Titel:
Anordnungen zur Hundehaltung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
LStVG Art. 18
Leitsätze:
1. Eine Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 iVm Abs. 1 S. 1 LStVG darf nur verfügt werden, wenn in dem zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter vorliegt. Von einer solchen konkreten Gefahr ist auszugehen, wenn große Hunde auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei herumlaufen, auch wenn es in der Vergangenheit noch nicht zu konkreten Beißvorfällen gekommen ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ohne dass es dabei auf die Größe des Hundes ankommen würde, ist eine konkrete Gefahr zudem zu bejahen, wenn es bereits zu einem Beißvorfall oder sonstigen Schadensfall durch einen Hund gekommen ist und nicht dargelegt werden kann, dass eine Wiederholung auch ohne Erlass einer sicherheitsrechtlichen Anordnung auszuschließen ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, einen Leinenzwang in bewohnten Gebieten anzuordnen. Eine zusätzliche Maulkorbpflicht bzw. ein kombinierter Leinen- und Maulkorbzwang kann jedoch nur verfügt werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr notwendig ist, wenn also ein bloßer Leinenzwang zur Abwehr der von dem konkreten Hund ausgehenden Gefahr nicht genügt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei großen Hunden ohne bereits erfolgte Schädigung eines Dritten und außerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen kann die Verpflichtung ausreichen, den Hund anzuleinen, sobald andere Hunde ins Blickfeld geraten oder nicht rechtzeitig wahrgenommen werden können. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
gemeindliche Anordnung einer Maulkorbpflicht nach Beißvorfall, auf Tatsachen gestützte Prognose, dass von dem betroffenen Hund keine Gefahr mehr ausgeht (verneint), Hundehaltung, Maulkorbpflicht, Beißvorfall, Gefahrenprognose, Wiederholungsgefahr, Verhältnismäßigkeit, aufschiebende Wirkung, sofortige Vollziehung, Beschwerde
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 10.04.2025 – Au 8 S 24.2663
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15667
Tenor
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. April 2025 wird abgeändert. Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Oktober 2024 wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen die verwaltungsgerichtliche Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen Anordnungen zur Hundehaltung gemäß Art. 18 Abs. 2 LStVG.
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Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. Oktober 2024 wurde die Antragstellerin unter Androhung von Zwangsgeldern (Nr. 2 des Bescheids) verpflichtet, ihren Hund außerhalb der Wohnung bzw. (ausbruchsicher) umfriedeten Besitztums mit bestimmten Ausnahmen (Nrn. 1.1.1. und 1.1.2.) nicht mehr ohne ordnungsgemäß angebrachten Maulkorb auszuführen (Nr. 1.1.). Ergänzend wurde insbesondere verfügt, dass der Hund nicht von Personen ausgeführt werden darf, die psychisch oder physisch oder mangels ausreichender Sachkenntnisse in Bezug auf die Haltung von Hunden nicht in der Lage sind, den Hund stets sicher zu beherrschen und zu kontrollieren (Nrn. 1.2. und 1.3.). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, einer Mitteilung der Polizeiinspektion ... vom 16. Juli 2024 zufolge habe der Hund der Antragstellerin am 3. Mai 2024 gegen 08:10 Uhr einen Menschen gebissen. Die von der Antragstellerin beauftragte Haushälterin habe damals den Hund angeleint ausgeführt. Als ein fußläufig entgegenkommender Mann den Hund hinter einem geparkten Pkw passierte habe, habe der Hund diesen angesprungen und ihn in den Oberschenkel gebissen. Anlässlich einer hierauf am 6. Juni 2024 erfolgten Überprüfung des Hundes bei einer polizeilichen Diensthundestaffel sei ursächlich für den Angriff eine Angstreaktion durch das plötzliche Erscheinen des Mannes hinter dem Pkw vermutet worden. Rückschlüsse auf die Verhaltensweise des Hundes bei Unterschreiten von dessen Individualdistanz hätten jedoch nicht gezogen werden können, zumal der Vorfall aufgrund des Nichtvorhandenseins eines Maulkorbes nicht situationsgetreu habe nachgestellt werden können. Die Anordnungen in Nr. 1 des Bescheides stützten sich auf Art. 18 Abs. 2 LStVG, wonach die Antragsgegnerin unter anderem zum Schutz vor Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum (Art. 18 Abs. 1 LStVG) Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen könne. Die von jedem Hund ausgehende Gefahr habe sich auch bei einem nur einmaligen (Beiß-)Vorfall realisiert, so dass vorliegend von einer konkreten Gefahr weiterer derartiger Vorfälle auszugehen sei. Die Anordnungen in Nr. 1 des Bescheides entsprächen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung. Bei der Entscheidung seien die Interessen der Allgemeinheit und die Interessen der Antragstellerin an der möglichst freien und unbeschränkten Haltung des Hundes gegeneinander abgewogen worden. In diesem Fall überwögen die Interessen der Allgemeinheit. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass durch den Hund Leben und Gesundheit Dritter gefährdet werden könnten und damit das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit berührt werde. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sei im öffentlichen Interesse geboten.
