Titel:
Dringendes betriebliches Erfordernis, Auflösungsantrag, Sozialauswahl, Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch, Klageantrag, Kündigungsschutzprozeß, Einzubeziehende Arbeitnehmer, Verhalten des Arbeitnehmers, Des Arbeitnehmers, gegenüber Arbeitnehmern, Vergleichbare Arbeitnehmer, Gekündigter Arbeitnehmer, Beschäftigungsanspruch, Darlegungslast, leitende Angestellte, Kündigungsschutzklage, Dienstvertrag, Klageerweiterung, Auflösung des Arbeitsverhältnisses, Mitarbeitervertretung
Schlagworte:
Kündigungsschutzklage, Sozialauswahl, Betriebsbedingte Kündigung, Weiterbeschäftigungsanspruch, Leitender Angestellter, Substantiierungspflicht, Prozesskostenentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15116
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 21.05.2024 zum 31.12.2024 aufgelöst wurde.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.12.2024 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Verwaltungsleitung weiter zu beschäftigen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
6. Der Streitwert wird auf … Euro festgesetzt.
7. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger macht die Unwirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung und datenschutzrechtliche Auskunft geltend. Die Beklagte hat einen Auflösungsantrag gestellt.
2
Der am … geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 1.10.2012 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Verwaltungsleiter … mit einer Bruttomonatsvergütung i.H.v. … Euro beschäftigt. Mit Schreiben der Beklagten vom 15.01.2018 (Anlage B1, Bl. 49 d.A.) wurde dem Kläger Handlungsvollmacht erteilt. Die Handlungsvollmacht wurde auf Geschäfte, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt sowie auf das genehmigte Budget der Einrichtung beschränkt. Rechtsgeschäfte außerhalb eines Geschäftes oder einer Rechtshandlung eines derartigen Handelsgewerbes für die … … oder des genehmigten Budgets bedürfen gemäß der Handlungsvollmacht der Genehmigung und Unterzeichnung durch die Geschäftsleitung (zuständiger Vorstand bzw. Geschäftsführer).
3
Die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer in der Zählweise des § 23 KSchG ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Die … ist mit rund … Arbeitnehmern die größte Einrichtung der …
4
Der Kläger war ab dem … arbeitsunfähig erkrankt.
5
Die bei der Beklagten bestehende Mitarbeitervertretung wurde mit Schreiben der Beklagten vom 3.5.2024 (Anlage B7, Bl. 60 ff. d.A.) unterrichtet. Die Mitarbeitervertretung hat ihre Zustimmung gegen die beabsichtigte Kündigung verweigert (Stellungnahme als Anlage B8, Bl. 66 f. d.A.).
6
Mit Schreiben vom 21.5.2024 (Anlage K1, Bl. 4 f. d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zum 31.12.2024.
7
Mit Schreiben vom 31.10.2024 (Anlage K2, Bl. 91 d.A.) machte der Kläger Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO, 19 DSG-EKG nebst Anforderung von Kopien gegenüber der Beklagten geltend. Mit Schreiben vom 25.11.2024 (Anlage K3, Bl. 92 ff. d.A.) übersandte die Beklagte Auskunft nebst Kopien.
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Gegen die Kündigung vom 21.5.2024 wendet sich der Kläger mit Klageschrift vom 4.6.2024, beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen am 5.6.2024 und der Beklagten am 12.6.2024 zugestellt. Mit Klageerweiterung vom 27.12.2024 macht der Kläger einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch sowie hilfsweise eidesstattliche Versicherung geltend.
9
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor, die streitgegenständliche Kündigung sei bereits gemäß §§ 36 Abs. 1 HinSchG, 134 BGB nichtig bzw. nach § 612a BGB unwirksam, nachdem er unter dem 17.1.2024 an das Bundesamt für J., Externe Meldestelle, per Online-Formular einen Sachverhalt betreffend … und der Beklagten, gemeldet habe (im Einzelnen Klageerweiterung vom 27.12.2024, S. 2 ff.; Bl. 78 ff. d.A.); sämtliche Darstellungen seien wahrheitsgemäß erfolgt. Die Externe Meldestelle habe mit Schreiben vom 16.4.2024 mitgeteilt, dass der Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes eröffnet sein dürfte, es möglich erscheine, dass strafbewehrte Verstöße vorliegen, und dass weiter ermittelt werde. Im Vorfeld sei der dargestellte Sachverhalt am 15.9.2023 an das Kuratorium … zu Händen der Vorsitzenden … gemeldet worden. Am 28.9.2023 sei … Kuratoriumsvorsitzende zu einem persönlichen Gespräch mit ihm, dem Kläger, zu den Inhalten der Meldung in den Räumen der Beklagten anwesend gewesen. Anfang Oktober 2023 sei … von … Kuratoriumsvorsitzenden über die Meldung informiert worden. … sei die Ausdrucksweise und Eigenart der schriftlichen Äußerungen des Klägers bekannt. … habe jedenfalls im November 2023 Untersuchungen über die Verwendung und Weitergabe von Daten im Zusammenhang mit der Meldung eingeleitet und beauftragt. In einem Gespräch mit … am 6.11.2023 habe dieser erklärt, dass angeblich Daten missbräuchlich verwendet und weitergegeben worden seien und dies im Zusammenhang mit einem Hinweis nach dem Hinweisgeberschutzgesetz bekannt geworden sei. In einer Mitarbeiterinformation am 22.5.2024 mit zahlreichen Teilnehmern habe … bekannt gegeben, dass inzwischen die Diskrepanzen zwischen ihm, dem Kläger, und der Geschäftsführung unüberbrückbar seien und deshalb die Geschäftsleitung beschlossen habe, sich von ihm zu trennen.
