Titel:
Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung verauslagter Verdienstausfallentschädigung (verneint), kein Verdienstausfall bei Anspruch auf Entgeltfortzahlung, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung eines Verdienstausfalls, Tilgungsbestimmung
Normenketten:
IfSG § 56
EFZG § 3
BGB § 362
Schlagworte:
Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung verauslagter Verdienstausfallentschädigung (verneint), kein Verdienstausfall bei Anspruch auf Entgeltfortzahlung, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung eines Verdienstausfalls, Tilgungsbestimmung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15369
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt als Arbeitgeber die Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung für eine Beschäftigte, die sich wegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 auf behördliche Anordnung in häusliche Absonderung begeben musste und daher ihre Arbeitsleistung nicht erbringen konnte.
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Der Kläger betreibt ein Klinikum, in dem er Frau … … als Arbeitnehmerin beschäftigt. Die Tätigkeit der Arbeitnehmerin als Serviceassistentin erfordert ihre Anwesenheit am Arbeitsplatz und kann nicht im Homeoffice ausgeübt werden. Im Januar 2022 wurde die Arbeitnehmerin positiv auf SARS-CoV-2 getestet und musste sich auf behördliche Anordnung des Landratsamts .. in häusliche Absonderung begeben. Nach den unbestrittenen Angaben des Klägers dauerte die Absonderung vom 4. bis 23. Januar 2022.
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Am 20. Dezember 2023 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Erstattung der für den Absonderungszeitraum der Arbeitnehmerin ausgezahlten Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 18,51 Euro (sic!) sowie die Erstattung der auf diesen Zeitraum entfallenden Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 439,75 Euro, somit auf eine Gesamterstattung von 458,26 Euro (Bl. 1 ff. der Behördenakte). Mit dem Antrag vorgelegt wurden die behördliche Absonderungsanordnung (Bl. 18 ff. der Behördenakte) sowie die Verdienstabrechnungen für die Arbeitnehmerin für die Monate Januar 2022 und Februar 2022 (Bl. 35-37 der Behördenakte).
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Mit Bescheid vom 24. April 2024 lehnte der Beklagte den Antrag vollumfänglich ab. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erstattung einer Entschädigung eines Verdienstausfalls nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) seien nicht erfüllt, da es an einem Verdienstausfall der Arbeitnehmerin fehle. Ein Verdienstausfall liege nur dann vor, wenn der Arbeitgeber während der Absonderung nicht nach arbeitsvertraglichen, tarifvertraglichen oder gesetzlichen Vorschriften zur Zahlung der Vergütung verpflichtet sei. Bei der Entschädigung nach § 56 IfSG handele es sich um eine auf dem Billigkeitsgedanken beruhenden Sondervorschrift, die im Verhältnis zu den arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungspflichten des Arbeitgebers nur nachrangig Anwendung finde. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234/23) bestehe ein vorrangiger Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) selbst dann, wenn lediglich eine symptomlose Infektion mit SARS-CoV-2 vorliege. Diese stelle eine Krankheit dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führe, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich sei, die geschuldete Tätigkeit beim Arbeitgeber zu erbringen und eine Erbringung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht komme. Dies bedeute, dass bei einer SARS-CoV-2-Infektion kein Raum mehr für eine subsidiäre Entschädigung nach § 56 IfSG verbleibe.
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Am 21. Mai 2025 ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erheben mit den Anträgen:
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1. Der Bescheid des Beklagten vom 24. April 2024 (QE-298231) wird aufgehoben.
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2. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Antrag des Klägers vom 20. Dezember 2023 als Arbeitgeber der Frau … … auf Erstattung einer ausgezahlten Entschädigung für den aufgrund behördlich angeordneter Absonderung (Isolation bzw. Quarantäne) oder eines Tätigkeitsverbots im genannten Zeitraum erlittenen Verdienstausfall nach § 56 Abs. 5 S. 3 i.V.m. Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sowie die Erstattung der auf diesen Zeitraum entfallenden Beiträge zur Sozialversicherung gemäß § 57 IfSG stattzugeben.