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Dagegen ließ die Antragstellerin am 28. Oktober 2024 eine Anfechtungsklage erheben, über welche noch nicht entschieden wurde (Au 8 K 24.2660). Zugleich beantragte sie, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 9. Oktober 2024 wiederherzustellen.
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Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. April 2025 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 9. Oktober 2024 wiederhergestellt bzw. angeordnet. Es bestünden Zweifel, ob die Vollzugsanordnung hinreichend begründet worden sei. Dies könne dahinstehen, da die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Hundehaltungsanordnungen (Nr. 1 des Bescheides) zum gegenwärtigen Sach- und Streitstand offen sei. Vorliegend habe die Antragsgegnerin voraussichtlich dem Bedürfnis von Hunden, sich in bestimmten Situationen frei und damit jedenfalls zeitweise auch ohne Maulkorb zu bewegen, und damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch hinreichende Ausnahmen Rechnung getragen. Dass der Maulkorbzwang vorliegend anstelle einer Leinenpflicht verfügt worden sei, erscheine zumindest nach summarischer Prüfung im Hinblick auf die Tatsache, dass es um einen Beißvorfall im Rahmen des Unterschreitens der Individualdistanz des Hundes gehandelt habe, möglich. Der Beißvorfall im Mai 2024 vor der Hofeinfahrt der Antragstellerin werde von dieser zwar nicht bestritten. Im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalls bestünden jedoch Zweifel, ob der vorliegende Sachverhalt die Prognose rechtfertige, dass vom Hund der Antragstellerin auch weiterhin eine konkrete Gefahr für die Schutzgüter des Art. 18 Abs. 2 LStVG ausgehe. Der Gefahrenprognose der Antragsgegnerin sei die Antragstellerin substantiiert entgegengetreten. Zum einen seien die näheren Umstände des Beißvorfalls im Mai 2024 beleuchtet und der Ausnahmecharakter des Vorfalls aufgezeigt worden. Hinzu komme die positive Bewertung einer Polizeibeamtin einer Diensthundestaffel und die Tatsache, dass die für den Hund zuständige Haushälterin in der Handhabung des Hundes geschult worden sei. Hervorzuheben sei der neunjährige Zeitraum, in welchem der Hund sicherheitsrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei sowie die noch vor Erlass des Bescheids anstehende Knieoperation des Hundes mit Folgen für die Bewegungsfreiheit des Hundes. Es sei fraglich, ob es erneut zu einer derartigen Reaktion des Hundes der Antragstellerin bei überraschenden Begegnungen von Menschen mit dem Tier kommen könne. Die geschilderten Umstände legten eine Ausnahmesituation für den Hund und die ausführende Haushälterin der Antragstellerin nahe. Die aufgrund der offenen Erfolgsaussichten gebotene Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Zwar müsse in die Betrachtung eingestellt werden, dass es sich vorliegend um Eingriffe in die Handlungsfreiheit der Antragstellerin mit geringer Intensität handeln dürfte, sodass es zumutbar erscheine, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens den auferlegten Verpflichtungen, insbesondere denen des Maulkorbzwanges, nachzukommen. Unter Berücksichtigung der genannten Umstände des vorliegenden Einzelfalls sowie aufgrund des substantiierten Entgegentretens der Antragstellerin und der hieraus resultierenden Zweifel am Vorliegen einer konkreten Gefahr im Sinne von Art. 18 Abs. 2 LStVG sei es zumutbar, den Abschluss des Hauptsachverfahrens abzuwarten.
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Mit ihrer am 25. April 2025 eingegangenen und mit Schriftsatz vom 12. Mai 2025 begründeten Beschwerde beantragt die Antragsgegnerin,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. April 2025 abzuändern und den Antrag der Antragstellerin auf einstweiligen Rechtsschutz vollumfänglich abzulehnen.
