Titel:
Absonderung einer an Mpox erkrankten Person, Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG), Kein Richtervorbehalt bei Anordnung einer Absonderung, Dauerverwaltungsakt, Verhältnismäßigkeit: Erlaubnis von Spaziergängen während der Absonderung wegen psychischer Erkrankung, Dauer der Absonderung: Verpflichtung zur Aufhebung bei Entfallen der Ansteckungsgefahr, Unbestimmtheit einer Zwangsgeldandrohung
Normenketten:
IfSG §§ 28 ff.
GG Art. 19 Abs. 1 S. 2
GG Art. 104 Abs. 2
BayVwVfG Art. 37
BayVwVfG Art. 40
Schlagworte:
Absonderung einer an Mpox erkrankten Person, Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG), Kein Richtervorbehalt bei Anordnung einer Absonderung, Dauerverwaltungsakt, Verhältnismäßigkeit: Erlaubnis von Spaziergängen während der Absonderung wegen psychischer Erkrankung, Dauer der Absonderung: Verpflichtung zur Aufhebung bei Entfallen der Ansteckungsgefahr, Unbestimmtheit einer Zwangsgeldandrohung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15370
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die häusliche Absonderung des Klägers durch die Beklagte im Zeitraum vom 8. Juli 2022 bis zum 13. Juli 2022 rechtswidrig war.
Es wird festgestellt, dass Ziff. II des Bescheids vom 1. Juli 2022 rechtswidrig war.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass eine von der Beklagten ausgesprochene häusliche Absonderung wegen einer Infektion mit dem Monkeypox-Virus (MPXV) nebst Zwangsgeldandrohung rechtswidrig war.
2
MPXV ist ein mit dem klassischen humanen Pockenviren (Variola) verwandtes Virus. MPXV ist Erreger der sog. Monkeypox (Mpox), wobei sich eine Infektion mit MPXV häufig durch Auftreten eines oder mehrerer unspezifischer Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Fatigue oder Gelenkschmerzen äußert. Außerdem sind u.a. pathologische Hautveränderungen und Schleimhautläsionen typisch für eine Erkrankung an Mpox (vgl. grundlegend hierzu https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/RKI-Ratgeber/Ratgeber/Ratgeber_Mpox.html?nn=16904216; Abruf am 11.06.2025).
3
Der Schwerpunkt humaner Fälle von Mpox lag in der Vergangenheit insbesondere in west- und zentralafrikanischen Staaten. Ab Mai 2022 konnten in verschiedenen Ländern außerhalb Afrikas – auch in Deutschland – vermehrt Fälle ohne Reiseanamnese in bekannte Endemiegebiete registriert werden. Auch im Hoheitsgebiet der Beklagten konnte damals eine steigende Zahl von MPXV-Infektionen festgestellt werden (Bl. 310 d. Behördenakte). Unklar war seinerzeit, worauf der Ausbruch zurückzuführen war und ob sich möglicherweise die Infektiosität des Virus verändert hatte.
4
Der Kläger hatte am 17. Juni 2022 Körperkontakt zu einer mit MPXV infizierten Person. Der Kläger verfügte seinerzeit nicht über einen ausreichenden Impfschutz gegen Mpox. Ab dem 22. Juni 2022 traten beim Kläger Fieber, Hautläsionen im Intimbereich und eine Aphte im Mund auf (Bl. 13 d. Behördenakte). Ein am 28. Juni 2022 durchgeführter PCR-Test bestätigte, dass sich der Kläger mit MPXV infiziert hatte (Bl. 2 d. Behördenakte), wovon die Beklagte am 29. Juni 2022 Kenntnis erlangte (Bl. 3 d. Behördenakte).
5
Am 30. Juni 2022 nahm ein Mitarbeiter der Beklagten telefonisch Kontakt zum Kläger auf, befragte ihn nach seinem Gesundheitszustand und ordnete fernmündlich seine häusliche Absonderung bis zum 13. Juli 2022 an (Bl. 15 d. Behördenakte). Mit Bescheid vom 1. Juli 2022 (Az.: …) bestätigte die Beklagte diese Anordnung (Ziff. I.1. Satz 1). Die Beklagte untersagte dem Kläger, seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsreferats zu verlassen (Ziff. I.1. Satz 2) und Besuch von nicht haushaltsangehörigen Personen zu empfangen (Ziff. I.1. Satz 3). Kontakte innerhalb der häuslichen Gemeinschaft seien zu minimieren und enge Körperkontakte zu vermeiden (Ziff. I.1. Sätze 4-5). Bei Kontakt mit anderen Personen werde das Tragen einer FFP2-Maske empfohlen (Ziff. I.1. Satz 6). Weiterhin wurde angeordnet, dass der Kläger für die sich aus Ziff. I.1. ergebende Zeit der Beobachtung durch das Gesundheitsamt der Beklagten unterliege (Ziff. I.2). Der Kläger habe alle Untersuchungen und Entnahmen von Untersuchungsmaterial durch die Beauftragten des Gesundheitsamtes zu dulden und an sich vornehmen zu lassen sowie hierfür deren Anordnungen Folge zu leisten. Der Kläger könne durch das Gesundheitsamt der Beklagten vorgeladen werden und habe den Beauftragten des Gesundheitsamtes auf Verlangen über alle seinen Gesundheitszustand betreffenden Umstände Auskunft zu geben. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziff. I.1. und Ziff. I.2. wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- Euro angedroht (Ziff. II.).
6
Die Beklagte begründete ihre Entscheidung mit der labordiagnostisch bestätigten Mpox-Erkrankung des Klägers. Die Anordnung in Ziff. I.1. werde auf § 28 Abs. 1 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gestützt. Die Absonderung diene dem Infektionsschutz und der Verhinderung der Ausbreitung von Mpox. Die Absonderung habe sich bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten bewährt, weniger einschneidende gleich geeignete Mittel seien nicht ersichtlich. In zeitlicher Hinsicht sei die Maßnahme auf den erforderlichen Zeitraum zu begrenzen, wobei nach dem wissenschaftlichen Kenntnisstand von einer Infektiosität von 21 Tagen bei einer Infektion mit MPXV auszugehen sei. Die Absonderung erweise sich auch als angemessen, da die Übertragbarkeit von MPXV noch nicht eindeutig geklärt sei und der Schutz von Gesundheit und Leben der Bevölkerung angesichts des internationalen Infektionsgeschehens Vorrang habe, sodass die Rechtsgüter des Klägers hinter dem Recht der Allgemeinheit auf körperliche Unversehrtheit zurückstehen müssten. Eine frühzeitige Entlassung aus der Absonderung sei möglich, wenn keine Symptome, die auf eine Ansteckungsfähigkeit hinweisen würden, mehr bestünden. Die Zwangsgeldandrohung stütze sich auf Art. 29, Art. 30 Abs. 1 Satz 1, Art. 31 und Art. 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG), wobei die Anordnungen nach Ziff. I.1. und Ziff. I.2. mit einer Zwangsgeldandrohung zu verbinden seien, um zur vollständigen Erfüllung der auferlegten Verpflichtung anzuhalten.
