Titel:
Insolvenzplan, Versagung der Bestätigung, Fristverlängerungsantrag, verbindliche Auskunft, Insolvenzordnung, Schuldner, Zuständigkeit - Finanzamt, Auskunft des Finanzamts, Schriftsätze, Verfahrensverzögerung, Aufschiebende Bedingung, Sanierungsgewinn, Planverfahren, Anwaltsvertreter, Privatautonomie, Fristen, Fristsetzung, Laufende Frist, Gelegenheit zur Stellungnahme, Regelinsolvenzverfahren
Normenkette:
InsO § 249 S. 2
Leitsatz:
§ 249 S. 2 InsO beinhaltet keine maximale Frist. Sie ist nicht mit der Frist des § 252 Abs. 1 S. 1 InsO gleichzusetzen und den Umstanden des Einzelfalls anzupassen.
Schlagworte:
Insolvenzplan, Planbedingung, Fristverlängerung, Versagung der Planbestätigung, Privatautonomie, Gläubigerzustimmung, Verfahrensverzögerung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15311
Tenor
1. Der Fristverlängerungsantrag des Schuldners vom 28.02.2025 wird abgelehnt.
2. Die Bestätigung des Insolvenzplans wird versagt.
Gründe
1
Der Schuldner hatte in dem mit Beschluss des Amtsgerichtes Nürnberg vom 01.05.2020 eröffneten Regelinsolvenzverfahren einen Insolvenzplan vorgelegt, über den im Termin vom 06.05.2024 abgestimmt worden ist. Die Zustimmung ist seitens der Gläubiger zu 100% erfolgt.
2
Ziel des Plans ist die Entschuldung des Insolvenzschuldners sowie der Erhalt und die Fortführung der von ihm als Einzelkaufmann betriebenen Apotheke.
3
Der Insolvenzplan enthält folgende aufschiebende Bedingung i.S.d. § 249 InsO: Das zuständige Finanzamt erklärt sich bereit, nach vorheriger Verlustrechnung einen gegebenenfalls verbleibenden Buchgewinn als Sanierungsgewinn zu behandeln und gemäß § 3a EstG steuerfrei zu stellen. Die verbindliche Auskunft des Finanzamtes ist in Schriftform bis zu einem noch vom Gericht zu bestimmenden Termin über die Planbestätigung bei Gericht einzureichen. Eine Verlängerung der Frist ist möglich, sofern die insgesamt gewährte Frist angemessen ist.
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Das Finanzamt hat als Tabellengläubigerin im Termin vom 06.05.2024 dem Plan zugestimmt.
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Im Termin vom 06.05.2024 räumte das Gericht dem Schuldner antragsgemäß und in Abstimmung mit dem Finanzamt eine Frist zur Vorlage der Bescheinigung bis zum 31.08.2025 ein.
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In Folge beantragte der anwaltliche Vertreter des Schuldners mit Schriftsätzen vom 13.08.2024, 13.11.2024 und 10.01.2025 Fristverlängerungen, zuletzt bis zum 15.03.2025. Zur Begründung wurde zunächst vorgetragen, dass die Entscheidung hinsichtlich der verbindlichen Auskunft und diesbezüglichen Abstimmung noch nicht vollständig abgeschlossen worden sei (Schriftsatz vom 13.08.2025), später, dass der Entscheidungsprozess über die verbindliche Auskunft durch die Finanzverwaltung noch andauere (Schriftsätze vom 13.11.2024 und 10.01.2024). Die Fristverlängerungen wurden jeweils antragsgemäß bewilligt.
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Mit Schriftsatz des anwaltlichen Vertreters vom 28.02.2025 wurde seitens des Schuldners mit derselben Begründung eine erneute Verlängerung der bis zum 15.03.2025 laufenden Frist beantragt, nunmehr bis zum 15.04.2025.
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Auf gerichtliche Nachfrage vom 03.03.2025 teilte das Finanzamt unter dem 10.03.2025 mit, dass der für die Erteilung der verbindlichen Auskunft erforderliche schriftliche Antrag des Schuldners erst nach dem 31.08.2024 bei dem Finanzamt eingegangen sei. Im Übrigen berief sich das Finanzamt auf § 30 AO.
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Mit Verfügung vom 17.03.2025 übermittelte das Gericht dem Schuldner diese Auskunft und wies zugleich darauf hin, dass angesichts des Zeitablaufes die Versagung der Bestätigung des Plans nach § 249 Abs. 2 InsO in Betracht komme. Der Schuldner erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 1 Woche, insbesondere zu den Gründen der Verzögerung und zur Entbindung des Finanzamtes gegenüber dem Gericht von § 30 AO.
