Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 15.01.2025 – 102 Sch 250/23
Titel:

Verstoß gegen rechtliches Gehör bei Schiedssprüchen

Normenketten:
ZPO § 138 Abs. 3, § 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 S. 2, § 1062 Abs. 1
UNÜ Art. IV, Art. V, Art. VII
Leitsätze:
1. Auch bei ausländischen Schiedssprüchen ist eine Teilvollstreckbarerklärung möglich. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beweiswürdigung bei Schiedsverfahren ist aufgrund des Verbots der révision au fond der Überprüfung durch staatliche Gerichte entzogen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schiedsspruch, Beweiswürdigung, rechtliches Gehör, Befangenheit, Schadensersatz, Berechnung, Auslegung, Zeugenaussage, Überraschungsentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 152

Tenor

1. Der in dem Schiedsverfahren zwischen der Antragstellerin als Schiedsbeklagter und Schiedswiderklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsklägerin und Schiedswiderbeklagten vor dem Internationalen Schiedsgericht der Handelskammer Österreich in Wien durch die Einzelschiedsrichterin … am 16. November 2023 erlassene Endschiedsspruch, Az. …, wird a) in Ziffer 3a)
„A. wird zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 969.000[,00] EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 9,2 Prozentpunkten über dem jährlichen Basiszinssatz ab dem Datum des endgültigen Schiedsspruchs an die Antragsgegnerin [die Schiedsbeklagte und Schiedswiderklägerin] verurteilt.“;
b) in Ziffer 3b), soweit er sich gegen die hiesige Antragsgegnerin richtet und diese zur Tragung der „Kosten des Schiedsverfahrens in Höhe von 555.817,98 EUR (Kosten des Schiedsverfahrens: 69.651,80 EUR; Kosten für die Rechtsvertretung: 450.000,00 EUR; sonstige Aufwendungen: 36.166,18 EUR) zuzüglich Zinsen in Höhe von 4% pro Jahr ab dem Datum des endgültigen Schiedsspruchs“ verurteilt, für vollstreckbar erklärt.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens zu tragen.
3. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 969.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Parteien streiten um die teilweise Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs, mit dem die Schiedsklage der hiesigen Antragsgegnerin und einer weiteren, vorliegend nicht beteiligten Gesellschaft, der F. mit Sitz in London, abgewiesen und der Schiedswiderklage der hiesigen Antragstellerin überwiegend stattgegeben wurde. Gegenstand des Schiedsverfahrens waren wechselseitige Ansprüche der Schiedsparteien aus der Durchführung zweier am 1. April 2021 getroffener Vereinbarungen.
2
Der zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin geschlossene Vertriebsvertrag (Sales Agreement) enthält (in deutscher Übersetzung) unter anderem folgende Regelungen:
„PRÄAMBEL
B. stellt die in Anlage 1 dieses Vertrags aufgeführten … her; und B. möchte die in Anlage 1 und Anlage 2 dieses Vertrags aufgeführten … in den hier festgelegten Mengen, zu dem hier festgelegten Preis und zu den hier festgelegten Bedingungen an die Käuferin [die hiesige Antragsgegnerin] verkaufen und die Käuferin möchte diese von B. kaufen; (…)
2. GEGENSTAND (…)
2.1 Vorbehaltlich der Bedingungen und Bestimmungen dieses Vertrags verkauft B. an die Käuferin die in Anlage 1 aufgeführten Produkte und die Käuferin kauft sie von B. zur weiteren Belieferung des Vertragsgebiets (…).
2.5 Die Käuferin vertreibt und verkauft die Produkte im Vertragsgebiet in ihrem eigenen Namen und auf eigene Rechnung (…)
2.6 Die Parteien vereinbaren hiermit ausdrücklich, dass das wesentliche Element der sowie die Voraussetzung für die Zusammenarbeit im Rahmen dieses Vertrags die Übertragung der europäischen Markeneintragung (…),L.` [sic] (…) auf die B.-Tochter (…) ist, welche die Käuferin gleichzeitig mit Unterzeichnung dieses Vertrags durchführt.
(…)
3. KAUF UND LIEFERUNG (…)
3.3 Die Parteien vereinbaren, dass die in den Vollständigen Verkaufsprognosen in den Anlagen zu diesem Vertrag angegebenen Mengen verbindliche Mindestbestellmengen für den jeweiligen Zeitraum von 6 (sechs) Monaten darstellen und die Käuferin verpflichtet ist, diese bei B. durch Übersendung einer unwiderruflichen und festen Bestellung (…) zu bestellen (…)
3.4 Die Käuferin übermittelt ihre Bestellungen an B. schriftlich. B. prüft die von der Käuferin erhaltene Bestellung innerhalb von 15 (fünfzehn) Tagen nach Eingang und sendet der Käuferin entweder eine Mitteilung über die teilweise oder vollständige Annahme der Bestellung in Form einer Proforma-Rechnung oder eine Mitteilung über die Zurückweisung der Bestellung. Die Käuferin muss B. durch Übermittlung einer von der Käuferin gegengezeichneten Kopie eines Scans der Proforma-Rechnung innerhalb von 3 (drei) Arbeitstagen nach Erhalt der Proforma-Rechnung gemäß vorigem Absatz dieser Ziffer ihre Zustimmung zu den in der Proforma-Rechnung angegebenen bestätigten/akzeptierten Bestellmengen erteilen. Die Parteien vereinbaren, dass die Bestellung nur dann als feste Bestellung (im Folgenden: Festbestellung [Firm Oder]) gilt, wenn sie von beiden Parteien gemäß den Bestimmungen dieser Ziffer vereinbart wurde (…)
4. KONTROLLEN, MÄNGEL UND NICHTKONFORMITÄT
4.1 Die Käuferin übermittelt Reklamationen in Bezug auf Gewicht, Anzahl, Verpackung und sonstige Mängel an den gelieferten Produkten innerhalb von 7 (sieben) Tagen nach Eingang der Produkte im Lager der Käuferin schriftlich an B.
4.2 Die Käuferin prüft die Produkte auf die Konformität mit den Spezifikationen und soweit bei der Prüfung der Produkte festgestellt wird, dass die Produkte den Spezifikationen nicht entsprechen, übermittelt sie B. spätestens 15 (fünfzehn) Tage nach der Lieferung eine schriftliche Reklamation.
4.3 (…) Wenn die Käuferin B. innerhalb der in dieser Ziffer genannten Mitteilungsfristen nicht informiert, gelten die Produkte als von der Käuferin angenommen und B. ist von der Haftung für diese mangelhaften Produkte befreit (…).
13. HAFTUNG (…)
13.4 Keine Partei haftet gegenüber der anderen Partei im Rahmen dieses Vertrags für mittelbare Schäden oder Folgeschäden, unabhängig davon, ob diese aus Vertrag, Gewährleistung, unerlaubter Handlung, Fahrlässigkeit oder anderweitig entstanden sind, auch nicht für Gewinn- oder Einnahmeverluste der anderen Partei.
14. LAUFZEIT UND BEENDIGUNG DES VERTRAGS
14.1 Dieser Vertrag tritt am Tag der Unterzeichnung der Abtretungsurkunde für die Übertragung der Europäischen Markeneintragung (…) ,L.' [sic] (…) in Kraft und bleibt für den Zeitraum von 1 (einem) Jahr ab dem Datum der ersten Markteinführung des Produkts zur Lieferung an die Käuferin wirksam (…)
14.2 Nach Ablauf des Anfangszeitraums verlängert sich dieser Vertrag automatisch um einen Zeitraum von jeweils 1 (einem) Jahr, es sei denn, eine der Parteien teilt der anderen Partei mindestens 2 (zwei) Monate vor Ablauf des jeweiligen Verlängerungszeitraums mit, dass sie nicht beabsichtigt, den Vertrag zu verlängern (…).
15. SCHIEDSVERFAHREN UND ANWENDBARES RECHT (…)
15.2 Alle Streitigkeiten oder Ansprüche, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, einschließlich Streitigkeiten über seine Gültigkeit, Vertragsbruch, Kündigung oder Nichtigkeit sind endgültig beizulegen gemäß der Schiedsordnung (Wiener Regeln) des:
Internationales Schiedsgericht Wien der Wirtschaftskammer Österreich in Wien (VIAC) (…)
15.4 Die Parteien stimmen zu, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts für beide Seiten endgültig und bindend ist und verzichten hiermit auf jedwedes Recht auf Berufung oder Anfechtung einer derartigen Entscheidung vor einem ordentlichen
Gericht. (…)“.
3
Ergänzend wird Bezug genommen auf die Anlagen AS-2 und AS-2a.
4
Die Anlage 1 zum Vertriebsvertrag enthielt unter anderem die Festlegung des Preises pro Packung L. von 8,00 €, die „COGS“ (Costs of Good Sold) von 1,54 €, den Großhandelsrichtpreis von 9,00 € – 10,00 € und den Einzelhandelsrichtpreis (ohne Mehrwertsteuer) von 16,00 €. Aus der Anlage 2 zum Vertriebsvertrag ergeben sich die „Vollständige[n] Verkaufsprognosen“ für September 2021 bis Februar 2022 für Deutschland, das Vereinigte Königreich, Italien und Spanien sowie unter „B. Marketing“ von der Antragstellerin zu tragende Marketingkosten für den genannten Zeitraum von insgesamt 192.500,00 € für Deutschland, 192.500,00 € für das Vereinigte Königreich, 96.250,00 € für Italien und ebenfalls 96.250,00 € für Spanien. Ergänzend wird auf die Anlagen AS-9 bzw. AS-9a sowie AS-10 bzw. AS-10a Bezug genommen.
5
Des Weiteren schlossen die Parteien sowie die F. am 1. April 2021 einen Rahmenvertrag für Marketing-Dienstleistungen (Framework Marketing Services Agreement), der (in deutscher Übersetzung) unter anderem folgende Regelungen enthält:
„PRÄAMBEL
Die Dienstleisterin [F.] ist ein Unternehmen, das Marketing- und Medien-Dienstleistungen anbietet; B. verkauft das Produkt L. (…) an A. B. und A. (im Folgenden: Kunden) benötigen bestimmte Marketing- und Medien-Dienstleistungen, um Sekundärabsatzziele für das Produkt zu erreichen (…)
IV.
ZAHLUNGSBEDINGUNGEN Ziffer 9
Die Zahlungen für die (…) Dienstleistungen sind von den Kunden wie folgt zu leisten (…)
Für STUFE 1: Das Budget wird von den Parteien in dem entsprechenden Arbeitsauftrag festgelegt.
1/3 der vereinbarten Kosten der Dienstleistungen werden von A. und 2/3 der Kosten der Dienstleistungen werden von B. getragen; und Für STUFE 2: Das Budget für jeden Zeitraum von 6 Monaten (…) wird auf Grundlage der COGS berechnet, die in Anlage 1 des zwischen B. und A. geschlossenen Vertriebsvertrags aufgeführt sind, und entspricht der Summe aus:
a) dem 2,5-fachen (2,5x) des COGS-Betrags der Produkte, deren Verkauf für diesen Zeitraum nach den Prognosen für Online-Verkäufe geplant ist – dieser Betrag ist von A. zu tragen und b) dem 2,5-fachen des COGS-Betrags der Produkte, deren Verkauf für diesen Zeitraum nach den Vollständigen Verkaufsprognosen (…) geplant ist – dieser Betrag ist von B. zu tragen, soweit A. die in Ziffer 3.3. des Vertriebsvertrags festgelegten verbindlichen Bestellmengen einhält, andernfalls ist dieser Betrag ebenfalls von A. zu tragen (…).
Die Parteien vereinbaren ausdrücklich, dass A. im Falle der Nichteinhaltung der verbindlichen Bestellmengen gemäß Ziffer 3.3. des Vertriebsvertrags und den Vollständigen Verkaufsprognosen verpflichtet ist, die Dienstleistungen für die STUFE 2 fristgerecht und vollständig zu bezahlen, und dass B. in dieser Hinsicht keine Verpflichtungen gegenüber der Dienstleisterin hat. A. bleibt sowohl gegenüber B. als auch gegenüber der Dienstleiterin für die Erfüllung dieser Verpflichtung haftbar (…).
XI.
ANWENDBARES RECHT UND STREITBEILEGUNG Ziffer 21 (…)
Alle Streitigkeiten oder Ansprüche, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, einschließlich Streitigkeiten über seine Gültigkeit, Vertragsbruch, Kündigung oder Nichtigkeit sind endgültig beizulegen gemäß der Schiedsordnung (Wiener Regeln) des:
Internationalen Schiedsgerichts Wien der Wirtschaftskammer Österreich in Wien (VIAC) (…)
Der Schiedsspruch ist für beide Parteien endgültig und bindend. Die Parteien stimmen zu, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts für beide Seiten endgültig und bindend ist, und verzichten hiermit auf jedwedes Recht auf Berufung oder Anfechtung einer derartigen Entscheidung vor einem ordentlichen Gericht.“.
6
Ergänzend wird Bezug genommen auf die Anlagen AS-1 bzw. AS-1a.