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Zur Begründung führte der Bevollmächtigte des Klägers im Wesentlichen aus, die Ablehnung des Antrags sei zu Unrecht erfolgt. Für den Erstattungsanspruch sei irrelevant, ob die Arbeitnehmerin gegen den Kläger einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung habe oder nicht. Der Erstattungsanspruch habe nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie der Systematik des Gesetzes nur eine einzige Tatbestandsvoraussetzung, nämlich dass der Arbeitgeber in der Absicht, der Arbeitnehmerin eine vom Beklagten geschuldete Entschädigungszahlung zukommen zu lassen, eine Zahlung an die Arbeitnehmerin vorgenommen habe. Da der Arbeitgeber als bloße Zahlstelle fungiere, sei ihm eine inhaltliche Prüfung der Anspruchsberechtigung nicht auferlegt. Es handle sich um eine Leistung auf die Schuld eines Dritten, nämlich des Beklagten. Sollten die Leistungsvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 IfSG nicht erfüllt sein, so möge der Beklagte die unberechtigt für ihn geleistete Zahlung von der Arbeitnehmerin zurückfordern. Der Kläger als Zahlstelle habe damit nichts zu tun.
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Davon abgesehen habe die Arbeitnehmerin jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen Verdienstausfall erlitten, so dass die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nunmehr erfüllt seien. Folge man der Auffassung des Beklagten, dass ein Entschädigungsanspruch nicht bestanden habe, dann habe der Kläger rechtsgrundlos eine Zahlung an die Arbeitnehmerin geleistet. Die Zahlung sei erkennbar nicht zur Erfüllung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs erfolgt, vielmehr habe der Kläger durch eine entsprechende Tilgungsbestimmung klar zum Ausdruck gebracht, dass er einen Anspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG erfüllen wolle. Dies ergebe sich aus der Verdienstabrechnung. Nach der Theorie der finalen Leistungsbewirkung sei daher nicht mit erfüllender Wirkung auf einen möglichen Entgeltfortzahlungsanspruch geleistet worden, sondern rechtsgrundlos auf einen vermeintlich bestehenden Erstattungsanspruch. Das Geleistete könne der Kläger im Wege der Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) von der Arbeitnehmerin zurückfordern. Diesem Rückforderungsanspruch, der erst mit Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung fällig werde, könne die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG nun nicht (mehr) entgegenhalten, da dieser gemäß § 37 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) spätestens mit Ablauf des 31. Juli 2022 verfallen sei, weil sie ihn nicht rechtzeitig innerhalb einer Frist von sechs Monaten geltend gemacht habe. Infolgedessen habe die Arbeitnehmerin jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen Verdienstausfall erlitten. Auf die Schriftsätze der Klagepartei wird im Übrigen Bezug genommen.
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Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 15. Juli 2024,
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die Klage abzuweisen und der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Voraussetzung für den Erstattungsanspruch sei, dass die Arbeitnehmerin infolge der Absonderungsanordnung tatsächlich einen Verdienstausfall erlitten habe. Daran fehle es, wenn die Arbeitnehmerin gegen ihren Arbeitgeber einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG habe. Denn die Entschädigungsansprüche nach §§ 56 ff. IfSG seien eine Billigkeitsentschädigung der Allgemeinheit für Notfälle und gegenüber dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung subsidiär. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) habe in zwei Urteilen am 20. März 2024 (5 AZR 234/23 und 5 AZR 235/23) festgestellt, dass jede mit dem Corona-Virus infizierte Person unabhängig vom Vorliegen von Symptomen und einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem EFZG habe. Da der Anspruch auf Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung nicht bestehe, scheide auch eine Erstattung der während der Absonderung abgeführten Sozialversicherungsbeiträge aus. Der Einwand des Klägers, ein Erstattungsanspruch bestehe schon deswegen, weil eine Entschädigung an die Arbeitnehmerin ausgezahlt worden sei, treffe nicht zu. Die Erstattung setze voraus, dass der Arbeitgeber tatsächlich eine Entschädigung im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG geleistet habe und nicht aus anderem Grund zur Entgeltfortzahlung verpflichtet gewesen sei. Eine dem Grunde nach zu Unrecht erfolgte Zahlung müsse der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer zurückfordern. Vorliegend bestehe jedoch kein Rückforderungsanspruch gegenüber der Arbeitnehmerin, da der Kläger zur Entgeltfortzahlung verpflichtet gewesen sei.