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Hierauf hat der Schuldner innerhalb der gesetzten Frist nicht reagiert. Erst nach Anberaumung des Verkündungstermins hat er über seinen anwaltlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 09.04.2025 vortragen lassen, dass er mit einer Zustimmung des Finanzamtes nicht mehr rechne und um Zurückweisung des Plans gebeten. Dem Schriftsatz war ein Schreiben des Finanzamtes beigefügt, aus dem sich ergibt, dass der Schuldner erst am 09.10.2024 einen Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft gestellt hat.
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Der Antrag auf erneute Fristverlängerung vom 28.02.2025 war abzulehnen, die Bestätigung des Plans nach § 249 Abs. 2 S. 2 InsO wegen Nichteintritts der Planbedingung zu versagen.
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Die Auskunft des Finanzamts nach § 3a EStG ist eine Planbedingung im Sinn des § 249 S. 1 InsO (Pleister in: KPB Kommentar zur Insolvenzordnung, 103. EL, § 249 Rn. 7; Sinz in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 252 Rn. 11).
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1. Nach § 249 S. 1 InsO darf der Insolvenzplan bei Vorhandensein einer Bedingung vom Gericht nur dann bestätigt werden, wenn diese eingetreten ist. Ist die Voraussetzung innerhalb einer vom Gericht gesetzten (und nach überwiegender und zutreffender Ansicht in der Literatur auch verlängerbaren) Frist nicht erfüllt, hat das Gericht die Bestätigung des Plans zu versagen.
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Das Gericht ist dabei im Rahmen seiner Entscheidungsfindung nach § 5 InsO berechtigt, hinsichtlich des Grundes des ausbleibenden Bedingungseintritts vom Amts wegen Ermittlungen durchzuführen (Geiwitz/von Danckelmann in: BeckOK Insolvenzrecht, 38. Ed., § 249 Rn. 9).
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1.2. Die Länge der Frist des § 249 S. 2 InsO hat der Gesetzgeber über die Formulierung „angemessen“ hinaus nicht näher definiert. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich insofern lediglich, dass diese Vorschrift dazu dient, eine längere Ungewissheit über die Bestätigung des Plans zu vermeiden (RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 211 zu § 296).
16
Hinsichtlich der Auslegung des Begriffes „angemessen“ existiert – soweit erkennbar – bislang keine Rechtsprechung. In der Literatur wird in Anlehnung an die Vorschläge zu § 252 Abs. 1 S. 1 InsO zur Auslegung des dort verwendeten Begriffes „alsbald“ eine zeitliche Obergrenze von 4 Wochen diskutiert (so u.a. Braun/Frank in: Braun, InsO, 10. Aufl., § 249 Rn. 5; Sinz, a.a.O., § 252 Rn. 26; Andres in: Andres/Leithaus, Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 249 Rn. 3; ausführlich zum Meinungsstand siehe Pleister, a.a.O., Rn. 11; vgl. auch die entsprechende Diskussion zu § 65 Abs. 1 StaRUG: Sattler in: Seibt/Westpfahl, StaRUG, § 65 Rn. 8; Spliedt in: Jacoby/Thole, StaRUG, § 65 Rn. 2; Blankenburg in: Morgen, StaRUG, 2. Auflage, § 65 Rn. 9, Jungmann in: Münchener Kommentar, StaRUG, 1. Auflage, § 65 Rn. 26).
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Überwiegende Einigkeit scheint in der Literatur dahingehend zu herrschen, dass die Frist angesichts des Beschleunigungsgrundsatzes zwar einerseits nicht zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führen darf, andererseits aber auch die konkrete Bedingung und die voraussichtliche Dauer ihrer Umsetzung berücksichtigt werden muss (s. Pleister, a.a.O.).
18
Nach Auffassung des Gerichtes kann § 249 S. 2 InsO keine starre Frist entnommen werden. Diese ist vielmehr den Umständen des Einzelfalles flexibel anzupassen und kann daher auch deutlich länger als die in der Literatur vertretenen 4 Wochen (Sinz a.a.O., Rn. 25 führt insoweit zutreffend aus, dass zu berücksichtigen sei, in welcher Zeit mit der Umsetzung gerechnet werden könne).
19
Die Annahme einer auch über 4 Wochen hinausgehenden Frist entspricht nach Ansicht des Gerichtes dem Wortlaut des Gesetzes und dem gesetzgeberischen Willen. a)
20
Der Gesetzgeber hat mit „angemessen“ in § 249 S. 2 InsO und „alsbald“ in § 252 Abs. 1 S. 1 InsO unterschiedliche Begrifflichkeiten für die Beschreibung der Frist gewählt. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber diese Unterscheidung bewusst vorgenommen hat und hierdurch unterschiedliche Fristen beschreiben wollte.
