Titel:
Sachverständigengutachten, Schriftliches Gutachten, Festsetzung der Vergütung, Gutachtenerstattung, Erstattungsfähigkeit, Abrechnung, Festsetzungsverfahren, Stundensatz, Gerichtliche Festsetzung, Gebührenfreiheit, Kostenrecht, Beschlüsse, Bezirksrevisor, Erstattungsanspruch, Höhe der Vergütung, Vergütungsanspruch, Weitere Ausfertigung, Unanfechtbarkeit, Prüfungspflicht, Zusätzliche Vergütungen
Schlagworte:
Sachverständigenvergütung, Gutachtenabrechnung, Fotoausdrucke, Kopiekosten, Anhang zum Gutachten, Stundensatzanpassung, Unanfechtbarkeit
Vorinstanz:
AG Memmingen vom -- – 5 VI 1740/20
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15608
Tenor
Die Vergütung der Sachverständigen S… J. S… wird auf 11.650,97 EUR festgesetzt.
Gründe
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Die forensische Schriftsachverständige S… S… wurde mit Beschluss vom 24.10.2023 durch das Oberlandesgericht München beauftragt, ein Gutachten zur Urheberschaft des Erblassers bezüglich eines Testamentsnachtrages vom 01.07.2020 zum Testament vom 10.09.2017 und die Beschriftung des Umschlages anzufertigen. Dieses Gutachten erstellte sie unter dem Datum 21.02.2025 und rechnete ihre Leistung am 11.03.2025 mit 13.354,33 € ab. Die zur Rechnung angehörte Bezirksrevisorin bei dem Oberlandesgericht München teilte mit Schreiben vom 09.04.2025 mit, dass sie Bedenken hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Anfertigung von Kopien habe. Die Sachverständige mache in ihrer Rechnung 377 Fotos à 2,- € geltend. Dies entspreche der Bestimmung nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 JVEG, wobei es auf die Größe der Fotos nicht ankomme. Allerdings mache sie dann im Weiteren 377 Fotos x 12 Gutachtensexemplaren à 0,50 € geltend, wohl ebenfalls aus § 12 Abs. 1 Nr. 2 JVEG. Allerdings gelte dieser Betrag nur für Fotos, die nicht Teil des Gutachtens seien. Dies ergebe sich aus dem Gesetzestext. Falls die Fotos – wie vorliegend – Teil des Gutachtens seien, könnten lediglich die Kosten für die Fotokopien verlangt werden. Die Kosten für die Mehrfertigungen seien nach § 7 Abs. 2 JVEG ebenfalls in der Rechnung enthalten. Die Rechnung der Sachverständigen sei um 2.262,00 € auf 11.092,33 € zu kürzen. Dem widersprach die Sachverständige mit Schreiben vom 22.05.2025 und beantragte die Festsetzung der Vergütung nach § 4 JVEG in Höhe von 13.354,33 €. Der Posten „605 Kopien aus Akten, Bearbeitung, Gutachtenexempl. u.a.“ beinhalte nicht die Foto-Seiten. Zumal es sich bei der Abrechnung um schwarz-weiß Kopien und nicht um Farbkopien handle. Der Posten setze sich wie folgt zusammen: 40 Seiten Gutachten, 1 Seite Anhang-Übersicht, 7 Seiten Anhang (Tafeln 32-38): 48 x 12 = 576 zzgl. 29 Kopien aus der Akte für Unterlagen, als 605 Kopien. Im vorliegenden Fall sei in Bezug auf die Abrechnung der Fotoausdrucke § 12 Abs. 1 Nr. 2 und nicht § 7 Abs. 2 JVEG anzuwenden. So seien die Fotos nicht im schriftlichen Teil des Gutachtens zu finden, sondern in einer gesonderten Dokumentation (s. Tafeln 1-31). Sowohl das Gutachten als auch der Dokumentationsteil seien 13-fach ausgedruckt und nicht lediglich kopiert worden. Mit dem Passus „wenn die Fotos nicht Teil des schriftlichen Gutachtens sind“, sei in § 12 Abs. 1 Nr. 2 beabsichtigt, Doppelabrechnungen zu vermeiden und zur Vereinfachung der Abrechnung beizutragen. Befänden sich nämlich Fotos im Textteil des Gutachtens, dann könnten sie im Fall einer weiteren Ausfertigung zum einen gemeinsam mit der Textseite als Kopie und zum anderen nochmals als Foto abgerechnet werden. Da sich aber im vorliegenden Fall die Fotos eben nicht im schriftlichen Teil des Gutachtens befänden, liege keine doppelte Abrechnung vor. Sie beantrage die Erstattung der Kostenrechnung bzw. richterliche Festsetzung. Die erneut angehörte Bezirksrevisorin nahm am 02.06.2025 dahingehend Stellung, dass sie auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen nicht von einer Erstattungsfähigkeit ausgehe. Sie bleibe bei ihrer geäußerten Rechtsauffassung.