10
Die Defizite der … in den Jahren 2020 bis 2022 seien eine direkte Folge der Corona-Pandemie und der behördlichen Restriktionen gewesen. Der Zwischenbericht des externen Beraters … sei bereits am 27.2.2024 erstellt worden, obwohl zu diesem Datum das Jahresergebnis 2023 noch nicht vorgelegen habe. Die … weise für das Kalenderjahr 2023 einen Jahresüberschuss i.H.v. … Euro aus. Im 1. Quartal 2024 sei ein positives Quartalsergebnis von … Euro erreicht worden.
11
Im Zeitraum 1.1.2024 bis 30.9.2024 seien statt der geplanten … rollstationären Belegungstage … Belegungstage erzielt worden. Die vollstationären Erlöse seien von geplanten … Euro auf … Euro gestiegen. Zum 1.12.2024 seien sechs weitere Patientenzimmer in den Geschäftsbetrieb eingegliedert und in Betrieb genommen worden, um die Auslastung weiter zu erhöhen und die Wirtschaftlichkeit der … weiter zu verbessern. Die angebliche „Umstrukturierung“ habe ausschließlich darin bestanden, die Position des Verwaltungsleiters durch eine externe Kraft bis auf weiteres zu besetzen. … stehe in enger beruflicher Verbindung zu … die unmittelbar nach der Kündigung als externe Klinikmanagerin eingesetzt worden sei. Ein dauerhafter Zukauf eines externen kaufmännischen Klinikmanagements sei im Übrigen mit unverhältnismäßigen und nicht darstellbaren Mehrkosten verbunden. Die Aufgaben der Verwaltungsleitung seien nicht geändert worden. Die Aufgaben „Marketing und Öffentlichkeitsarbeit“ seien bereits bisher in enger Abstimmung zwischen der Klinikbetriebsleitung und der Zentralabteilung Kommunikation wahrgenommen worden, die Aufgaben des „Versicherungswesens“ ebenfalls unter Mitwirkung des Verwaltungsleiters und der Assistentin der Geschäftsführung. Das Dienstplansystem mit Personalbetreuung und -marketing sei von dem Verwaltungsleiter und dem Zentralbereich Personal und Organisation durchgeführt worden. Die Kennzahlen würden automatisch generiert und über das FiBu-System von der Zentralabteilung Rechnungswesen dem Verwaltungsleiter für Steuerungs- und Berichtszwecke zur Verfügung gestellt. Weder geplant noch durchgeführt worden sei die Übertragung der Organisationsbereiche Pflege und Therapie auf den „Chefarzt“. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Die … bilde mit der Beklagten einen Gemeinschaftsbetrieb, nachdem die Geschäftsführer der Beklagten auch alleinige Vorstände der … seien, beide Gesellschaften eine gemeinsame Mitarbeitervertretung hätten und diese sich auf der Homepage … insgesamt als Einheit präsentiere. Er sei jedenfalls mit dem Leiter Personal und Organisation der … vergleichbar. Bei seinem akademischen Abschluss Master of Business Administration müsse unter anderem Kenntnis im Human Resource Management und in der Organisationsentwicklung nachgewiesen werden, beides zentrale Punkte der Personalleitung. Des Weiteren sei er durchgehend als Verwaltungsleiter tätig gewesen. Sämtliche Tätigkeiten einer Personalleitung könne er, ggf. nach Durchführung einer zumutbaren Fortbildung, ausüben. … sei deutlich jünger, später eingestellt worden und nicht unterhaltspflichtig.
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Die ordnungsgemäße Unterrichtung der Mitarbeitervertretung werde bestritten. In der Anhörung seien die tatsächlichen Gründe für die Kündigung nicht aufgeführt worden. Er sei kein leitender Angestellter. Gemäß § 1 seines Dienstvertrages vom 22.3.2012 sei seine Einstellung „vorbehaltlich der Zustimmung der Mitarbeitervertretung“ erfolgt. Personelle Maßnahmen seien ausweislich seiner Stellenbeschreibung vom 7.3.2012 (Anlage B18, Bl. 147 ff. d.A.) mit der zentralen Personalleitung des … abzustimmen. Einstellungen oder Entlassungen seien stets gemeinsam zwischen leitendem Arzt, (bis zu deren Ausscheiden) der leitenden Schwester und der Verwaltungsleitung der … getroffen worden, da die einzelnen Mitglieder keine eigenständige Entscheidungsbefugnis über die Einstellung oder Kündigung hätten. Zudem sei eine Abstimmung mit dem Personalleiter der … erforderlich. So sei die Kündigung gegenüber … unter der erforderlichen Zustimmung der Klinikbetriebsleitung, dem Verwaltungsleiter des …, erfolgt. Der damalige Personalchef … sei zu diesem Zeitpunkt krankheitsbedingt abwesend gewesen, so dass ihm, dem Kläger, auf Veranlassung der Personalabteilung von der Abwesenheitsvertreterin … ein entsprechendes Kündigungsschreiben und ein Anhörungsschreiben für die Mitarbeitervertretung im Muster zur Ergänzung und zur Unterschrift zugesandt worden seien. Die alleinige Unterzeichnung sei lediglich aufgrund der Dringlichkeit erfolgt, da der Personalleiter erkrankt war. Sämtliche Einstellungen, auch die von …, seien ebenfalls nach dem Mehraugenprinzip erfolgt, nicht selbständig durch ihn.
