Titel:
Zulassungsantrag zur Berufung abgelehnt, hier: Entlassung einer Beamtin auf Probe
Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 1, § 117 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 5, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5
BeamtStG § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
LlbG Art. 12 Abs. 3 S. 2
Leitsätze:
1. Aus dem Gleichstellungsgesichtspunkt und der Teilzeitbeschäftigung ergeben sich keine Aspekte, die zur Unrichtigkeit der Entscheidung des angefochtenen Urteils führen. Insbesondere ergeben sich diese nicht aus der Stellungnahme der Gleichstellungsbeauftragten, weil diese ausdrücklich konstatiert hat, dass eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts nicht festgestellt werden konnte, wobei dafür unerheblich ist, dass sie in einem internen Vermerk ausführt, dass das Beurteilungsverfahren potenziell Benachteiligungen aufgrund von Diversitätsmerkmalen begünstigen könne. (Rn. 3 – 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich nicht aus der Rüge, das Verwaltungsgericht habe sich mit den Unterbrechungen der Probezeit nicht befasst und sei auf die unterschiedlichen krankheitsbedingten Gründe dafür nicht eingegangen (Corona, zwei Fehlgeburten, Erkrankungen der Kleinkinder und der Beamtin selbst), denn zum einen wurde der sich aus dem LlbG ergebende probezeitverlängernde Anspruch berücksichtigt und zum anderen zeigt die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht auf, warum die Beurteilung der Bewährung in der Probezeit in fachlicher Hinsicht von gesundheitlichen Aspekten abhängen soll. (Rn. 5 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Gericht verletzt die Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich nicht bereits dann, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat, denn die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (ebenso BVerwG BeckRS 2011, 49312). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung, dienstliche Beurteilung, Probezeit, Teilzeit, Gleichstellungsaspekt, Teilzeitbeschäftigung, rechtliches Gehör, Aufklärungsrüge, Gleichstellungsbeauftragte, Probezeitverlängerung, Probezeitbewährung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 03.03.2025 – AN 1 K 24.1893
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15651
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 11.138,08 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), liegen nicht vor.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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a) Die Klägerin rügt, den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils lasse sich nicht entnehmen, dass das Verwaltungsgericht seiner Prüfpflicht dahingehend genügt habe, ob die bestehenden Richtlinien für die Erstellung der dienstlichen Beurteilung eingehalten und gleichmäßig angewandt worden sind und sie mit den gesetzlichen Regelungen in Einklang stehen. Das Verwaltungsgericht bezeichne unter Hinweis auf § 117 Abs. 5 VwGO die Begründung des Entlassungsbescheids ohne erkennbare Auseinandersetzung, Einordnung und Bewertung als zutreffend. Wie der E-Mail der Gleichstellungsbeauftragten vom 8. Mai 2024 zu entnehmen sei, bestünden Zweifel, ob der Gleichstellungsaspekt nach Ziffer 4.1 Satz 3 des Kapitels 1 der Richtlinien der Beklagten für die dienstliche Beurteilung (vgl. Beiakte 5 Bl. 212 ff.) ausreichend Berücksichtigung gefunden habe. Auch Ziffer 4.3 des Kapitels 1 der Richtlinien, wonach sich eine Teilzeitbeschäftigung nicht nachteilig auf die Beurteilung auswirken dürfe, sei nicht hinreichend geprüft worden, weil es ansonsten Zweifel hätte haben müssen, ob die Beklagte die Klägerin aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung bei der Beurteilung benachteiligt habe. Ein nachvollziehbarer Vergleich mit anderen Teilzeitbeschäftigten sei von der Beklagten nicht angestellt worden.