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1. Die Festsetzung erfolgt gem. § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG. Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Gebühren nach § 4 JVEG ist statthaft, die Sachverständige ist als Berechtigte i.S.d. Vorschrift anzusehen. Über den Antrag entscheidet gem. § 4 Abs. 7 S. 2 JVEG hier der Senat, weil der Einzelrichter die Entscheidung mit Beschluss vom 18.06.2025 auf den Senat übertragen hat.
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2. Im Festsetzungsverfahren erfolgt eine Prüfung der gesamten Ansprüche, einschließlich des geltend gemachten Zeitaufwandes (Schneider, in: Schneider, Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz, 4. Auflage 2021, § 4 JVEG, Rn. 48 m.w.N.).
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Beanstandet wurden hier zwar nur für die von der Sachverständigen abgerechneten 377 Fotos, die erstellten Abzüge und Abdrucke. Jedoch ist aufgrund der insgesamten Prüfungspflicht auch der Stundensatz der Sachverständigen anzupassen.
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a) Nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 JVEG werden für den zweiten und jeden weiteren Abzug oder Ausdruck eines Fotos, das nicht Teil des schriftlichen Gutachtens ist, 0,50 EUR erstattet. In Abgrenzung hierzu werden Fotografien, die Teil des schriftlichen Gutachtens sind, mit 2,- EUR pro Stück abgegolten. Zusätzliche Kosten für den Ausdruck werden nicht nach § 12 JVEG ersetzt, sondern lediglich im Rahmen der Erstattung der Kopiekosten nach § 7 Abs. 2 JVEG (Weber, in: Toussaint, Kostenrecht, 54. Auflage 2024, § 12 JVEG, Rn. 22 f m.w.N.).
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Entgegen der Auffassung des Sachverständigen ist vorliegend davon auszugehen, dass die in der Anlage des schriftlichen Gutachtens enthaltenen Bildaufnahmen Bestandteil des schriftlichen Gutachtens sind. Letzteres ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:
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(1) Es ist festzuhalten, dass eine doppelte Abrechnung der Fotos nicht erfolgt ist. Vielmehr hat die Sachverständige den Foto-Teil des Gutachtens, welcher aus 31 Seiten besteht, lediglich entsprechend der dort enthaltenen 377 Einzelfotos abgerechnet, die 31 Seiten jedoch nicht im Rahmen der von ihr gefertigten Kopien nochmals abgerechnet. Dies wird aus ihren Erklärungen nachvollziehbar und wurde anhand des Gutachtens überprüft.
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(2) Wie die im Anhang zum Gutachten enthaltenen Fotos abzurechnen waren, ist zwischen den Gerichten umstritten.