7
Im Folgenden gab die Antragsgegnerin nach den Feststellungen des Schiedsgerichts am 27. April 2021 die Bestellungen für den ersten Zeitraum von sechs Monaten vollständig ab, mithin insgesamt 150.000 Produkte für Deutschland, das Vereinigte Königreich, Spanien und Italien. Die Antragstellerin übersandte am 12. Mai 2021 entsprechende Proforma-Rechnungen an die Antragsgegnerin. Ob die Antragsgegnerin diese gegenzeichnete und am 18. Mai 2021 per DHL-Kurier an die Antragstellerin zurücksandte, ist zwischen den Parteien streitig. Im Folgenden stornierte bzw. reduzierte die Antragsgegnerin die Bestellungen. Tatsächlich lieferte die Antragstellerin nur je 10.000 Produkte am 28. September 2021 nach Deutschland und am 14. Oktober 2021 nach Großbritannien.
8
Mit der am 22. April 2022 eingereichten Schiedsklage begehrten die hiesige Antragsgegnerin und die F. die Feststellung, dass die Antragstellerin gegen Verpflichtungen aus der Vertriebsvereinbarung und dem Rahmenvertrag über Marketing-Dienstleistungen verstoßen habe. Ferner forderten sie unter anderem, die Antragstellerin zur Zahlung offener Marketingkosten an die F. und von Schadensersatz an die hiesige Antragsgegnerin (unter anderem für entgangenen Gewinn, gezahlte, aber sinnlos gewordene Marketingkosten, den Wert der übertragenen Marke, Kosten für die Lagerung gelieferter Produkte) zu verurteilen. Die hiesige Antragstellerin erhob Schiedswiderklage, mit der sie im Hauptantrag begehrte festzustellen, dass die Antragsgegnerin gegen die Vertriebsvereinbarung verstoßen habe, und die Antragsgegnerin zur Zahlung der Vergütung aus der Vertriebsvereinbarung in Höhe von 1.200.000,00 € (150.000 Produkte zu je 8,00 €) zuzüglich Zinsen und der Kosten des Schiedsverfahrens zu verurteilen. Hilfsweise verlangte die Antragstellerin ebenfalls die Feststellung, dass die Antragsgegnerin gegen die Vertriebsvereinbarung verstoßen habe sowie die Verurteilung der Antragsgegnerin zur Zahlung von 1.251.568,00 € (Schadensersatz berechnet anhand der Vergütung für 150.000 Produkte zu je 8,00 €, abzüglich der COGS von 1,54 € pro Produkt, zuzüglich der bereits an die F. teilweise geleisteten, sinnlos gewordenen Marketingkosten von 282.568,00 €).
9
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme erließ das Schiedsgericht am 16. November 2023 folgenden Schiedsspruch:
„1. Die Forderungen und Ansprüche der Antragstellerinnen [Schiedsklägerinnen] werden in ihrer Ganzheit abgewiesen.
2. Die Hauptwiderklagen (i) – (iii) der Antragsgegnerin [Schiedsbeklagten] werden abgewiesen.
3. Den subsidiären Widerklagen der Antragsgegnerin [Schiedsbeklagten] wird in folgendem Umfang stattgegeben:
a) A. wird zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 969.000[,00] € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9,2 Prozentpunkten über dem jährlichen Basiszinssatz ab dem Datum des endgültigen Schiedsspruchs an die Antragsgegnerin [die Schiedsbeklagte und Schiedswiderklägerin] verurteilt.
b) Die Antragstellerinnen [Schiedsklägerinnen] tragen die Kosten dieses Schiedsverfahrens in Höhe von 555.817,98 € (Kosten des Schiedsverfahrens: 69.651,80 €; Kosten für die Rechtsvertretung: 450.000,00 €, sonstige Aufwendungen; 36.166,18 €) zuzüglich Zinsen in Höhe von 4% pro Jahr ab dem Datum des endgültigen Schiedsspruchs.
4. Alle anderen oder weitergehenden Ansprüche und Anträge werden zurückgewiesen.“
10
Zur Begründung führte das Schiedsgericht im Wesentlichen aus, der Vertriebsvertrag sei als Rahmenvertrag auszulegen. Nach Art. 3.3 sei die Antragsgegnerin zur Bestellung der verbindlichen, in der Anlage 2 für die ersten sechs Monate niedergelegten Mindestmengen verpflichtet gewesen. Das Prozedere der Bestellung hätte sich nach Art. 3.4 richten müssen, eine stillschweigende Änderung sei nicht erfolgt. Die Antragsgegnerin habe am 27. April 2021 die Bestellung für den ersten Zeitraum von sechs Monaten vollständig abgegeben. Am 12. Mai 2021 habe die Antragstellerin die entsprechenden Proforma-Rechnungen übersandt. Nach Durchführung der Beweisaufnahme sei das Schiedsgericht davon überzeugt, dass die Antragsgegnerin aber nicht, wie von ihr behauptet, am 18. Mai 2021 Kopien der gegengezeichneten Proforma-Rechnungen per DHL-Kurier an die Antragstellerin gesandt habe. Eine verbindliche Bestellung über die Mindestmenge habe daher nicht vorgelegen. Stattdessen habe die Antragsgegnerin dreimal ihre Bestellmengen reduziert und dadurch auch selbst gezeigt, dass sie sich nicht an die ursprünglichen Bestellungen gebunden gefühlt habe. Folge des Fehlens einer verbindlichen Bestellung sei, dass die beiden letztlich nur erfolgten Lieferungen über je 10.000 Produkte ohne Rechtsgrundlage geleistet worden seien, da es am Abschluss eines verbindlichen Kaufvertrags gefehlt habe. Zudem habe sich gemäß Ziffer 9 des Rahmenvertrags die Zahlungspflicht für die Marketing-Dienstleistungen auf die Antragsgegnerin verlagert, die Antragstellerin sei von den entsprechenden Verpflichtungen befreit. Die Antragstellerin hafte auch nicht wegen angeblicher Mängel der von ihr gelieferten Produkte. Da die Antragsgegnerin und die F. nicht hätten nachweisen können, dass die erst am 14. September 2022 versandte Mitteilung über die Nichtkonformität der Produkte mit den Spezifikationen rechtzeitig erfolgt sei, würden die Produkte als genehmigt gelten. Die Einreichung der Schiedsklage am 22. April 2022 sei als Mitteilung über die Nichtverlängerung des Vertriebsvertrags anzusehen. Dieser habe daher gemäß Art. 14.1 ein Jahr nach der ersten Markteinführung, mithin am 28. September 2022 geendet. Die Antragstellerin könne nach Art. 61 Abs. 1 Buchst. b) CISG Schadensersatz verlangen, da die Antragsgegnerin gegen Art. 3.3 des Vertriebsvertrags verstoßen habe. Damit könne die Antragstellerin als Schadensersatz den Gewinn fordern, den sie bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertriebsvertrags erzielt hätte. Dieser berechne sich aus der Mindestmenge an zu bestellenden Produkten (150.000 gemäß Anlage 2 zum Vertriebsvertrag), multipliziert mit dem Kaufpreis pro Produkt von 8,00 € gemäß Anlage 1 zum Vertriebsvertrag, abzüglich der vereinbarten 1,54 € Kosten für Herstellung und Produktion (ebenfalls gemäß Anlage 1). Insgesamt ergebe sich daraus ein Betrag von 969.000,00 €, wie von der Antragstellerin mit ihrer Hilfswiderklage gefordert. Kein Anspruch bestehe auf die geforderten 282.568,00 € als Entschädigung für die von der Antragstellerin an die F. geleisteten, aber sinnlos gewordenen Marketingausgaben für die Stufen 1 und 2, da die Antragstellerin diese Kosten auch bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertriebsvertrags hätte tragen müssen. Im Ergebnis seien daher die Schadensersatzansprüche der Antragsgegnerin und der F. in vollem Umfang abzuweisen. Die Hauptwiderklage der Antragstellerin sei abzuweisen, da diese mangels verbindlicher Bestellungen nicht unmittelbar Zahlung auf der Grundlage des Vertriebsvertrags fordern könne. Der hilfsweise geltend gemachte Schadenersatzanspruch in Höhe von 969.000,00 € habe dagegen Erfolg. Der Antrag auf Feststellung einer Vertragsverletzung durch die Antragsgegnerin sei hingegen überflüssig und daher abzuweisen.
11
Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2023 hat die Antragstellerin beantragt, den Schiedsspruch mit dem oben zitierten Tenor gegenüber der Antragsgegnerin für vollstreckbar zu erklären. Im weiteren Verfahren hat die Antragstellerin klargestellt, dass nur die Vollstreckbarerklärung von Ziffer 3a) und Ziffer 3b) des Tenors des Schiedsspruchs verlangt werde und auch dies nur in dem Umfang, in dem der Schiedsspruch gegen die Antragsgegnerin ergangen sei. Die Antragsgegnerin sei mit der Geltendmachung von Aufhebungsgründen präkludiert, da sie am Schiedsort Wien keinen Aufhebungsantrag gestellt habe. Im Übrigen seien Aufhebungsgründe auch nicht schlüssig vorgetragen, insbesondere habe das Schiedsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Zudem sei die Antragsgegnerin auch mit dieser Rüge präkludiert, weil sie dies nicht während des Schiedsverfahrens gerügt habe.
12
Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Vollstreckbarerklärung zu versagen und den Antrag der Antragstellerin kostenpflichtig zurückzuweisen. Das Schiedsgericht habe insbesondere den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör verletzt. So habe das Schiedsgericht es versäumt, den Einwand der Antragsgegnerin, die Antragstellerin dürfe im Antrag auf Dokumentenvorlage keine neuen Behauptungen vorbringen, abzuhandeln. Ferner habe das Schiedsgericht die Aussagen von Zeugen der Antragsgegnerin, wonach diese gegengezeichnete Proforma-Rechnungen übersandt habe, außer Acht gelassen. Auch Angaben von Zeugen der Antragstellerin, wonach die Produktion erst nach Erhalt der gegengezeichneten Proforma-Rechnungen beginne und vorliegend tatsächlich schon angelaufen sei, habe das Schiedsgericht nicht berücksichtigt. Das Schiedsgericht habe das Vorbringen der Antragsgegnerin, wonach zwar nicht die verbindlichen Mindestbestellmengen, wohl aber die Marketingaktivitäten ein wesentliches Element des Vertriebsvertrags gewesen seien, vollständig ignoriert. Die zweite Schiedsklägerin, F., habe das Schiedsgericht vollständig aus dem Schiedsspruch ausgeschlossen. Das Schiedsgericht habe sich mit der Behauptung der Antragsgegnerin über die Unzulänglichkeit und Instabilität der Produkte nicht beschäftigt. Die Frage der Übertragung der Marke L., die ein wesentlicher Bestandteil des Vertriebsvertrags gewesen sei, habe das Schiedsgericht kein einziges Mal erwähnt. Zudem habe das Schiedsgericht das Vorbringen der Antragsgegnerin zur Berechnung des Schadensersatzes und des entgangenen Gewinns völlig außer Acht gelassen. Mit diesen Rügen sei die Antragsgegnerin auch nicht präkludiert. Zudem wecke das Verhalten des Schiedsgerichts Zweifel an dessen Unabhängigkeit.
13
Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2024 Bezug genommen.
II.
14
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung von Tenor Ziffer 3a) und Ziffer 3b) des Schiedsspruchs gegen die Antragsgegnerin hat Erfolg. Es liegt kein Grund vor, dem Schiedsspruch insoweit die Anerkennung im Inland zu versagen.
15
1. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung von Tenor Ziffer 3a) und Ziffer 3b) des Schiedsspruchs ist zulässig.
16
a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und 5 ZPO, § 7 GZVJu zuständig, da kein deutscher Schiedsort besteht und die Antragsgegnerin ihren Sitz in Bayern hat.
17
b) Der Vollstreckbarerklärung steht nicht entgegen, dass der Schiedsspruch nur als beglaubigte deutsche Übersetzung vorgelegt wurde.
18
Ob für die Vollstreckbarerklärung des in Österreich ergangenen Schiedsspruchs zwischen den in Großbritannien und Deutschland ansässigen Schiedsklägern einerseits und der in Bosnien-Herzegowina ansässigen Schiedsbeklagten andererseits in erster Linie das Europäische Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961 (BGBl. 1964 II S. 425, im Folgenden: EuÜ) Anwendung findet, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Zwar geht das EuÜ dem UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (BGBl. 1961 II S. 121, im Folgenden: UNÜ) vor, § 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO, und schränkt dieses teilweise ein, vgl. Art. IX Abs. 2 EuÜ (BGH, Beschluss vom 23. April 2013, III ZB 59/12, SchiedsVZ 2013, 229 Rn. 3; BayObLG, Beschluss vom 29. Oktober 2020, 1 Sch 90/20, juris Rn. 12; OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. Oktober 2018, 11 Sch 1/17, juris Rn. 33). Es gilt jedoch im Verhältnis zum UNÜ ebenso wie zum innerstaatlichen Recht das Meistbegünstigungsprinzip, wonach auf das anerkennungsfreundlichere Regelwerk zurückzugreifen ist (BGH, Beschluss vom 25. September 2003, III ZB 68/02, NJW-RR 2004, 1504 [juris Rn. 9]; BayObLG, Beschluss vom 20. November 2023, 102 Sch 173/23, SchiedsVZ 2024, 59 Rn. 8; OLG München, Beschluss vom 11. Mai 2009, 34 Sch 23/08, juris Rn. 7; Geimer/Schütze/Hau in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 67. EL Juni 2024, C.I.4. Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, b], Text mit Erläuterungen, Art. I Fußnote 6]; Wilske/Markert in BeckOK ZPO, 54. Ed. 1. September 2024, § 1061 Rn. 3 f.). Im Rahmen der Meistbegünstigung ist dabei auf das anerkennungsfreundlichere Regelwerk im Ganzen (und nicht nur in einzelnen Vorschriften) zurückzugreifen (BGH NJW-RR 2004, 1504 [juris Rn. 9]; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 1061 Rn. 7; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, Anhang zu § 1061 Rn. 510). Dies gilt allerdings nicht im Verhältnis der Regelungen des UNÜ zum deutschen Schiedsverfahrensrecht, da § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO das UNÜ in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche praktisch zum nationalen Recht gemacht hat und somit ohnehin die kombinierte Anwendung von UNÜ und autonomem deutschen Schiedsverfahrensrecht vorgesehen ist (Wilske/Markert in BeckOK ZPO, § 1061 Rn. 4; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kapitel 42 Rn. 24 f.). Da vorliegend unter Anwendung der § 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1, § 1064 ZPO i. V. m. den Regelungen des UNÜ eine Vollstreckbarerklärung möglich ist (siehe im Folgenden), kommt es letztlich auf die Vorgaben des EuÜ nicht an.