7
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 1. Juli 2022 Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragte zunächst, Ziff. I.1. und Ziff. II. des verfahrensgegenständlichen Bescheides aufzuheben bzw. die Nichtigkeit von Ziff. II des Bescheides festzustellen. Ferner beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (M 26b S 22.3317).
8
Mit E-Mail vom 4. Juli 2022 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sich seine Symptome verbesserten, sich die Pocken zurückbildeten und er nur noch leichte Rötungen und Schwellungen im Genitalbereich habe. Sein psychischer Allgemeinzustand verschlechtere sich seit dem 2. Juli 2022 jedoch rapide.
9
Der Kläger legte ein Attest vom 5. Juli 2022 seines Hausarztes vor, in dem dieser bestätigte, dass die Absonderungsverpflichtung den Kläger psychisch sehr belaste und er deshalb akut gefährdet sei, dass sich sein Gesundheitszustand bei bekannter Panikstörung und Depression in der Vorgeschichte verschlechtere (Bl. 76 d. Gerichtsakte im Verfahren M 26b S 22.3317). Mit Beschluss vom 6. Juli 2022 lehnte die Kammer den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Klägers im Verfahren M 26b S 22.3317 ab (Bl. 96 ff. d. Gerichtsakte im Verfahren M 26b S 22.3317). Die Beklagte teilte dem Kläger sodann mit, dass angesichts der gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren auf Basis des eingereichten Attests betreffend seinen psychischen Gesundheitszustand keine Lockerungen der Absonderung zugestanden werden könnten (Bl. 201 d. Behördenakte). Stattdessen bedürfe es hierfür eines qualifizierten fachärztlichen Attestes mit Angabe einer Behandlungsdiagnose und einer Beschreibung des Krankheitsverlaufs während des vergangenen Jahres.
10
Am 6. Juli 2022 berichtete der Kläger, dass seine Symptome nahezu vollständig abgeklungen seien. Die Schwellung und Rötung sei fast gänzlich verschwunden und es sei lediglich noch eine leicht offene Stelle vorhanden; die Pocken hätten sich vollständig zurückgebildet. Zugleich bat der Kläger um Benennung eines Arztes, durch den er die Symptomfreiheit zu gegebener Zeit feststellen lassen könne (Bl. 166 d. Behördenakte). Telefonisch entgegnete ein Mitarbeiter der Beklagten, dass der Termin einer solchen Testung erst am letzten Tag der Absonderung erfolgen könne (Bl. 167 d. Behördenakte). Hiergegen wandte der Kläger ein, dass das R. K.-Institut selbst auf seiner Internetpräsenz schreibe, dass Betroffene ansteckend seien, solange sie Symptome haben, wobei solche in der Regel innerhalb von zwei bis vier Wochen abklingen würden (Bl. 198 d. Behördenakte). Der Kläger erkenne keine Notwendigkeit einer Absonderung, sobald er nicht mehr ansteckend sei. Seine Symptome seien nahezu vollständig verschwunden. Er erbitte deshalb die Zustimmung, seine Wohnung verlassen zu dürfen, um die Symptomfreiheit ärztlich feststellen zu lassen (Bl. 197 d. Behördenakte). Am 8. Juli 2022 erklärte der Kläger, dass seine Symptome nun vollständig abgeheilt seien (Bl. 206 d. Gerichtsakte). Am selben Tag unterzog sich der Kläger einer Videosprechstunde bei seinem Hausarzt. Dieser konnte feststellen, dass die Rötung und Schwellung genital und suprapubisch abgeklungen, die Pocken am Penis und die kleine Pocke an der Bauchhaut abgeheilt und jeweils auch keine Krusten vorhanden seien (Bl. 134 d. Gerichtsakte). Mit E-Mail vom 11. Juli 2022 erklärte die Beklagte, dass die Abschlussuntersuchung am letzten Tag der Absonderung erfolgen müsse. Ungeachtet des Ergebnisses der Abschlussuntersuchung ende die Absonderung erst mit Ablauf des 13. Juli 2022 (Bl. 211 d. Behördenakte).
11
Über die Feststellungen seines Hausarztes informierte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 7. Februar 2023. Außerdem forderte der Kläger von der Beklagten ein Schmerzensgeld in einer Gesamthöhe von 8.300,00 Euro und begründete dies u.a. mit der Rechtswidrigkeit der vorliegend verfahrensgegenständlichen Absonderungsanordnung (Bl. 140 d. Gerichtsakte).
12
Der Klägerbevollmächtigte beantragte zuletzt,
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Es wird festgestellt, dass die Anordnungen aus den Sätzen 1 und 2 der Nummer I. 1. sowie die Zwangsgeldandrohung aus Nummer II. des streitgegenständlichen Bescheides rechtswidrig waren.