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Unzutreffend gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass die behördliche Vollzugsanordnung zweifelhaft sei. Von dem Hund der Antragstellerin gehe eine konkrete Gefahr für die Schutzgüter des Art. 18 Abs. 2 LStVG aus, weshalb ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar sei. Der Beißvorfall habe sich in einer Alltagssituation ereignet, bei der der Hund in das Auto verladen werden sollte. Der Hund habe auch keinerlei Anzeichen von Unruhe oder Aggressivität vor dem Beißvorfall erkennen lassen. Dass die vom Hund angeblich verspürten Schmerzen kausal für den Beißvorfall sein sollten, sei nicht bestätigt. Von etwas abgelenkt zu sein und sich dann zu erschrecken, sei im Übrigen in vielen weiteren alltäglichen Situationen denkbar. Es handele sich dabei um artgerechte und hundetypische Reaktionen. Der Bericht der Diensthundestaffel treffe über das Verhalten des Hundes bei Unterschreiten der Individualdistanz keine Aussagen. Es überzeuge auch nicht, wenn vom Verwaltungsgericht angenommen werde, der Hund habe weder vor noch nach dem Angriff eine Person gebissen; eine Vielzahl von Beißvorfällen werde rein zivilrechtlich und ohne Information der Sicherheitsbehörden zwischen den Parteien geregelt. Ebenso schließe die aufgrund der Knieoperation eventuell bestehende Bewegungseinschränkung des Hundes nicht aus, dass der Hund erneut zubeiße. Der Maulkorbzwang berücksichtige, dass ein Hund freien Auslauf brauche, andererseits aber effektive Sicherungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr möglich sein müssten. Es handele sich daher um eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Maßnahme, die die Antragstellerin nur wenig belaste, den Erfordernissen des Tierschutzes entspreche und den Hund nicht unerträglich beeinträchtige.
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Die Antragstellerin beantragt mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 27. Mai 2025,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie verteidigt den Beschluss des Verwaltungsgerichts und trägt im Wesentlichen vor, die Anordnung des Sofortvollzugs sei lediglich formelhaft begründet worden; die Antragsgegnerin sei nicht auf die Gegebenheiten des Einzelfalls eingegangen. Im vorliegenden Ausnahmefall bestehe nicht die für die von der Antragsgegnerin angenommene Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung des Sofortvollzugs. Der Beißvorfall habe sich im Rahmen einer Ausnahmesituation ereignet, in der der Hund unter extremen Schmerzen gelitten habe. Er habe nicht bei einem Spaziergang, sondern beim Einladen ins Auto stattgefunden. Verstärkt worden sei die Schmerzsituation noch durch das Verhalten der Haushälterin der Antragstellerin, die den Hund trotz dessen Verweigerung von hinten angeschoben habe. Abgelenkt von den Schmerzen sei er so massiv vor dem plötzlich hinter dem Auto auftauchenden Geschädigten, der die Individualdistanz zum Hund unterschritten habe, erschrocken, dass dieser diesen „gezwickt“ habe. Im Rahmen der normalen Alltagssituation eines Spaziergangs sei die Polizeivollzugsbeamtin der Diensthundestaffel zur Einschätzung gelangt, dass der Hund der Antragstellerin ein eher niedriges Energieniveau habe und weder Menschen noch Tiere in Gefahr bringe. Die Ausführungen der Beschwerdebegründung, nicht einmal eine geschulte Polizistin der Diensthundestaffel traue sich in den Nahbereich des Hundes, sei falsch. Die Polizistin sei mit dem Hund und der Haushaltshilfe der Antragstellerin spazieren gegangen und habe sich somit im Nahbereich des Hundes bewegt. Lediglich bei der „Ausnahmeschrecksituation“, als sich die Polizistin hinter einem Auto versteckt habe, um den Hund zu erschrecken, habe sie Abstand gehalten. Zudem befinde sich der Hund der Antragstellerin noch in einer Rehabilitationsphase nach Operationen. Der Vorfall liege nun über ein Jahr zurück; es sei seither, wie auch schon in den neun Jahren zuvor, zu keinen weiteren Vorfällen gekommen. Dass vom Hund der Antragstellerin im Alltag eine besondere Gefahr ausgehe, sei von der Antragsgegnerin nicht dargelegt worden. Auf ein generelles Problem mit der Unterschreitung eines gewissen Abstandes könne aus dem polizeilichen Bericht nicht geschlossen werden. Auch die behandelnde Tierärztin beschreibe diesen als einen gut behandelbaren und nicht aggressiven Hund. Gerade bei tierärztlichen Behandlungen, die eine Ausnahmesituation darstellten, könne festgestellt werden, ob ein Hund zum Zwicken bzw. Beißen neige. Der schon ältere Hund habe aufgrund des langen Heilungsprozesses muskulär sehr abgebaut, auch wenn er nunmehr keine Schmerzen mehr habe; sein Energieniveau habe sich jedenfalls noch weiter abgesenkt. Er sei nach wie vor sehr freundlich und neutral und vermeide, wie ältere Tiere dies in der Regel täten, intensiveren Kontakt. Die aufgrund der offenen Erfolgsaussichten gebotene Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragsgegnerin aus.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Prüfung des angefochtenen Beschlusses anhand des Vorbringens im Beschwerdeverfahren ergibt, dass der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO unbegründet und daher abzulehnen ist.