19
Unschädlich ist, dass die Vorgaben des Art. IV Abs. 1 Buchst. a) und b) UNÜ bezüglich der Vorlage der Schiedsvereinbarungen und des Schiedsspruchs nicht eingehalten sind. Insoweit genügt es gemäß Art. VII Abs. 1 UNÜ, wenn die anerkennungsfreundlicheren Anforderungen des nationalen Rechts nach § 1064 Abs. 1 und 3 ZPO erfüllt sind, wonach der Schiedsspruch im Original vorzulegen ist; formelle Anforderungen für die Vorlage der Schiedsvereinbarung finden sich im autonomen nationalen Recht nicht (BayObLG, Beschluss vom 1. Oktober 2024, 101 Sch 45/24 e, juris Rn. 36; Beschluss vom 20. November 2023, 102 Sch 173/23, juris Rn. 12; Wilske/Market in BeckOK ZPO, § 1061 Rn. 61). Allerdings genügt der Antrag auch diesen Anforderungen nicht, da der Schiedsspruch weder im englischen Original noch eine beglaubigte Abschrift desselben eingereicht worden ist. Indessen handelt es sich insoweit nicht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern lediglich um Beweisbestimmungen (BayObLG, Beschluss vom 1. Oktober 2024, 101 Sch 45/24 e, juris Rn. 59 ff.; Beschluss vom 13. September 2024, 101 Sch 146/23 e, juris Rn. 60; Beschluss vom 20. November 2023, 102 Sch 173/23, juris Rn. 12). Vorliegend sind Existenz und Authentizität des vorgelegten Schiedsspruchs (und auch der im Vertriebsvertrag und im Rahmenvertrag über Marketing-Dienstleistungen enthaltenen Schiedsklauseln) von der Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt und mithin unstreitig, § 138 Abs. 3 ZPO.
20
c) Bedenken im Hinblick auf das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag bestehen nicht. Die Antragstellerin hat klargestellt, dass sie nur die Vollstreckbarerklärung von Tenor Ziffer 3a) und Ziffer 3b) begehrt, die für sie günstig sind und einen vollstreckbaren Inhalt haben.
21
d) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin nur die Vollstreckbarerklärung eines Teils des Schiedsspruchs begehrt. Auch bei ausländischen Schiedssprüchen ist eine Teilvollstreckbarerklärung grundsätzlich möglich (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20. November 2023, 102 Sch 173/23 e, juris Rn. 16; Schütze in Wiezorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2020, § 1061 Rn. 120). Die Vollstreckbarerklärung kann auf Teile beschränkt werden, die gegenüber dem Rest des entschiedenen Streitstoffs einen selbständig abgrenzbaren Teil darstellen, was sich ebenso wie die Möglichkeit einer Teilaufhebung nach den gleichen Grundsätzen bemisst wie die Zulässigkeit einer Teilklage (BGH, Beschl. v. 25. Juni 2020, I ZB 108/19, SchiedsVZ 2021, 341 Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 13. Dezember 2023, 101 Sch 112/22, juris Rn. 141; Beschluss vom 20. November 2023, 102 Sch 173/23 e, juris Rn. 16 m. w. N.).
22
Tenor Ziffer 3a) des Schiedsspruchs umfasst den von der Antragstellerin mit der Hilfswiderklage geltend gemachten Schadensersatzanspruch (in Höhe des Kaufpreises für die verbindliche Mindestmenge der Produkte abzüglich der vereinbarten Produktions- und Herstellungskosten) gegen die Antragsgegnerin. Die von dem Schiedsgericht ausgesprochene und in Ziffer 4 des Tenors enthaltene Teilabweisung der Hilfswiderklage bezieht sich dagegen auf die von der Antragstellerin ebenfalls begehrte Entschädigung für die sinnlos gewordenen, von ihr an die F. bereits bezahlten Marketingkosten. Insoweit handelt es sich um eine völlig eigenständige, klar abgrenzbare Schadensposition, die ohne Weiteres Gegenstand einer Teilklage sein könnte. Die ebenfalls vom Schiedsgericht abgewiesene Hauptwiderklage umfasste von vornherein keinen Schadensersatz-, sondern den vertraglichen Vergütungsanspruch.
23
Unproblematisch unter dem Gesichtspunkt der Teil- und Abgrenzbarkeit ist ferner, dass die Antragstellerin die Vollstreckbarerklärung von Ziffer 3b) des Schiedsspruchs nur gegen die Antragsgegnerin, aber nicht gegen die ebenfalls zur Zahlung der Kosten verurteilte F. begehrt. Nach dem Schiedsspruch schulden beide die Kosten in voller Höhe, so dass es der Antragstellerin freisteht, gegen welche der Schiedsklägerinnen sie die Vollstreckung der Kosten betreiben möchte. Probleme bezüglich der Teil- und Abgrenzbarkeit ergeben sich insoweit nicht. Im Übrigen besteht auch ein Bedürfnis an der Teilvollstreckbarerklärung, da zwar die Antragsgegnerin, nicht aber die F. in Deutschland ansässig ist und daher jedenfalls mit gewisser Wahrscheinlichkeit nur erstere überhaupt vollstreckbares Vermögen im Inland hat.
24
e) Sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags auf Vollstreckbarerklärung bestehen ebenfalls nicht. Unstreitig wurde der von der Einzelschiedsrichterin unterzeichnete Schiedsspruch den Parteien zugestellt und von der Antragsgegnerin auch nicht die Aufhebung des Schiedsspruchs bei dem österreichischen Schiedsgericht beantragt.
25
2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung hat auch in der Sache Erfolg. Gründe, nach denen dem Schiedsspruch die Anerkennung im Inland zu versagen wären, liegen nicht vor.
26
a) Ein Versagungsgrund gemäß § 1061 Abs. 1 ZPO i. V. m. Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht könnte von der Antragsgegnerin zwar grundsätzlich noch geltend gemacht werden, ist aber nicht feststellbar.
27
Gemäß Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ darf die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs versagt werden, wenn die zuständige Behörde des Landes, in dem um Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird, feststellt, dass diese der öffentlichen Ordnung des Landes widersprechen würden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs stellt regelmäßig auch einen Verstoß gegen den ordre public im Sinne des Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ dar (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2023, I ZB 37/23, SchiedsVZ 2024, 115 Rn. 12; BayObLG, Beschl. v. 1. Oktober 2024, 101 Sch 45/24 e, juris Rn. 44; Beschluss vom 26. Juni 2024, 101 Sch 116/23 e, juris Rn. 78; Adolphsen in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, UNÜ Art. 5 Rn. 26).
28
aa) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Antragsgegnerin mit der entsprechenden Rüge nicht präkludiert. Weder war die Antragsgegnerin gehalten, fristgerecht beim Schiedsgericht in Wien einen Aufhebungsantrag zu stellen, noch kommt es auf die fehlende Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs schon im Schiedsverfahren selbst an.
29
(1) Einer Partei ist es nur dann verwehrt, eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Schiedsgericht, die sie nicht unverzüglich gerügt hat, später noch geltend zu machen, wenn sie im Schiedsverfahren die Möglichkeit hatte, diese Verletzung unverzüglich zu rügen, und zudem die Möglichkeit bestand, diese Verletzung zu heilen (BGH SchiedsVZ 2024, 115 Rn. 19; Beschl. v. 2. Mai 2017, I ZB 1/16, SchiedsVZ 2017, 317 Rn. 26; BayObLG, Beschluss vom 26. Juni 2024, 101 Sch 116/23 e, juris Rn. 79). Daran fehlt es insbesondere, wenn sich für eine Partei erst aus dem Schiedsspruch selbst ergibt, dass das Schiedsgericht auf einen bestimmten Einwand nicht eingegangen ist (vgl. BGH SchiedsVZ 2024, 115 Rn. 19).
30
Vorliegend beruft sich die Antragsgegnerin ausschließlich auf Verletzungen des rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht, die gegebenenfalls erst aus dem Schiedsspruch selbst ersichtlich wären. Eine frühere Rüge mit der Möglichkeit einer Heilung des Verstoßes kam mithin nicht in Betracht. Ob als derartige Heilungsmöglichkeit ein Rechtsbehelf innerhalb der Schiedsgerichtsbarkeit angesehen werden könnte, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls wurde ein derartiger Rechtsbehelf von den Parteien nach Ziffer 21 des Rahmenvertrags für Marketing-Dienstleistungen bzw. Art. 15.4 des Vertriebsvertrags ausgeschlossen.
31
(2) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Antragsgegnerin vorliegend mit dem Einwand, das Schiedsgericht habe das rechtliche Gehör verletzt, auch nicht deshalb präkludiert, weil sie keine Aufhebungsklage gegen den Schiedsspruch in Österreich angestrengt hat.
32
Anerkennungsversagungsgründe können im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht mit der Begründung präkludiert werden, die Parteien hätten von einem inhaltlich einschlägigen (befristeten) Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch im Erlassstaat keinen Gebrauch gemacht (BGH SchiedsVZ 2024, 115 Rn. 33). Einen Vorbehalt der Geltendmachung ausländischer Rechtsbehelfe gegen den Schiedsspruch enthalten weder § 1061 ZPO noch Art. V UNÜ (BGH, a. a. O., Rn. 25). Zwar wird nach § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO, Art. VIII Abs. 1 UNÜ keiner beteiligten Partei das Recht genommen, sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts oder der Verträge des Landes, in dem er geltend gemacht werden soll, zu berufen. Dort enthaltene Präklusionsbestimmungen können deshalb die Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners im inländischen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren beschränken (BGH, a. a. O., Rn. 26). Die für innerstaatliche Schiedssprüche geltenden Präklusionsregelungen des § 1059 Abs. 2 Nr. 1, § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind auf ausländische Schiedssprüche aber nicht anwendbar, auch nicht im Rahmen des Meistbegünstigungsgrundsatzes, da § 1060 Abs. 2 ZPO wegen der dort in Bezug genommenen Aufhebungsvorschriften nach § 1059 ZPO allein für inländische Schiedssprüche gilt (BGH, a. a. O., Rn. 28 f.). Soweit die Antragstellerin für ihre anderweitige Ansicht auf Rechtsprechung und Literatur verweist, sind diese Fundstellen durch die zitierte neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, überholt.
33
bb) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist von Amts wegen zu prüfen. Allerdings gilt der Beibringungsgrundsatz insoweit, als eine Gehörsverletzung nur auf eine ordnungsgemäß ausgeführte Rüge geprüft werden kann (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2021, I ZB 21/21, SchiedsVZ 2022, 228 Rn. 53; BayObLG, Beschluss vom 26. Juni 2024, 101 Sch 116/23 e, juris Rn. 78). Das Schiedsgericht muss die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt aber erst dann vor, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekommen ist (BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 36/21, SchiedsVZ 2023, 59 Rn. 19; SchiedsVZ 2022, 228 Rn. 23; BayObLG, Beschluss vom 26. Juni 2024, 101 Sch 116/23 e, juris Rn. 80). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es besteht keine Pflicht, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung ausdrücklich zu befassen. Erst wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Gründen nicht eingeht, lässt sich auf die Nichtberücksichtigung schließen, sofern der Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war. Entsprechendes gilt für die rechtlichen Ausführungen einer Partei, die den Kern des Parteivorbringens darstellen und für den Prozessausgang eindeutig von entscheidender Bedeutung sind (BGH SchiedsVZ 2023, 59 Rn. 19; SchiedsVZ 2022, 228 Rn. 23). Als Kernvorbringen ist aber nicht jedes einzelne Indiz und Beweismittel zur Untermauerung der Position einer Partei anzusehen (BGH SchiedsVZ 2022, 228 Rn. 37). Nicht ausreichend ist es, wenn sich das Gericht mit dem wesentlichen Parteivortrag inhaltlich nicht auseinandersetzt, sondern mit Leerformeln über diesen hinweggeht (BGH, Beschl. 18. Juli 2019, I ZB 90/18, SchiedsVZ 2020, 46 Rn. 10). Eine Überprüfung des Schiedsspruchs auf seine materielle Richtigkeit hingegen kommt nicht in Betracht, da dies mit dem grundsätzlichen Verbot der révision au fond unvereinbar wäre. Eine unrichtige Rechtsanwendung ist für sich allein kein Grund, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs zu verweigern (BGH SchiedsVZ 2024, 115 Rn. 49; BayObLG, Beschluss vom 26. Juni 2024, 101 Sch 116/23 e, juris Rn. 112). Danach ist dem staatlichen Gericht regelmäßig auch die Nachprüfung der vom Schiedsgericht vorgenommenen Beweiswürdigung untersagt (BGH SchiedsVZ 2024, 115 Rn. 49; BayObLG, Beschluss vom 26. Juni 2024, 101 Sch 116/23 e, juris Rn. 125).