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Damit kann die Klägerin nicht durchdringen. In den Entscheidungsgründen eines Urteils (§ 117 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 5 VwGO) sind nur die die Entscheidung tragenden Gründe kurz und sachlich darzulegen (Kraft in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 117 Rn. 19). Da das Verwaltungsgericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 117 Abs. 5 VwGO abgesehen hat, ergibt sich dementsprechend, dass es die Frage der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Beurteilungsrichtlinie und deren Übereinstimmung mit höherrangigem Recht bejaht hat. Einwendungen diesbezüglich hat der Bevollmächtigte der Klägerin weder dargelegt noch sind solche insoweit ersichtlich. Entgegen dessen Auffassung ergeben sich auch aus der Stellungnahme der Gleichstellungsbeauftragten keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, weil diese ausdrücklich konstatiert hat, dass eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts nicht festgestellt werden konnte (Beiakt 4 Bl. 28). Nur intern merkt sie an, dass sie es für problematisch halte, wenn dieselben Beurteilenden für denselben Zeitraum aufgrund desselben Sachverhalts zu unterschiedlichen Beurteilungen gelangten, weil dies potentiell Benachteiligungen aufgrund von Diversitätsmerkmalen begünstigen könne. Damit ist für das vorliegende Verfahren aber keine Aussage verbunden. Soweit die Klägerin einen Vergleich mit anderen Teilzeitbeschäftigten erwartet, ist dem aus den bereits im Beschluss des Senats vom 23. November 2023 (3 CS 23.1884 – juris Rn. 8 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 7.5.2019 – 2 A 15.17 – juris Rn. 60) ausgeführten Gründen nicht zu folgen. Die Teilzeitbeschäftigung wurde im angefochtenen Bescheid ersichtlich in den Blick genommen und korrekt berücksichtigt.
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b) Die Klägerin rügt ferner, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den Unterbrechungen der Probezeit befasst und sei auf die unterschiedlichen Gründe dafür nicht eingegangen. Für keine dieser Unterbrechungen habe die Klägerin etwas gekonnt (Corona, zwei Fehlgeburten, Erkrankungen der Kleinkinder und Übertragung der Infekte auf die Klägerin). Wenn es ausführe, eine Benachteiligung der Klägerin wegen Teilzeit und schwangerschaftsbedingter Ausfälle habe es nicht feststellen können, ergäben sich Zweifel an dieser Einordnung bereits daraus, dass es sich nicht ernsthaft mit den Fehlzeiten der Klägerin und deren Ursachen auseinandersetze. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Zielvereinbarungen.
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Auch dieser Sachvortrag begründet keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Dass sich Zeiten einer Beurlaubung unter Fortfall des Anspruchs auf Leistungen probezeitverlängernd auswirken, ergibt sich aus Art. 12 Abs. 3 Satz 2 LlbG, der von der Beklagten beachtet worden ist. Im Übrigen zeigt die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht auf, warum die Beurteilung der Bewährung in der Probezeit (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG) in fachlicher Hinsicht von gesundheitlichen Aspekten abhängen soll.
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2. Als Verfahrensmangel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO bezeichnet die Klägerin die von ihr behauptete Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hätte die von der Klägerin insbesondere im Schriftsatz vom 18. Februar 2025 substantiiert vorgetragenen Tatsachen berücksichtigen müssen. Bezogen auf ihre drei Einsatzbereiche habe sie in diesem Schriftsatz Beweis angetreten. Im Einsatzbereich Stadtjugendamt habe es keinen Einarbeitungsplan gegeben, sei die Sachgebietsleitung weitgehend abwesend gewesen und die Arbeitsqualität und -quantität der Klägerin nicht ernsthaft in Zweifel gezogen worden. Im Jobcenter habe Herr R. zum Zeitpunkt des Abschlussgesprächs am 14. Dezember 2020 die Leistungen der Klägerin dahingehend zusammengefasst, dass die Zielvorgaben in selbständiger Weise abgearbeitet und erreicht worden seien. Der dort formulierte Leistungsstand stehe im Widerspruch zu den E-Mails des Herrn R. an das Personal- und Organisationsamt, die das Verwaltungsgericht im Einzelnen aufgelistet habe. Den krassen Widerspruch zu den auf Seite 15 der Entscheidungsgründe angeführten E-Mails vom 10., 15. und 16. März 2022 hätte das Verwaltungsgericht erkennen können und durch Vernehmung des Herrn R. als Zeugen aufklären und sich ein eigenes Bild von den von der Beklagten behaupteten Leistungsdefiziten der Klägerin machen müssen. Die Beweiserhebung sei auch deshalb geboten gewesen, um in einer Gesamtschau die Teilzeitproblematik und die Fehlzeiten richtig einordnen zu können. Darauf habe Herr R. selbst in seiner E-Mail vom 10. März 2022 hingewiesen.
