kläger nicht. Ebenso wenig setzt er sich mit den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander, die Befreiung von der Dachform und der Maximallänge freistehender zweigeschossiger Einzelhäuser komme nicht in Betracht, da die Grundzüge der Planung berührt sind. Der Kläger legt auch nicht dar, weshalb die Grundzüge der Planung des unverändert geltenden Bebauungsplans allein durch den Beschluss des Bauausschusses vom 7. Dezember 2016, den Plan ändern zu wollen, entfallen sein sollen.
8
2. Die Rechtssache weist nicht die geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Der Sachverhalt des vorliegenden Falles ist geklärt und lässt sich – wie die obigen Ausführungen zeigen – ohne weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften beurteilen.
9
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Anhang) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
10
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).