34
cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen genügt die allgemeine Erklärung im Schiedsspruch unter Rn. 49 nicht, von vornherein jeglichen Verstoß gegen den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör auszuschließen.
35
Das Schiedsgericht führt dort aus, es habe alle von der hiesigen Antragsgegnerin vorgebrachten Argumente und Beweise berücksichtigt und sorgfältig geprüft, einschließlich der in diesem Abschnitt des Schiedsspruchs oder in der nachstehenden Erörterung der Forderungen nicht erwähnten Behauptungen und Argumente. Indessen stellt dies für sich genommen nur eine weitgehende Leerformel dar, belegt aber nicht die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Kern des Vortrags der Antragsgegnerin.
36
dd) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin hat das Schiedsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung zu der Frage, ob gegengezeichnete Proforma-Rechnungen an die Antragstellerin versandt wurden (und damit eine verbindliche Bestellung vorlag), nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
37
Das Schiedsgericht geht nach umfassender Beweiswürdigung davon aus, dass die Antragsgegnerin zwar der ursprünglichen Bestellverpflichtung am 27. April 2021 nachgekommen sei und die Antragstellerin den Eingang der Bestellungen auch durch Übersendung von Proforma-Rechnungen am 12. Mai 2021 bestätigt habe (Schiedsspruch Rn. 199). Aufgrund der von den Parteien vorgelegten Beweise und vorgebrachten Argumente kommt das Schiedsgericht aber zu dem Schluss, dass die Antragsgegnerin nicht, wie vom Vertriebsvertrag gefordert, die Proforma-Rechnungen gegengezeichnet und Kopien hiervon der Antragstellerin übermittelt habe (Schiedsspruch Rn. 202 ff.). Diesbezüglich hat die Antragsgegnerin zwar unter verschiedenen Aspekten eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt; jedoch greift keiner der Einwände durch.
38
(1) Die Antragsgegnerin führt aus, sie habe vorgetragen, dass sie die gegengezeichneten Proforma-Rechnungen am 18. Mai 2021 per DHL versandt habe und das Paket der Antragstellerin ausgehändigt worden sei, wie sich aus der DHL-Rechnung ergebe. Die Zeugen der Antragsgegnerin hätten dies auch klar bestätigt, das Schiedsgericht habe aber die Aussagen dieser Zeugen vollständig ignoriert und diese nur in zwei von 265 Absätzen berücksichtigt.
39
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs lässt sich daraus nach den oben bb) angeführten Grundsätzen aber nicht ableiten. Zwar ist es zutreffend, dass die Zeugin A. P. und der Zeuge S. P. ausweislich des vorgelegten Protokolls (Anlage AS-8, insbesondere Zeilen 3206 f. und Zeilen 576 ff.) sowie der ebenfalls vorgelegten schriftlichen Aussage der Zeugin A. P. (Anlage AG-6, im Schiedsverfahren Beweisstück CW 003b) die Übersendung gegengezeichneter Proforma-Rechnungen am 18. Mai 2021 an die Antragstellerin bestätigt haben. Zutreffend ist ferner der Verweis auf die hier als Anlage AG-5 (im Schiedsverfahren Beweisstück C-061) vorgelegte DHL-Rechnung vom 18. Mai 2021 über den Versand von „1 Envelope 0.5 kg“ von der Antragsgegnerin in T. nach „…-Sarajevo“. Jedoch übergeht die Antragsgegnerin, dass die Zeugin A. N. in ihrer schriftlichen Aussage (Anlage AG-8, im Schiedsverfahren Beweisstück RW 002b, Rn. 23) das Gegenteil bestätigt hat. Die Antragstellerin habe für die ursprünglichen Bestellungen keine gegengezeichneten Proforma-Rechnungen erhalten.
40
Dass das Schiedsgericht im Rahmen einer umfassenden Beweiswürdigung zum Ergebnis kommt, der Zeugin N., nicht aber den Zeugen A. und S. P. Glauben zu schenken, wie in Rn. 203 a. E. des Schiedsspruchs ausdrücklich angeführt, begründet keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Die Beweiswürdigung selbst ist aufgrund des Verbots der révision au fond einer Überprüfung durch die staatlichen Gerichte entzogen (siehe oben bb]). Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass das Schiedsgericht sich mit den Beweismitteln der Antragsgegnerin nicht beschäftigt hätte. Vielmehr führt es im Rahmen der Beweiswürdigung unter Rn. 201 ausdrücklich aus, dass sich die Schiedsklägerinnen (also unter anderem die hiesige Antragsgegnerin) als Beweis für die Übersendung vor allem auf die DHL-Versandrechnung vom 18. Mai 2021 berufen hätten und die Zeugin A. P. die Versendung ebenfalls bestätigt habe. Ferner erwähnt der Schiedsspruch unter Rn. 183 die Vernehmung des Zeugen S. P. Allein die Tatsache, dass das Schiedsgericht sich nur in zwei Absätzen mit Beweismitteln der Antragsgegnerin beschäftigt, ist ohne Relevanz. Zum einen schließt das in keiner Weise aus, dass das Schiedsgericht in der Sache die Beweismittel berücksichtigt hat. Zum anderen erstreckt sich die eigentliche Beweiswürdigung zu der bestrittenen Übersendung der Proforma-Rechnungen ohnehin nur über vier Absätze (Rn. 200 bis 203).
41
Unverständlich ist die Behauptung der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 20. November 2024 (Seite 6), das Schiedsgericht zeige, dass es sich selbst nicht sicher sei, indem es Formulierungen verwende wie „es bleibt strittig, ob A. seiner letzten Verpflichtung nachgekommen ist“. Der Schiedsspruch beschäftigt sich in dem zitierten Absatz (Rn. 200) mit dem Vortrag der Parteien. Dazu trifft das Schiedsgericht die Feststellung, dass es im Rahmen des Schiedsverfahrens zwischen den Parteien strittig gewesen und geblieben sei, ob die hiesige Antragsgegnerin die gegengezeichneten Proforma-Rechnungen am 18. Mai 2021 versandt habe. Welche Überzeugung sich das Schiedsgericht aufgrund der vorgelegten Beweise und vorgebrachten Argumente gebildet hat, wird sodann in Rn. 202 f. im Einzelnen dargestellt.
42
(2) Unbehelflich ist ferner der Versuch der Antragsgegnerin, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör damit zu begründen, dass der Schiedsspruch zu ihren Lasten Fragen aufwerfe, zu denen sie sich nie habe erklären können.
43
(a) Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass der Schiedsspruch unter Rn. 202 anführt, es sei fraglich, warum die Unterlagen angeblich von der Antragsgegnerin aus Triest und nicht von ihrem Geschäftssitz in Deutschland verschickt worden seien. Unzutreffend ist jedoch die Behauptung, die Antragsgegnerin habe sich dazu im Schiedsverfahren nicht äußern können. Vielmehr hat der Zeuge S. P. in seiner Anhörung (Protokoll Zeile 585, vorgelegt als Anlage AS-8) auf die Frage des Vertreters der Antragsgegnerin ausdrücklich erklärt, er habe das Paket von Triest aus versandt, weil er einen beträchtlichen Teil des Jahres in Triest lebe. Somit wurde die Frage vom Vertreter der Antragsgegnerin im Rahmen des Schiedsverfahrens sogar selbst aufgeworfen und der Zeuge hierzu befragt. Dass dem Schiedsgericht diese Erklärung offensichtlich nicht genügte, um die Überzeugung vom Versand der gegengezeichneten Proforma-Rechnungen zu gewinnen, begründet keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör. Im Übrigen trägt die Antragsgegnerin auch nicht vor, was sie hierzu hätte äußern wollen, um die Beweiswürdigung des Schiedsgerichts möglicherweise zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Entscheidungserheblich ist eine Gehörsverletzung aber nur, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Schiedsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (BGH SchiedsVZ 2023, 59 Rn. 20 f.; Beschluss vom 7. Juni 2018, I ZB 70/17, juris Rn. 17). Schließlich lässt sich der Beweiswürdigung in Rn. 202 und 203 des Schiedsspruchs entnehmen, dass das Schiedsgericht seine Überzeugungsbildung ohnehin nicht tragend auf die in Rn. 202 angeführten Aspekte stützte (dazu noch ausführlich unten [3]).
44
(b) Ohne Erfolg verweist die Antragsgegnerin ferner auf die Ausführungen des Schiedsgerichts unter Rn. 202, es sei fraglich, warum die Antragsgegnerin die gegengezeichneten Proforma-Rechnungen im Interesse der Rückverfolgbarkeit und Beschleunigung angeblich per Kurier und nicht per E-Mail versandt hätte. Durch den Verweis auf die Übermittlung einer Scankopie der gegengezeichneten Proforma-Rechnungen scheine Art. 3.4 des Vertriebsvertrags selbst auf eine Übermittlung per E-Mail ausgerichtet zu sein.
45
Unzutreffend ist auch insoweit die Behauptung der Antragsgegnerin, sie habe sich dazu nie äußern können. Ausweislich des als Anlage AS-8 (S. 24, Zeilen 588 ff.) vorgelegten Protokolls äußerte der Zeuge S. P. in seiner Anhörung auf Frage des Vertreters der Antragsgegnerin, er sei es gewohnt, gegenüber der hiesigen Antragstellerin alle Dokumente im Original und per DHL zu versenden, das sei der Fall gewesen für Rechnungen ebenso wie für Verträge. Mithin wurde die Frage im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Vertreter der Antragsgegnerin selbst aufgeworfen. Dass das Schiedsgericht die Erklärung des Zeugen, er sei es „gewohnt“ Unterlagen per Kurier zu versenden, nicht für ausreichend hält, begründet keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Im Übrigen trägt auch insoweit die Antragsgegnerin nicht vor, was sie gegebenenfalls zusätzlich im Schiedsverfahren hätte vortragen wollen, um das Ergebnis der Beweiswürdigung möglicherweise zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Schiedsgericht ersichtlich den in Rn. 202 aufgeführten Aspekten im Rahmen der Beweiswürdigung kein entscheidendes Gewicht beimaß (dazu noch ausführlich unten [3]).
46
(c) Ein relevanter Verstoß gegen das rechtliche Gehör ergibt sich nicht aus den Ausführungen des Schiedsgerichts unter Rn. 202, selbst wenn eine physische Kopie der Unterlagen per Kurier von Triest aus versandt worden sein sollte, bleibe fraglich, warum das Gewicht der vier angeblich in der Sendung enthaltenen Blätter in der Rechnung vom 18. Mai 2021 (Anlage AG-5 bzw. im Schiedsverfahren Beweismittel C-061) mit 0,5 kg angegeben worden sei, was das übliche Gewicht einer solchen Sendung bei Weitem übersteige.
47
Insoweit rügt die Antragsgegnerin unter Vorlage der Anlage AG-11, jedes Paket mit einem Gewicht mit bis zu 0,5 kg werde als 0,5 kg angegeben. Die Antragsgegnerin habe diese Anlage im Schiedsverfahren nicht vorlegen können, da die Frage vom Schiedsgericht erstmals im Schiedsspruch aufgeworfen worden sei. Tatsächlich ergibt sich weder aus dem Vortrag der Parteien noch aus den vorliegenden Unterlagen, dass das Thema vor Erlass des Schiedsspruchs mit den Parteien erörtert worden wäre. Allerdings ist nicht anzunehmen, dass sich auch unter Berücksichtigung des jetzigen Vortrags der Antragsgegnerin zumindest möglicherweise die Beweiswürdigung des Schiedsgerichts geändert hätte. Zum einen lässt sich die Behauptung der Antragsgegnerin schon nicht eindeutig der von ihr vorgelegten Anlage AG-11 entnehmen. In der Anlage AG-11 sind nur die Preise bei Versand mit DHL angeführt. Diese sind zwar tatsächlich nach Gewicht gestaffelt und für eine Versandhülle „Envelope“ mit einem Gewicht bis zu 0,5 kg einheitlich. Dies lässt aber nicht zwingend den Schluss zu, in der konkreten Rechnung im Einzelfall werde für jede Versandhülle unter 0,5 kg dann als Gewicht nicht „bis zu 0,5 kg“, sondern wie in der Rechnung vom 18. Mai 2021 (Anlage AG-5, Beweismittel C-061) „1 Envelope 0.5kg“ angegeben. Vielmehr könnte man die Angabe in der Rechnung vom 18. Mai 2021 auch unter Berücksichtigung der in Anlage AG-11 angeführten Preise ohne Weiteres (wie das Schiedsgericht) als Indiz werten, dass das Gewicht der Sendung tatsächlich 0,5 kg betragen hat. Zum anderen handelt es sich nur um einen untergeordneten Aspekt in einer Reihe von Argumenten, die das Schiedsgericht für seine Beweiswürdigung heranzieht. Vor allem aber ist auch insoweit zu beachten, dass ausweislich des Schiedsspruchs die in Rn. 202 angeführten Argumente anders als die Ausführungen unter Rn. 203 letztlich nicht maßgeblich für die Überzeugungsbildung des Schiedsgerichts waren (siehe dazu ausführlich unter [3]).