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Die Klagepartei ist der Auffassung, dass die Klage zulässig sei. Insbesondere verfüge der Kläger angesichts des mit der Absonderung verbundenen tiefgreifenden Grundrechtseingriffs und weil er Amtshaftungsansprüche bereits geltend gemacht habe, über ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Die gegenüber dem Kläger angeordnete häusliche Absonderung sei rechtswidrig gewesen. Die Beklagte habe sich mit seinen im Verwaltungsverfahren geäußerten Einwänden nicht im erforderlichen Maße auseinandergesetzt, sodass ein Begründungsdefizit vorliege. Es fehle bereits an einer für diesen Eingriff erforderlichen Rechtsgrundlage, da § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG verfassungswidrig sei, weil die Norm gegen das Zitiergebot aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) verstoße. Ferner handle es sich bei der dreiwöchigen Absonderung um eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG, sodass für die Entscheidung über deren Anordnung nicht die Beklagte, sondern ein Richter zuständig gewesen wäre. Ungeachtet dessen habe die Beklagte die Ansteckungsgefahr für Dritte zu Lasten des Klägers falsch beurteilt. MPXV unterscheide sich im Hinblick auf die Übertragungsintensität von SARS-CoV-2. Eine Gefährdung sei auf Basis des damaligen wissenschaftlichen Kenntnisstandes jedenfalls bei Symptomfreiheit ausgeschlossen gewesen, sodass die Absonderung insoweit auflösend bedingt werden hätte müssen. Der Kläger habe unter keinen freiliegenden Hautveränderungen gelitten. Zwar sei das R. K.-Institut damals von der Möglichkeit einer Tröpfchen- oder einer Schmierinfektion ausgegangen. Eine Übertragung auf diesem Weg sei jedoch unwahrscheinlich gewesen. Eine Ansteckung Dritter hätte deshalb durch die Desinfektion der Hände, die Vermeidung von Menschenansammlungen und das Tragen einer FFP2-Maske bei Verlassen der Wohnung vermieden werden können. Vor diesem Hintergrund sei die Absonderung jedenfalls unverhältnismäßig gewesen, da mildere, ebenso wirksame Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Außerdem müsse die hohe Eingriffsintensität einer dreiwöchigen Absonderung berücksichtigt werden. Ein solcher Eingriff könne nicht auf letzte wissenschaftliche Zweifel gestützt werden. Jedenfalls hätte es ihm die Beklagte angesichts seines psychischen Gesundheitszustandes erlauben müssen, die Wohnung zumindest zeitweise verlassen zu dürfen. Schließlich sei die Anordnung rechtswidrig, weil das Landratsamt Regensburg in einem vergleichbaren Fall eine lediglich vierzehntägige Absonderung gegenüber einer an Mpox erkrankten Person angeordnet habe.
15
Die Beklagte beantragte,
17
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Absonderung des Klägers bis einschließlich 13. Juli 2022 rechtmäßig war. Bei Absonderungen handle es sich nicht um Freiheitsentziehungen, weshalb der Richtervorbehalt keine Anwendung finde. Ferner erfülle § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG im Falle von Absonderungen nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG die Anforderungen des Zitiergebots. Die konkret angeordnete Maßnahme habe den damaligen Empfehlungen des R. K.-Instituts entsprochen. Insbesondere sei seinerzeit zu einer 21-tägigen Absonderung gerechnet ab dem Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Symptomen geraten worden. Der Absonderung habe nicht die Erforderlichkeit gefehlt, da die vom Kläger vorgeschlagenen Erleichterungen nicht gleich effektiv gewesen wären, um eine Infektion Dritter sicher auszuschließen. Dies sei angesichts der unklaren Faktenlage hinsichtlich der in Betracht kommenden Übertragungswege zum Zwecke des Gesundheitsschutzes nötig gewesen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Infektionszahlen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten seinerzeit kontinuierlich angestiegen seien, weshalb eine konsequentere Absonderungsstrategie von den Fachgremien und dem R. K.-Institut propagiert worden sei. Hieran habe man sich strikt gehalten.
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Am 30. April 2023 fand die mündliche Verhandlung statt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärten die Beklagtenvertreterinnen unter Bezugnahme auf Bl. 207 d. Behördenakte, dass die Beklagte am 8. Juli 2022 Kontakt mit dem Kläger aufgenommen habe, um die Modalitäten eines Arztbesuchs zwecks Feststellung der Symptomfreiheit und vorzeitiger Beendigung der Absonderung zu besprechen. Der Kläger habe jedoch lediglich entgegnet, nicht mehr mit Vertretern der Beklagten sprechen zu wollen und sich auf kein Angebot einzulassen. Der Kläger entgegnete, dass ein Telefonat dieses Inhalts nach seiner Erinnerung nicht stattgefunden habe. Hierfür spreche auch, dass die Beklagte mehrfach erklärt habe, dass vor Ablauf von drei Wochen eine Beendigung der Absonderung nicht in Betracht komme.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten im Verfahren M 26b K 22.3316 sowie M 26b S 22.3317 und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
20
Die Klage ist teilweise erfolgreich im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Absonderungsanordnung im Zeitraum vom 8. Juli 2022 bis einschließlich 13. Juli 2022 und in Bezug auf die Zwangsgeldandrohung.
21
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) zulässig (s. zur Zulässigkeit und dem rechtlichen Maßstab der Umstellung einer Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage: BVerwG, U. v. 02.11.2017 – 7 C 26/15 – juris Rn. 14; BayVGH, U. v. 16.07.2024 – 7 B 21.808 – juris Rn. 23; Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 46. EL, § 91 Rn. 31).
22
1. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist die Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem Ziel der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes statthaft, wenn sich ein von der Klagepartei angefochtener Verwaltungsakt vor einer gerichtlichen Entscheidung durch Zurücknahme oder anders erledigt und die Klagepartei ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
23
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hatte gegen die verfahrensgegenständliche Absonderungsanordnung zunächst Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) erhoben, über die das Gericht jedoch nicht vor Ablauf des im Tenor des verfahrensgegenständlichen Bescheids genannten Absonderungszeitraums entschieden hat (s. zur Erledigung von Dauerverwaltungsakten durch Zeitablauf allgemein BayVGH, U. v. 26.06.2012 – 10 BV 11.1936 – juris Rn. 27). Gleiches gilt hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung, da die ihr innewohnende Steuerungsfunktion nachträglich entfallen ist (allgemein BVerwG, U. v. 25.09.2008 – 7 C 5/08 – NVwZ 2009, 122 (122); s. zur Erledigung einer Zwangsgeldandrohung BayVGH, B. v. 26.04.2012 – 11 CS 12.650 – BeckRS 2012, 52541 Rn. 13; BayVGH, U. v. 15.05.2012 – 10 BV 10.2258 – juris Rn. 23).
24
2. Der Kläger ist als Adressat der verfahrensgegenständlichen Absonderungsanordnung klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).
25
3. Der Kläger verfügt über das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an einer nachträglichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der erledigten Absonderungsanordnung.
26
Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben (BayVGH, B. v. 22.11.2024 – 20 B 24.25 – juris Rn. 9). Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klagepartei in den genannten Bereichen zu verbessern (BVerwG, U. v. 17.11.2016 – 2 C 27.15 – BVerwGE 156, 272 Rn. 13 m.w.N.). Insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich kann der durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz die Anerkennung eines Feststellungsinteresses rechtfertigen, wenn sich die unmittelbare Belastung durch den schwerwiegenden Hoheitsakt auf eine Zeitspanne beschränkt, in der die Entscheidung des Gerichts kaum zu erlangen ist und es sich bei der verfahrensgegenständlichen Maßnahme zugleich um einen qualifizierten Grundrechtseingriff handelt (BVerfG, B. v. 26.01.2021 – 2 BvR 676/20 – juris Rn. 31; B. v. 6.7.2016 – 1 BvR 1705/15 – juris Rn. 11; BVerfGE 96, 27 – juris Rn. 49; BVerwG, U. v. 24.04.2024 – 6 C 2/22 – juris Leitsatz 1; BVerwG, B. v. 24.09.2024 – 6 B 10/24 – juris Rn. 12).
