Titel:
Aufhebung einer Restrukturierungssache wegen eines schwerwiegenden Pflichtenverstoßes des Sanierungsgeschäftsführers
Normenkette:
StaRUG § 32 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
Leitsätze:
1. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 StaRUG umfasst auch die unverzügliche Zahlung der Gebühren nach KV 2511, 2513 GKG und des Auslagenvorschusses des Restrukturierungsbeauftragten. (Rn. 17)
2. Deren Nichtzahlung oder verspätete Zahlung können einen schwerwiegenden Pflichtenverstoß i.S.d. § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StaRUG darstellen. (Rn. 21)
3. Verstößt die Schuldnerin gegen diese Pflicht, ist die Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StaRUG aufzuheben. (Rn. 13)
Schlagworte:
Restrukturierungssache, Aufhebung, schwerwiegender Pflichtenverstoß, Sanierungsgeschäftsführer, unverzügliche Zahlung, Gerichtsgebühren, Auslagenvorschuss
Rechtsmittelinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 30.05.2025 – 11 T 1726/25
Weiterführende Hinweise:
Die sofortige Beschwerde wurde durch Beschluss des Landgerichtes Nürnberg-Fürth vom 30.05.2025 als unbegründet zurückgewiesen (11 T 1726/25).
Fundstellen:
ZRI 2025, 848
ZInsO 2025, 1923
NWB 2025, 2242
ZIP 2025, 1944
NZI 2025, 701
BeckRS 2025, 15486
FDInsR 2025, 015486
LSK 2025, 15486
Tenor
Die Restrukturierungssache wird aufgehoben.
Gründe
1
Die Schuldnerin ist eine GmbH & Co. KG mit laufendem Geschäftsbetrieb, 32 Mitarbeitern, einer Bilanzsumme für das Jahr 2021 in Höhe von 2.437.319,99 € und Umsatzerlösen im Jahr 2023 in Höhe von 9.554.095,46 €.
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Mit Schriftsatz ihres anwaltlichen Vertreters vom 09.01.2025 reichte sie unter Vorlage eines Restrukturierungsplans eine Anzeige nach § 31 StaRUG beim Amtsgericht Nürnberg ein und beantragte die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten, die Durchführung eines Abstimmungstermins (Anmerkung: gemeint ist wohl ein Erörterungs- und Abstimmungstermin) und die gerichtliche Bestätigung des Plans.
3
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12.01.2025 zeigte die Schuldnerin den Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit an.
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Am 13.01.2025 verfügte der zuständige Richter die Anforderung der Gebühr nach KV 2510 GKG in Höhe von 150,- €. Der entsprechende Kostenansatz wurde von der Kostenbeamtin noch am selben Tag erstellt. Die Landesjustizkasse gab ihre diesbezügliche Rechnung am 16.01.2025 an die Schuldnerin heraus.
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Mit Verfügung vom 14.01.2025 regte das Gericht angesichts der erfolgten Anzeige der Zahlungsunfähigkeit die Rücknahme der Anzeige nach § 31 StaRUG an. Die Schuldnerin berief sich daraufhin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17.01.2025 auf den Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StaRUG.
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Zur Prüfung des Zeitpunktes des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit und des Vorliegens der Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StaRUG gab das Gericht der Schuldnerin mit Verfügung vom 17.01.2025 auf, näheren Vortrag zur Fälligkeit derjenigen Forderungen zu leisten, die den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und den Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StaRUG begründen sollen. Die Schuldnerin reagierte hierauf mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27.01.2025.
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Mit Beschluss vom 06.02.2025 bestellte das Gericht einen obligatorischen Restrukturierungsbeauftragten, welcher sich zuvor im Rahmen der gerichtlichen Anfrage vom 29.01.2025 mit Schriftsatz vom 03.02.2025 zur Übernahme des Amtes bereit erklärt und nach vorläufiger Schätzung ein Honorar von 20.000 € mitgeteilt hatte.