48
(3) Soweit die Antragsgegnerin rügt, das Schiedsgericht habe den Schiedsspruch auf eine „erfundene Tatsache“ gestützt und damit gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen, dringt sie damit ebenfalls nicht durch.
49
Noch zutreffend verweist die Antragsgegnerin darauf, dass das Schiedsgericht in Rn. 202 Folgendes ausführt: Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin am 12. Mai 2021 aus rechtlichen Gründen eine Verlängerung der dreitägigen Frist für die Gegenzeichnung der Proforma-Rechnungen auf 15 Tage beantragt habe, mache es unwahrscheinlich, dass die Unterlagen bereits am 18. Mai 2021 versandt worden seien. Dabei verweist der Schiedsspruch in Fußnote 651 auf das Beweisstück R-038bis. Nach Ansicht der Antragsgegnerin hat das Schiedsgericht damit in entscheidungserheblicher Weise gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen, da keine Partei eine derartige Bitte der Antragsgegnerin um Fristverlängerung vorgetragen und es eine solche auch nicht gegeben habe. Tatsächlich behauptet auch die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht, dass sie Entsprechendes im Schiedsverfahren vorgetragen hätte. Soweit der Schiedsspruch den Vortrag der Schiedsparteien wiedergibt, findet sich hierzu ebenfalls nichts.
50
Ersichtlich stützt sich das Schiedsgericht für die von ihm angenommene Verlängerungsbitte ausschließlich auf eine Interpretation des Beweisstücks R-038bis (hier vorgelegt als Anlage AS-7 bzw. AS-7a). Diesem lässt sich allerdings eine Bitte der Antragsgegnerin um Verlängerung der dreitägigen Frist für die Gegenzeichnung der Proforma-Rechnungen nicht entnehmen. Ausweislich der Anlage schrieb am 12. Mai 2021 um 12:32 Uhr eine bei der Antragsgegnerin tätige A. an Frau N. von der Antragstellerin, die Bestätigung der Bestellung erfolge in Form einer von B. ausgestellten Proforma-Rechnung. Da der Regelungsprozess derzeit abgeschlossen werde, bitte die Antragsgegnerin um Bestätigung der Bestellung nach Maßgabe des Vertrags innerhalb des Zeitraums von 15 Tagen. Nach dem Wortlaut der E-Mail bat daher die Antragsgegnerin die Antragstellerin, dass diese ihrer vertraglichen Pflicht nachkommen möge, die Bestellungen innerhalb der vertraglich festgesetzten Frist von 15 Tagen zu bestätigen, indem sie die Proforma-Rechnung übersende. Gegenstand der E-Mail ist daher wohl nicht der Versand der gegengezeichneten Proforma-Rechnungen durch die Antragsgegnerin an die Antragstellerin, sondern die (vorgelagerte) Übersendung der Proforma-Rechnungen durch die Antragstellerin an die Antragsgegnerin. Genau diese soll auch nach Art. 3.4 des Vertriebsvertrags innerhalb von 15 Tagen erfolgen. Bestätigt wird dies durch die ebenfalls in der Anlage AS-7 enthaltene Antwortmail von Frau N. vom 12. Mai 16:10 Uhr an die Antragsgegnerin, wonach in der Anlage die Proforma-Rechnungen übersandt würden. Eine Bitte der Antragsgegnerin, die dreitägige Frist für die Übersendung der gegengezeichneten Proforma-Rechnung zu verlängern, lässt sich dem vorgelegten E-Mail-Verkehr daher kaum entnehmen.
51
Fraglich erscheint, ob das Schiedsgericht durch seine eher fernliegende und aus Sicht der Parteien überraschende Interpretation der E-Mails vom 12. Mai 2021 den Anspruch auf rechtliches Gehör der Antragsgegnerin verletzt hat. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen Sachverhalt oder ein Vorbringen ohne vorherigen Hinweis in einer Weise würdigt, mit der ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem Verfahrensverlauf nicht rechnen konnte (BGH, Beschluss vom 12. Mai 2020, VIII ZR 171/19, NJW 2020, 2730 Rn. 13; BayObLG, Beschluss vom 18. Januar 2022, 101 Sch 60/21, juris Rn. 94). Ein solcher Fall könnte hier vorliegen. Zwar war der E-Mail-Verkehr an sich als Beweisstück R-038bis Gegenstand des Schiedsverfahrens, so dass sich die Parteien dazu äußern konnten. Jedoch ist nicht ersichtlich, dass das Schiedsgericht seine Auslegung der E-Mails noch während des Schiedsverfahrens offengelegt und mit den Parteien erörtert hätte. Da die vom Schiedsgericht vorgenommene Interpretation jedenfalls nicht naheliegt, musste die Antragstellerin ohne entsprechenden Hinweis wohl mit einer derartigen Interpretation auch nicht rechnen.
52
Jedoch kann dies letztlich dahingestellt bleiben. Denn es fehlt jedenfalls an der (möglichen) Entscheidungserheblichkeit eines etwaigen Gehörsverstoßes. Eine solche liegt nur vor, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Schiedsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens bzw. bei Nichtberücksichtigung der überraschenden Erwägungen anders entschieden hätte (vgl. oben [2][a]). Vorliegend hat das Schiedsgericht ersichtlich die Erwägungen unter Rn. 202 nur als zusätzliche, nicht tragende Überlegungen angestellt. Maßgeblich hat es seine Überzeugung davon, dass keine gegengezeichneten Proforma-Rechnungen versandt wurden, aber auf die Erwägungen in Rn. 203 gestützt. In diesem Absatz führt das Schiedsgericht aus, das Versäumnis der Antragsgegnerin, gegengezeichnete Proforma-Rechnungen einzureichen, werde „am überzeugendsten“ durch die wiederholten Beanstandungen der hiesigen Antragstellerin bewiesen, die die hiesige Antragsgegnerin aufgefordert habe, die gegengezeichneten Proforma-Rechnungen zu übermitteln. Die Antragsgegnerin hätte darauf leicht mit einem Verweis auf den angeblichen Versand der Unterlagen am 18. Mai 2021 oder mit der Übermittlung einer weiteren Scankopie per E-Mail reagieren können. Die Antragsgegnerin habe aber auf beide Möglichkeiten verzichtet und stattdessen die Bestellungen dreimal, am 24. August 2021, am 3. September 2021 und am 16. September 2021 storniert oder reduziert und damit gezeigt, dass sie sich nicht an die ursprünglichen Bestellungen gebunden fühle. Diese Feststellung werde durch die Zeugen der hiesigen Antragstellerin bestätigt, die glaubhaft versichert hätten, nie gegengezeichnete Proforma-Rechnungen von der Antragsgegnerin erhalten zu haben. Insbesondere mit den Worten „am überzeugendsten“ verdeutlicht der Schiedsspruch, dass die in Rn. 203 dargelegten Erwägungen für die Überzeugungsbildung des Schiedsgerichts maßgeblich und entscheidend waren. Die Ausführungen unter Rn. 202 werden hingegen nur eingeleitet mit den Worten, es erscheine „fraglich“. Letzteren kommt daher nach Ansicht des Schiedsgerichts ersichtlich eine deutlich weniger starke, gegenüber den Überlegungen in Rn. 203 nur untergeordnete Bedeutung zu. Es lässt sich daher mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass das Schiedsgericht seine Überzeugung von der Pflichtverletzung der Antragsgegnerin auch allein aus den in Rn. 203 dargestellten Gründen gebildet hätte, selbst ohne die weiteren, ersichtlich untergeordneten Erwägungen in Rn. 202. Damit ist es aber mangels Entscheidungserheblichkeit irrelevant, ob das Schiedsgericht mit seinen Ausführungen unter Rn. 202 das rechtliche Gehör der Antragsgegnerin möglicherweise verletzt hat. Dies verkennt im Übrigen die Antragsgegnerin auch in ihrem Schriftsatz vom 20. November 2024.
53
Nur ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen: Die Behauptung der Antragsgegnerin im vorgenannten Schriftsatz, die Antragstellerin habe dem Senat keine Übersetzung der E-Mail-Korrespondenz vorgelegt, ist nicht zutreffend. Die Antragstellerin hat als Anlage AS-7a eine Übersetzung der Anlage AS-7 vorgelegt; diese wurde der Antragsgegnerin mit Verfügungen vom 20. September 2024 und erneut vom 21. November 2024 auch übermittelt.
54
Unbehelflich ist ferner der Verweis der Antragsgegnerin auf die Bedeutung des Wortes „furthermore“ in Rn. 202 im englischen Original des Schiedsspruchs (Anlage AS-3), vom Schiedsgericht verwendet als Einleitung zu den Ausführungen zur vermeintlichen Bitte um Fristverlängerung. Ausweislich der vorgelegten Übersetzung (Anlage AS-3a) lässt sich das Wort „furthermore“ mit „außerdem“ übersetzen. Dies ändert aber nichts daran, dass der Schiedsspruch (erst) in Rn. 203 diejenigen Erwägungen anführt, die „most convincingly“ also „am überzeugendsten“ für die Pflichtverletzung der Antragsgegnerin sprächen.
55
(4) Ohne Erfolg behauptet die Antragsgegnerin, der Schiedsspruch ignoriere Zeugenaussagen, wonach die Antragstellerin bereits mit der Produktion begonnen hatte, ein Beginn der Produktion ohne die gegengezeichneten Proforma-Rechnungen aber nicht möglich sei.
56
Der Schiedsspruch führt unter Rn. 206 aus, es seien jeweils 10.000 Produkte nach Deutschland und in das Vereinigte Königreich geliefert worden. Dies werfe die Frage auf, warum die hiesige Antragstellerin die Lieferung der Produkte fortgesetzt habe, obwohl sie gewusst habe, dass die gegengezeichneten Proforma-Rechnungen gefehlt hätten. Die hiesige Antragstellerin habe aber in ihrem Vortrag überzeugend dargelegt, dass sie aufgrund ihrer langjährigen Geschäftsbeziehung darauf vertraut habe, dass die Antragsgegnerin ihren Verpflichtungen nachkommen würde, und daher die Produkte in Erwartung einer gültigen verbindlichen Bestellung in naher Zukunft geliefert habe.
57
Das Schiedsgericht hat sich daher ersichtlich mit der Frage beschäftigt, wieso die Antragstellerin trotz fehlender gegengezeichneter Proforma-Rechnungen und damit ohne verbindliche Bestellung die Produkte nicht nur herstellte, sondern teilweise sogar lieferte. Dass das Schiedsgericht die Erklärungen der Antragstellerin hierzu für überzeugend hielt, ist eine Frage der vom Senat nicht zu überprüfenden Überzeugungsbildung durch das Schiedsgericht. Ein Verstoß gegen den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör liegt darin nicht.
58
Mit ihrer pauschalen Behauptung, der Schiedsspruch ignoriere diesbezüglich Aussagen von Zeugen der Antragstellerin, dringt die Antragsgegnerin nicht durch.
59
Es bleibt schon offen, auf welche Zeugen sie sich überhaupt bezieht. Selbst wenn Zeugen behauptet hätten, ohne gegengezeichnete Proforma-Rechnungen beginne die Produktion nicht, bleibt es eine Frage der Beweiswürdigung, wenn das Schiedsgericht den anderweitigen Erläuterungen der Antragstellerin dennoch Glauben schenkt. Dass diese im Vertrauen auf eine langjährige Geschäftsbeziehung davon ausging, die Antragsgegnerin werde die gegengezeichneten Proforma-Rechnungen noch übermitteln und daher schon mit der Produktion und Lieferung begann, erscheint jedenfalls nachvollziehbar. Im Übrigen wurde die Zeugin A. N. ausdrücklich hierzu befragt und führte aus (Protokoll Anlage AS-8, Zeile 4767): Es sei als Beginn eines neuen Projekts präsentiert worden, daher sei von allen gefordert worden, daran intensiv zu arbeiten. Daher hätten sie so früh wie möglich mit den Lieferungen beginnen wollen. Des Weiteren erklärte sie (Zeile 5092), die erste Proforma-Rechnung sei nie gegengezeichnet worden. Um aber den Beginn des Projekts zu beschleunigen, sei die E-Mail-Bestätigung des Käufers akzeptiert worden, um mit dem Projekt zu beginnen. Desgleichen führte die Zeugin in einer schriftlichen Zeugenaussage (Anlage AG-8, im Schiedsverfahren Nachweis RW-002b, Rn. 14) aus: Obwohl das Vorgehen mit Rechnungen bei B. bereits etabliert sei, komme es im Rahmen strategischer Projekte nicht selten vor, dass sie zur Verbesserung der Projekteffizienz mit einem zuverlässigen Kunden nicht gewartet habe, bis sie eine unterzeichnete Proforma-Rechnung vom Kunden erhalten habe, bevor sie der Lieferung zugestimmt habe. Die Zeugin M. S. erklärte auf die Frage, ob die Produktion ohne gegengezeichnete Proforma-Rechnung beginnen könne, es sei kein übliches Vorgehen, aber ja, sie könne beginnen (Protokoll Anlage AS-8 Zeile 3818). Jedenfalls diese Zeugen haben daher entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin sogar bestätigt, dass unter bestimmten Umständen die Produktion auch ohne gegengezeichnete Proforma-Rechnungen beginnen könne.
