Inhalt

VG München, Beschluss v. 05.06.2025 – M 10 E 25.1420
Titel:

Dichtigkeitsnachweis, Androhung eines Zwangsgelds, Erfüllung der Verpflichtung aus dem Grundbescheid (verneint), Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (verneint)

Normenketten:
VwGO § 123
§ 13 Abs. 3 der Entwässerungssatzung des Würmtal-Zweckverbands vom 19. Februar 1998, in der Fassung vom 13. Dezember 2016 (EWS)
VwZVG Art. 31
VwZVG Art. 37 Abs. 4 S. 1
Schlagworte:
Dichtigkeitsnachweis, Androhung eines Zwangsgelds, Erfüllung der Verpflichtung aus dem Grundbescheid (verneint), Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15361

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtschutzes gegen die Vollstreckung eines fällig gestellten Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,00 Euro.
2
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks F. …straße 11 in … (Fl.Nr. …, Gemarkung …) im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Im Zeitraum zwischen 2017 und 2018 errichtete der Antragsteller auf diesem Grundstück ein Einfamilienhaus. Dieses enthält unter anderem eine Abwasserleitung, die vom Übergabepunkt im Keller des Gebäudes zu einem Kontrollschacht 1 des Antragsgegners außerhalb des Gebäudes führt.
3
Mit Genehmigung der Entwässerungsanlage für den Neubau des Einfamilienhauses erließ der Antragsgegner am 21. November 2018 die Auflage, die neu verlegten Abwasserleitungen auf Dichtheit zu überprüfen. Im vom Antragssteller vorgelegten Entwässerungsplan ist lediglich ein Kanalschacht zwischen Gebäude und Kontrollschacht 1 angezeigt.
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Mit Bescheid vom 20. Mai 2019, dem Antragssteller zugestellt am 24. Mai 2019, erließ der Antragsgegner in Ziffer 1 die Verpflichtung, die verlegten Grundleitungen innerhalb des Grundstücks gemäß § 13 Abs. 3 der Entwässerungssatzung des W.-Zweckverbands vom 19. Februar 1998, in der Fassung vom 13. Dezember 2016 (EWS) auf Dichtheit nachzuweisen. Dem Antragsteller wurde in Ziffer 2 eine Frist zur Erfüllung eingeräumt und in Ziffer 3 bei Nichterfüllung der Verpflichtung ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 Euro angedroht. In den Gründen des Bescheids führte der Antragsgegner an, dass eine Überprüfung der Grundstücksentwässerungsanlage auf Dichtheit notwendig sei, um sicherzustellen, dass das gesamte, auf dem Grundstück anfallende Abwasser der öffentlichen Kanalisation zugeführt werde. Der Antragsteller legte gegen den Bescheid vom 20. Mai 2019 kein Rechtsmittel ein.
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Das Zwangsgeld in Höhe von 250,00 Euro wurde mit Schreiben vom 2. August 2019 fällig gestellt und am 8. Dezember 2020 vom Antragssteller bezahlt. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2020 wurde dem Antragsteller ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro angedroht. Das Zwangsgeld wurde am 10. Juni 2021 fällig gestellt, vom Antragsteller nach Aktenlage bislang aber nicht bezahlt. In Folge stritten Antragsteller und Antragsgegner darüber, ob in der Vergangenheit eine Dichtigkeitsprüfung für die Leitung zwischen Gebäude und Kontrollschacht 1 durchgeführt wurde. Diesbezügliche Protokolle legte der Antragsteller nicht vor; solche sind auch aus der Behördenakte nicht ersichtlich.
6
Mit Bescheid vom 28. Mai 2024, zugestellt am 31. Mai 2024, wurde dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 Euro angedroht. Dem Antragsteller wurde eine Frist gesetzt, die Verpflichtung zur Vorlage des Dichtheitsnachweises bis spätestens 31. August 2024 zu erfüllen. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Das Zwangsgeld wurde mit Schreiben vom 18. Oktober 2024 fällig gestellt.