27
Die verfahrensgegenständliche Absonderungsanordnung und die mit ihr verbundene Zwangsgeldandrohung erfüllen diese Voraussetzungen (s. hierzu auch BayVGH, U. v. 26.07.2022 – 20 B 22.29, 20 B 22.30 – BeckRS 2022, 19876 Rn. 42). Sie betrifft einen so kurzen Zeitraum, sodass wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz in der Hauptsache nicht zu erlangen war. Zugleich ist mit ihr ein qualifizierter Grundrechtseingriff in o.g. Sinne verbunden. Das besondere Gewicht des Eingriffs ergibt sich aus der Kombination der ihr innewohnenden Freiheitsbeschränkung mit dem auf den Betroffenen wirkenden psychischen Zwang. Letzterer folgt vor allem aus der Bußgeldandrohung des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG (Bußgeld bis zu 25.000 Euro, § 73 Abs. 2 IfSG), der drohenden Zwangsunterbringung nach § 30 Abs. 2 IfSG bei Verstößen gegen die Absonderung und aus der weitgehend fehlenden sachlichen und/oder zeitlichen Durchbrechung des grundsätzlichen Ausgangsverbots. Vorliegend entfaltet außerdem die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Absonderungsanordnung eine eigene psychische Zwangswirkung.
28
Darauf, ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen einer Präjudizwirkung in o.g. Sinne besteht, kommt es vor diesem Hintergrund nicht entscheidungserheblich an.
29
Die Klage ist teilweise begründet. Die verfahrensgegenständliche Absonderung war ab dem 8. Juli 2022 rechtswidrig und verletzte den Kläger insoweit in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Satz 1 VwGO). Maßgeblich ist hierbei die Sach- und Rechtslage während der Geltungsdauer der Absonderungsanordnung (BayVGH, U. v. 26.07.2022 – 20 B 22.29, 20 B 22.30 – juris Rn. 45).
30
1. Rechtsgrundlage der verfahrensgegenständlichen Absonderungsanordnung ist § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG ist nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG unwirksam, wonach ein grundrechtseinschränkendes Gesetz das betroffene Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen muss (sog. Zitiergebot). Diese Anforderung wird durch § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG erfüllt, wonach die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 11 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) insoweit eingeschränkt werden. Dies folgt aus dem in § 28 Abs. 1 IfSG enthaltenen Verweis u.a. auf § 30 IfSG und dem Umstand, dass es sich bei § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG um die infektionsschutzrechtliche Generalklausel innerhalb der Regelungen betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten im 5. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes (§§ 24 – 32 IfSG) handelt. Dass § 30 Abs. 2 Satz 3 IfSG für den Fall der Absonderung durch zwangsweise Unterbringung nochmals klarstellt, dass eine Einschränkung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ausdrücklich zulässig ist, steht dem nicht entgegen (so auch OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 27.06.2024 – OVG 5 A 35/22 – juris Rn. 54 mwN; OVG Lüneburg, B. v. 29.11.2023 – 14 KN 24/22 – juris Rn. 85; VG Wiesbaden, U. v. 22.12.2023 – 7 K 1126/20.WI – juris Rn. 53 ff.; VG Braunschweig, U. v. 29.10.2024 – 4 A 446/20 – juris Rn. 61; i. Erg. ebenso VG Augsburg, U. v. 26.04.2021 – Au 9 K 21.70 – juris Rn. 37).
31
2. Die Absonderungsanordnung ist formell rechtmäßig.
32
a) Die Beklagte war gemäß § 65 Satz 1 ZustV in der Fassung vom 14. Dezember 2021 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 GO sachlich und gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. a BayVwVfG örtlich zuständig.
33
b) Die Absonderung durfte auch von der Beklagten selbst erlassen werden; der Beteiligung eines Richters bedurfte es nicht, da kein Fall von Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG vorliegt.
34
§ 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG enthält – anders als § 30 Abs. 2 IfSG – keinen Verweis auf die Vorschriften über das Verfahren in Freiheitsentziehungssachen gemäß §§ 415 ff. des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), woraus sich eine gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über Freiheitsentziehungen ergibt. Einer entsprechenden Anwendung auf Fälle des § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG bedurfte es ebenfalls nicht. Da es sich bei Absonderungen nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG nicht um Freiheitsentziehungen, sondern um Freiheitsbeschränkungen handelt, gelten die Maßstäbe von Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG vorliegend nicht. Eine Freiheitsentziehung in diesem Sinne liegt erst dann vor, wenn die Bewegungsfreiheit der betroffenen Person nach jeder Richtung hin aufgehoben wird. Psychisch vermittelter Zwang ist hierbei unmittelbar körperlich wirkendem staatlichem Zwang nur dann gleichgestellt, wenn die psychische Zwangswirkung nach Art und Ausmaß mit unmittelbar wirkendem physischen Zwang vergleichbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn der zu beurteilende Eingriff eine besondere Intensität aufweist und zugleich nicht nur von kurzfristiger Dauer ist (BVerfG, B. v. 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 (Bundesnotbremse I) – juris Rn. 246, 250). Eine solche Eingriffsintensität im Sinne einer Freiheitsentziehung erreichen häusliche Absonderungen im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG regelmäßig nicht. Die Eingriffsintensität wird im Falle der häuslichen Absonderung im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG maßgeblich dadurch begrenzt, dass die häusliche Absonderung die Einsicht in das Notwendige voraussetzt (BT-Drs. 14/2530, S.75), sich der Betroffene in seiner häuslichen Umgebung befindet und keine physischen Barrieren vorhanden sind, die den Betroffenen das Verlassen der eigenen Wohnung – anders als im Falle der Unterbringung zum Zwecke der Absonderung gemäß § 30 Abs. 2 IfSG – unmöglich machen würden (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 27.06.2024 – OVG 5 A 35/22 – juris Rn. 47 ff.; OVG Weimar, B. v. 20.12.2023 – 3 N 250/21 – juris Rn. 91 ff.; OVG Lüneburg, B. v. 29.11.2023 – 14 KN 24/22 – juris Rn. 85; OVG Bremen, U. v. 11.12.2020 – 1 B 386/20 – juris Rn. 63; VG Braunschweig, U. v. 29.10.2024 – 4 A 446/20 – juris Rn. 49 ff.; OVG Münster, B. v. 13.07.2020 – 13 B 968/20.NE – juris Rn. 41; Sangs, in Sangs/Eibenstein, IfSG, 1. Auflage 2022, § 30 Rn. 5; Lutz, in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: Januar 2025, § 30 Rn. 2; aA Kießling, in Kießling, IfSG, 3. Auflage 2022, § 30 Rn. 30; Gusy, in Huber/Voßkuhle, GG, 8. Auflage 2024, Art. 104 Rn. 24b).