13
Die mit Schreiben der Beklagten vom 25.11.2024 (Anlage K3, Bl. 92 ff. d.A.) übersandte Auskunft sei unvollständig. Es fehle unter anderem an internen Aktenvermerken und E-Mails, insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorfeld der streitgegenständlichen Kündigung und dieser Kündigung selbst, zudem an internen und externen Schreiben und Vermerken zur Begründung und Vorbereitung der Kündigung, beispielsweise Schreiben des … vom 16.5.2024.
nach Klageerweiterung und teilweiser Klagerücknahme zuletzt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 21.05.2024 zum 31.12.2024 aufgelöst werden wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägerin über den 31.12.2024 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Verwaltungsleitung weiter zu beschäftigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine vollständige – über den Umfang der Anlage K 3 hinausgehende – Datenauskunft zu erteilen und Kopie über die ergänzende Auskunft zur Verfügung zu stellen.
4. Hilfsweise zu 4. die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer bislang erteilten Datenauskunft an Eides statt zu versichern.
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Die Beklagte beantragt
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Das Arbeitsvertragsverhältnis der Parteien wird mit Wirkung zum 31.12.2024 gegen Zahlung einer in das Ermessen des erkennenden Arbeitsgerichts Nürnberg, Gerichtstag … gestellten Abfindung nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 KSchG aufgelöst.
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Die Beklagte trägt vor, die streitgegenständliche Kündigung stütze sich einzig und allein auf betriebsbedingte Gründe. Die … habe für die Wirtschaftsjahre 2016 bis 2022 erhebliche Defizite ausgewiesen. Im Wirtschaftsjahr 2020 sei ein negatives Betriebsergebnis mit einem Betrag i.H.v. … Euro erwirtschaftet worden, im Wirtschaftsjahr 2021 i.H.v. … Euro und im Wirtschaftsjahr 2022 i.H.v. … Euro. Das Wirtschaftsjahr 2023 sei aufgrund von Sondereffekten leicht positiv, was jedoch weder den Verlust des Vorjahres ausgleichen könne noch die geplanten Investitionen der Zukunft ansatzweise decke. 2020 habe sich u.a. deshalb die Geschäftsleitung dazu entschlossen, unter Hinzuziehung eines externen Beraters … die aktuelle Struktur der … zu bewerten und Zukunftsszenarien zu entwickeln. Mit dem Ergebnis der Beratung, dass die … unter einem erhöhten Handlungs- und Veränderungsdruck stehe, sei völlig unzureichend und ohne erkennbare Veränderungen in den letzten drei Jahren umgegangen worden. Die Geschäftsleitung habe im Jahr 2023 feststellen müssen, dass die Klinikleitung zu den vorgenannten Projekten nicht die „Federführung“ übernommen und die Entwicklungsprozesse über Jahre nicht zur Entscheidungsreife geführt habe. Deshalb habe die Geschäftsleitung im 1. Quartal 2024 durch einen externen Berater … den aktuellen Status erheben lassen. Das Ergebnis aus einem Zwischenbericht des externen Beraters vom 27.2.2024 (Anlage B3, Bl. 51 ff. d.A.) sei gewesen, dass das zwingende Erfordernis zur Zukunftssicherung bestehe, eine externe, professionelle Unternehmensberatung im Bereich des Gesundheitswesens mit der konzeptionellen Führung und Restrukturierung zu beauftragen und die zu erarbeitende Neukonzeption im Zusammenwirken mit der Geschäftsleitung zu entwickeln, umzusetzen und zu verbessern. Diese Zielsetzung könne mit der bisherigen organisatorischen Konzeption der Leitung im kaufmännischen Bereich nicht erreicht werden. So habe der Kläger in den Gesprächen mit dem externen Berater tiefgründige Fragestellungen nicht spontan beantworten können und lediglich den damaligen Zustand fortführen wollen, nicht jedoch Verbesserungsmöglichkeiten konsequent und gezielt umsetzen. Die Personalplanung 2024 sei intransparent gewesen und habe insbesondere nicht den … Strukturanforderungen und den … Empfehlungen entsprochen. Der von Seiten des Vorstandes und der Geschäftsleitung der Beklagten unter dem 3.5.2024 getroffenen unternehmerischen Entscheidung habe die Analyse im Zwischenbericht des externen Beraters vom 27.2.2024 zugrunde gelegen. Beschlossen worden sei dementsprechende Neukonzeption (Anlage B4, Bl. 57 d.A.), wonach ein Teil der operativen Leitungsaufgaben auf die darunterliegenden (Leitungs-)Ebenen wie beispielsweise die hauswirtschaftliche Leitung, die therapeutische Leitung und die ärztliche Leitung zu verteilen sei, ein verstärkter Support durch die Zentralen Dienste und ein Wegfall von verwaltenden Aufgaben stattzufinden habe, ein externes kaufmännisches Klinikmanagement zuzukaufen sei, welches verbleibende operative Leitungsaufgaben sowie die strategisch-konzeptionelle Klinikentwicklung übernehme, die Organisationsbereiche „Pflege“ … und „Therapie“ …) vollumfänglich, d.h. auch disziplinarisch, dem Chefarzt zuzuordnen seien und die Geschäftsleitung (Geschäftsführer) in der Funktion der Leitung der Klinikbetriebsleitung die Gesamtverantwortung für die … übernehme und im verstärkten Umfang Aufgaben wahrnehme. Infolge der Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung sei die Funktion des Verwaltungsleiters komplett in Wegfall geraten (vgl. Organigramm neu als Anlage B5, Bl. 58 d.A.). Die unternehmerische Entscheidung vom 3.5.2024 sei ab dem 22.5.2024 konsequent umgesetzt worden. Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger im Unternehmen bestünden nicht. Eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen gewesen, nachdem in der ersten Führungsebene unterhalb der Geschäftsleitung keine vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt seien; in der … sei neben dem Kläger (kaufmännisch/verwaltend) auf fachlich/medizinischem Gebiet nur … in Leitungsposition beschäftigt. Die Voraussetzungen eines Gemeinschaftsbetriebs seien nicht gegeben. Der Kläger sei mit dem Leiter Personal und Organisation … auch nicht vergleichbar, nachdem der Kläger weder über die erforderlichen Fachkenntnisse noch über praktische, langjährige und vertiefte Erfahrungen als Personalleiter, insbesondere in leitender Funktion, verfüge.