7
Am 3. Dezember 2024 fand eine Dichtigkeitsprüfung auf dem Grundstück des Antragstellers statt. Der Antragsgegner stellte dabei fest, dass die Bauausführung nicht dem genehmigten Entwässerungsplan entsprach. Zusätzlich zur Abwasserleitung zwischen Gebäude und Kontrollschacht 1 hatte der Antragsteller eine weitere Leitung zwischen Kontrollschacht 1 und einem zusätzlich errichtetem Kontrollschacht 2, der sich im hinteren Teil des Grundstücks befindet, verlegt. Diese Leitung ragt in den Kontrollschacht 1 hinein und ist nicht verschlossen. Dabei handelt es sich nach Angaben des Antragstellers um eine Reserve-Abwasserleitung. Diese zusätzliche Leitung sei vorsorglich für eine mögliche, spätere Bebauung im hinteren Teil des Grundstücks verlegt worden. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass auch die zusätzliche Kanalleitung auf Dichtheit geprüft werden müsse. Trotz Nichtbetriebs könne bei einem Aufstau des öffentlichen Kanals Abwasser in die zusätzliche Leitung und damit in Kontrollschacht 2 gelangen und in den Untergrund versickern. Die Grundleitung zwischen Kontrollschacht 1 und Kontrollschacht 2 ist nach Aktenlage bislang nicht auf Dichtheit geprüft.
8
Am 4. Dezember 2024 mahnte der Antragsgegner das Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 Euro an. Der Antragsgegner stellte dem Antragssteller ein Ausstandsverzeichnis über rückständige Forderungen, Gesamtbetrag 2.018,45 Euro, mit Datum 4. März 2025 zu.
9
Mit Schriftsatz vom 9. März 2025, eingegangen bei Gericht am selben Tag, beantragte der Bevollmächtigte des Antragsgegners die Zwangsvollstreckung aus dem Ausstandverzeichnis des Beklagten vom 4. März 2025 über 2.000,00 Euro für unzulässig zu erklären, den Beklagten dazu zu verurteilen die vollstreckbare Ausfertigung des Ausstandverzeichnisses an den Kläger herauszugeben und festzustellen, dass die Pflicht zur Prüfung der Abwasserleitung gemäß Ziffer 1 des Bescheids vom 20. Mai 2019 erfüllt wurde. Das Verfahren wird unter dem Az. M 10 K 25.1419 geführt. Im selben Schriftsatz beantragte er:
10
Die Zwangsvollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis vom 04.03.2025 des Klägers wird einstweilen eingestellt.
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Zur Begründung führt der Antragsteller aus, dass er der Verpflichtung aus dem Bescheid vom 20. Mai 2019 nachgekommen sei. Da der Antragsgegner durch Zustellung eines Ausstandsverzeichnisses die Zwangsvollstreckung eingeleitet habe, sei eine vorläufige Anordnung gemäß § 123 VwGO geboten.
12
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
13
Der Antragsgegner hat die Behördenakten vorgelegt.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Hauptsacheverfahren Az. M 10 K 25.1419 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
15
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
16
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung) oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (sog. Regelungsanordnung). Vorliegend begehrt der Antragsteller eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, da der Antragsteller mit Klageschrift vom 9. März 2025 ein Hauptsacheverfahren zur Klärung der Frage, ob die Zwangsvollstreckung zulässig ist, eingeleitet hat.
17
Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO ist sowohl ein Anordnungsanspruch, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen. Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
18
Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
19
a) Es fehlt bereits an einem Anordnungsgrund.
20
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ist nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Derartige Nachteile können auch Nachteile wirtschaftlicher Art sein, jedoch müssen sie, um den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu rechtfertigen, zumindest zu einer ernsthaften wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen, die es dem Betroffenen unzumutbar macht, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2001 – 2 CE 01.2339; VG München B.v. 21.8.2008 – M 22 S 08.3641).
21
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für ihn schwere und unzumutbare, nachträglich nicht zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2015 – 21 CE 15.1414 – juris Rn. 17).
22
Die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes scheitert schon an der unzureichenden Darlegung. Es ist für die Kammer nicht erkennbar, welche schweren und unzumutbaren, nachträglich nicht zu beseitigenden Nachteile ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für Folgen haben könnte. Für eine Dringlichkeit in diesem Sinne reicht nicht die Annahme, dass die Beitreibung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,00 Euro aufgrund seiner Höhe wirtschaftliche Auswirkungen beim Antragsteller haben dürfte (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2001 – 2 CE 01.2339 – juris Rn. 9; in der Entscheidung des BayVGH ging es um die Beitreibung eines Zwangsgeldes in Höhe von 30.000,00 DM). Einer Aufforderung zur Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes bedurfte es nicht. Der Antragsteller ist von einem rechtskundigen Bevollmächtigten vertreten.