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Der Rechtsstreit wurde am 28. Mai 2025 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 Var. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht innerhalb der Monatsfrist (§ 74 Abs. 1 und 2 VwGO) erhoben.
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2. Die Klage ist unbegründet, da dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung einer an die Arbeitnehmerin ausgezahlten Verdienstausfallentschädigung und auf Erstattung von Sozialleistungen nicht zustehen (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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2.1. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung und der Sozialversicherungsbeiträge ist § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 1 und 2 IfSG sowie § 57 Abs. 1 und 2 IfSG. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung ist die im Zeitraum der Absonderung vom 4. bis 23. Januar 2022 gültige Gesetzesfassung vom 10. Dezember 2021 (zur Maßgeblichkeit der jeweiligen Fassung: vgl. OVG NRW, U. v. 10.03.2023 – 18 A 563/22 – juris Rn. 42 ff.; VG München, U.v. 23.1.2023 – M 26a K 21.82 – juris Rn. 15 ff.; VG Bayreuth, U.v. 21.6.2021 – B 7 K 21.110 – juris Rn. 21 ff.).
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2.2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 1 und 2 IfSG sind nicht erfüllt.
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Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG wird einem Arbeitgeber die an seinen Arbeitnehmer nach § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG für die zuständige Behörde ausgezahlte Entschädigung erstattet. Der Erstattungsanspruch entsteht allerdings nur dann, wenn der an den Arbeitnehmer gezahlte Betrag eine Entschädigungsleistung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG darstellt, der Arbeitnehmer also einen Entschädigungsanspruch hat. Einen solchen Anspruch hat der Arbeitnehmer gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG unter anderem dann, wenn er gemäß § 30 IfSG abgesondert wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet (BVerwG, U.v.5.12.2024 – 3 C 8.23 – juris Rn. 11).
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2.2.1. Im vorliegenden Fall war die Arbeitnehmerin gemäß § 30 IfSG aufgrund einer behördlichen Anordnung abgesondert.
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Auf die Rechtmäßigkeit der Absonderung kommt es nicht an, da auch die rechtswidrige, aber gleichwohl gemäß Art. 43 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) wirksame Absonderungsanordnung vom Betroffenen einzuhalten ist und gerichtlicher Rechtsschutz in der Kürze der Zeit vor Ablauf des Absonderungszeitraums in der Regel nicht zu erlangen ist. Zweifel an der Wirksamkeit der Absonderungsanordnung des Landratsamts .. im Zeitraum der Absonderung bestehen nicht, da die Anordnung jedenfalls nicht im Sinne von Art. 44 BayVwVfG nichtig ist.
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2.2.2. Allerdings fehlt es bei der Arbeitnehmerin an einem Verdienstausfall.