60
(5) Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin, der Schiedsspruch beschäftige sich nicht mit ihrem Vortrag, Einwände der Antragstellerin zu den Proforma-Rechnungen seien nicht mehr zu berücksichtigen. Sie habe im Schiedsverfahren vorgebracht, es sei der hiesigen Antragstellerin verwehrt gewesen, noch zu behaupten, dass die Antragsgegnerin die Proforma-Rechnungen nicht gegengezeichnet zurückgeschickt habe. Denn dieser Einwand sei erstmals während des Schiedsverfahrens in einer Aufforderung zur Vorlage von Dokumenten und nicht in einem Schriftsatz enthalten gewesen.
61
Der entsprechende Vortrag der Antragsgegnerin im Schiedsverfahren ergibt sich aus ihrem als Anlage AG-3 vorgelegten Schriftsatz an das Schiedsgericht vom 13. Februar 2023 (Rn. 105 f.). Auch der Schiedsspruch gibt diesen Vortrag der Antragsgegnerin unter Rn. 100 wieder, behandelt die Frage einer etwaigen Präklusion in den Entscheidungsgründen ab Rn. 185 ff. aber nicht.
62
Indessen lässt sich daraus keine Rechtsverletzung ableiten, die einen Verstoß gegen den ordre public darstellen und der Vollstreckbarerklärung entgegenstehen könnte. In Bezug auf ein zivilgerichtliches Urteil eines staatlichen deutschen Gerichts kann nicht mit Rechtsmitteln überprüft werden, ob dieses Gericht verspätetes Vorbringen zu Unrecht zugelassen hat, da die Zulassung auch verspäteten Vorbringens der Wahrheitsfindung dient. Das Interesse an einer materiell richtigen Entscheidung ist höher zu bewerten als das Interesse an einer prozessual richtigen Behandlung der Verspätungsvorschriften (BGH, Urt. v. 14. April 2016, IX ZR 197/15, NJW 2016, 3035 Rn. 18). Im Verhältnis zwischen dem schiedsgerichtlichen Verfahren einerseits und dem Vollstreckbarerklärungsverfahren andererseits gilt jedenfalls dann nichts anderes, wenn die Parteien keine anderweitige Vereinbarung getroffen haben (OLG Frankfurt, Beschluss vom 25. März 2021, 26 Sch 18/20, juris Rn. 77; Wilske/Markert in BeckOK ZPO, § 1059 Rn. 42.3), wofür vorliegend weder etwas vorgetragen noch anderweitig ersichtlich ist. Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public lässt sich nicht aus einem prozessualen Vorgehen des Schiedsgerichts ableiten, das bei gleichem Vorgehen durch ein deutsches staatliches Gericht akzeptiert würde. Daher hat das Schiedsgericht auch den Anspruch auf rechtliches Gehör der Antragsgegnerin nicht verletzt, indem es zur Frage der Präklusion keine Ausführungen gemacht, sondern das Vorbringen der Antragstellerin in der Sache geprüft hat.
63
ee) Die Antragsgegnerin dringt ferner nicht mit ihrem Einwand durch, das Schiedsgericht habe sich nicht mit der von ihr behaupteten Unzulänglichkeit und Instabilität der gelieferten Produkte beschäftigt und daher den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das Schiedsgericht habe die Behauptungen der Antragsgegnerin ignoriert, dass 20% der gelieferten Produkte mangelhaft gewesen seien, die Antragstellerin ihre Produkte später selbst von der Liste und vom Markt genommen habe und nicht bereit gewesen sei, dem Schiedsgericht die eigenen Feststellungen zur Qualität mitzuteilen, woraus das Schiedsgericht entsprechende negative Schlüsse hätte ziehen können.
64
Indessen begründet das Schiedsgericht ausführlich, dass es jedenfalls am Nachweis einer rechtzeitigen Mängelrüge fehle, die gelieferten Produkte daher als akzeptiert gelten würden und die Antragstellerin somit nach Art. 4.3 des Vertriebsvertrags von einer Haftung befreit sei. Ausgehend von dieser Rechtsansicht des Schiedsgerichts kommt es nicht mehr darauf an, ob die gelieferten Produkte, wie von der Antragsgegnerin behauptet, tatsächlich mangelhaft waren.
65
(1) Der Schiedsspruch führt in Rn. 213 ff. aus, die Antragstellerin sei nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin erstmals am 14. September 2022 mit dem Vorwurf, die Produkte seien in Bezug auf Verpackung und Stabilität mangelhaft, konfrontiert worden. Die Antragsgegnerin habe die Produkte nach dem Eingang in ihrem Lager nicht geprüft; auch die erstmalige Untersuchung am 1. Oktober 2021 sei nur oberflächlich auf Aussehen und Geschmack erfolgt. Eine gründliche Prüfung hinsichtlich der Spezifikationen habe nicht stattgefunden. Nach Art. 4.1 des Vertriebsvertrags seien aber Beschwerden bezüglich der Verpackung innerhalb von 7 Tagen nach Eingang im Lager schriftlich einzureichen. Gemäß Art. 4.2 des Vertriebsvertrags sei die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen, die Konformität mit den Spezifikationen zu prüfen und innerhalb von 15 Tagen schriftliche Beanstandungen an die Antragstellerin zu reichen. Andernfalls würden die Produkte als angenommen gelten und die Antragsgegnerin sei von der Mängelhaftung befreit. Mängel der Verpackung wären bei der nach Art. 4.2 des Vertriebsvertrags geforderten Prüfung leicht erkennbar gewesen. Es habe nur die zwei Lieferungen am 28. September 2021 nach Deutschland und am 14. Oktober 2021 nach Großbritannien gegeben. Die Beschwerdefrist sei daher am 14. September 2022 längst abgelaufen gewesen. Hinsichtlich der angeblichen Probleme mit der Verpackung würden daher die Produkte als angenommen gelten, die Antragsgegnerin sei von der Haftung befreit.
66
Weiter führt der Schiedsspruch in Rn. 217 ff. aus: Bezüglich der behaupteten fehlenden Stabilität der Produkte argumentiere die Antragsgegnerin, dass dieser Mangel nicht durch die in Art. 4.2 des Vertriebsvertrags vorgesehene Prüfung hätte entdeckt werden können, da ein solcher Mangel erst nach gewisser Zeit sichtbar geworden wäre. Tatsächlich enthielten weder Art. 4.2 des Vertriebsvertrags noch andere Bestimmungen Regelungen dazu, wie mit versteckten Mängeln umzugehen sei. Daher sei ein Rückgriff auf die Vorschriften des CISG nötig. Versteckte Mängel führten zum Wiederaufleben der Rügepflicht des Käufers, wobei die in Art. 4 des Vertriebsvertrags festgelegten Pflichten auf wiederaufgelebte Meldepflichten übertragbar seien. Der Käufer habe die Beweislast, dass versteckte Mängel nicht früher hätten entdeckt werden können, selbst wenn eine ordnungsgemäße Prüfung durchgeführt worden wäre. Der Käufer habe bei versteckten Mängeln darzulegen, wann die Umstände, die Zweifel an der Konformität begründet hätten, dem Käufer bekannt geworden seien, da andernfalls Beginn der Rügefrist und Rechtzeitigkeit der Rüge nicht bestimmt werden könnten. Die Antragsgegnerin habe keine Beanstandungen vorzeigen können, die zu den Zweifeln an der Stabilität der Produkte geführt haben sollten. Folglich habe die Antragsgegnerin nicht nachweisen können, dass die am 14. September 2022 versandte Mitteilung über die Nichtkonformität rechtzeitig erfolgt sei. Daher würden die Produkte auch bezüglich der Probleme mit der Stabilität als angenommen gelten und die Antragsgegnerin sei von der Haftung befreit. Unter Rn. 219 führt der Schiedsspruch ergänzend aus, die Parteien hätten in Art. 4.6 des Vertriebsvertrags ohnehin die von der Antragsgegnerin geforderten Rechtsbehelfe Schadensersatz und Vertragskündigung ausdrücklich ausgeschlossen. In Betracht käme nach Art. 4.4 und 4.5 des Vertriebsvertrags nur ein Ersatz der mangelhaften Produkte auf Kosten der Antragstellerin, was aber die Antragsgegnerin nicht geltend gemacht habe.
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(2) Nach Ansicht des Schiedsgerichts ist es daher maßgeblich, dass es bezüglich möglicher Mängel der Verpackung ebenso wie bezüglich der gerügten Instabilität der Produkte am Nachweis einer rechtzeitigen Rüge durch die Antragsgegnerin fehlte, die Produkte daher als akzeptiert gelten würden und die Antragstellerin aus diesem Grund von der Haftung für etwaige Mängel befreit sei. Das Schiedsgericht stellt gerade nicht darauf ab, dass es keine Mängel gegeben hätte bzw. die Mängel nicht nachweisbar seien. Damit kommt es, ausgehend von der Rechtsansicht des Schiedsgerichts, nicht darauf an, ob die Antragstellerin ihre Produkte selbst ausgelistet hat, ob sie sich geweigert hatte, eigene Untersuchungen auszuhändigen und ob die Nichtkonformität der Produkte nach dem CISG oder dem österreichischen Recht eine grundlegende Vertragsverletzung wäre. Mangels Entscheidungserheblichkeit dieser Aspekte begründet es daher auch keinen Gehörsverstoß, dass sich der Schiedsspruch mit dem diesbezüglichen Vortrag der Antragsgegnerin nicht befasst.
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ff) Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin, das Schiedsgericht habe ihren Vortrag nicht berücksichtigt, wonach wesentliches Element des Vertriebsvertrags die Marketingaktivitäten, nicht aber die verbindliche Mindestbestellmenge gewesen sei.
69
Das Schiedsgericht legt unter Rn. 189 ff. des Schiedsspruchs den Vertriebsvertrag aus. Es sei eine Frage der Auslegung, ob sich aus diesem ein einklagbares Recht auf die festgelegten, verbindlichen Mindestbestellmengen ergebe. In Rn. 195 führt das Schiedsgericht aus, in Anbetracht des ausführlich beschriebenen Bestellverfahrens und des eindeutigen Verweises in Art. 3.3 des Vertriebsvertrags auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die vereinbarten verbindlichen Mindestmengen zu bestellen, gelange man unweigerlich zu dem Schluss, dass der Vertriebsvertrag ein einklagbares Recht der Antragstellerin mit sich bringe, die Erteilung einer festen Bestellung gemäß dem in Art. 3.4 des Vertriebsvertrags festgelegten Verfahren zu verlangen. Des Weiteren stellt der Schiedsspruch unter Rn. 229 fest, die Nichteinhaltung von Art. 3.3 des Vertriebsvertrags durch die Antragsgegnerin habe die Antragstellerin ihres wichtigsten vertraglichen Interesses am Abschluss von Kaufverträgen mit der Antragsgegnerin und der Erreichung hoher Absatzraten des Produkts in der Europäischen Union beraubt. Dies sei als wesentliche Vertragsverletzung einzustufen.
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Ausgehend hiervon lässt sich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht feststellen. Das Schiedsgericht beschäftigt sich mit der für die eigene Entscheidung relevanten Frage, ob es eine einklagbare, wesentliche Vertragspflicht zur Einhaltung der Mindestbestellmengen gab. Hierzu hat das Schiedsgericht den Vertriebsvertrag nachvollziehbar ausgelegt und die Wertung getroffen, dass ausgehend vom Vertriebsvertrag die Einhaltung der Mindestbestellmengen das wichtigste vertragliche Interesse der Antragstellerin gewesen sei. Diese Auslegung und Wertung unterliegt mangels Zulässigkeit einer révision au fond nicht der Überprüfung durch den Senat. Dass das Schiedsgericht der Rechtsansicht der Antragsgegnerin nicht folgt, begründet noch keinen Verstoß gegen deren Anspruch auf rechtliches Gehör.
