Titel:
Sonstiges Vorhaben im Außenbereich, Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans
Normenkette:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1
Schlagworte:
Sonstiges Vorhaben im Außenbereich, Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 17.10.2023 – M 1 K 19.4761
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15640
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Erweiterung eines landwirtschaftlichen Pferdebetriebs.
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Mit Bescheid vom 13. Juli 2016 erteilte das Landratsamt der Klägerin eine Baugenehmigung für die Errichtung eines landwirtschaftlichen Pferdepensionsbetriebs mit Nebenanlagen auf den Grundstücken FlNrn. …, …, Gemarkung S. (im Folgenden: Vorhabengrundstücke). Die Klägerin betreibt dort eine Pferdepension. Mit Bauantrag vom 4. Oktober 2018 beantragte sie die Genehmigung für die Erweiterung ihres landwirtschaftlichen Pferdebetriebs. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2018 versagte die Beigeladene ihr Einvernehmen.
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Nachdem das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit Schreiben vom 8. Juli 2019 zusammenfassend festgestellt hat, dass alle beantragten Baumaßnahmen – auch im Hinblick auf die Abschirmung der benachbarten Bebauung – nicht sinnvoll seien, lehnte das Landratsamt den Bauantrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. September 2019 ab.
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Die gegen die Ablehnung des Bauantrags erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Oktober 2023 abgewiesen. Das nach § 35 BauGB zu beurteilende Vorhaben sei nicht gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert und beeinträchtige als sonstiges Vorhaben im Sinn des § 35 Abs. 2 BauGB öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB.
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Mit ihrem Zulassungsantrag macht die Klägerin geltend, dass die zur Genehmigung gestellte Erweiterung eines landwirtschaftlichen Pferdebetriebs als sonstiges Vorhaben im Sinn des § 35 Abs. 2 BauGB öffentliche Belange im Sinn des § 35 Abs. 3 BauGB nicht beeinträchtige, weil der bestehende Betrieb unabhängig von der Frage der Dienlichkeit des geplanten Vorhabens unverändert bleibe.
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Der Beklagte tritt dem Zulassungsvorbringen entgegen. Die Beigeladene äußert sich im Zulassungsverfahren nicht.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten sowie die übermittelten Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. wird nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Bei einer den Zulassungsantrag ablehnenden Entscheidung muss nicht zwischen der Zulässigkeit und der Begründetheit des Antrags differenziert werden. Daher bedarf die vom Beklagten aufgeworfene Frage, ob der Zulassungsantrag (auch) mangels Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin unzulässig ist, keiner Entscheidung.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542).
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Das ist vorliegend nicht der Fall. Nach dem Zulassungsvorbringen erscheint es nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Klägerin, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO). Die Klägerin wendet sich mit ihrem Zulassungsantrag ausdrücklich nicht gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben nicht gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert ist, weil es nicht ihrem (bestehenden) landwirtschaftlichen Betrieb dient. Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass das sonstige Vorhaben im Sinn des § 35 Abs. 2 BauGB öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt, weil es den Darstellungen des Flächennutzungsplans der Beigeladenen, der die Vorhabengrundstücke als Fläche für die Landwirtschaft darstellt, widerspricht, so dass es nicht in Einklang mit den im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO zu prüfenden Vorschriften steht.