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2.2.2.1. Ein Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG liegt nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer für den fraglichen Zeitraum ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts gegen den Arbeitgeber zusteht. Das Nichtbestehen anderweitiger Ansprüche ist damit ein negatives Tatbestandsmerkmal für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG. In diesem Sinne ist der Entschädigungsanspruch nachrangig gegenüber dem Entgeltfortzahlungsanspruch (BVerwG, U.v.5.12.2024 – 3 C 8.23 – juris Rn. 11 ff. m.w.N.; BAG, U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 235/23 – juris Rn. 18 ff. m.w.N.; BGH, U.v. 30.11.1978 – III ZR 43/77 – NJW 1979,422 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.4.2025 – 20 ZB 24.1949 – juris Rn. 4; OVG Münster, U. v. 10.03.2023 – 18 A 1460/22 – juris Rn. 42 f.; OVG Lüneburg, B. v. 23.09.2021 – 13 LA 286/21 – juris Rn. 5; B. v. 2.7.2021 – 13 LA 258/21 – juris Rn. 6; Eckart/Kruse in BeckOK IfSG, 24. Edition, § 56 Rn. 37; Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, § 56 Rn. 10; Kümper in Kießling, IfSG, 3. Aufl. 2022, Rn. 25). Anhaltspunkte für ein Zurücktreten des auf Entgeltfortzahlung gerichteten Anspruchs gegenüber dem Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG sind nicht ersichtlich. Dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 IfSG lässt sich ein derartiger Vorrang gegenüber dem Entgeltfortzahlungsanspruch nicht entnehmen. Auch Sinn und Zweck des § 56 Abs. 1 IfSG sprechen dagegen. Die ursprünglich in § 49 BSeuchG geregelte Entschädigung sollte nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers eine Sicherung des von einem infektionsschutzrechtlich begründeten Berufsverbot Betroffenen vor materieller Not bewirken; eine Entlastung des Arbeitgebers war und ist nicht Regelungszweck (BT-Drs. 3/1888 S. 27 zur Vorgängervorschrift § 48 BSeuchG; BT-Drs. 19/2791, S. 61 zur aktuellen Vorschrift § 56 IfSG; BVerwG, U.v.5.12.2024 – 3 C 8.23 – juris Rn. 12 f.; BAG, U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 235/23 – juris Rn. 20; BGH, U.v. 30.11.1978 – III ZR 43/77 – NJW 1979,422).
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2.2.2.2. Dies zugrundegelegt bleibt der Einwand des Klägers ohne Erfolg, dass es unabhängig von einem Verdienstausfall allein darauf ankomme, dass der Arbeitgeber in der Absicht eine Zahlung an den Arbeitnehmer geleistet hat, damit als Zahlstelle für das entschädigungspflichtige Land einen (vermeintlichen) Entschädigungsanspruch zu erfüllen. Die Rechtsauffassung des Klägers findet in der gesetzlichen Regelung keine Stütze.
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2.2.2.3. Im vorliegenden Fall fehlt es an einem Verdienstausfall der Arbeitnehmerin, weil sie im Zeitraum ihrer Absonderung einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG gegen den Kläger hatte.
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Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer für die Dauer von bis zu sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
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Die Arbeitnehmerin war im Zeitraum ihrer Absonderung an einer Infektion mit SARS-CoV-2 arbeitsunfähig erkrankt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das Gericht anschließt, stellt eine SARS-CoV-2-Infektion auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit bei dem Arbeitgeber zu erbringen und eine Arbeitsleistung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht kommt (BAG, U.v. 20.3.2024 – AZR 234/23 – juris Rn. 10 ff.). Bei der Arbeitnehmerin wurde durch einen positiven Test auf SARS-CoV-2 eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt. Die Infektion stellt einen regelwidrigen körperlichen Zustand und damit eine Krankheit im Sinne des § 3 Abs. 1 EFZG dar. Auf das Vorliegen von Krankheitssymptomen kommt es für den insoweit maßgeblichen arbeitsrechtlichen Krankheitsbegriff des § 3 EFZG nicht an. Insoweit unterscheidet sich der arbeitsrechtliche von dem infektionsschutzrechtlichen Krankheitsbegriff nach § 2 Nr. 4 IfSG, der Symptome voraussetzt, aber hier nicht einschlägig ist. Infolge der Krankheit wurde die Arbeitnehmerin zur häuslichen Absonderung verpflichtet und war, da ihr die Arbeitsleistung in häuslicher Umgebung nicht möglich war, aus rechtlichen Gründen an der Erbringung ihrer Arbeitsleistung gehindert. Der unmittelbare Kausalzusammenhang zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit im Sinne einer Monokausalität ist erfüllt, weil die Absonderungsanordnung unmittelbare Folge der Infektion ist und nicht etwa auf einem davon unabhängigen weiteren Umstand beruht. Somit bestand eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Krankheit.