71
Desgleichen kommt es nicht darauf an, ob die Antragstellerin für ihre Ansicht, die Einhaltung der Mindestbestellmengen sei eine wesentliche Vertragspflicht, Beweise vorgelegt hat. Das Schiedsgericht ist ersichtlich der Meinung, die Problematik könne allein anhand einer Vertragsauslegung ohne Beweisaufnahme entschieden werden. Die rechtliche Würdigung, was das Schiedsgericht für beweisbedürftig und entscheidungserheblich hält, entzieht sich grundsätzlich einer Überprüfung auf dessen sachliche Richtigkeit (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26. Juni 2024, 101 Sch 116/23e, juris Rn. 125). Zwar kann die Nichterhebung angebotener Beweise zu Tatsachen, die ausgehend von der Rechtsansicht des Schiedsgerichts entscheidungserheblich sind, unter Umständen den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen. Indessen trägt die Antragsgegnerin nicht vor, dass sie selbst einen Beweis zu einer anderweitigen Vereinbarung oder zu einem übereinstimmend anderen Verständnis der Parteien angeboten hätte. Auch ihr zitierter Schriftsatz vom 13. Februar 2023 an das Schiedsgericht (hier vorgelegt als Anlage AG-3, Rn. 11 ff.) enthält kein derartiges Beweisangebot.
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gg) Nicht stichhaltig ist ferner der Einwand der Antragsgegnerin, das Schiedsgericht blende die F. und die Pflichten der Antragstellerin dieser gegenüber völlig aus.
73
Die Antragsgegnerin trägt dazu vor, sie habe dargetan und Beweise vorgelegt, dass die F. noch Marketingleistungen (in Italien und Spanien) erbracht habe, als die Antragstellerin schon keine Zahlungen mehr geleistet habe. Das Schiedsgericht habe die F. aus dem Schiedsspruch völlig ausgeblendet; sie werde im ganzen Schiedsspruch nur an vier Stellen erwähnt.
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Der Schiedsspruch führt unter Rn. 208 ff. aus, die Antragsgegnerin und die F. stützten ihren Hauptschadensersatzanspruch auf das angebliche Versäumnis der Antragstellerin, die von der F. erbrachten Marketing-Dienstleistungen gemäß dem Rahmenvertrag über Marketing-Dienstleistungen zu bezahlen. Die Antragstellerin wehre sich mit der Behauptung, nach Ziffer 9 des Rahmenvertrags werde die Pflicht zur Bezahlung der Marketing-Dienstleistungen vollständig auf die Antragsgegnerin verlagert, wenn diese keine Bestellungen zu den verbindlichen Mindestmengen abgebe. Tatsächlich sei nach Ansicht des Schiedsgerichts die Zahlungspflicht der Antragstellerin für Marketing-Dienstleistungen der Stufe 2 in Ziffer 9 des Rahmenvertrags ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass die Antragsgegnerin die in Art. 3.3 des Vertriebsvertrags genannten verbindlichen Bestellmengen einhalte. Bei Nichtbestellung sehe Ziffer 9 des Rahmenvertrags eine Befreiung der Antragstellerin von allen Pflichten gegenüber der F. vor. Dann müsse die hiesige Antragsgegnerin die Marketingdienstleistungen in vollem Umfang bezahlen. Daher begründe es keine Pflichtverletzung der Antragstellerin, dass sie die Zahlung für die Marketing-Dienstleistungen aus Stufe 2 einbehalten habe.
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Das Schiedsgericht hat sich daher mit den Pflichten der Antragstellerin gegenüber der F. beschäftigt, Ziffer 9 des Rahmenvertrags über Marketing-Dienstleistungen ausgelegt und ausgehend hiervon eine Pflichtverletzung der Antragstellerin verneint, da die Zahlungspflicht auf die hiesige Antragsgegnerin verlagert worden sei. Nach diesem nachvollziehbar begründeten Standpunkt des Schiedsgerichts kam es nicht darauf an, ob die F. nach der Zahlungseinstellung noch weitere Marketingleistungen erbrachte und ob dies in Italien und Spanien erfolgte. Ausgehend von dem Rechtsstandpunkt des Schiedsgerichts wären auch diese Marketingleistungen von der Antragsgegnerin zu zahlen gewesen. Da es auf die weiteren Marketingleistungen für die Entscheidung des Schiedsgerichts nicht ankam, musste sich das Schiedsgericht mit dem entsprechenden Vortrag der Antragsgegnerin auch nicht mehr befassen. Allein daraus, wie oft oder selten der Schiedsspruch die F. erwähnt, lässt sich erst recht kein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (der Antragsgegnerin) ableiten. Dass das Schiedsgericht die F. „vollständig aus dem Schiedsspruch und der darin enthaltenen Begründung ausgeschlossen“ habe, wie die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 20. November 2024 behauptet, ist ersichtlich unzutreffend.
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hh) Ohne Erfolg behauptet die Antragsgegnerin unter anderem in ihrem Schriftsatz vom 20. November 2024, das Schiedsgericht habe die Übertragung der Marke L., die ein wesentlicher Bestandteil der Vereinbarungen der Parteien gewesen sei, kein einziges Mal erwähnt.
77
Tatsächlich führt der Schiedsspruch unter Rn. 188 aus, der Vertriebsvertrag und der Rahmenvertrag über die Marketing-Dienstleistungen seien am 16. April 2021 in Kraft getreten, dem Datum der Unterzeichnung der Übertragungsurkunde für die europäische Marke L. Das Schiedsgericht geht also offensichtlich davon aus, dass die Übertragung der Marke nicht nur eine wesentliche Vertragspflicht, sondern sogar Voraussetzung für das Wirksamwerden sowohl des Vertriebsvertrags als auch des Rahmenvertrags war. Des Weiteren geht das Schiedsgericht ersichtlich davon aus, dass die Antragsgegnerin dieser Pflicht nachgekommen sei. Ob die Antragsgegnerin meint, die Übertragung der Marke L. sei die einzige wesentliche Vertragspflicht der Antragsgegnerin gewesen, erschließt sich bereits aus ihrem Vortrag nicht hinreichend klar. Jedenfalls hat sich das Schiedsgericht, wie bereits ausgeführt, infolge einer nachvollziehbaren Auslegung des Vertriebsvertrags die Meinung gebildet, dass die Einhaltung der Mindestbestellmenge (ebenfalls) eine wesentliche Vertragspflicht der Antragsgegnerin gewesen sei (siehe oben ff]). Auch wenn die Antragsgegnerin diese Ansicht nicht teilt, lässt sich daraus kein Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör ableiten.
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ii) Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin lässt sich ein Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht daraus ableiten, dass das Schiedsgericht bei den Ausführungen zum Schadensersatzanspruch der Antragstellerin Vortrag der Antragsgegnerin zum Haftungsausschluss und zur Schadensberechnung außer Acht gelassen habe.
79
(1) Unbehelflich ist der Vortrag der Antragsgegnerin, sie habe einen Haftungsausschluss geltend gemacht, was der Schiedsspruch ignoriere. Tatsächlich führt das Schiedsgericht unter Rn. 227 aus, grundsätzlich sei im Rahmen des CISG ein Schadensersatzanspruch nicht vom Verschulden abhängig. Anderes gelte nach Art. 79 CISG, wenn der Schaden durch äußere Umstände oder Dritte verursacht worden sei. Derartiges sei hier aber nicht vorgetragen. Gemäß Art. 80 CISG könne sich eine Partei nicht auf die Nichterfüllung der anderen Partei berufen, wenn die Nichterfüllung durch eine Handlung oder Unterlassung der ersten Partei verursacht worden sei. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin liege aber gerade keine Pflichtverletzung der Antragstellerin durch die Nichterfüllung von Verpflichtungen aus dem Vertriebsvertrag oder dem Rahmenvertrag über Marketing-Dienstleistungen vor.
80
Unter Rn. 230 ff. erörtert das Schiedsgericht, dass Art. 13 des Vertriebsvertrags unter bestimmten Bedingungen einen Haftungsausschluss für indirekte oder Folgeschäden vorsehe. Nötig sei daher die Bewertung der Art des von der Antragstellerin geltend gemachten Schadensersatzes. Dieser beziehe sich auf den Gewinn, den die Antragstellerin bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertriebsvertrags erzielt hätte. Die Forderungen seien daher direkte Schäden, keine zufälligen und keine Folgeschäden.
81
Das Schiedsgericht hat sich mithin ausdrücklich und nachvollziehbar mit denkbaren Haftungsausschlüssen nach Art. 79 und 80 CISG sowie Art. 13 des Vertriebsvertrags beschäftigt. Auch wenn die Antragsgegnerin die Subsumtion des Schiedsgerichts nicht teilt, folgt daraus kein Verstoß des Schiedsgerichts gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.
82
Unverständlich ist der Vortrag der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 20. November 2024, die Haftungsausschlussklausel des Vertriebsvertrags bedeute, dass Schadensersatz nur in Fällen von vorsätzlichem Fehlverhalten oder grober Fahrlässigkeit gefordert werden könne. Es erschließt sich aus dem Vortrag der Antragsgegnerin schon nicht, auf welchen Artikel des Vertriebsvertrags sie sich damit bezieht. Art. 13.4 des Vertriebsvertrags schließt die Haftung ersichtlich nur für mittelbare Schäden oder Folgeschäden aus; das Vorliegen solcher Schäden hat das Schiedsgericht geprüft und verneint. Zudem bleibt unklar, was genau und in welchem Schriftsatz die Antragsgegnerin einen derartigen Haftungsausschluss im Schiedsverfahren behauptet hätte.
83
(2) Keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt sich aus dem Vortrag der Antragsgegnerin, das Schiedsgericht habe ihr Vorbringen zur Schadensberechnung außer Acht gelassen.
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(a) Die Antragsgegnerin trägt vor, die Schadensberechnung des Schiedsgerichts verstoße gegen das CISG, österreichisches Recht und internationale Rechnungslegungsstandards. Die Schadensberechnung der Antragstellerin umfasse den Preis für die Vermarktung, also den Betrag, der an F. für Marketingleistungen nach Art. 8 des Vertriebsvertrags gezahlt worden wäre. Dies seien Aufwendungen, nicht entgangener Gewinn. Entsprechendes ergibt sich aus dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2023 an das Schiedsgericht (hier vorgelegt als Anlage AG-3). Dort führte die Antragsgegnerin unter Rn. 242 f. aus, nach Anlage 2 zum Vertriebsvertrag hätte die Antragstellerin insgesamt 490.870,00 € an die F. als Marketingkosten zahlen müssen. Dieser Betrag könne nicht als Schadensersatzanspruch der Antragstellerin geltend gemacht werden, da er nicht Teil des Gewinns sei, den die Antragstellerin bei erfolgreicher Erfüllung des Kaufvertrags erzielt hätte, sondern eine Ausgabe der Antragstellerin.
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(b) Der Schiedsspruch stellt unter Rn. 229 fest, der Vertriebsvertrag habe infolge Kündigung bereits am 28. September 2022 geendet, so dass ein Erfüllungsanspruch der Antragstellerin erloschen sei. Stattdessen habe diese einen Anspruch auf das volle Erfüllungsinteresse als Schadensersatz. Zur Schadensberechnung erläutert der Schiedsspruch in Rn. 234 ff., die Antragstellerin könne direkt das volle Erfüllungsinteresse als Schadensersatz verlangen, d. h. sie müsse in die finanzielle Lage versetzt werden, in der sie sich befände, wenn der Vertriebsvertrag korrekt ausgeführt worden wäre. In diesem Fall hätte sie einen einklagbaren Anspruch auf die Zahlung des Kaufpreises für die verbindlichen Bestellungen. Der Wert dieses Anspruchs belaufe sich auf 1.200.000,00 €, berechnet auf der Basis des Preises von 8,00 € pro Produkt gemäß Anlage 1 zum Vertriebsvertrag, multipliziert mit der Mindestbestellmenge von 150.000 Produkten nach Anlage 2 zum Vertriebsvertrag. Allerdings müsse die Antragstellerin die Produkte zuerst herstellen und liefern. Diese Kosten seien daher von dem Betrag von 1.200.000,00 € als ersparte Aufwendungen abzuziehen. Da sich die Parteien vertraglich auf COGS von 1,54 € pro Produkteinheit geeinigt hätten, sei die Berechnung der Produktionskosten auf diesen Betrag zu stützen. Für 150.000 Produkte wären somit Produktionskosten von 231.000,00 € angefallen. Ziehe man diesen Betrag von 1.200.000,00 € ab, ergebe sich ein Schadensersatzanspruch von 969.000,00 €, den die Antragstellerin auch geltend mache. Zusätzlich wolle die Antragstellerin allerdings Schadensersatz in Höhe von 282.568,00 € als Entschädigung für die Marketingleistungen der Stufen 1 und 2, die infolge der Verletzung des Vertriebsvertrags durch die Antragsgegnerin sinnlos geworden seien. Ob solche Ausgaben nach dem CISG erstattungsfähig seien, erscheine fraglich, da diese Kosten von der Antragsgegnerin auch hätten getragen werden müssen, wenn der Vertriebsvertrag wie geplant ausgeführt worden wäre. Die Antragstellerin könne daher nur entweder das volle Erfüllungsinteresse in Höhe von 969.000,00 € oder Erstattung ihrer frustrierten Auslagen nach einer Anfechtung der Verträge verlangen, aber nicht beides gleichzeitig. In Anbetracht dieser Bewertung werde daher festgestellt, dass sich die Schadensersatzansprüche der Antragstellerin auf insgesamt 969.000,00 € beliefen.
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(c) Ein Verstoß des Schiedsgerichts gegen den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör lässt sich daraus nicht ableiten.