35
c) Die Anforderungen von Art. 28 BayVwVfG wurden von der Beklagten eingehalten. Ob die dem Kläger eröffnete Möglichkeit zur Äußerung im Rahmen des zwischen den Parteien am 30. Juni 2022 geführten Telefonats den Anforderungen von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG genügte, kann dahinstehen. Jedenfalls durfte die Beklagte auf der Grundlage von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG von einer förmlichen Anhörung vor Erlass der Absonderungsanordnung absehen, da die Beklagte nach Bekanntwerden der Infektion des Klägers von der Notwendigkeit einer sofortigen Entscheidung wegen Gefahr im Verzug ausgehen durfte, um eine effektive Unterbrechung von Infektionsketten zu gewährleisten (s. ausführlich hierzu VG Wiesbaden, U. v. 22.12.2023 – 7 K 1126/20.WI – juris Rn. 65 ff.).
36
d) Ein Verstoß gegen das formelle Begründungserfordernis des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG liegt nicht vor. Die Beklagte hat auf viereinhalb Seiten die für sie maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe einschließlich der für die Ausübung ihres Ermessens maßgeblichen Gesichtspunkte dargestellt. Soweit der Antragsteller Ermessensfehler rügt, handelt es sich insofern um eine materiell-rechtliche Frage.
37
3. Die Absonderungsanordnung war bis einschließlich 7. Juli 2022 materiell rechtmäßig. Soweit sie im Zeitraum vom 8. Juli 2022 bis zum 13. Juli 2022 aufrechterhalten wurde, war sie materiell rechtswidrig.
38
Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde unter anderem dann, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie kann gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG insbesondere die Absonderung in geeigneter Weise von Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder – bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen – von Ausscheidern anordnen.
39
Diese Voraussetzungen müssen während des gesamten Anordnungszeitraumes vorliegen, da es sich bei der Absonderung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. BayVGH, B. v. 23.04.2024 – 20 ZB 23.665 – juris Rn. 20; OVG Lüneburg, U. v. 30.03.2023 – 14 LC 32/22 – juris Rn. 30; VG München, U. v. 16.11.2022 – M 26b K 20.1221 – juris Rn. 22; VG Wiesbaden, U. v. 22.12.2023 – 7 K 1126/20.WI – juris Rn. 85; Johann/Gabriel, BeckOK IfSG, 24. Ed., § 28 Rn. 27; Gerhardt, in Gerhardt, IfSG, 6. Auflage 2022, § 28 Rn. 16). Hieraus folgt, dass die handelnde Behörde dazu angehalten ist, die Aufrechterhaltung des Dauerverwaltungsaktes fortwährend zu überprüfen. Sobald die Voraussetzungen für den Erlass des Dauerverwaltungsaktes nicht mehr vorliegen, ist der Dauerverwaltungsakt aufzuheben. Gleiches gilt, wenn die Dauer der Maßnahme mit Blick auf den mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht mehr angemessen erscheint (allg. zur Rechtmäßigkeit von Dauerverwaltungsakten: BVerwG, B. v. 29.10.2014 – 9 B 32/14 – juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 30.11.2022 – 11 CS 22.1813 – juris Rn. 32).
40
a) Die labordiagnostisch bestätigte Erkrankung des Klägers an Mpox erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass einer Absonderungsanordnung, da es sich bei MPXV um einen Krankheitserreger im Sinne von § 2 Nr. 1 IfSG und bei Mpox um eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 3 IfSG handelt (s. hierzu R. K.-Institut, Mpox RKI-Ratgeber, https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/RKI-Ratgeber/Ratgeber/Ratgeber_Mpox.html; RKAntworten auf häufig gestellte Fragen zu Mpox https://www.rki.de/SharedDocs/FAQs/DE/Mpox/mpox_gesamt.html#entry_16869806, Abruf am 10.06.2025; ebenso VG Hamburg, B. v. 28.07.2022 – 14 E 3105/22 – juris Rn. 11; VG Düsseldorf, B. v. 10.08.2022 – 29 L 1677/22 – juris Rn. 12).
41
Bei Erlass der verfahrensgegenständlichen Anordnung ging die Beklagte entsprechend dem damaligen Stand der Wissenschaft von der Möglichkeit einer Übertragung von MPXV durch engen Haut-zu-Haut-Kontakt, durch Kontakt mit kontaminierten Stoffen und Oberflächen und durch Tröpfcheninfektion bei Gesprächen mit einer (sich in unmittelbarer Nähe befindenden) infizierten Person aus (R. K.-Institut, Aktuelle Informationen Affenpocken, Stand: 29.06.2022, S. 1). Hierbei ist die Beklagte davon ausgegangen, dass MPXV in der Lage ist, über lange Zeiträume (Monate) auf Oberflächen zu überleben (R. K.-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Mpox, Stand: 29.6.2022 – vgl. VG München, B. v. 06.07.2022 – M 26b S 22.3317 – juris) und dass die Viren äußerst stabil in der Umwelt sind (StMGP, Schreiben vom 20.05.2022, Anlage B 4, S. 3).
42
b) Es begegnet vor diesem Hintergrund keinen Bedenken, dass die Beklagte ihr von § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG eingeräumtes Ermessen (Art. 40 BayVwVfG) dahingehend ausgeübt hat, den an Mpox erkrankten Kläger häuslich abzusondern. Ermessensfehler, welche in den Grenzen von § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich überprüfbar sind, sind insoweit nicht ersichtlich.