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1. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Nr. 3 des angefochtenen Bescheides) gemäß § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend begründet.
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Zwar verlangt die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ein besonderes öffentliches Interesse‚ das über jenes Interesse hinaus geht‚ das den Erlass des Verwaltungsakts selbst rechtfertigt (vgl. BVerfG‚ B.v. 25.1.1996 – 2 BvR 2718/95 – juris Rn. 19). Dieses besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung muss in der nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderlichen schriftlichen Begründung zum Ausdruck kommen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht schon dann genügt‚ wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird; vielmehr bedarf es einer hinreichenden Darlegung der wesentlichen Erwägungen‚ warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Fall ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht‚ dem gegenüber das Interesse des Betroffenen am Bestand der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsmittels ausnahmsweise zurückzutreten hat (vgl. BVerwG‚ B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 6). Diesen Anforderungen genügen pauschale oder formelhafte Wendungen grundsätzlich nicht (vgl. BayVGH‚ B.v. 9.12.2013 – 10 CS 13.1782 – juris Rn. 16; B.v. 7.3.2016 – 10 CS 16.301 – juris Rn. 3; B.v. 15.2.2018 – 10 CS 18.98 – juris Rn. 6). Andererseits sind an dieses Begründungserfordernis inhaltlich keine überhöhten Anforderungen zu stellen; es genügt vielmehr eine schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 30.6.2014 – 10 CS 14.1245 u.a. – juris Rn. 14; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55).
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Gemessen hieran erweist sich die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs (Nr. 5 der Bescheidsgründe) als noch ausreichend. In Verbindung insbesondere mit den voranstehenden Ausführungen zur Angemessenheit der Anordnungen unter Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen der Antragstellerin wird deutlich, dass die Antragsgegnerin die widerstreitenden Interessen erkannt und ihrer konkreten Abwägung und Prüfung zugrunde gelegt hat. Die Antragsgegnerin hat zu erkennen gegeben, weswegen sie eine Anordnung des Sofortvollzugs für geboten erachtet. Sie weist zurecht darauf hin, dass es sich bei der Anordnung einer Maulkorbpflicht wegen eines Beißvorfalls oder eines vergleichbaren Schadensereignisses um eine immer wiederkehrende Sachverhaltsgestaltung handelt, der eine typische Interessenlage mit öffentlichen Schutzinteressen zugunsten Dritter einerseits und den Belangen des Hundebesitzers andererseits zugrunde liegt. Daher konnte sich die Antragsgegnerin darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen; es wird auch deutlich, dass diese Interessenlage nach Auffassung der Antragsgegnerin auch im konkreten Fall vorliegt (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55). Ob diese Aspekte das besondere Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO tragen, spielt für die Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs keine Rolle (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2018 – 20 CS 17.1797 – juris Rn. 2; B.v 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 19).
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2. Die Voraussetzungen für die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO liegen nicht vor.
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Der Senat hat bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Wiederherstellung beziehungsweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, überwiegen, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren wesentlich zu berücksichtigen, soweit sie bereits überschaubar sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Wiederherstellung beziehungsweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, weil er zulässig und begründet ist, so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung beziehungsweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Soweit sich keine eindeutigen Aussagen zu den Erfolgsaussichten treffen lassen, ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Zentraler Maßstab bleibt dabei unabhängig von einer sofortigen Vollziehbarkeit kraft Gesetzes oder auf Grund behördlicher Anordnung, dass der Rechtsschutzanspruch des Betroffenen umso stärker ist und umso weniger zurückstehen darf, je gewichtiger die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen Unabänderliches bewirken. Sowohl die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen am Suspensiveffekt wie auch die Vollzugsinteressen sind zu ermitteln und in die Erwägungen mit einzubeziehen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 90 ff.).