23
b) Darüber hinaus konnte der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen, da er der Verpflichtung aus dem Bescheid vom 20. Mai 2019 nicht vollumfänglich nachgekommen ist und damit die Vollstreckung des fällig gestellten Zwangsgelds nach der im Eilverfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung rechtmäßig erscheint.
24
Eine Zwangsgeldandrohung (Art. 36 Abs. 1 Satz 1, Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 VwZVG) ist ein aufschiebend bedingter Leistungsbescheid (Art. 31 Abs. 3 Satz 2, Art. 23 Abs. 1 VwZVG). Gegenstand dieses Zwangsmittels ist eine Geldforderung, die entsteht und fällig wird (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG), wenn alle Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind (Art. 19 VwZVG), kein Vollstreckungshindernis nach Art. 22 VwZVG vorliegt und der auferlegten Pflicht nach Ablauf der gesetzten Frist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) nicht oder nicht vollständig nachgekommen worden ist (Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Abs. 1 VwZVG).
25
Die Voraussetzungen für die Vollstreckung des streitgegenständlichen Zwangsgeldes sind erfüllt.
26
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 19 VwZVG, liegen vor. Die mit Bescheid vom 20. Mai 2019 verfügte Verpflichtung, die Grundleitungen auf dem streitgegenständlichen Grundstück auf ihre Dichtheit zu überprüfen ist ein wirksamer und vollstreckbarer Verwaltungsakt mit vollstreckungsfähigem Inhalt. Der Bescheid ist bestandskräftig und mithin vollstreckbar.
27
Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 29 ff. VwZVG) liegen ebenfalls vor. Das Zwangsgeld ist ein zulässiges Zwangsmittel zur Vollstreckung eines Verwaltungsakts, mit dem eine Handlung oder Unterlassung gefordert wird (Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 VwZVG). Im Bescheid vom 28. Mai 2024 wurde ein bestimmtes Zwangsmittel (Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG) – das Zwangsgeld – in bestimmter, zulässiger Höhe (Art. 36 Abs. 5 VwZVG, Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG) – vorliegend 2.000,00 Euro – angedroht. Dem Antragsteller wurde im Bescheid vom 28. Mai 2024 eine angemessene Frist bis 31. August 2024, also über drei Monate, gesetzt (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Vollstreckungshindernisse gem. Art. 22 VwZVG sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
28
Der Antragsteller ist durch die am 4. Dezember 2024 durchgeführte Dichtigkeitsprüfung seiner Verpflichtung aus dem Bescheid vom 20. Mai 2019 nicht vollumfänglich nachgekommen. Entgegen der Rechtsansicht des Antragsstellers ist die Anwendung der Zwangsmittel nicht gem. Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG einzustellen. Der Bescheid vom 20. Mai 2019 enthielt nicht lediglich die Verpflichtung, die Grundleitung zwischen dem neu errichteten Haus und Kontrollschacht 1 auf Dichtigkeit zu überprüfen. Ausweislich des eindeutigen und bestimmten Wortlauts sind nach Ziffer 1 „die verlegten Grundleitungen“ innerhalb des streitgegenständlichen Grundstücks gemäß § 13 Abs. 3 EWS auf Dichtheit zu prüfen. Darunter fallen selbstredend auch nicht angezeigte Leitungen, von denen der Antragsgegner erst im Nachgang Kenntnis erlangt. Eine Konkretisierung nur auf die verlegte Grundleitung zwischen Haus und Kontrollschacht 1, wie vom Antragsteller behauptet, ist dem Bescheid nicht zu entnehmen. Eine solche Auslegung der Ziffer 1 würde daneben zu dem nicht praktikablen Ergebnis führen, dass der Antragsgegner verpflichtet wäre für jede – insbesondere ungenehmigte – Grundleitung, von der er erst im Nachgang Kenntnis erlangt, einen eigenen, neuen Bescheid zu erlassen. Dies wird dem Telos von Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG nicht gerecht.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.1 des Streitwertkatalogs.