43
Gemäß Art. 40 BayVwVfG hat die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Bezogen auf den Erlass einer Absonderungsanordnung im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG bedeutet dies, dass die handelnde Behörde insbesondere Infektiosität und Kontagiosität, also die Übertragungsfähigkeit und -wahrscheinlichkeit des konkret betroffenen Krankheitserregers, in ihre Entscheidung einzubeziehen hat (Kießling, in Kießling, IfSG, 3. Auflage 2022, § 30 Rn. 23). Maßgeblich sind die im Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse über die jeweilige Krankheit und die sich hieraus ergebenden Anforderungen, um den notwendigen Infektions- und Gesundheitsschutz zu Gunsten der Bevölkerung zu gewährleisten (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt: BayVGH, B. v. 14.12.2020 – 20 NE 20.2907 – juris Rn. 34 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 27.06.2024 – OVG 5 A 35/22 – juris Rn. 64 ff.; OVG Weimar, B. v. 20.12.2023 – 3 N 250/21 – juris Rn. 106 ff.; VG Schleswig, B. v. 13.04.2021 – 1 B 55/21 – juris Rn. 29).
44
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs durfte sich die Beklagte dafür entscheiden, den Kläger wegen seiner Mpox-Erkrankung in seiner Wohnung häuslich abzusondern. Auf Basis der damals verfügbaren amtlichen Informationen durfte die Beklagte von den beschriebenen Eigenschaften von MPXV und den damals für möglich erachteten Übertragungswegen ausgehen. Eine Begrenzung des damaligen Ausbruchs in Deutschland wurde seinerzeit noch für möglich gehalten. Als Bedingung sah man es jedoch an, Infektionen rechtzeitig zu erkennen und Vorsichtsmaßnahmen umzusetzen, wozu insbesondere das Eindämmen des Infektionsgeschehens zählte (sog. Containment). Aus der ex ante Perspektive gilt es zu berücksichtigen, dass die Infektion des Klägers zu einem Zeitpunkt erst kurz nach Bekanntwerden von ersten Fällen von Mpox in Deutschland auftrat und sich die Beklagte seinerzeit mit einer ansteigenden Fallzahl konfrontiert sah. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hatte sich die Zahl infizierter Personen innerhalb einer Woche verdoppelt (Schriftsatz der Beklagten vom 30. Januar 2025, S. 3). Hinzukommt, dass damals noch keine Impfdosen in ausreichender Zahl zur Verfügung standen, um weitere Infektionen zu verhindern. Es begegnet daher keinen Bedenken, dass die Beklagte auf dieser Datengrundlage aus der ex ante Perspektive eine Prognose dahingehend angestellt hat, dass zur Verhinderung einer Weiterverbreitung von MPXV die Absonderung von Erkrankten und Infizierten erforderlich sei.
45
c) Die Anordnung der häuslichen Absonderung des Klägers war bis einschließlich 7. Juli 2022 verhältnismäßig.
46
Das behördliche Ermessen wird bei alledem dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss, die Schutzmaßnahmen mithin verhältnismäßig sein müssen (vgl. BVerwG, U. v. 22.03.2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 24; BayVGH, B. v. 13.8.2020 – 20 CS 20.1821 – juris Rn. 27). Nicht notwendig ist eine Schutzmaßnahme deshalb insbesondere dann, wenn die Maßnahme zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit objektiv nicht (mehr) erforderlich ist (Kießling, in Kießling, IfSG, 3. Auflage 2022, § 28 Rn. 24; Johann/Gabriel, in BeckOK IfSG, 24. Ed., § 28 Rn. 24). Aus dem Wortlaut von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG („soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist“) folgt, dass Maßnahmen zeitlich nur solange aufrechterhalten werden dürfen, als dies erforderlich ist (Kießling, in Kießling, IfSG, 3. Auflage 2022, § 28 Rn. 24). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat insoweit klargestellt, dass die Befugnis aus § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG inhaltlich und zeitlich unter einem strengen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt steht (BayVGH, B. v. 09.04.2020 – 20 NE 20.664 – BeckRS 2020, 6515 Rn. 30). Sollte sich der Sachverhalt im Einzelfall dahingehend entwickeln, dass Schutzmaßnahmen schon vor Ablauf ihres vorgesehenen Geltungszeitraums als nicht mehr erforderlich anzusehen sind, müssen sie umgehend aufgehoben oder modifiziert werden (Johann/Gabriel, in BeckOK IfSG, 24. Ed., § 28 Rn. 27).
47
Das Gericht verkennt nicht, dass durch die Anordnung der Absonderung erheblich in die Grundrechte des Klägers, insbesondere in dessen Bewegungsfreiheit, seine allgemeine Handlungsfreiheit und die freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG eingegriffen wurde, womit eine erhebliche (insbesondere psychische) Belastung des Klägers verbunden war. In Anbetracht des gewichtigen Ziels der Eingrenzung des Ausbruchs von Mpox und des damit verfolgten Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung erweist sich die grundsätzliche Entscheidung der Beklagten, den Kläger abzusondern, auch in der Rückschau gleichwohl als verhältnismäßig.
48
aa) Die Absonderungsanordnung diente einem legitimen Zweck, indem durch die Isolierung des an Mpox erkrankten Klägers eine weitere Verbreitung von MPXV verhindert werden sollte. Die Isolation Kranker ist hierbei auch geeignet, Infektionsketten zu unterbrechen und der Ausbreitung von Mpox entgegenzuwirken.
49
bb) Die Absonderung des Klägers in deren konkreten Ausgestaltung war zudem auch erforderlich, da es sich bei ihr um das mildeste unter den gleich wirksamen Mitteln handelte. Eine effektive Verhinderung der Verbreitung von Mpox war nach Einschätzung des R. K.-Instituts erforderlich, um einerseits Krankheitsfälle und gegebenenfalls auch schwere Verläufe der Krankheit zu vermeiden, und andererseits zu verhindern, dass sich Mpox als Infektionskrankheit in Deutschland hätte etablieren können. Wäre es hierzu gekommen, wäre mittelfristig auch mit Fällen in besonders gefährdeten vulnerablen Gruppen (Schwangere, Kinder, Immunsupprimierte, ältere Menschen) zu rechnen gewesen (R. K.-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Mpox, Stand: 21.6.2022 – vgl. VG München, B. v. 06.07.2022 – M 26b S 22.3317 – juris). Die vom Kläger thematisierten Alternativen wie die Vermeidung größerer Menschenansammlungen, das Tragen einer FFP2-Maske, die gründliche Desinfektion von Händen und ein Verzicht auf Geschlechtsverkehr wären nicht ebenso wirksam wie eine Absonderung des Klägers gewesen, da bei einem Kontakt mit der breiten Masse – auch bei Schutzvorkehrungen – nach dem damaligen Stand der Wissenschaft ein gegenüber der Absonderung erhöhtes Infektionsrisiko bestanden hätte. Hinzukommt, dass diese Maßnahmen in gesteigertem Maße von einer sorgfältigen Umsetzung des Betroffenen abhängig gewesen und somit auch fehleranfälliger gewesen wären. Gleiches gilt hinsichtlich einer Absonderung, die Bewegung an der frischen Luft erlaubt hätte.