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Die Darstellungen des Flächennutzungsplans im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB haben für die Zulässigkeit privilegierter Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB und sonstiger Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB unterschiedliches Gewicht. Während sie einem privilegierten Vorhaben als öffentlicher Belang grundsätzlich nur dann entgegenstehen können, wenn sie sachlich und räumlich hinreichend konkret sind und den Standort qualifiziert „anderweitig verplanen“, was bei der Darstellung von Flächen für die Landwirtschaft in der Regel nicht der Fall ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.8.2005 – 4 C 13.04 – BVerwGE 124, 132; B.v. 3.6.1998 – 4 B 6.98 – NVwZ 1998, 960; U.v. 6.10.1989 – 4 C 28.86 – NVwZ 1991, 161; U.v. 22.5.1987 – 4 C 57.84 – BVerwGE 77, 300 m.w.N.), sind sie bei der Frage der Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinn von § 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB grundsätzlich ohne Einschränkung zu berücksichtigen. Die Wirkungen des Flächennutzungsplans gegenüber sonstigen Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB entsprechen (regelmäßig) den Wirkungen, die auch ein Bebauungsplan hat (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1964 – 1 C 30.62 – BVerwGE 18, 247; BayVGH, U.v. 24.7.2014 – 2 B 14.896 – BauR 2015, 85; B.v. 14.10.2013 – 2 ZB 12.2318 – juris Rn. 13), obwohl die Darstellungen des Flächennutzungsplans grundsätzlich keine unmittelbar nach außen, d.h. Dritten gegenüber, wirkende Rechtsverbindlichkeit haben und nicht wie Rechtssätze gehandhabt werden dürfen. Ihre Durchsetzungsfähigkeit als öffentliche Belange gegenüber Außenbereichsvorhaben resultiert wesentlich daraus, dass sie “Unterstützung und einleuchtende Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten“ sind (vgl. BVerwG, B.v. 13.4.1995 – 4 B 70.95 – BauR 1995, 665; U.v. 6.10.1989 – 4 C 28.86 – NVwZ 1991, 161; U.v. 20.1.1984 – 4 C 43.81 – BVerwGE 68, 311; U.v. 23.5.1980 – 4 C 79.77; BVerwG, U.v. 28.2.1975 – 4 C 30.73 – BVerwGE 48, 81). Dass diese Voraussetzung hinsichtlich der Vorhabengrundstücke fehlen soll, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Heranziehung der Darstellungen des Flächennutzungsplans gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 9 Buchst. a BauGB als Maßstab für die Prüfung eines Widerspruchs im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB nicht zu beanstanden.
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Soweit gegen die Annahme eines Widerspruchs zur den Darstellungen des Flächennutzungsplans im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB vorgetragen wird, dass sich an dem bestehenden privilegierten Betrieb der Klägerin nichts ändere, weil in seiner Nutzung keine Änderung oder Erweiterung vorgenommen werde, begründet auch dies keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Denn hierbei wird verkannt, dass die Frage der Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinn von § 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 BauGB und damit ebenso diejenige eines Widerspruchs zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB auch bei einem mit einem landwirtschaftlichen Betrieb in Zusammenhang stehenden Bauvorhaben stets bezogen auf das konkrete Vorhaben im Sinn von § 29 Abs. 1 BauGB, dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit zu beurteilen ist, und nicht allgemein bezogen auf den landwirtschaftlichen Betrieb als solchen, in dessen Rahmen das konkrete Vorhaben geplant ist, zu beantworten ist. Hierauf hat der Beklagte zutreffend hingewiesen. Die mit Bauantrag vom 4. Oktober 2018 zur Genehmigung gestellte Erweiterung eines landwirtschaftlichen Pferdebetriebs erfüllt nach den mit dem Zulassungsantrag nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Voraussetzungen einer Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB jedenfalls mangels „Dienlichkeit“ nicht. Allein das Bestehen eines (ggf. privilegierten) landwirtschaftlichen Betriebs, in dessen Rahmen ein Vorhaben geplant ist, genügt weder für eine Privilegierung dieses Vorhabens im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB noch schließt es einen Widerspruch dieses Vorhabens zur Darstellung des Flächennutzungsplans als Fläche für die Landwirtschaft im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB aus (vgl. BayVGH, B.v. 20.8.2019 – 15 ZB 18.2106 – juris Rn. 21; U.v. 11.4.2017 – 1 B 16.2509 – juris Rn. 18; B.v. 27.9.2006 – 1 ZB 06.61 – juris Rn. 23).
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Schließlich vermag auch die Rüge, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit den weiteren öffentlichen Belangen des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB auseinandergesetzt habe, dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Bei der Frage, ob ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig ist, reicht schon der Verstoß gegen einen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange aus (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1999 – 4 B 85.99 – BauR 2000, 1171). Daher kommt es nicht darauf an, ob neben einem Widerspruch im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB noch andere öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beeinträchtigt sind.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.1.2.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert, gegen den die Beteiligten keine Einwände erhoben haben.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).