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Aufgrund der von Seiten des Klägers an das Bundesamt für J., externe Meldestelle, unter dem 17.1.2024 erfolgten Meldung sei zwischenzeitlich von Seiten der Staatsanwaltschaft … Aktenzeichen… ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, in dessen Rahmen sich … in einer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme (Anlage B14, Bl. 140 ff. d.A.) erklärt habe. Ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten … liege nicht vor. Die Voraussetzungen an eine rechtmäßige Meldung im Sinn der §§ 17, 28 HinSchG oder an eine rechtmäßige Offenlegung im Sinn des § 32 HinSchG lägen deshalb nicht vor, zumal fahrlässig bzw. grob fahrlässig unrichtige Informationen über angebliche Verstöße im Zuge der erfolgten Meldungen des Klägers unterbreitet worden seien. Bei gewährter Akteneinsicht im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im Dezember 2024 sei der Name des Hinweisgebers in Person des Klägers zu einem Zeitpunkt bekannt gemacht worden, als bereits die streitgegenständliche Kündigung gegenüber dem Kläger erklärt gewesen sei. Durch … uratoriumsvorsitzende … sei die Geschäftsführung im Zuge der Aufklärung des Sachverhaltes über eine anonyme Meldung informiert worden, der Name des Hinweisgebers sei nicht mitgeteilt worden. Im Rahmen der Mitarbeiterinformation am 22.5.2024 habe … ediglich zum Ausdruck gebracht, dass hinsichtlich der Frage der Ausrichtung und Entwicklung der … erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestünden.
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Einer Anhörung der Mitarbeitervertretung habe es nicht bedurft, weil der Kläger leitender Angestellter sei, nachdem er allein oder gemeinsam mit anderen Personen ständig und nicht nur im Einzelfall zu Entscheidungen in Angelegenheiten befugt sei, die nach den Inhalten des MVG der Mitberatung oder Mitbestimmung unterliegen. Basis für den Dienstvertrag des Klägers sei der damals vorliegende Standarddienstvertrag gewesen. Ausweislich der Stellenbeschreibung vom 7.3.2012 (Anlage B18, Bl. 147 ff. d.A.) seien dem Kläger alle Mitarbeiter des Verwaltungs-, Wirtschafts- und Technischen Dienstes unterstellt und der Kläger Disziplinarvorgesetzter für alle Mitarbeiter mit Ausnahme der Ärzte und des Pflegedienstes gewesen. Dies habe sich in den Jahren nach Ausstellung der Stellenbeschreibung so dargestellt, dass der Verwaltungsleiter auch für Pflege und Labor, physikalische Therapie und Ernährungsberatung zuständig gewesen sei, was quasi 90 % der Arbeitnehmer der … entsprochen habe. In der Dienstordnung für die Betriebsleitung … sei, auch wenn diese nie final unterschrieben wurde sondern nur in einer Entwurfsfassung vorliege, unter anderem geregelt, dass der Verwaltungsleiter verantwortlich für die Verwaltung, Bewirtschaftung und Finanzen ist, wobei unter „Bewirtschaftung“ auch die eigenständige Vornahme von Einstellungen und Kündigungen zu verstehen sei. Eine Abstimmung des Klägers mit dem für den medizinischen Bereich zuständigen … der mit dem Personalleiter sei nicht erforderlich gewesen. Der Kläger habe als Verwaltungsleiter … sowohl selbstständig Einstellungen als auch Entlassungen regelmäßig und ohne Beschränkung vorgenommen. So habe der Kläger den Dienstvertrag von … vom 27.6./10.7.2022 neben dem Personalleiter … für die Beklagte gezeichnet, wobei die Zustimmung des Klägers nicht von derjenigen des i … abhängig gewesen sei. Dass der Kläger auch über Entlassungen selbständig entschieden habe zeige der Vorgang der Probezeitbeurteilung von … gemäß E-Mail des Klägers vom 24.1.2023 gegenüber … (Anlagen B9 und B10, Bl. 68 f. d.A.). Der Kläger habe mit der von ihm unterschriebenen Kündigungserklärung vom 21.2.2013 (Anlage B11, Bl. 70 d.A.) bzw. vom 2.5.2013 (Anlage B12, Bl. 71 d.A.) das Arbeitsvertragsverhältnis von … gekündigt, wobei er die Entscheidung selbständig getroffen habe. Der Kläger habe für die Beklagte mit … am 16.6.2017 (Anlage B13, Bl. 72 ff. d.A.) einen Arbeitsvertrag vereinbart und gezeichnet, wobei er die Entscheidung zur Begründung des Arbeitsvertragsverhältnis selbstständig getroffen habe. Höchstvorsorglich sei die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 3.5.2024 (Anlage B7, Bl. 60 ff. d.A.) unterrichtet worden. Die Zustimmungsverweigerung sei jedenfalls deshalb unbeachtlich, weil die Begründung auf keinen der in § 41 Abs. 2 MVG.EKD vorgesehenen Zustimmungsverweigerungsgründe Bezug nehme; die Zustimmung gelte somit als erteilt.
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Eine Begründung für den Auflösungsantrag sei nicht erforderlich, da der Kläger leitender Angestellter sei.