50
cc) Die Entscheidung, den Kläger ohne die vom Kläger begehrten Privilegierungen abzusondern, war auf Basis der Erkenntnislage bei Erlass der Absonderung auch angemessen.
51
Mpox wurde seinerzeit zwar insbesondere bei Männern, die gleichgeschlechtlichen Sex haben, diagnostiziert. Dennoch war die Erkrankung weder auf Männer beschränkt noch setzte die Übertragung des Virus sexuellen Kontakt voraus, sondern konnte nach dem damaligen Kenntnisstand u.a. auch durch Kontakt mit kontaminierten Gegenständen übertragen werden. Da die seinerzeit für möglich gehaltenen Übertragungswege und die damals angenommene hohe Widerstandsfähigkeit des Virus die breite Bevölkerung gefährdete, diente der Eingriff in die Rechte des Klägers dem Schutz von Gesundheit und Leben der Allgemeinheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Auch wenn die Infektion in den damals aufgetretenen Fällen mild verlief und die meisten Betroffenen sich innerhalb mehrerer Wochen erholten, so bestand seinerzeit gleichwohl die realistische Gefahr, dass vulnerable Gruppen schwer an Mpox erkranken und dies auch zum Tod hätte führen können. Trotz des Umstands, dass das R. K.-Institut die Gefährdung der breiten Bevölkerung in Deutschland seinerzeit als gering einschätzte, sollte die weitere Verbreitung von MPXV nach Einschätzung des R. K.-Instituts dennoch so gut wie möglich verhindert werden, um schwere Verläufe zu vermeiden und die Etablierung von Mpox als Infektionskrankheit in Deutschland zu verhindern (s. zu alledem R. K.-Institut, Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Mpox, Stand: 21.6.2022 – vgl. VG München, B. v. 06.07.2022 – M 26b S 22.3317 – juris). Vor diesem Hintergrund und angesichts der hochwertigen Rechtsgüter von Leib und Leben, der möglichen gravierenden, teils irreversiblen gesundheitlichen Folgen für eine Vielzahl von Personen bei Etablierung von Mpox als Infektionskrankheit in Deutschland war die Absonderungsanordnung als solche daher trotz ihrer Intensität seinerzeit als angemessen zu bewerten.
52
dd) Dies wird auch nicht durch das vom Kläger vorgelegte ärztliche Attest vom 5. Juli 2022 in Frage gestellt, wonach ihn persönlich die häusliche Isolation psychisch sehr belaste und er deswegen bei bekannter Panikstörung und Depression in der Vorgeschichte akut gefährdet sei, eine Verschlechterung der Symptomatik zu entwickeln. Jeder häuslichen Absonderung wohnt das Potential inne, dass hierdurch das körperliche Wohlbefinden der betroffenen Person angesichts der eingeschränkten körperlichen Bewegungsfreiheit negativ beeinflusst wird. Typischerweise dürfte diese psychische Belastung mit zunehmender Dauer der Absonderung ansteigen. Mit jeder Absonderung ist somit auch die potentielle Gefahr einer Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes des Betroffenen verbunden. Wie eine zur Gewährleistung eines effektiven Infektionsschutzes notwendige Absonderung im individuellen Einzelfall unter Berücksichtigung des psychischen Gesundheitszustandes des Betroffenen auszugestalten ist, hängt deshalb maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab.
53
Dies zugrunde gelegt war die Beklagte trotz der im Attest vom 5. Juli 2022 beschriebenen psychischen Belastung und die Gefahr einer weiteren Verschlechterung des klägerischen Gesundheitszustandes nicht dazu verpflichtet, dem Kläger vorbeugend von vornherein das zeitweise Verlassen der Wohnung während der Absonderung gestatten zu müssen. Wie dargelegt entspricht es dem Regelfall, dass jede Absonderung dazu geeignet ist, sich negativ auf den psychischen Gesundheitszustand von Betroffenen auszuwirken. Allein der Umstand, dass der Kläger bereits in der Vergangenheit unter psychischen Erkrankungen gelitten hat, bedingt noch nicht, dass eine Absonderung ausschließlich unter Erleichterungen erfolgen kann. Stattdessen durfte sich die Beklagte unter Abwägung des individuellen mit dem kollektiven Gesundheitsschutz zunächst darauf zurückziehen, den Gesundheitszustand des Klägers kontinuierlich zu beobachten – was sie nachweislich auch tat –, um sodann ggf. auf eine weitere Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes zu reagieren. Vor diesem Hintergrund durfte der Kläger zunächst auf die – eingeschränkt bestehende – Möglichkeit körperlicher Ertüchtigung in der eigenen Wohnung sowie erforderlichenfalls auf die telefonische Inanspruchnahme psychologischer Hilfe verwiesen werden.
54
ee) Schließlich verstößt die Anordnung auch nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG, weil etwa das Landratsamt Regensburg auf eine MPXV-Infektion mit Verhängung einer vierzehntägigen Absonderung mit der Möglichkeit einer Verlängerung reagierte. Hierbei handelt es sich nicht um eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 GG, da dessen Schutzbereich bei Handeln verschiedener Träger der öffentlichen Gewalt mit unterschiedlichem Zuständigkeitsbereich von vornherein nicht eröffnet ist (Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 18. Auflage 2024, Art. 3 Rn. 13).
55
d) Die dargelegten Maßstäbe zugrunde gelegt war die Aufrechterhaltung der Absonderung des Klägers jedoch ab dem 8. Juli 2022 bis zum 13. Juli 2022 nicht mehr erforderlich und daher hinsichtlich dieses Zeitraumes unverhältnismäßig.