21
Die in der Literatur vorgenommene Gleichsetzung des Begriffes „angemessen“ in § 249 S. 2 InsO mit dem Begriff „alsbald“ in § 252 Abs. 1 S. 1 InsO trägt daher bereits aufgrund der vom Gesetzgeber vorgenommen unterschiedlichen Wortwahl nicht.
22
Der Begriff „angemessen“ im Sinn von „richtig bemessen; adäquat“ (www.duden.de) beinhaltet im Vergleich zu „alsbald“ nach dem Verständnis des Gerichtes ein noch deutlich größeres Sachmoment: „den Umständen angemessen“ (www.dwds.de).
23
Demnach muss hinsichtlich der Frist aus § 249 S. 2 InsO ein eigener, von § 252 Abs. 1 S. 1 InsO unterscheidbarer und im Zweifel deutlich dehnbarer Maßstab angesetzt werden. b)
24
Auch bezüglich § 252 Abs. 1 S. 1 InsO wird die Annahme einer festen Frist von 4 Wochen in Teilen der Literatur zutreffend für unpassend gehalten (Pleister, a.a.O., § 252 Rn. 8).
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Wie sich aus dem Vergleich von § 252 Abs. 1 S. 1 InsO mit § 78 Abs. 3 VerglO – eine § 249 InsO vergleichbare Vorschrift existierte zuvor nicht – ergibt, hat sich der Gesetzgeber offenbar bewusst gegen die Aufnahme starrer Fristen, auch in § 249 S. 2 InsO entschieden.
26
Bereits der Begriff „alsbald“ ist nicht rein zeitlich zu verstehen, sondern wird durch seinen angedachten Zweck bestimmt (BGH NJW 1988, 1980 zu §§ 270, 693, 696 ZPO). In dieser Entscheidung hat der BGH im Einzelfall einen Zeitraum von 9 Monaten als noch „alsbald“ angesehen.
27
c) Die Annahme einer starren Frist widerspricht auch der gesetzgeberischen Intention des Planverfahrens und der Privatautonomie der Planbeteiligten.
28
Zweck des Planverfahrens ist es, den Beteiligten die einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz im Wege privatautonomer Austauschprozesse zu ermöglichen und durch ein Höchstmaß an Flexibilität den Beteiligten zu ermöglichen, die für sie günstigste Art der Insolvenzabwicklung durchzuführen (RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 90). Durch die einvernehmlichen Planregelungen soll sowohl die bestmögliche Gläubigerbefriedigung als auch die Sanierung und Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners sichergestellt und ermöglicht werden (Spahlinger in: KPB, § 217 Rn. 8; Braun/Frank, a.a.O., vor 217 Rn. 1).
29
Vereinbaren die Beteiligten – wie hier – eine längere Frist für den Eintritt der Bedingung, ist dies seitens des Gerichtes aufgrund der Privatautonomie im Rahmen der Fristsetzung nach § 249 S. 2 InsO zu berücksichtigen.
30
Die andernfalls eintretende Sperrwirkung einer starren Frist würde entgegen dem Willen und Interesse der Beteiligten aus rein formalen Gründen zur Versagung der Bestätigung führen. Die Besonderheiten des Einzelfalls könnten dabei nicht mehr in ausreichender Weise Berücksichtigung finden.
31
2. Vorliegend konnte angesichts der voraussichtlichen Bearbeitungsdauer der angestrebten und avisierten Zusage des Finanzamtes eine Frist von fast 3 Monaten eingeräumt und auch verlängert werden.
32
Der Schuldner nach unwidersprochenem Vortrag des Finanzamtes seinen schriftlichen Antrag auf Abgabe der Erklärung nach § 3a AO erst nach Ablauf der ursprünglich durch das Gericht zum 31.08.2024 gesetzten Frist eingereicht und dies in seinen Fristverlängerungsanträgen verschwiegen.
33
Tritt die Bedingung innerhalb der gesetzten Frist nicht ein, ist die Bestätigung des Insolvenzplanes von Amts wegen zu versagen, ein Ermessensspielraum steht dem Gericht hierbei nicht zu (s. nur Sinz, a.a.O., § 249 Rn. 31; Andres, a.a.O., Rn. 3; Rühle in: Römermann, Insolvenzordnung, 49. EL, § 249 Rn. 8; Pleister, a.a.O., Rn. 12).
34
Die hinsichtlich der bis zum 31.08.2024 laufenden Frist um fast 6 Wochen verspätete Einreichung des Antrags hat dazu geführt, dass die Planbedingung bereits aus Gründen, die einzig im Verantwortungsbereich des Schuldners liegen, nicht innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist eintreten konnte. Hätte der Schuldner diese Tatsache in den Fristverlängerungsanträgen mitgeteilt, wäre die beantragten Fristverlängerungen nicht zu bewilligen gewesen.