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Den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch des Klägers habe die Beklagte mit Schreiben vom 25.11.2024 nebst beigefügter Kopien umfassend und vollständig erfüllt. Es fehle weder an internen Aktenvermerke noch E-Mails insbesondere im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Kündigung, zumal diese keine personenbezogenen Daten aufgewiesen hätten und auch nicht gespeichert worden seien. Die Beklagte meint, der Klageantrag zu 3 sei bereits unzulässig, weil er unbestimmt sei.
den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
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Der Kläger trägt hierzu vor, er sei nicht leitender Angestellter (vgl. obige Ausführungen). Eine Begründung des Auflösungsantrags sei im Übrigen nicht erfolgt.
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Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 313 Abs. 2 ZPO.
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Die Kammer hat keinen Beweis erhoben.
Entscheidungsgründe
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1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet (§ 2 Abs. 1 Nr. 3a und b ArbGG) und das Arbeitsgericht … örtlich zuständig § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 12, 17 ZPO.
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2. Der Klageantrag zu 3 ist mangels hinreichender Bestimmtheit i.S.v. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.
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a) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 Abs. 1 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 Abs. 1 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des eventuell teilweisen Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird. Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe kommt nur in Betracht, wenn einerseits für die klagende Partei eine weitere Konkretisierung nicht möglich oder zumutbar ist, andererseits für die Parteien kein Zweifel an ihrem Inhalt besteht, so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht (BAG vom 16.12.2021 – 2 AZR 235/21, Rn. 21; juris).
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b) Dies ist vorliegend nicht gegeben. Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 25.11.2024 unstreitig bereits Auskunft erteilt und damit den Auskunftsanspruch des Klägers aus § 15 Abs. 1 DSGVO jedenfalls teilweise erfüllt. Der Kläger verlangt weitere Ergänzung dieser Auskunft. Der klägerische Antrag hierzu ist nicht hinreichend konkret gefasst, soweit der Kläger „eine vollständige – über den Umfang der Anlage K 3 hinausgehende“ Datenauskunft und Kopie „über die ergänzende Auskunft“ verlangt. Vor dem Hintergrund der erteilten Auskunft war es dem Kläger möglich und auch zumutbar, den Antrag dahingehend zu konkretisieren, welche weiteren personenbezogenen Daten über die bereits erteilte Auskunft hinaus von ihm begehrt werden. Ansonsten würden Unklarheiten ins Vollstreckungsverfahren verlagert, obwohl eine Klärung im Erkenntnisverfahren unschwer möglich wäre. Ist bereits eine Auskunft hinsichtlich konkreter personenbezogener Daten erteilt worden, erfordert der Rechtsschutzgedanke nicht, dass eine generalisierende Formulierung für zulässig erachtet wird. In diesen Fällen ist dem Anspruchsteller eine Konkretisierung ohne weiteres möglich, indem angegeben wird, welche konkreten Daten und Informationen in der erteilten Auskunft nicht enthalten sind und hinsichtlich derer noch Auskunft begehrt wird (LAG Hamm vom 2.12.2022 – 19 Sa 756/22). Trotz gerichtlichem Hinweis hat der Kläger den Klageantrag zu 3 nicht konkretisiert. Der Hilfsantrag zu 4 fiel damit nicht zur Entscheidung an.
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3. Im Übrigen ist die Klage zulässig. Das für den Klageantrag zu 1 nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich bereits aus der drohenden Präklusionswirkung des § 4 KSchG.
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Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, teilweise begründet. Der Kündigungsschutzklage zu 1 (1.) sowie dem Weiterbeschäftigungsantrag zu 2 (2.) war stattzugeben. Der Auflösungsantrag war zurückzuweisen (3.). Im Einzelnen gilt Folgendes:
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1. Die Kündigung der Beklagten vom 21.5.2024 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 31.12.2024 beendet.
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a) Der Kläger hat innerhalb der Dreiwochenfrist der §§ 4, 7 KSchG Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Nürnberg erhoben.
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b) Das Kündigungsschutzgesetz findet vorliegend Anwendung, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG.
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c) Die Kündigung der Beklagten ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und deshalb sozial nicht gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG.
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aa) Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, bedingt ist. Vorliegend beruft sich die Beklagte zur Begründung der Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse.
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Eine betriebsbedingte Kündigung ist dann gerechtfertigt, wenn eine unternehmerische Entscheidung vorliegt, durch die aufgrund innerbetrieblicher Ursachen (z.B. Rationalisierungsmaßnahmen und Umstellung oder Einschränkung der Produktion, Betriebsstillegung) oder außerbetriebliche Ursachen (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) eine veränderte Arbeitsmenge im Betrieb erledigt wird und die Kündigung dringlich ist, also nicht durch andere Maßnahmen ersetzt werden kann. Grundsätzlich ist der Unternehmer in seinen unternehmenspolitischen Entscheidungen frei. Diese unterliegen aber der Rechts- sowie der Missbrauchskontrolle dahingehend, ob sie offensichtlich unsachlich oder willkürlich sind. Die beschränkte Überprüfungsmöglichkeit betrifft dabei nicht die Umstände der Umsetzung der Unternehmerentscheidung. Diese werden unter dem Gesichtspunkt der Sachlichkeit und der dringenden Erforderlichkeit in vollem Umfang überprüft. Der Arbeitgeber muss substantiiert darlegen, wie sich die Umsetzung seiner Entscheidung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirkt (EK/Oetker, § 1 KSchG, Rn. 239 ff. m.w.N.).