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Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitnehmerin die Krankheit verschuldet hat, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 EFZG hat sich der Kläger nicht berufen. Im Übrigen wäre der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch die Vorlage der Absonderungsanordnung erbracht, da aus dieser hervorgeht, dass sich die Arbeitnehmerin wegen einer SARS-CoV-2-Infektion in häusliche Isolation zu begeben hatte und daher krankheitsbedingt ihre Arbeitsleistung nicht erbringen konnte (BAG, U.v. 24.3.2024 – 5 AZR 234/23 – juris Rn 32).
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Im Zeitraum der Absonderung stand der Arbeitnehmerin daher ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu, so dass ihr ein Verdienstausfall nicht entstanden ist.
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2.2.3.2. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Arbeitnehmerin zwar nicht im Zeitraum der Absonderung, aber jedenfalls im späteren Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Verdienstausfall erlitten habe. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob ein Verdienstausfall entstanden ist, ist der Zeitraum der Absonderung. Das spätere Erlöschen des im Zeitraum der Absonderung entstandenen Entgeltfortzahlungsanspruchs ist daher für die Beurteilung des Verdienstausfalls nicht relevant.
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Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nach dem einschlägigen materiellen Recht zu bestimmen (BVerwG, U.v. 17.12.2021 – 7 C 7.20 – juris Rn. 14). Das materielle Recht gebietet es, das spätere Erlöschen des Entgeltfortzahlungsanspruchs infolge der tarifrechtlichen Ausschlussfrist des § 37 TVöD außer Betracht zu lassen. Denn andernfalls könnte der Arbeitgeber durch den Aufschub der Auszahlung bis zum Verstreichen der Verfallsfrist einen Verdienstausfall schaffen, der eine Entschädigungspflicht des zuständigen Landes zur Folge hätte, und damit das nach dem EFZG den Arbeitgeber treffende Lohnfortzahlungsrisiko auf die Staatskasse abwälzen. Da der Entschädigungsanspruch nach dem Willen des Gesetzgebers dem Schutz des Arbeitnehmers vor materieller Not und nicht der Entlastung des Arbeitgebers dienen soll, liefe dies dem Regelungszweck der Norm entgegen. Ausreichend ist daher, dass der Verdienstausfall einmal bestanden hat (so auch VG Bayreuth, U.v. 21.10.24 – B 7 K 24.806 – juris Rn. 60; vgl. auch OVG NRW, U.v. 10.3.2023 – 168 A 1460/22 – juris Leitsatz und Rn. 30, wonach der Zeitpunkt des Entstehens des Erstattungsanspruchs maßgeblich ist).
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2.2.3.3. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die Argumentation der Klagepartei zur Herleitung eines nachträglich eingetretenen Verdienstausfalls nicht tragfähig erscheint.