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Mit Beschluss ebenfalls vom 06.02.2025 gab das Gericht der Schuldnerin auf, binnen 1 Woche ab Zustellung dieses Beschlusses gemäß KV 2511 und 2513 GKG die Gerichtskosten in Höhe von 1.500,- € sowie einen Auslagenvorschuss für den Restrukturierungsbeauftragten in Höhe von 20.000,- € einzuzahlen und dies dem Gericht gegenüber nachzuweisen. Der Beschluss wurde dem anwaltlichen Vertreter der Schuldnerin am selben Tag zugestellt.
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In Folge begann Gericht aufgrund einer Anregung des Restrukturierungsbeauftragten vom 21.02.2025 u.a. mit Ermittlungen hinsichtlich bereits vor der Anzeige nach § 31 StaRUG gegen die Schuldnerin laufender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, insbesondere auch Haftbefehlsanträgen wegen Nichterscheinens zur Abgabe der Vermögensauskunft (AG, Az. *; Obergerichtsvollzieherin * in, Az. *), welche die Schuldnerin dem Gericht nicht mitgeteilt hatte. Die zugrundeliegenden Forderungen der die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigerinnen werden weder im Plan dargestellt noch sind sie durch diesen betroffen.
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Am 27.02.2025 nahm das Gericht telefonischen Kontakt mit der Landesjustizkasse auf. Diese teilte mit, dass bislang keine Zahlungen der Schuldnerin eingegangen seien.
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Mit Schreiben vom 27.02.2025 wies das Gericht die Schuldnerin auf die fehlende Einzahlung der Gerichtskosten hin und gab Möglichkeit zur Stellungnahme binnen 1 Woche zur beabsichtigten Aufhebung der Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 32 StaRUG.
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Eine Reaktion hierauf erfolgte innerhalb der gesetzten Frist gegenüber dem Gericht nicht. Mit Schreiben vom 04.03.2025 teilte die Landesjustizkasse den Eingang einer Zahlung von 150,- € am 03.03.2025 mit. Am 10.03.2025 erteilte die Landesjustizkasse dem Gericht im Rahmen einer telefonischen Nachfrage die Auskunft, dass keine weiteren Zahlungen eingegangen seien.
13
Die Restrukturierungssache ist wegen eines schwerwiegenden Pflichtenverstoßes der Schuldnerin gemäß § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 32 StaRUG aufzuheben.
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1. a) Nach § 32 Abs. 1 S. 1 StaRUG hat die Schuldnerin die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers zu betreiben. Die Pflicht zum Betreiben der Restrukturierungssache bedeutet, aktives Handeln zur Förderung des Vorhabens und Unterlassung von Handlungen, die dem Vorhaben entgegenstehen, § 32 Abs. 1 S. 2 StaRUG. Maßgeblich ist ein objektiv typisierender Sorgfaltsmaßstab. Der Schuldner hat sich an den Interessen der Gläubigergesamtheit und nicht nur der Planbetroffenen zu orientieren, § 32 Abs. 1 S. 1 HS. 2 StaRUG.
15
Die Norm des § 32 StaRUG definiert konkrete Verhaltensanforderungen an die Schuldnerin. Hierzu zählt es, sich rechtmäßig zu verhalten und die zwingenden gesetzlichen Verhaltensvorgaben einzuhalten, soweit sie einen Bezug zur Restrukturierungssache haben (siehe zu allem nur: Schluck-Amend in: Jacoby/Thole, StaRUG, 1. Aufl., § 32 Rn. 7ff.; Fritz in: Münchener Kommentar zum StaRUG, 1. Aufl., § 32 Rn. 10ff.; Herding/Krafczyk in: Seibt/Westpfahl, StaRUG, 1. Aufl., § 32 Rn. 10; Kramer in: BeckOK StaRUG, 15. Edition, § 32 Rn. 21ff.; Janjuah/Tangermann in: Morgen, StaRUG, 2. Aufl., § 32 Rn. 29ff.).
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Als weitere Verhaltenspflicht ist § 32 Abs. 1 StaRUG zu entnehmen, dass die Krisenbewältigung wegen der bestehenden Sanierungsbetreibungspflicht nicht verzögert oder verschleppt werden darf (BT-Drs. 19/24181, 137; Kramer, a.a.O., § 32 Rn. 22). Gerade im vorliegenden Fall, in dem eine Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten ist, kommt der Sanierungsbetreibungspflicht eine besondere Bedeutung zu.