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Erschöpft sich die Entscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, rückt sie also nahe an den Kündigungsentschluss heran, hat der Arbeitgeber, da die Kündigungsentscheidung selbst nach dem Gesetz nicht frei, sondern an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit („Dauer“) zu verdeutlichen, damit das Gericht prüfen kann, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich, also missbräuchlich ausgesprochen worden ist. Auch die autonome, gestaltende Unternehmerentscheidung muss sich in greifbaren betrieblichen und damit objektivierbaren Formen niederschlagen. Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist. Der Arbeitgeber hat darzulegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, d.h. es geht um die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose der Entwicklung aufgrund außerbetrieblicher Faktoren oder unternehmerischer Vorgaben, und wie im Einzelnen die als verbleibend prognostizierte Arbeit bewerkstelligt werden soll. Der Arbeitgeber hat, wenn die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer einzelnen Stelle hinausläuft und dies mit dem Entschluss verbunden ist, verbleibende Arbeiten umzuverteilen, konkret zu erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d.h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG vom 17.06.1999 – 2 AZR 141/99; vom 16.12.2010 – 2 AZR 770/09).
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Der Arbeitgeber hat eine Sozialauswahl nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 ff. KSchG durchzuführen. Die soziale Auswahl bezieht sich auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebs, eine Beschränkung der Auswahl auf Mitarbeiter eines Betriebsteils oder einer Betriebsabteilung ist unzulässig. Die in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer müssen nach ihrem Arbeitsvertragsinhalt vergleichbar, d.h. austauschbar sein, sog. horizontale Vergleichbarkeit. Die Abgrenzung wird sinnvoll danach vorgenommen, ob dem Arbeitnehmer, der für die Sozialauswahl in Frage kommt, im Weg des Weisungsrechts und nicht nur im Weg der Änderungskündigung eine andere Beschäftigung zugewiesen werden kann. Vergleichbar sind diejenigen Arbeitnehmer, die kraft Weisungsrechts mit den anderen Aufgaben beschäftigt werden können. Eine wechselseitige Austauschbarkeit ist nicht erforderlich. Ebenso müssen die Arbeitsplätze nicht identisch sein; es genügt, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben kann. Kann ein Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag nur innerhalb eines bestimmten Arbeitsbereichs versetzt werden, ist die Sozialauswahl nicht auf Arbeitnehmer anderer Arbeitsbereiche zu erstrecken. Die Austauschbarkeit muss arbeitsplatzbezogen sein und sich anhand des konkreten Arbeitsvertragsinhalts ermitteln lassen (EK/Oetker, § 1 KSchG, Rn. 309, 318 ff. m.w.N.).
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Im Hinblick auf die soziale Auswahl gilt eine abgestufte Verteilung der Darlegungslast zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Bei Unkenntnis der für die Sozialauswahl rechtserheblichen Tatsachen genügt der Arbeitnehmer zunächst seiner Darlegungslast, wenn er pauschal die soziale Auswahl beanstandet und den Arbeitgeber auffordert, die Gründe mitzuteilen, die ihn zu der Auswahl veranlasst haben. Im Umfang seiner materiell-rechtlichen Auskunftspflicht geht damit die Darlegungslast auf den Arbeitgeber über. Als auskunftspflichtige darlegungsbelastete Partei hat der Arbeitgeber sodann die Gründe darzulegen, die ihn (subjektiv) zu der von ihm getroffenen Auswahl veranlasst haben. Kommt der Arbeitgeber der ihm hinsichtlich seiner subjektiven Auswahlüberlegungen obliegenden Darlegungslast vollständig nach, so hat der Arbeitnehmer wieder die volle Darlegungs- und Beweislast für eine objektiv fehlerhafte Auswahlentscheidung (BAG vom 31.5.2007 – 2 AZR 276/06). Er kann insbesondere auf die Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises bezogene Umstände vortragen, etwa, dass der Arbeitgeber den Kreis der auswahlrelevanten Arbeitnehmer zu eng gezogen habe. Dabei muss er im Einzelnen begründen, warum er mit Arbeitnehmern einer bestimmten Gruppe vergleichbar ist. Er kann weiter etwaige Unrichtigkeiten bei den Sozialdaten der vergleichbaren Arbeitnehmer rügen. Kennt der Arbeitnehmer die Namen und deren Sozialdaten der vergleichbaren Arbeitnehmer, muss er die weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer unter Angabe von deren Sozialdaten namentlich benennen (KR/Rachor, § 1 KSchG, Rn. 765).