56
In Publikationen des R. K.-Instituts wurde seinerzeit die Auffassung vertreten, dass Infizierte ansteckend sind, solange sie Symptome aufweisen. In der Regel dauere es zwischen zwei bis vier Wochen bis sämtliche Symptome vollständig ausheilen (Bl. 198 d. Behördenakte; R. K.-Institut, Aktuelle Informationen Affenpocken, Stand: 29.06.2022, S. 1, Anlage B 2; StMGP, Rundschreiben vom 20.05.2022, S. 4, Anlage B 4). Da die Absonderung die Unterbrechung von Infektionsketten bezweckt, darf eine solche folglich nur solange aufrechterhalten werden, bis die Gefahr einer Ansteckung Dritter gebannt ist. Vor diesem Hintergrund durfte sich die Beklagte bei Ausübung ihres Ermessens hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Absonderung nicht ausschließlich darauf zurückziehen, dass die Absonderung des Klägers ungeachtet seiner Symptomatik in jedem Fall mindestens 21 Tage gerechnet ab dem Auftreten erster Symptome betrage und eine frühere Aufhebung der Anordnung – selbst bei Annahme, dass der Kläger tatsächlich symptomfrei sein sollte – nicht in Betracht komme. Bei Nachweis der Symptomfreiheit wäre der Absonderungsanordnung auf Basis der seinerzeit verfügbaren Informationen ihre tatsächliche Grundlage entzogen worden, da eine Ansteckungsgefahr für Dritte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden hätte. Hinzukommt bei alledem, dass sich die Beklagte hierdurch auch in Widerspruch zur Begründung der Absonderungsanordnung des Klägers gesetzt hat, worin eine frühzeitige Entlassung für den Fall der Symptomfreiheit vorgesehen war.
57
Entgegen dem Vortrag der Beklagten gelangt die Kammer auf Basis des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks und unter Berücksichtigung der vorliegenden Akten zu der Überzeugung, dass die Beklagte den Kläger am 8. Juli 2022 nicht zu dem Zweck telefonisch kontaktierte, um die Modalitäten eines Arztbesuchs für die Feststellung der Symptomfreiheit zu klären. Der Kläger hat dies ausdrücklich bestritten. Anders als von den Vertreterinnen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung dargestellt, bezieht sich der angeführte Telefonvermerk (Bl. 207 d. Behördenakte) zur Überzeugung des Gerichts nicht auf die Mpox-Symptomatik des Klägers, sondern auf seinen psychischen Gesundheitszustand, da darin die Rede von einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist, welche mit dem Kläger besprochen werden sollte. Außerdem spricht hierfür auch die Bezugnahme auf die um 11:31 Uhr versendete E-Mail (Bl. 205 d. Behördenakte), welche ebenfalls den psychischen Gesundheitszustand des Klägers zum Gegenstand hatte. Schließlich spricht hierfür auch, dass die Beklagte mit E-Mail vom 11. Juli 2022 im Nachgang abermals ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Abschlussuntersuchung nach ihrer Auffassung am letzten Tag der Absonderung zu erfolgen habe (Bl. 211 d. Behördenakte). Weshalb angesichts dessen am 8. Juli 2022 die Modalitäten einer vorzeitigen Freitestung besprochen werden hätten sollen, erschließt sich nicht.
58
Die Beklagte hätte es deshalb angesichts des substantiierten Vortrags des Klägers betreffend die Entwicklung seiner Symptome und nach Mitteilung der Symptomfreiheit nicht ablehnen dürfen, eine vorzeitige Beendigung der Absonderung durch eine entsprechende ärztliche Abschlussuntersuchung zu ermöglichen. Bei alledem gilt es auch zu berücksichtigen, dass das Auftreten erster Symptome zu diesem Zeitpunkt bereits über vierzehn Tage zurücklag und es insofern angesichts der fachlichen Informationen auch aus medizinischer Sicht nicht von vornherein ausgeschlossen war, dass die Symptome am 8. Juli 2022 tatsächlich abgeklungen waren, was wiederum auch durch den Auszug aus der Patientendokumentation des Hausarztes des Klägers bestätigt wurde.
59
2. Die Klage ist auch insoweit erfolgreich, als der Kläger die Feststellung begehrt, dass die in Ziff. 2 des verfahrensgegenständlichen Bescheids enthaltene Zwangsgeldandrohung rechtswidrig war, weil diese gegen das Bestimmtheitsgebot im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, Art. 36 Abs. 3 und 5 VwZVG verstoßen hat.
60
Zwangsmittel müssen bestimmt und unzweideutig angedroht und einer bestimmten Unterlassungs- und Duldungspflicht konkret zugeordnet werden. Hieraus folgt, dass eine Zwangsmittelandrohung zur Durchsetzung mehrerer Verpflichtungen erkennen lassen muss, ob sich diese auf Verstöße gegen jede einzelne Verpflichtung bezieht oder nur auf Verstöße gegen alle Verpflichtungen zugleich (vgl. VG München, U. v. 19.9.2019 – M 10 K 18.1442 – juris Rn. 25; VG München, B. v. 25.10.2016 – M 9 S 16.4422 – juris Rn. 17; VG Würzburg, B. v. 17.10.2016 – W 6 S 16.993 – juris Rn. 19).
61
Nummer I.1. des Bescheids enthielt neben der Absonderungsanordnung ein Besuchsverbot sowie drei unverbindliche (und damit nicht vollstreckbare) Empfehlungen. Aus der Zwangsgeldandrohung ist bereits nicht klar ersichtlich, ob das Zwangsgeld auch für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen eine der Empfehlungen ausgesprochen wurde. Zudem ist nicht ersichtlich, ob das Zwangsgeld bereits bei einer ersten Zuwiderhandlung vollumfänglich oder nur teilweise fällig geworden wäre oder ob ein kumulativer Verstoß für die Verhängung des Zwangsgeldes in der angedrohten Höhe erfolgen hätte müssen. Soweit die Beklagte ausgeführt hat, dass sie das volle Zwangsgeld bis zur restlosen Erfüllung aller in diesem Bescheid angeordneten Maßnahmen androhen wollte, ergibt sich hieraus nichts Anderes. Diese nachträgliche Erläuterung, die inhaltlich dem Bescheid nicht zu entnehmen ist, bezieht sich nur auf das Ende der Zwangsgeldandrohung und gibt somit für die entscheidende Frage, wann das Zwangsgeld erstmals fällig würde, nichts her. Hinsichtlich der Nummer I.2. betreffenden Zwangsgeldandrohung gelten diese Ausführungen entsprechend.
62
3. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO war die Rechtswidrigkeit der Absonderungsanordnung im tenorierten zeitlichen Umfang festzustellen. Die Kostenquote ergibt sich aus dem Verhältnis der Anzahl der Absonderungstage, soweit die Absonderung als verhältnismäßig beurteilt wurde und der Anzahl der Absonderungstage, soweit die Absonderung als unverhältnismäßig beurteilt wurde sowie unter Berücksichtigung der Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung (s. hinsichtlich der Kostenquotelung insoweit: VG München, B. v. 06.07.2022 – M 26b S 22.3317 – juris Rn. 49).
63
4. Der Ausspruch über vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.