17
Zum rechtmäßigen Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers gehört es auch, angeforderte Gerichtsgebühren und Auslagen einzuzahlen (Fritz, a.a.O., § 33 Rn. 51; Kramer, a.a.O., § 33, Rn. 40; Fritz in: Uhlenbruck 16. Aufl., § 33, Rn. 25; Kramer, a.a.O., § 33 Rn. 40).
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b) Vorliegend wurde der Schuldnerin die Rechnung zur Zahlung der Gebühr für die Anzeige bereits unter dem 16.01.2025 übersandt. Die Gerichtskosten und die Auslagen für den Restrukturierungsbeauftragten nach KV 2511, 2513 GKG waren mit Ablauf des 13.02.2025 fällig.
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Gezahlt hat die Schuldnerin trotz gerichtlichen Hinweises bis zum heutigen Tag lediglich die Gebühr für die Anzeige nach § 31 StaRUG, diese mit einer Verzögerung von fast 2 Monaten.
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Die Zahlungsverzögerung für nur 150,- € über fast 2 Monate sowie insbesondere die Nichtzahlung der weiteren Beträge stellen eine deutliche, einzig durch die Schuldnerin zu vertretende Verzögerung des Verfahrens dar, die im Widerspruch zur Eilbedürftigkeit eines Restrukturierungsverfahrens und zu dem im besonderen Maße zu beachtenden Beschleunigungsgrundsatz steht (vgl. hierzu: Blankenburg in: Morgen, a.a.O, § 38 Rn. 15, § 65 Rn. 26); Deppenkemper in: Seibt/Westpfahl, a.a.O., § 38 Rn. 20; Vuia in: MüKo, a.a.O. § 38 Rn. 32; Sattler in: Seibt/Westpfahl, a.a.O., § 65 Rn. 8, Spliedt in: Jacoby/Thole, a.a.O., § 65 Rn. 2; Jungmann in: Münchener Kommentar, a.a.O., § 65 Rn. 26).
21
Die Schuldnerin verstößt hierdurch in eklatanter Weise sowohl gegen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers als auch gegen die ihr obliegende Sanierungsbetreibungspflicht. Sie zeigt deutlich, dass sie nicht gewillt und/oder in der Lage ist, das Verfahren mit den ihr obliegenden Pflichten unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes zu führen.
22
Zwar besteht hinsichtlich der Gerichtskosten nach KV 2511, 2513 GKG keine Vorschusspflicht im engeren Sinn, jedoch eine Vorauszahlungspflicht. Vor Zahlung der Gebühren und Auslagen darf die Schuldnerin keine Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch nehmen (AG Nürnberg, B.v. 06.05.2024, BeckRS 2024, 20800; Volpert in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage, GKG, § 13a Rn. 3; Toussaint in: BeckOK, Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, 45. Edition, GKG, § 13a Rn. 3). Hierzu zählt neben der beantragten gerichtlichen Planabstimmung und -bestätigung auch die Vorprüfung nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 46 StaRUG. Die Schuldnerin hat es durch ihr Verhalten dem Gericht bis heute unmöglich gemacht, das Verfahren fortzuführen.
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Gründe für die Zahlungsverzögerung und Nichtzahlung wurden von der Schuldnerin trotz gerichtlichen Hinweises nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht erkennbar.
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2. Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 82 Abs. 2 S. 1 StaRUG im Rahmen der Kostenfestsetzung (AG Nürnberg, B. v. 29.11.2024, RES 1297/23; Vuia in: Münchener Kommentar, StaRUG, 1. Aufl., § 82 Rn. 35; Römer in: Römermann, Insolvenzordnung, Stand Januar 2024, StaRUG, § 82 Rn. 16; Kümpel in: BeckOK StaRUG, 13. Edition, § 82 Rn. 33).
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Die Schuldnerin wird darauf hingewiesen, dass mit der Aufhebung der Restrukturierungssache die Insolvenzantragspflicht wieder auflebt.