Titel:
Vorbescheid, Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans, Kein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis
Normenkette:
BayBO Art. 71
Schlagworte:
Vorbescheid, Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans, Kein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 25.07.2024 – RO 2 K 22.189
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15678
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500.- Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Kläger wenden sich gegen einen den Beigeladenen erteilten Vorbescheid für den „Neubau eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage“, mit dem Befreiungen von den Festsetzungen zur Traufhöhe, zur Dachneigung, zum Ausbau des Dachgeschosses und zur Errichtung von Dachgauben des 1980 in Kraft getretenen Bebauungsplans erteilt wurden. Das Verwaltungsgericht hat die entsprechende Klage abgewiesen, weil sich im Hinblick auf die erteilten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans keine Rechtsverletzung der Kläger ergebe. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzziel weiter. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, die Rechtssache weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf und habe grundsätzliche Bedeutung.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt sind und im Übrigen auch nicht vorliegen.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat mit ausführlicher Begründung festgestellt, der Vorbescheid verstoße nicht gegen Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Kläger dienen und die Regelungsgegenstand des Vorbescheids sind. Aus der Begründung des Bebauungsplans ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen beabsichtigten Drittschutz der Festsetzungen, von denen Befreiungen erteilt wurden. Da zum Zeitpunkt seiner Aufstellung das Bundesbaugesetz bereits gegolten habe und die Rechtsprechung zum Drittschutz bereits entwickelt gewesen sei, komme die Möglichkeit einer nachträglichen subjektiv-rechtlichen Aufladung von Festsetzungen des Bebauungsplans nicht in Betracht. Der Senat teilt diese Auffassung und nimmt deshalb zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt folgendes zu bemerken:
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Die Kläger sind der Auffassung, es komme die Möglichkeit einer nachträglichen subjektiv-rechtlichen Aufladung dieser Festsetzungen in Frage, wenn der Plangeber die Planbetroffenen mit den Festsetzungen des Bebauungsplans tatsächlich in ein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis eingebunden habe. Dies führt jedoch nicht zur Zulassung der Berufung. Unabhängig von der Frage, ob die Grundsätze der sogenannten Wannsee-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Festsetzungen, die der Plangeber in ein wechselseitiges, nachbarliches Austauschverhältnis einbinden wollte, auch dann nachbarschützend sein können, wenn der Plangeber die nachbarschützende Wirkung im Zeitpunkt der Planaufstellung nicht in seinen Willen aufgenommen hatte, weil der Bebauungsplan aus einer Zeit stammt, in der man ganz allgemein noch nicht an nachbarlichen Drittschutz gedacht hat (BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7/17 – juris Rn. 14 f. sowie Leitsatz 2), auf den 1980 in Kraft getretenen Bebauungsplan anzuwenden sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332 – juris Rn. 26), setzt sie, ebenso wie die von den Klägern zitierte Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, voraus, dass die Festsetzungen tatsächlich in einem wechselseitigen nachbarlichen Austauschverhältnis stehen (BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7/17 – juris Rn. 14 f.; OVG Hamburg, B.v. 25.6.2019 – 2 Bs 100/19 – juris Rn. 18, BayVGH, B.v. 26.4.2023 – 1 CS 22.2416 – juris Rn. 11). Die Kläger legen aber insbesondere schon nicht dar, woraus sich das von ihnen behauptete wechselseitige nachbarliche Austauschverhältnis ergeben könnte. Das Verwaltungsgericht hat zudem ausführlich begründet, weshalb es sich um städtebauliche bzw. gestalterische und nicht um nachbarschützende Festsetzungen handelt (UA S. 8). Dem setzen die Kläger nichts Substantiiertes entgegen (§ 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO).
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2. Die Rechtssache weist auch nicht die geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Der Sachverhalt des vorliegenden Falles ist geklärt und lässt sich – wie die obigen Ausführungen zeigen – ohne weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften beurteilen.
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3. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.
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Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 10.1.2025 – 15 ZB 24.705 – juris Rn. 17). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.; BayVGH, B.v. 17.3.2025 – 15 ZB 24.1557 – juris 10). Gemessen daran ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hier nicht dargelegt.
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Die Kläger halten für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob im Fall einer schweigenden Planbegründung ebenfalls die – ansonsten zutreffende Annahme – des BayVGH, dass die Planbegründung eines neueren Bebauungsplans objektiv zu gelten habe und damit nicht einfach später subjektiv aufgeladen werden kann.“ Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Die Frage ist im Hinblick auf ein weder ersichtliches noch tatsächliches wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis nicht entscheidungserheblich und ersichtlich auch nur anhand der Umstände des Einzelfalls, nicht jedoch grundsätzlich und fallübergreifend zu klären (vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2025 – 15 ZB 24.1557 – juris 11).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO. Die Beigeladenen tragen billigerweise ihre außergerichtlichen Kosten selbst, weil sie sich im Zulassungsverfahren nicht beteiligt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013; sie entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).