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Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache vorliegend nicht als offen anzusehen. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand überwiegt vielmehr die Wahrscheinlichkeit, dass die zulässige Klage der Antragstellerin keinen Erfolg haben wird; der angefochtene Bescheid vom 9. Oktober 2024 wird sich voraussichtlich als formell (a) und materiell (b) rechtmäßig erweisen und dürfte die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch eine Interessenabwägung im Übrigen spricht für ein überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse (c).
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a) Der Bescheid vom 9. Oktober 2024 ist formell rechtmäßig. Insbesondere sind die Regelungen in Nr. 1.1.1 und 1.1.2 des Bescheids hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 VwVfG).
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Die Antragstellerin macht geltend, es sei nicht ersichtlich, wann eine Begegnungssituation mit Personen bzw. Hunden vorliege bzw. wann von einem „sich in der Nähe befinden“ anderer Personen oder fremder Hunde auszugehen sei. Der streitgegenständliche Vorfall habe sich bei Unterschreiten der Individualdistanz zum Hund der Antragstellerin ereignet; es sei nicht ersichtlich, ob dem Hund der Maulkorb bereits angelegt werden müsse, wenn sich eine Person in einer Sichtdistanz von ein paar Metern befinde oder nur, wenn man nicht mehr in einem die Individualdistanz wahrenden Abstand aneinander passieren könne.
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Bei einer Auslegung der Bestimmungen im angefochtenen Bescheid nach ihrem Sinn und Zweck ist davon auszugehen, dass die Maulkorbpflicht nicht erst bei Unterschreiten der Individualdistanz greift, sondern in Bereichen, in denen z.B. aufgrund von relevantem Publikumsverkehr auf den umgebenden Verkehrswegen für Fußgänger mit einer solchen Begegnung gerechnet werden muss. Dieser weiter gefasste Radius ist im Übrigen offensichtlich auch Hintergrund der Regelung in Nr. 1.1.1., wonach die Anordnung sowohl Begegnungen mit fremden Personen bzw. Hunden wie auch den Aufenthalt in unübersichtlichen Bereichen betrifft. Dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot widerspricht es nicht, wenn die Anordnungen einer Konkretisierung im jeweiligen Einzelfall anhand deren Sinn und Zweck bedürfen; dies liegt in der Natur der Vielgestaltigkeit der betreffenden Lebenssachverhalte.
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b) Der Bescheid vom 9. Oktober 2024 erscheint nach derzeitigem Sach- und Streitstand auch als materiell rechtmäßig.
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aa) Rechtsgrundlage für die Anordnungen zur Hundehaltung in Nr. 1 des angefochtenen Bescheides vom 9. Oktober 2024 ist Art. 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 LStVG. Danach können Gemeinden zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen.
25
Eine solche Anordnung darf nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur verfügt werden, wenn in dem zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter vorliegt. Nach der Rechtsprechung ist von einer solchen konkreten Gefahr auszugehen, wenn große Hunde auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei herumlaufen, auch wenn es in der Vergangenheit noch nicht zu konkreten Beißvorfällen gekommen ist (vgl. BayVGH, U.v. 6.4.2016 – 10 B 14.1054 – juris Rn. 19 m.w.N.). Ohne dass es dabei auf die Größe des Hundes ankommen würde, ist eine konkrete Gefahr zudem zu bejahen, wenn es bereits zu einem Beißvorfall oder sonstigen Schadensfall durch einen Hund gekommen ist und nicht dargelegt werden kann, dass eine Wiederholung auch ohne Erlass einer sicherheitsrechtlichen Anordnung auszuschließen ist (vgl. BayVGH, U.v. 9.6.2020 – 10 B 18.1470 – juris Rn. 40 m.w.N.). Diese Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr entfällt grundsätzlich nicht schon dadurch, dass es unter Umständen über einen längeren Zeitraum hinweg zu keinen weiteren Zwischenfällen gekommen ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 10 ZB 19.2474 – juris Rn. 7; B.v. 28.9.2012 – 10 CS 12.1791 – juris Rn. 25). Von einem Wegfall der konkreten Gefahr kann vielmehr allenfalls dann ausgegangen werden, wenn über den bloßen Zeitablauf ohne weitere Zwischenfälle hinaus Tatsachen vorliegen, aus denen der sichere Schluss gezogen werden kann, dass von dem betroffenen Hund inzwischen keine Gefahr mehr ausgeht (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 10 ZB 19.2474 – juris Rn. 7; U.v. 26.11.2014 – 10 B 14.1235 – juris Rn. 27; B.v. 25.8.2014 – juris Rn. 8; B.v. 28.9.2012 – 10 CS 12.1791 – juris Rn. 25). Zudem dürfen im Falle einer bereits realisierten Gefahr für die hochrangigen Rechtsgüter der Gesundheit oder des Eigentums Dritter keine zu hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts weiterer Schäden gestellt werden (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 11.9.2024 – 10 ZB 24.1310 – juris Rn. 11 m.w.N.).