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aa) Einerseits wird angenommen, durch den Verweis auf § 7 Abs. 2 JVEG soll lediglich eine Doppelabrechnung von Fotos, welche sich im schriftlichen Teil des Gutachtens befinden, verhindert werden und die Abrechnung vereinfacht werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Dezember 2014 – I-10 W 181/14 –, juris, Rn. 3; OLG Stuttgart, Beschluss vom 12. Mai 2015 – 8 W 340/14 –, n.v.). Die Abrechnung der Fotos nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 JVEG sei daher dann zulässig, wenn sie nicht im Gutachtenteil enthalten seien, sondern im Anhang zu diesem abgedruckt.
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bb) Dagegen wenden sich einige Gerichte und Literaturstimmen (Weber, in: Toussaint, Kostenrecht, 54. Auflage 2024, § 12 JVEG, Rn. 22; Meyer/Höver/Bach/Oberlack a.a.O.; LG Detmold, Beschluss vom 03.05.2017 – 1 O 312/14 – BeckRS 2017, 162115), weil es unerheblich sei, ob der Sachverständige die Fotos in den Fließtext seines Gutachtens integriere oder diese in einem Anhang dem schriftlichen Gutachten beifüge. Auch die Gesetzesbegründung biete für eine andere Auslegung keine Grundlage.
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cc) Letztere Auffassung ist überzeugend.
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Für diese Sichtweise spricht zunächst der Wortlaut der Norm. Ausgehend vom allgemeinen Sprachverständnis begegnet es keinen Bedenken, als „schriftliches Gutachten“ das von dem Sachverständigen aufgrund des Auftrags, ein schriftliches Sachverständigengutachten zu erstellen, gefertigte Gesamtdokument einschließlich etwaiger Anlagen und Fotodokumentationen anzusehen und nicht weiter zwischen dem eigentlichen Gutachtentext und seinen Anlagen zu differenzieren (vgl. LG Detmold, Beschluss vom 03.05.2017 – 1 O 312/14 – BeckRS 2017, 162115, Rn. 17).
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Eine derartige Unterscheidung würde im Übrigen auch zu zweifelhaften Ergebnissen führen. Ob ein Sachverständiger von ihm verwendete Fotos in den Fließtext seines Gutachtens integriert oder in diesem lediglich – so wie es hier an zahlreichen Stellen erfolgt ist – auf seine eigenen Anlagen Bezug nimmt, ist vor allem Ausdruck individueller stilistischer Vorlieben des Sachverständigen. Sachliche Gründe, hier eine bestimmte Vorgehensweise durch Zuerkennung einer zusätzlichen Vergütung zu honorieren, sind nicht ersichtlich (vgl. LG Detmold, Beschluss vom 03.05.2017 – 1 O 312/14 – BeckRS 2017, 162115, Rn. 18).
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Dass der Gesetzgeber hiervon abweichend den Willen hatte, lediglich für Fotos, die in den eigentlichen Fließtext des Gutachtens integriert sind, die Ersatzfähigkeit zweiter und weiterer Abzüge oder Ausdrucke zu beschränken, vermag das Gericht nicht festzustellen. Die Gesetzesbegründung bietet für eine derartige Auslegung keine Stütze (vgl. BT-Drucksache 17/11471, 261; LG Detmold, Beschluss vom 03.05.2017 – 1 O 312/14 – BeckRS 2017, 162115, Rn. 19).
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Aufgrund der vorgenannten Erwägungen ist der Senat deshalb zu der Auffassung gelangt, dass das in § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 JVEG enthaltene Tatbestandsmerkmal „wenn die Fotos nicht Teil des schriftlichen Gutachten sind“ einer engen Auslegung bedarf. Anwendungsfälle der Norm, die einen weitergehenden Erstattungsanspruch auch für das Fertigen zweiter und weiterer Abzüge begründen, verbleiben vor allem im Bereich der mündlichen Gutachtenerstattung im Termin bei gleichzeitiger Vorlage vom Bildaufnahmen zum Zwecke der Illustration (vgl. LG Detmold, Beschluss vom 03.05.2017 – 1 O 312/14 – BeckRS 2017, 162115, Rn. 20).