87
Soweit sich die Antragsgegnerin darauf bezieht, dass die Antragstellerin die von ihr bereits bezahlten Marketingkosten nicht zusätzlich, über die 969.000,00 € hinaus als Schadensersatzanspruch geltend machen könne, da sie die Marketingkosten auch bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung hätte zahlen müssen, hat das Schiedsgericht diesen Vortrag nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern ist dieser Ansicht auch gefolgt. Es hat ausdrücklich den von der Antragstellerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe von weiteren 282.568,00 € als Entschädigung für sinnlos gewordene Aufwendungen abgewiesen.
88
Soweit die Antragsgegnerin zusätzlich meint, das Schiedsgericht habe übersehen, dass die Antragstellerin die gesamten Marketingkosten für die Stufen 1 und 2 (über die gezahlten 282.568,00 € hinaus) nicht als Schadensersatz geltend machen könne, da sie diese bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertriebsvertrags auch hätte zahlen müssen, lässt sich daraus zwar eventuell ein Rechtsanwendungsfehler des Schiedsgerichts, aber kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör ableiten. Das Schiedsgericht hat den Kern des Vortrags der Antragsgegnerin ersichtlich zur Kenntnis genommen und aus genau diesen Erwägungen die zusätzliche Schadensersatzforderung in Höhe von 282.568,00 € abgewiesen. Dass es den weitergehenden Schluss nicht gezogen hat, auch den Betrag der für Stufe 2 noch offenen Marketingkosten vom Schadensersatzanspruch in Höhe von 969.000,00 € abzuziehen, mag materiell-rechtlich unzutreffend sein. Bloße Rechtsanwendungsfehler sind aber aufgrund der Unzulässigkeit einer révision au fond (siehe oben bb]) unbeachtlich. Dafür, dass es sich insoweit auch nicht um den zentralen Kern des Vortrags der Antragsgegnerin handelte, spricht ferner, dass diese jedenfalls im Zusammenhang mit der Berechnung des Schadensersatzes der Antragstellerin (vgl. Anlage AG-3 Rn. 243) auch nicht angibt, in welcher exakten Höhe Marketingkosten für Stufe 2 noch offen waren und den Schadensersatzanspruch von 969.000,00 € hätten reduzieren können. Welcher Betrag dies sein sollte, blieb im Übrigen nach dem zitierten Vortrag der Antragsgegnerin auch unklar. Die Antragsgegnerin hat zwar unter Bezugnahme auf die Anlage 2 zum Vertriebsvertrag behauptet, die Antragstellerin hätte insgesamt 490.870,00 € an die F. zahlen müssen. Wie die Antragsgegnerin diesen Betrag aus der Anlage errechnet, erschließt sich indessen schon nicht, da die Addition der dort aufgeführten und von der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz (Anlage AG-3) unter Rn. 242 wiederholten Marketingkosten eine Summe von 577.500,00 € ergibt. Zudem lässt sich der für Stufe 2 noch offene Betrag auch nicht einfach aus einer Subtraktion der gezahlten 282.568,00 € von den angeblich geschuldeten 490.870,00 € errechnen, da der gezahlte Betrag soweit ersichtlich Kosten der Stufen 1 und 2 umfasste, die Anlage 2 aber nur Marketingkosten für Stufe 2 enthält. Insgesamt musste es sich dem Schiedsgericht nicht aufdrängen, dass die Antragsgegnerin als zentralen Teil und Kern ihres Vortrags nicht nur die Abweisung des weiteren Schadensersatzanspruchs von 282.568,00 € begehrte, sondern auch einen Abzug noch geschuldeter Marketingkosten für Stufe 2 (in welcher Höhe?) von dem Schadensersatzbetrag von 969.000,00 € gefordert hätte. Ob das Schiedsgericht tatsächlich nach CISG, österreichischem Recht und internationalen Rechnungslegungsstandards einen weiteren Betrag als ersparte Aufwendungen hätte abziehen müssen, bedarf keiner Entscheidung, da die materielle Richtigkeit des Schiedsspruchs vom Senat nicht zu überprüfen ist.
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(3) Unbehelflich ist der Vortrag der Antragsgegnerin, es seien die tatsächlichen Produktions- und Herstellungskosten und nicht nur ein Betrag von 1,54 € bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs zu berücksichtigen. Insoweit hat das Schiedsgericht ausdrücklich dargelegt, da die Parteien sich auf COGS (Costs of Good Sold) von 1,54 € je Produkt geeinigt hätten, sei dieser Betrag heranzuziehen. Die COGS von 1,54 € ergeben sich aus der Anlage 1 zum Vertriebsvertrag. Das Schiedsgericht hat daher seine Ansicht (nachvollziehbar) begründet. Ob die Berechnung gemessen an den Vorgaben des CISG, des österreichischen Rechts und internationaler Rechnungslegungsstandards zutreffend ist, betrifft nur die nicht zu überprüfende materielle Richtigkeit des Schiedsspruchs. Dass das Schiedsgericht der Rechtsansicht der Antragsgegnerin nicht folgt, begründet keinen Verstoß gegen deren Anspruch auf rechtliches Gehör.
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(4) Ohne Erfolg behauptet die Antragsgegnerin vorliegend und in dem Schriftsatz vom 13. Februar 2023 an das Schiedsgericht (siehe Anlage AG-3), die Antragstellerin hätte pro Produkt tatsächlich nur 1,54 € erhalten. Insoweit erschließt sich schon nicht, wieso die Antragstellerin lediglich einen Betrag in Höhe der vereinbarten COGS von der Antragsgegnerin und damit keinerlei eigenen Gewinn hätte bekommen sollen. Vor allem aber hat das Schiedsgericht insoweit nachvollziehbar auf den Preis von 8,00 € pro Produkt gemäß Anlage 1 zum Vertriebsvertrag abgestellt. Einer weiteren Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vortrag der Antragsgegnerin bedurfte es nicht.
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(5) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin liegt eine Gehörsverletzung nicht darin, dass das Schiedsgericht für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs die gesamte geschuldete Mindestmenge von 150.000 Produkten zugrunde gelegt hat. Insoweit hat die Antragsgegnerin vorgetragen, die Mindestmengen könnten nicht berücksichtigt werden, da sie unverkäuflich seien. Das Schiedsgericht hat hingegen mit der Begründung, maßgeblich sei das Erfüllungsinteresse bezogen auf eine ordnungsgemäße Abwicklung des Vertriebsvertrags, die gesamte nach Anlage 2 verbindliche Mindestbestellmenge herangezogen. Dass sich das Schiedsgericht in diesem Zusammenhang nicht mit der vermeintlichen Unverkäuflichkeit der Produkte beschäftigt hat, ist ohne Weiteres nachvollziehbar. Das Schiedsgericht hat bereits in Rn. 212 ff. des Schiedsspruchs ausführlich begründet, dass Mängel der von der Antragstellerin gelieferten Produkte von der Antragsgegnerin nicht rechtzeitig geltend gemacht worden seien, die Produkte daher als genehmigt zu gelten hätten. Ausgehend von dieser Ansicht kam es daher für das Schiedsgericht ersichtlich im Rahmen der Schadensberechnung nicht mehr auf die vermeintlichen Mängel an, so dass sich eine Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Antragsgegnerin an dieser Stelle erübrigte.
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(6) Ohne Erfolg trägt die Antragsgegnerin unter anderem im Schriftsatz vom 20. November 2024 vor, sie habe darauf hingewiesen, dass sie durch die von ihr entwickelte Marke L. einen erheblichen Wert auf die Antragstellerin übertragen hätte, was durch globale Industriestandards und Expertenaussagen belegt worden sei. Das Schiedsgericht habe diese Beweise bei seiner Entscheidung jedoch völlig außer Betracht gelassen. Indessen trägt die Antragsgegnerin im hiesigen Verfahren schon nicht vor, für welchen konkreten Anspruch in welcher Höhe der Wert der übertragenen Marke von Bedeutung sein sollte. Noch weniger lässt sich aus dem Vortrag ersehen, was die Antragsgegnerin dazu konkret gegenüber dem Schiedsgericht vorgetragen hat. Soweit die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 16. Februar 2024 auf Seite 10 in Fußnote 30 auf die Rn. 116 bis 119 im Schriftsatz vom 13. Februar 2023 an das Schiedsgericht (vorgelegt als Anlage AG-3) verweist, ist dies unverständlich. In den angeführten Randnummern geht es nicht um die Übertragung der Marke. Unbehelflich ist der Hinweis in Fußnote 30 auf die Wiedergabe des Vortrags der Antragsgegnerin im Schiedsspruch (S. 21 bis 24). Die genannten Seiten betreffen schon ausweislich der Überschrift auf Seite 21 den Vortrag der Antragsgegnerin zu den von ihr erlittenen Schäden. Dass die hiesige Antragstellerin weder gegen den Vertriebsvertrag noch gegen den Rahmenvertrag über Marketing-Dienstleistungen verstoßen habe und der Antragsgegnerin daher schon dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch zustehe, hat das Schiedsgericht ausführlich begründet und unter Rn. 259 nochmals abschließend festgestellt. Ausgehend davon waren Ausführungen zu denkbaren Schadenspositionen der Antragsgegnerin und deren Bewertung ersichtlich nicht erforderlich. Gleiches gilt bezüglich des Verweises in Fußnote 30 des Schriftsatzes vom 16. Februar 2024 auf Rn. 99 (gemeint wohl Rn. 96) der Anlage AG-2. Auch dort geht es nur um die Berechnung des Schadensersatzanspruchs der Antragsgegnerin. Da somit die Antragsgegnerin gegenüber dem Schiedsgericht den Wert der von ihr übertragenen Marke als eigene Schadensposition angeführt hat, das Schiedsgericht einen Schadensersatzanspruch der Antragsgegnerin aber schon dem Grunde nach verneint hat, liegt ersichtlich kein Gehörsverstoß durch das Schiedsgericht vor. Sollte die Antragsgegnerin mit ihrem Vortrag im hiesigen Verfahren darauf abzielen, dass der Wert der übertragenen Marke als Abzugsposten bei der Berechnung des Schadens der Antragstellerin zu berücksichtigen wäre, könnte darin allenfalls ein Rechtsanwendungsfehler des Schiedsgerichts liegen. Ein solcher hindert aber mangels Zulässigkeit der révision au fond die Vollstreckbarerklärung nicht.
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b) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht nach § 1061 Abs. 1 ZPO i. V. m. Art. V Abs. 2 Buchst. b) UNÜ aufgrund einer Befangenheit der Einzelschiedsrichterin zu versagen. Die Antragsgegnerin meint, es bestünden Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts, da dieses den Schiedsspruch auf erfundene Tatsachen gestützt und wesentliches Vorbringen der Antragsgegnerin, deren Einwände und die Angaben der Zeugen der Antragsgegnerin vollständig ignoriert habe. Unabhängig davon, ob und in welchem Umfang Befangenheitsgründe im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens noch vorgetragen werden können (vgl. etwa BGH, Urt. v. 1. Februar 2001, III ZR 332/99, NJW-RR 2001, 1059 [juris Rn. 21]), gibt es jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit der Einzelschiedsrichterin zu Lasten der Antragsgegnerin. Wie oben a]) ausgeführt, hat das Schiedsgericht den wesentlichen Kern des Vortrags der Antragsgegnerin zur Kenntnis genommen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es Zeugenaussagen zugunsten der Antragsgegnerin vollständig unberücksichtigt gelassen hätte. Wenn das Schiedsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung Zeugenaussagen nicht folgt und zu einem anderen Ergebnis kommt als die Antragsgegnerin, lässt dies nicht den Schluss zu, es habe die Zeugenaussagen ignoriert. Allein aus der Tatsache, dass das Schiedsgericht den E-Mail-Verkehr vom 12. Mai 2021 möglicherweise unzutreffend ausgelegt hat, lässt sich eine Voreingenommenheit des Schiedsgerichts nicht schließen, zumal es dem Schiedsgericht auf diesen Punkt für die Beweiswürdigung ohnehin nicht entscheidungserheblich ankam (siehe oben a] dd] [3]). Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin hat das Schiedsgericht daher den Schiedsspruch auch nicht auf eine „erfundene“ Tatsache „gestützt“.
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c) Die Vollstreckbarerklärung ist auch nicht nach § 1061 Abs. 1 ZPO i. V. m. Art. V Abs. 1 Buchst. b) UNÜ zu versagen, da die Antragsgegnerin ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht hätte geltend machen können. Insoweit trägt die Antragsgegnerin über den (vermeintlichen) Verstoß gegen das rechtliche Gehör und die oben a) bereits behandelten Vorwürfe hinaus keine weiteren Tatsachen vor. Daher kann auf die Ausführungen oben a) Bezug genommen werden.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
96
4. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 und 3 ZPO anzuordnen.
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5. Der Streitwert ist gemäß § 48 GKG, § 3 ZPO mit dem Wert der zu vollstreckenden Hauptforderungen festzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2018, I ZB 12/17, juris Rn. 4). Bezieht sich der Vollstreckbarerklärungsantrag wie vorliegend auf den Schiedsspruch in der Hauptsache und auf den vom Schiedsgericht zugesprochenen Kostenerstattungsanspruch, handelt es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 1 GKG um eine Nebenforderung, die den Streitwert nicht erhöht (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2023, I ZB 31/22, juris Rn. 9).
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Es ergeht folgende