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Die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, wonach von einem Hund auch dann eine konkrete Gefahr im Sinne des Art. 18 Abs. 2 LStVG ausgeht, wenn seine Reaktion auf das Verhalten anderer Personen oder Tiere ein hundetypisches Verhalten darstellt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats. Sinn des Art. 18 Abs. 2 LStVG ist die Ermächtigung der Behörden, zur Verhütung jeglicher Gefahren für die in Art. 18 Abs. 1 LStVG genannten Rechtsgüter Anordnungen zur Haltung von Hunden zu treffen, und zwar unabhängig davon, in welcher Weise diese von den Hunden verursacht werden. Auch hundetypisches und artgerechtes Verhalten eines Hundes kann eine konkrete Gefahr für Passanten und andere Tiere verursachen (vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2024 – 10 CS 24.1697 – juris Rn. 6; B.v. 31.7.2014 – 10 ZB 14.688 – juris Rn. 6 m.w.N.).
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bb) Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Einzelfallermächtigung sind unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze erfüllt.
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Es ist unstreitig, dass der Hund der Antragstellerin am 3. Mai 2024 einen Passanten gebissen hat. Die Verletzungen des Geschädigten sind durch Bilder und einen Arztbericht dokumentiert. Aufgrund dessen ist grundsätzlich von einer von dem Tier ausgehenden konkreten Gefahr für die körperliche Unversehrtheit Dritter auszugehen. Konkrete Tatsachen, welche die Gefahrenprognose im vorliegenden Fall schlüssig widerlegen könnten, sind nach dem derzeitigem Sach- und Streitstand nicht festzustellen.
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Es mag sein, dass sich der Hund der Antragstellerin am Tag des Beißvorfalls insoweit in einer Ausnahmesituation befunden hat, als er nach ihrem Vortag an starken Schmerzen litt, die sich beim Versuch der Haushaltshilfe, ihn in das Auto zu verbringen, noch verstärkt haben sollen. Es wird jedoch von der Antragstellerin bislang nicht nachvollziehbar dargelegt und es ist auch sonst nicht plausibel, inwiefern diese Lage den Hund zu einem Angreifverhalten gegen einen Passanten motiviert haben könnte. Dass ein Passant unvermittelt in Erscheinung tritt und dem Hund nahe kommt, stellt jedenfalls eine alltägliche Situation dar. Eine konkrete Gefahr ist grundsätzlich auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Hund bislang nicht im Rahmen eines gewöhnlichen, entspannten Spaziergangs zugebissen hat, sondern in einer spezielleren Konstellation, etwa einer Stresssituation für den Hund, die auch häufig mit räumlich beengten Begegnungen zusammenhängen kann.
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Die von der Antragstellerin vorgelegten Schilderungen des Vorfalls vom 3. Mai 2024, die die Außergewöhnlichkeit der zu Grunde liegenden Situation belegen sollen, sind dabei nicht widerspruchsfrei glaubhaft gemacht. In der eidesstattlichen Versicherung der Haushaltshilfe vom 25. Oktober 2024 heißt es, durch das plötzliche Auftauchen des Passanten seien sie und der Hund erschrocken; der Hund habe dann den Mann in den Oberschenkel „gezwickt“. Auch in der Bescheinigung der polizeilichen Diensthundestaffel vom 9. Juni 2024 heißt es, in einem informatorischen Gespräch mit der Haushaltshilfe im Überprüfungstermin vom 6. Juni 2024 habe die Haushaltshilfe die Vermutung geäußert, dass der Hund der Antragstellerin sich vor dem Geschädigten erschrocken und aus Angst gebissen habe. Die Verletzung des Hundes wird in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Erst in der tierärztlichen Bescheinigung vom 24. Oktober 2024 heißt es, beim Einladen des Hundes in den Pkw seien versehentlich die verletzten Hintergliedmaßen berührt worden, sodass der sonst harmlose, gut behandelbare und nicht aggressive Hund wohl reflexartig nach dem Fußgänger geschnappt habe. Hieraus ergibt sich wiederum nicht, dass ein Erschrecken des Hundes über das Erscheinen des Passanten ursächlich für sein Verhalten gewesen sein könnte. Im Übrigen ist die Bescheinigung auch nicht aussagekräftig, soweit es um die Schilderung des damaligen Geschehensablaufs ohne Anwesenheit der Tierärztin geht.