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Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat. Dass ein Beweisantrag – wie vorliegend – nicht gestellt wurde, ist nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (stRspr., vgl. BVerwG, B.v. 16.3.2011 – 6 B 47.10 – juris Rn. 12). Das Zulassungsvorbringen zeigt nicht auf, weshalb sich dem Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Dass der Leistungsstand der Klägerin zum 14. Dezember 2020 nur vorübergehend Anlass zur Hoffnung auf Verbesserung der Leistungen gab, ergibt sich bereits aus der E-Mail des Herrn R. vom 10. März 2022 (Beiakt 5 Bl. 203); darin ist nicht davon die Rede, dass die Teilzeitproblematik und die Fehlzeiten nicht richtig eingeordnet werden könnten. Vielmehr wird darauf abgehoben, dass eine Aussage nicht getroffen werden könne, ob die Klägerin dauerhaft in der Lage sei, einen Arbeitsbereich des gehobenen Dienstes vollumfänglich zu bewältigen. Damit ist mangelnde Bewährung gemeint, denn diese liegt bereits dann vor, wenn ernst zu nehmende Zweifel bestehen, dass der Beamte aufgrund der während der Probezeit erbrachten Leistungen, seines während der Probezeit gezeigten Verhaltens oder sonstiger während der Probezeit bekannt gewordener Umstände voraussichtlich auf Dauer den an einen Beamten seiner Laufbahn zu stellenden persönlichen und fachlichen Anforderungen gewachsen sein wird (BayVGH, U.v. 13.1.2016 – 3 B 14.1487 – juris Rn. 33). Auch im Übrigen ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts, eine weitere Ermittlung des Sachverhalts und ein Eingehen auf alle von der Klägerin aus ihrer Sicht abweichenden Punkte und Sachverhalte sei auf Grund der Vielzahl und der Ausführlichkeit der dienstlichen Stellungnahmen der unterschiedlichsten Vorgesetzten der Klägerin nicht erforderlich gewesen, insbesondere da der Dienstherr eine Gesamtschau vorgenommen und die Entlassung nicht auf einen einzelnen Vorfall gestützt habe, nicht zu beanstanden.
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3. Schließlich sieht sich die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass sie keine Gelegenheit gehabt habe, zu den E-Mails des Herrn R. vom 10., 15. und 16. März 2022 Stellung zu nehmen. Dann hätte sie die o.g. Widersprüche aufzeigen können. Das Verwaltungsgericht wäre dann zu einer anderen Einordnung der E-Mails gekommen und hätte sie als Beleg dafür anführen müssen, dass die Klägerin aufgrund äußerer Umstände ihr Leistungspotential nicht dauerhaft habe ausschöpfen können.
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Dieser Einwand trifft bereits im Ausgangspunkt nicht zu. Dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 3. März 2025 ist zu entnehmen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die genannten E-Mails angesprochen hat (S. 5 oben). Er hatte von ihnen dementsprechend Kenntnis; weshalb es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, hierzu Ausführungen zu machen, ist nicht ersichtlich. Die sogenannten Widersprüche zum Sachvortrag im Schriftsatz der Klägerseite vom 18. Februar 2025, den das Verwaltungsgericht auf Seite 14 f. der Entscheidungsgründe abhandelt, lagen mithin offen zu Tage. Dass das Verwaltungsgericht der Rechtsansicht der Klägerin nicht gefolgt ist, führt nicht zu einer Verletzung ihres rechtlichen Gehörs. Zudem fehlt Sachvortrag dazu, was über das bereits im Schriftsatz vom 15. Februar 2025 Vorgetragene hinaus ausgeführt worden wäre.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 6 GKG.
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung ist das verwaltungsgerichtliche Urteil rechtskräftig geworden (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).