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bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die streitgegenständliche Kündigung sozialwidrig, da sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). So hat die Beklagte schon nicht dargetan, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger entfallen wäre. Substantiierte Ausführungen der Beklagten dazu, in welchem (zeitlichen) Umfang die betreffenden Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand noch bzw. nicht mehr anfallen und wie im Einzelnen die als verbleibend prognostizierte Arbeit bewerkstelligt werden soll, sind nicht erfolgt. Die Beklagte hat nicht konkret erläutert, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Eine schlüssige Prognose dazu, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d.h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können, ist beklagtenseits nicht erfolgt. Die Beklagte hat lediglich pauschal ausgeführt, ein Teil der operativen Leitungsaufgaben sei auf die darunterliegenden (Leitungs-)Ebenen wie beispielsweise die hauswirtschaftliche Leitung, die therapeutische Leitung und die ärztliche Leitung zu verteilen, es habe ein verstärkter Support durch die Zentralen Dienste und ein Wegfall von verwaltenden Aufgaben stattzufinden, es sei ein externes kaufmännisches Klinikmanagement zuzukaufen, welches verbleibende operative Leitungsaufgaben sowie die strategisch-konzeptionelle Klinikentwicklung übernehme, die Organisationsbereiche „Pflege“ (… arbeiter) und „Therapie“ (… arbeiter) seien vollumfänglich, d.h. auch disziplinarisch, dem Chefarzt zuzuordnen und die Geschäftsleitung (Geschäftsführer) in der Funktion der Leitung der Klinikbetriebsleitung übernehme die Gesamtverantwortung für did … und nehme im verstärkten Umfang Aufgaben wahr. Zwar ist der Beklagten hier zuzugeben, dass die Aufgabenübertragung an ein externes kaufmännisches Klinikmanagement im Rahmen ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit liegt. Allerdings führt die Beklagte eine vollständige Aufgabenauslagerung an diese externe Stelle schon selbst nicht an. Vielmehr sind nach dem Vorbringen der Beklagten Aufgaben teilweise bei der Beklagten verblieben, welche auf das vorhandene Personal übertragen wurden. Um welche Tätigkeiten es sich dabei im Einzelnen handelt, welcher Zeitaufwand hierfür im Einzelnen besteht und inwiefern sowie in welchem Ausmaß bei dem ebenfalls nicht näher spezifizierten verbliebenen Personal, auf das diese Aufgaben übertragen werden sollten, freie Kapazitäten bestanden, sodass eine Aufgabenübertragung ohne überobligatorische Mehrarbeit hätte erfolgen können, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Die Gewährung einer Schriftsatzfrist für die Beklagte war nicht veranlasst. Der Kläger hat bereits mit Schriftsatz vom 16.5.2025 (Seiten 8 ff., Bl. 168 ff. d.A.) darauf hingewiesen, dass der Vortrag der Beklagten betreffend die Verteilung verbliebener, mithin nicht auf ein externes kaufmännisches Klinikmanagement übertragener Aufgaben, nicht hinreichend konkret sei. Die Beklagte hat sich hierzu mit Schriftsatz vom 11.6.2025 nochmals eingelassen. Auf Nachfrage des Gerichts im Kammertermin am 18.6.2025 konnte sich die Beklagte, wobei persönliches Erscheinen des Geschäftsführers der Beklagten angeordnet war, nicht substantiiert erklären.
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cc) Es kann somit dahinstehen, ob vor Ausspruch der Kündigung eine Sozialauswahl durchzuführen war sowie ob … in eine solche ggf. hätte einbezogen werden müssen.
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d) Weiter kann dahinsehen, ob eine Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 21.5.2024 auch nach §§ 36 Abs. 1 HinSchG, 134 BGB bzw. § 612a BGB gegeben wäre.
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e) Schließlich kann dahinstehen, ob ein Mitbestimmungsrecht der bei der Beklagten bestehenden Mitarbeitervertretung i.S.d. § 42 lit. b MVG.EKD bestand bzw. ob diese mit Schreiben vom 3.5.2024 (Anlage B7, Bl. 60 ff. d.A.) ordnungsgemäß beteiligt wurde.
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2. Dem Weiterbeschäftigungsantrag zu 2 war stattzugeben.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (grundlegend BAG vom 27.02.1985 – GS 1/84, juris) hat der gekündigte Arbeitnehmer einen allgemeinen Beschäftigungsanspruch außer im Fall einer offensichtlich unwirksamen Kündigung mindestens dann, wenn er im Kündigungsprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. Dieser Beschäftigungsanspruch ist abzuleiten aus den §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers ist grundsätzlich nur bis zur Entscheidung der ersten Instanz im Kündigungsschutzprozess anzuerkennen. Diese Interessenlage ändert sich dann, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ein obsiegendes Urteil erstreitet. In diesem Fall kann die Ungewissheit über den endgültigen Prozessausgang für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr begründen.
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b) Der mit Klageantrag zu 2 geltend gemachte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch ergibt sich unter Berücksichtigung dieser Grundsätze aus §§ 611, 613, 242 BGB, Art. 1 und 2 GG, da der Kläger mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1 obsiegt. Die Beklagte hat den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Verwaltungsleitung weiter zu beschäftigen. Der Klageantrag zu 2 war im Sinne einer hinreichenden Bestimmtheit (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) dahingehend auszulegen, dass die unbestimmte Angabe „zu unveränderten Bedingungen“ zu entfallen hatte.
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3. Der Auflösungsantrag der Beklagten war zurückzuweisen.
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a) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht, stellt es fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, jedoch Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen, auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG findet § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.
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b) Eine Begründung des Auflösungsantrags durch die Beklagte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist nicht erfolgt. Eine solche war nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG entbehrlich, da der Kläger kein Betriebsleiter oder leitender Angestellter im Sinne dieser Norm ist.