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Auch aus der Bescheinigung vom 9. Juni 2025 ergeben sich keine Tatsachenfeststellungen, welche die Annahme einer konkreten Gefahr ausräumen könnten. Darin heißt es zwar u.a., auf die frontale Annäherung der Polizeibeamtin habe der Hund neutral reagiert; Blickkontakt habe er ohne ins Fixieren zu wechseln oder provoziert zu wirken erwidert. Beim Nachstellen der Situation des Bissvorfalls, d.h. das Verbergen hinter dem Auto und ein plötzliches Hervortreten, habe er weder schreckhaft noch aggressiv reagiert. Es wird allerdings auch betont, dass die Situation aus Sicherheitsgründen nur mit entsprechendem Abstand habe getestet werden können, weil die Haushaltshilfe keinen Beißkorb für den Hund gehabt habe; die nachgestellte Situation lasse somit nur bedingt Rückschlüsse darauf zu, wie der Hund generell auf eine Unterschreitung seiner Individualdistanz reagiere. Im Übrigen wird in der Stellungnahme der Polizeibeamtin auch klargestellt, die Überprüfung spiegele lediglich die Eindrücke zum Zeitpunkt der Überprüfung wieder, was im Übrigen der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht. Danach ist die Einschätzung eines Hundesachverständigen regelmäßig nicht geeignet, eine konkrete Gefahr auszuschließen, weil selbst Sachverständigengutachten und Wesenstests nur eine Momentaufnahme darstellen und lediglich besagen, dass ein Hund in der geprüften Situation zu diesem Zeitpunkt kein (gesteigertes) aggressives Verhalten gezeigt hat (vgl. zuletzt etwa BayVGH, B.v. 11.9.2024 – 10 ZB 24.1310 – juris Rn. 11; B.v. 16.8.2022 – 10 ZB 22.786 – juris Rn. 14; B.v. 3.6.2022 – 10 CS 22.982, 10 C 22.983 – juris Rn. 17 m.w.N). Insofern erscheint es nicht schlüssig, wenn die Beamtin auf Grundlage allein dieser Eindrücke die Notwendigkeit der Anordnung einer Leinen- oder Beißkorbpflicht verneint. Der Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr im Falle der überraschenden Annäherung von Passanten kann nicht dadurch ausgeräumt werden, dass der Hund der Antragstellerin möglicherweise auf Personen, die diesen Abstand wahren, freundlich und aufgeschlossen reagiert.
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cc) Es bestehen keine Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Anordnungen in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids (Art. 8 LStVG) und der Maßnahmerichtung (Art. 9 PAG).
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Der Senat bejaht dabei in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Möglichkeit, einen Leinenzwang in bewohnten Gebieten anzuordnen. Eine zusätzliche Maulkorbpflicht bzw. ein kombinierter Leinen- und Maulkorbzwang kann jedoch nur verfügt werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr notwendig ist, wenn also ein bloßer Leinenzwang zur Abwehr der von dem konkreten Hund ausgehenden Gefahr nicht genügt (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2022 – 10 CS 22.865 – Rn. 5; B.v. 4.2.2019 – 10 ZB 17.802 – juris Rn. 3 ff.; B.v. 20.8.2014 – 10 ZB 14.1184 – juris Rn. 5; B.v. 31.7.2014 – 10 ZB 14.688 – juris Rn. 9; B.v. 5.2.2014 – 10 ZB 13.1645 – juris Rn. 4; B.v 17.4.2013 – 10 ZB 12.2706 – juris Rn. 5).