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Bei genauerer Betrachtung dürfte die Argumentation auf einem Zirkelschluss beruhen. Der Kläger geht davon aus, er habe mit der an die Arbeitnehmerin vorgenommenen Zahlung nicht den Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sondern gemäß seiner Tilgungsbestimmung ausdrücklich den Entschädigungsanspruch der Arbeitnehmerin erfüllen wollen. Die Leistung sei – die Auffassung des Beklagten zugrundegelegt – rechtsgrundlos erfolgt, weil ein Entschädigungsanspruch tatsächlich nicht bestanden habe. Sie könne daher durch den Kläger im Wege der Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB von der Arbeitnehmerin zurückgefordert werden. Der Rückforderungsanspruch werde erst mit Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung fällig. Die Arbeitnehmerin könne dem Rückforderungsanspruch des Klägers ihrerseits nicht ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung entgegenhalten, weil dieser inzwischen gemäß § 37 TVöD verfallen sei. Daher rühre nunmehr ihr Verdienstausfall, der einen Anspruch auf Entschädigung begründe. Diese Auffassung verkennt, dass mit der nachträglichen Begründung eines Entschädigungsanspruchs die vorangegangene Zahlung auf den Entschädigungsanspruch nicht mehr rechtsgrundlos erfolgt wäre, sondern auf einen nunmehr entstandenen Entschädigungsanspruch, so dass die Arbeitnehmerin dann auch nicht zur Rückzahlung verpflichtet wäre und wiederum keinen Verdienstausfall erlitten hätte und somit keinen Entschädigungsanspruch.
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Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die Tilgungsbestimmung, auf die sich der Kläger beruft, wirksam getroffen werden konnte. Denn nach der in der Rechtsprechung inzwischen vorherrschenden Theorie der realen Leistungsbewirkung kommt es für die Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB auf eine Tilgungsbestimmung regelmäßig nicht an, weil die Erfüllungswirkung als objektive Folge der Leistungsbewirkung eintritt. Kann die Leistung des Schuldners daher einer bestimmten Leistungspflicht zugeordnet werden oder reicht sie zur Tilgung aller Verbindlichkeiten aus mehreren Schuldverhältnissen aus, bedarf es zum Erlöschen der Forderungen keiner subjektiven Tilgungsbestimmung (BAG, U.v. 6.12.2017 – 5 AZR 864/16 – juris Rn. 19; BGH 17. Juli 2007 – X ZR 31/06 – juris Rn. 17 ff.; Fetzer in MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, § 362 Rn. 9 m.w.N). Da im vorliegenden Fall ausschließlich eine Verpflichtung des Klägers zur Entgeltfortzahlung, nicht aber zur Auszahlung einer Entschädigung bestand, war eine eindeutige Zuordnung möglich. Es bestanden nicht etwa gleichzeitig mehrere Zahlungsverpflichtungen nebeneinander, so dass eine Tilgungsbestimmung gemäß § 366 Abs. 1 BGB ausnahmsweise erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus hätte eine Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 1 BGB grundsätzlich „bei der Leistung” getroffen werden müssen. Eine nachträgliche Tilgungsbestimmung ist unwirksam, wenn sie nicht ausdrücklich oder konkludent vorbehalten war (BAG, U.v. 6.12.2017 – 5 AZR 864/16 – juris Rn. 19; BGH 26. März 2009 – I ZR 44/06 – juris Rn. 46). Die vorgelegten Verdienstabrechnungen legen aber nahe, dass zunächst für Januar 2022 das Entgelt an die Arbeitnehmerin fortgezahlt wurde und erst mit der Verdienstabrechnung für Februar 2022 nachträglich eine Korrektur dahingehend erfolgte, dass es sich teilweise um eine Entschädigungsleistung handeln sollte. Es liegt daher nahe, dass aus objektiver Empfängersicht (§§ 133, 157 BGB) im maßgeblichen Zeitpunkt der Leistungsbewirkung ein Entgeltfortzahlungsanspruch erfüllt werden sollte (BAG, U.v. 6.12.2017 – 5 AZR 864/16 – juris Rn. 19 m.w.N.)
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2.3. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf Erstattung der für die Arbeitnehmerinnen entrichteten Sozialversicherungsbeiträge nach § 57 Abs. 1 und Abs. 2 IfSG. Dieser Anspruch knüpft tatbestandlich an einen nach § 56 Abs. 1 IfSG bestehenden Entschädigungsanspruch an. Da dieser, wie vorstehend erörtert, hier jedoch nicht besteht, kann der Kläger auch die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht beanspruchen (vgl. Kruse in BeckOK IfSG, 23. Edition, § 57 Rn. 1, 6).
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4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).