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Der von § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 JVEG verfolgte Zweck, besondere Aufwendungen im Zusammenhang mit der Anfertigung von Lichtbildern abzugelten, kann nicht erreicht werden, wenn diese lediglich in ein Dokument eingefügt und dann in entsprechender Mehrfertigung ausgedruckt werden. Dass dies vom Gesetzgeber so gewünscht wäre, lässt auch die Gesetzesbegründung nicht erkennen, vielmehr ist durch den Verweis auf § 7 Abs. 2 JVEG aus Sicht des Senats zum Ausdruck gebracht, dass man gerade verhindern wollte, dass Lichtbilder, welche sich im Gutachten befinden, doppelt und mit anderen Sätzen abgerechnet werden können. Es kann dabei keinen Unterschied machen, ob die Fotos in einem direkt auf das Gutachten folgenden Anhangteil enthalten sind oder ob diese sich im Fließtext befinden. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Einbau von Lichtbildern im Fließtext eher ein höherer Aufwand, da dies zu Schwierigkeiten in der Formatierung führen kann.
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b) (1) Nach den oben gemachten Ausführungen konnte die Sachverständige hier nicht die 377 x 12 Fotos à 0,50 € (Anhang Tafeln 1-31) mit insgesamt 2.262,00 € abrechnen, sondern lediglich für 31 Seiten Bildtafeln à 12 Exemplare für Farbkopien und -ausdrucke nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 JVEG 1 € für die ersten 50 Seiten und 0,30 € für jede weitere Seite. Insgesamt sind zusätzliche 31 x 12 Seiten ausgedruckt worden, mithin 372 Seiten. Hiervon werden die ersten 50 Seiten mit 1 €, somit 50 € berechnet und die weiteren 322 Seiten mit 0,30 €, mithin 96,60 €. Insgesamt hat die Sachverständige somit einen Vergütungsanspruch für die im Anhang enthaltenen Lichtbilder in Höhe von 146,60 €.
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(2) Zudem konnte die Sachverständige pro Stunde für die Tätigkeit nicht lediglich 105 € abrechnen, sondern 114 €. Dies ergibt sich aus der Anlage 1 zu § 9 JVEG, Nr. 17. Dass die Sachverständige insoweit einen geringeren Stundensatz angesetzt hat, ist unschädlich. Solange die Festsetzung des Gerichts unterhalb des geforderten Gesamtbetrages verbleibt, können einzelne festzusetzende Positionen ausgetauscht und verändert werden. An die Höhe der Einzelsätze, den Stundensatz oder die Höhe der Vergütung im Antrag ist das Gericht nicht gebunden (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 25.07.2023 – L 1 JVEG 219/22, BeckRS 2023, 21534; LG Dortmund, Beschluss vom 8. 3. 1966 – 9 T 479/65, NJW 1966, 1169; OLG Düsseldorf v. 9. 2. 82 10 W 1/82, JurBüro 82, 1229; Schneider, in: Schneider, Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz, 4. Auflage 2021, Rn. 48 m.w.N.). Hieraus ergibt sich ein abzurechnender Mehrbetrag von 684 € netto.
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(3) Die Anzahl der abgerechneten Stunden erscheint für das Gericht noch nachvollziehbar. Es handelt sich um ein umfangreiches Nachlassverfahren mit einer erheblichen Anzahl eingereichter Schriftproben, welche von der Sachverständigen analysiert werden mussten.
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3. Dies ergibt folgende Gesamtabrechnung:
„Es folgt die Aufzählung der Einzelpositionen mit einer Summe von insgesamt 11.650,97 €“
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Diese Entscheidung ist gem. § 4 Abs. 3, Abs. 4 S. 3 JVEG unanfechtbar. Die Entscheidung ist gem. § 4 Abs. 8 JVEG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.