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Diese Voraussetzungen für die Anordnung einer Maulkorbpflicht sind vorliegend erfüllt. Der Vorfall vom 3. Mai 2024 ereignete sich mit dem Hund der Antragstellerin in angeleintem Zustand und in kurzer Distanz zum Geschädigten; mit vergleichbarem Verhalten bei ähnlichen Begegnungen muss gerechnet werden. Ein Maulkorbzwang im angeordneten Umfang ist deshalb geeignet und erforderlich, eine künftige Schädigung Dritter insbesondere bei Unterschreitung der Individualdistanz zum Tier effektiv auszuschließen. Ein Leinenzwang wäre insoweit nicht ausreichend. Bei großen Hunden ohne bereits erfolgte Schädigung eines Dritten und außerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen etwa kann dagegen unter Umständen die Verpflichtung ausreichen, den Hund anzuleinen, sobald andere Hunde ins Blickfeld geraten oder nicht rechtzeitig wahrgenommen werden können (vgl. BayVGH, U.v. 6.4.2016 – 10 B 14.1054 – juris Rn. 22). Eine solche Regelung, auf die die Antragstellerin als mögliches milderes Mittel verweist, kommt im vorliegenden Fall eines bereits erfolgten Beißschadens trotz angelegter Leine nicht gleichermaßen in Betracht. Durch die im angefochtenen Bescheid vorgesehenen Ausnahmen von der Maulkorbpflicht (Nrn. 1.1.1. und 1.1.2.) ist im Übrigen gerade gewährleistet, dass auf Freiflächen innerhalb bebauter Ortsgebiete und im Außenbereich die Pflicht nur dann gilt, wenn es zu keinen Begegnungen mit fremden Personen bzw. Hunden kommt bzw. wenn mit solchen nicht zu rechnen ist.
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Auch die vom Verwaltungsgericht erwähnte Zusicherung der Antragstellerin, den Hund künftig nur auf ihrem Grundstück zu verladen, ist nicht geeignet, die konkrete Gefahr auszuräumen. Zum einen stellt sich die Frage nach der Situation, wenn der Hund am Zielort der Fahrt ausgeladen wird. Zum einen ist wie oben dargelegt gerade nicht ersichtlich, dass der konkrete Vorfall maßgeblich auf den Verladevorgang zurückzuführen ist und sich in anderen Stresssituation nicht ähnlich wiederholen könnte. Schließlich kann nicht angenommen werden, dass eine kurze Unterweisung der Haushaltshilfe geeignet ist, vergleichbare, spontane Vorfälle mit dem angeleinten Hund in Begleitung der Haushaltshilfe oder erst recht einer anderen Person auszuschließen.
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Die Anordnungen, welche ein Ausführen des Hundes durch hinreichend sachkundige Personen, die zu einer Beherrschung und Kontrolle fähig sind, sicherstellen sollen, sind ebenfalls geeignet und erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 10 ZB 19.2474 – juris Rn. 6; U.v. 9.11.2010 – 10 BV 06.3053 – juris Rn. 29). Alle angeordneten Maßnahmen sind auch verhältnismäßig im engeren Sinn; insbesondere weist das Verwaltungsgericht zurecht darauf hin, dass es sich um vergleichsweise gering belastende Anordnungen handelt.
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Die Antragstellerin ist als Eigentümerin und Halterin des Hundes zudem Zustandsstörerin und damit richtige Adressatin (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 LStVG).
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dd) Die Ermessensausübung im angefochtenen Bescheid (Nr. 2 der Gründe) ist rechtlich nicht beanstanden (Art. 40 VwVfG, § 114 Satz 1 VwGO). Die diesbezüglichen Rügen der Antragstellerin stehen unter der Prämisse, dass ihr Hund nur in der damaligen absoluten Ausnahmesituation zugebissen habe und abgesehen davon keine konkrete Gefahr von ihm ausgehe. Wie vorstehend ausgeführt trifft dies nicht zu.
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ee) Die Antragstellerin hat nicht geltend gemacht und es ist auch sonst nicht ersichtlich, inwieweit die im Bescheid verfügten Zwangsgeldandrohung (Nr. 2.) rechtsfehlerhaft sein könnte.
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c) Auch eine Interessenabwägung im Übrigen ergibt, dass eine Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht gerechtfertigt ist. Das öffentliche Interesse an einer Fortdauer der von der Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordneten bzw. im Falle der Zwangsgeldandrohungen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. Art. 21a BayVwZVG gesetzlich bestimmten sofortigen Vollziehung überwiegt das private Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs.
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Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den relativ geringfügigen Eingriff durch die Anordnungen zur Hundehaltung, die im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache umgehend wieder beendet werden könnten. Auf der anderen Seite besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, künftige Schädigungen der körperlichen Unversehrtheit und damit möglicherweise verbundene psychische Belastungen unbeteiligter Personen zu verhindern. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Wahrscheinlichkeit von Wiederholungsfällen so gering wäre, dass diese Gefahr bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig hinzunehmen wäre. Dies gilt gerade auch im Hinblick darauf, dass nach aktuellen Sachstand davon ausgegangen werden muss, dass sich der Hund der Antragstellerin bei ähnlichen unvermittelten Begegnungen in seinem Nahbereich ähnlich verhalten könnte; solche Begegnungen sind im alltäglichen Ausgang im Ortsgebiet nahezu unvermeidlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).