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(1) Der leitende Angestellte nimmt kraft seiner Funktion für Bestand und Entwicklung des Betriebs Aufgaben mit besonderer Bedeutung und Verantwortung wahr, d.h. unternehmerische Teilaufgaben. Er muss maßgeblich Einfluss auf die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, organisatorische oder personelle Führung des Unternehmens oder eines Betriebs ausüben. Entscheidend ist nicht, dass ihm die genannten Aufgaben kumulativ übertragen sind, sondern dass er wesentlich eigenverantwortlich handeln darf. Das erfordert einen erheblichen Entscheidungsspielraum. Es kommt weder auf Einkommensgrenzen an noch darauf, auf welcher Leitungsebene im Unternehmen die Tätigkeit ausgeübt wird. Die Bezeichnung ist unerheblich. Betriebsleiter i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG sind Arbeitnehmer, die einen Betrieb oder einen Betriebsteil eigenverantwortlich führen. Sie müssen gegenüber anderen Beschäftigten eine Vorgesetztenstellung einnehmen und das Weisungsrecht ausüben. Eine bloße Aufsichtsfunktion gegenüber Arbeitnehmern über den Betriebsablauf genügt nicht. Ähnliche leitende Angestellte i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG müssen ihrer Stellung nach den im Gesetz genannten Geschäftsführern oder Betriebsleitern entsprechen. Dazu müssen sie eine vergleichbare Schlüsselfunktion bekleiden und Führungsfunktion wahrnehmen. Dies setzt eine Vorgesetztenstellung im personellen, kaufmännischen oder technischen Bereich gegenüber einer bedeutsamen Zahl von Arbeitnehmern voraus. Auf die formale Ebene kommt es nicht entscheidend an. Maßgeblich ist, dass der leitende Angestellte nach Vertrag und tatsächlicher Stellung der Leitungs- und Führungsebene zuzurechnen ist, weil er z.B. ein nicht unerhebliches Budget verwaltet. Die ähnlichen leitenden Angestellten i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG müssen im Innen- und im Außenverhältnis zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sein. An dem Merkmal „selbständig“ fehlt es, wenn sich die Berechtigung des Angestellten darauf beschränkt, intern Vorschläge zu unterbreiten oder rein tatsächlich Einfluss zu nehmen, wenn die Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmers einer Zustimmung des Vorgesetzten bedarf oder im Vier-Augen-Prinzip vorgenommen werden muss. Unschädlich ist es dagegen, wenn der Betriebsleiter oder leitende Angestellte interne Richtlinien beachten, Beratungspflichten einhalten oder zu Kontrollzwecken Zweitunterschriften einholen muss, seine abschließende Entscheidungsfreiheit dadurch jedoch nicht beschränkt wird. Die Berechtigung zur selbständigen Einstellung oder Entlassung darf nicht von untergeordneter Bedeutung sein, muss sich aber nicht zwingend auf alle Arbeitnehmer des Betriebs erstrecken. Die Befugnis ist Ausdruck der leitenden Funktion des Angestellten und deshalb nur gegeben, wenn sie dauerhaft übertragen ist. Sie darf nicht „nur auf dem Papier stehen“, sondern muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit ausmachen (EK/Kiel, § 14 KSchG, Rn. 8 m.w.N., insbesondere auf BAG vom 19.04.2012 – 2 AZR 186/11).
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(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan, dass der Kläger Betriebsleiter oder leitender Angestellter i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG ist. Dass der Kläger einen Betrieb oder einen Betriebsteil eigenverantwortlich führen würde, ist nicht erkennbar. So ist zwischen den Parteien unstreitig, dass für die Leitung des medizinischen Bereichs …icht der Kläger, sondern … zuständig ist. Dass es sich um zwei voneinander abgrenzbare, selbstständige Betriebsteile handeln würde hat die Beklagte schon nicht behauptet. Es erscheint weiter schon zweifelhaft, ob der Kläger i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmers berechtigt ist. Eine solche Berechtigung ist weder dem Dienstvertrages vom 22.3.2012 zu entnehmen, noch der Stellenbeschreibung vom 7.3.2012 (Anlage B18, Bl. 147 ff. d.A.). Eine Dienstordnung für die Betriebsleitung … wurde nach dem Vortrag der Beklagten schon nicht abgeschlossen, wobei auch in dem entsprechenden Entwurf eine selbständige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis nicht aufgeführt wird; dass unter „Bewirtschaftung“ auch die eigenständige Vornahme von Einstellungen und Kündigungen zu verstehen wäre, kann dem entsprechenden Entwurf nicht entnommen werden. Den Dienstvertrag von … vom 27.6./10.7.2022 hat der Kläger nicht alleine, sondern neben dem Personalleiter …r die Beklagte gezeichnet. Letztendlich kann es aber dahinstehen, ob der Kläger zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist. Denn die Beklagte hat jedenfalls nicht dargetan, dass es sich, eine solche Befugnis unterstellt, dabei um einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers handeln würde. Die Beklagte hat hier lediglich die Kündigungserklärungen vom 21.2.2013 (Anlage B11, Bl. 70 d.A.) bzw. vom 2.5.2013 (Anlage B12, Bl. 71 d.A.) betreffend das Arbeitsvertragsverhältnis von … den Arbeitsvertrag von … vom 16.6.2017 (Anlage B13, Bl. 72 ff. d.A.), den Dienstvertrag von … Vom 27.6./10.7.2022 sowie den Vorgang der Probezeitbeurteilung von … gemäß E-Mail des Klägers vom 24.1.2023 gegenüber … (Anlagen B9 und B10, Bl. 68 f. d.A.) angeführt. Dass diese Vorgänge einen wesentlichen zeitlichen Anteil an der Tätigkeit des Klägers, welche dieser seit dem 1.10.2012 bei der Beklagten ausübt, ausgemacht hätten oder dass sie von wesentlicher Bedeutung für das Unternehmen und damit als Teil der Tätigkeit des Klägers qualitativ nicht unwesentlich gewesen wären hat die Beklagte nicht dargetan.
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Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, das Unterliegen des Klägers ist jedenfalls als verhältnismäßig geringfügig anzusehen. Die Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags konnte unberücksichtigt bleiben, da der Antrag sich nicht streitwerterhöhend ausgewirkt hat (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO, wobei für die streitgegenständliche Kündigung … Bruttomonatsgehälter in Ansatz gebracht wurden. Der Weiterbeschäftigungsantrag war mit einer Bruttomonatsvergütung zu berücksichtigen. Für den Klageantrag zu 3 wurden … Euro in Ansatz gebracht; der Hilfsantrag zu 4 fiel nicht zur Entscheidung an. Der vorliegend im Kündigungsrechtsstreit geltend gemachte Auflösungsantrag führt nicht zu einer Werterhöhung.
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Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist (§ 64 Abs. 2 lit. b und c ArbGG), war sie nicht zuzulassen, da die Zulassungsvoraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht gegeben sind. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu, § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG.