Titel:
Darlehensverträge, Widerruf des Käufers, Widerrufsbelehrung, Widerrufsfall, Widerrufsfrist, Rechtsfolgen des Widerrufs, Ausübung des Widerrufs, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Rückabwicklungsverhältnis, Gerichtsstand des Erfüllungsorts, Zuständigkeitsbestimmungsverfahren, Örtliche Zuständigkeit, Gemeinsamer besonderer Gerichtsstand, Allgemeiner Gerichtsstand, Gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand, Gerichtsstandsbestimmung, Besonderer Gerichtsstand, Wahl des Gerichtsstands, Klageantrag, Rücktritt vom Kaufvertrag
Schlagworte:
Widerruf Fahrzeugkauf, Örtliche Zuständigkeit, Gerichtsstandsbestimmung, Verbraucherdarlehen, Annahmeverzug, Prozessökonomie
Vorinstanz:
LG München I vom -- – 40 O 15029/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15012
Tenor
Als (örtlich) zuständiges Gericht wird das Landgericht MGB bestimmt.
Gründe
1
Der im Bezirk des Landgerichts München I wohnhafte Kläger macht mit seiner mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2024 zu diesem Gericht erhobenen Klage gegenüber den Beklagten Ansprüche wegen „Rückabwicklung Fahrzeugkauf“ geltend. Die Beklagte zu 1) ist ein Unternehmen mit Sitz im Bezirk des Landgerichts B., das Fahrzeuge herstellt und vertreibt. Bei der Beklagten zu 2) handelt es sich um eine im Landgerichtsbezirk MGB ansässige Bank.
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Zur Begründung der Klage führt der Kläger aus, er mache Ansprüche aus der Rückabwicklung eines Kaufvertrags sowie Schadensersatz gegenüber den Beklagten geltend. Gegenüber der Beklagten zu 1) sei der Widerruf des Kaufvertrags erklärt worden; passivlegitimiert bezüglich dieser Ansprüche sei gemäß § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB die Beklagte zu 2). Gegenüber der Beklagten zu 1) sei aber auch der Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Sachmängeln erklärt worden; passivlegitimiert bezüglich dieser Ansprüche sei die Beklagte zu 1) selbst. Aus Sicht des Klägers ergebe sich die Reihenfolge der Ansprüche aus dem zeitlichen Ablauf. Sei der zunächst erklärte Widerruf wirksam, wovon die Klageseite ausgehe, seien hierdurch der Kauf- und der Darlehensvertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt. Käme das Gericht dagegen zu dem Ergebnis, dass der Widerruf nicht wirksam sei, so käme nachrangig der Rücktritt zum Tragen.
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Zum Hauptantrag trägt der Kläger vor, er habe am 28. November 2022 per Online-Bestellformular bei der Beklagten zu 1) einen PKW der Marke X, Model Z zu einem Kaufpreis von 63.320,00 € brutto erworben. Der Vertrag enthalte eine Widerrufsbelehrung ohne Angabe der Telefonnummer „der Beklagten“. Zur Finanzierung des Fahrzeugkaufs habe der Kläger mit der Beklagten zu 2) im Wege eines verbundenen Geschäfts am 23. Januar 2023 einen Darlehensvertrag geschlossen. Der Kläger habe an die Beklagte zu 1) eine Anzahlung zur Inzahlungnahme von 10.000,00 € sowie eine Bestellgebühr in Höhe von 250,00 € geleistet und habe am 1. April 2023 die Ratenzahlung für das Darlehen aufgenommen. Bis einschließlich 30. November 2024 habe er an die Beklagte zu 2) Raten in Höhe von 11.262,43 € erbracht. Der Wagen sei am 4. Februar 2023 ausgeliefert worden.
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Mit Schreiben vom 22. Januar 2024 an die Beklagte zu 1) habe der Kläger den Widerruf des Vertrags erklärt. Eine Reaktion auf den Widerruf sei nicht erfolgt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. August 2024 habe der Kläger auf den Widerruf Bezug genommen und rechtlich begründet, weswegen dieser wirksam sei. Vorsorglich sei erneut der Widerruf erklärt und den Beklagten die Rückgabe des Fahrzeugs am jeweiligen Firmensitz angeboten worden. Dies werde nochmals ausdrücklich wiederholt.
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Der Widerruf sei fristgerecht, da die Widerrufsbelehrung der Beklagten zu 1) unzureichend und irreführend sei. Es fehle die Angabe einer Telefonnummer, die mitgeteilt werden müsse. Durch die Nichtangabe der Telefonnummer werde einem Durchschnittsverbraucher suggeriert, er müsse für seinen Widerruf die Textform des § 126b BGB einhalten. Außerdem sei die Telefaxnummer nicht bei den Kontaktmöglichkeiten aufgelistet, obwohl die Möglichkeit, den Widerruf per Telefax zu erklären, ausdrücklich in der Widerrufsbelehrung erwähnt werde. Eine von der Beklagten zu 1) unter anderem im Impressum verwendete Faxnummer funktioniere nicht. Außerdem habe die Beklagte zu 1) der Klägerseite vorgespiegelt, dass im Fall einer Rückabwicklung des Vertrags die bei Vertragsschluss geleistete Anzahlung nicht erstattungsfähig sei. Auch dies sei ein Belehrungsfehler. Weiterhin seien in der Widerrufsbelehrung unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet worden, womit diese gegen das Transparenzgebot verstoße. Damit sei die Widerrufsfrist des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht angelaufen und der Widerruf fristgerecht und wirksam, sodass sich der Kaufvertrag ebenso in ein Rückgewährverhältnis umgewandelt habe wie der „mit der Beklagten“ geschlossene verbundene Darlehensvertrag.
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Gemäß § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB komme es im Fall des Widerrufs eines verbundenen Vertrags zu einer bilateralen Rückabwicklung zwischen Verbraucher und Darlehensgeber. Die Beklagte zu 2) müsse demnach in die Rechte und Pflichten der Beklagten zu 1) eintreten und habe auch die Anzahlung des Klägers an die Beklagte zu 1) zurückzugewähren.
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Der Kläger habe außerdem Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Kosten für die Einholung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung. Da die Beklagten die Rücknahme ernsthaft und endgültig verweigert hätten, sei auch ein entsprechender Zahlungsantrag begründet; es müsse keine Freistellung beantragt werden. Dem Kläger stehe ferner ein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Geschäftsgebühr zu. Er habe seine Anwälte beauftragt, zunächst außergerichtlich vorzugehen. Nachdem sich „die Beklagte“ in Verzug befunden habe, da sie auf den Widerruf des Käufers hin weder einen Termin zur Rückgabe des Fahrzeugs angeboten noch den bezahlten Kaufpreis zurückgezahlt habe, schulde sie auch Ersatz der Anwaltskosten.
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Zur örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts München I hat der Kläger ausgeführt, für den negativen Feststellungsantrag sei das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Klagepartei ihren Wohnsitz habe; dies folge aus § 29 ZPO. Für Geldschulden aus einem Darlehensvertrag sei der Wohnsitz des Schuldners der Erfüllungsort. Eine abweichende Regelung für den Fall der Geltendmachung des Widerrufs des Darlehensvertrags erscheine künstlich und nicht interessengerecht. Zudem sei der enge Zusammenhang zwischen den Darlehensverbindlichkeiten und den geltend gemachten Ansprüchen des Klägers auch nach erfolgtem Widerruf gegeben. Die Aufteilung der Gerichtsstände für die Geltendmachung der Ansprüche sei nicht interessengerecht, wie verschiedene Oberlandesgerichte bereits entschieden hätten. Auch sei die Rechtsprechung zum Gerichtsstand bei Mängelansprüchen aus dem Kaufvertrag auf Fälle des Widerrufs übertragbar. Bei Widerruf eines verbundenen, der Finanzierung des Erwerbs eines Kraftfahrzeugs dienenden Verbraucherdarlehensvertrags sei damit für die Rückabwicklung des Darlehensvertrags gemäß § 29 ZPO das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Darlehensnehmer seinen Wohnsitz habe, wie mehrere Oberlandesgerichte bereits entschieden hätten. Demnach sei das Landgericht München I örtlich zuständig, da sich die Kaufsache bestimmungsgemäß im Bezirk des angerufenen Gerichts befinde.
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Der Kläger hat folgende Anträge angekündigt:
1. Es wird festgestellt, der zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) am 28.11.2022 geschlossene Kaufvertrag wurde durch Widerruf der Klagepartei in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt, wodurch der mit der Beklagten zu 2) geschlossene mit dem Kaufvertrag verbundene Darlehensvertrag vom 23.01.2023 mit der Nummer K52-2209861 ebenfalls in ein Rückgewährverhältnis umgewandelt wurde so dass der Kläger nicht weiter verpflichtet ist, die Darlehenssumme zurück zu zahlen.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klagepartei die an die YYYGmbH (Beklagte zu 1) geleistete Anzahlung von 250,00 € Bestellgebühr sowie Anzahlung zur Inzahlungnahme in Höhe von 10.000,00 € sowie die an die ZZZ-AG (Beklagte zu 2) bis zum 30.11.2024 geleisteten Darlehensraten in Höhe von 11.262,43 EUR jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe des am 28.11.2022 gekauften [Fahrzeugs X, Model Z] in weiß, Fahrzeug-Ident-Nummer: XP…
3. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, an die Klagepartei die weiterhin seit dem 01.12.2024 gezahlten Darlehensraten in voller Höhe zurück zu zahlen Zug um Zug gegen Herausgabe des am 28. 11. 2022 gekauften [Fahrzeugs X, Model [Z] in weiß, Fahrzeug-Ident-Nummer: XP…
4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 2 näher bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befinden.
5. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klagepartei 2.147,83 € für die Einholung einer Deckungszusage, sowie 1.085,82 € außergerichtliche Gebühren für die außergerichtliche Vertretung, jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise den Kläger von diesen Gebühren freizustellen.
Für den Fall, dass das Gericht davon ausgeht, dass das Fahrzeug nicht in Annahmeverzug begründeter Weise angeboten wurde und somit Ziffer 1 der Klage stattgibt, aber Ziffer 4 der Klage abweisen würde, wird beantragt,
10. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klagepartei nach Rückübereignung des am 28.11.2022 gekauften [Fahrzeugs X, Model Z] in weiß, Fahrzeug-Ident-Nummer: XP…, die an die YYYGmbH geleistete Anzahlung von 250,00 € als Bestellgebühr sowie die Anzahlung zur Inzahlungnahme in Höhe von 10.000,00 € sowie die bis zum 30.11.2024 geleisteten Darlehensraten in Höhe von 11.262,43 EUR jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
11. Die Beklagten werden weiterhin gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klagepartei nach Rückübereignung des am 28.11.2022 gekauften [Fahrzeugs X, Model Z] in weiß, Fahrzeug-Ident-Nummer: XP…, die weiterhin seit dem 01.12.2024 gezahlten Darlehensraten in voller Höhe zurück zu zahlen.
10
Mit Verfügung vom 17. Dezember 2024 hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass Zweifel hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bestünden und angefragt, ob Verweisungsantrag gestellt werde. Beide Beklagte hätten unterschiedliche Firmensitze, die nicht in München belegen seien. Bei der Rückabwicklung eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags sei ein einheitlicher Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers gemäß § 29 ZPO nicht begründet. Vielmehr bleibe es bei der separaten Zuständigkeitsbestimmung für jeden einzelnen Antrag. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) würden von den Kammern des Landgerichts unterschiedliche Rechtsansichten in Bezug auf die örtliche Zuständigkeit vertreten.
11
Die Beklagte zu 1) hat sich in der Klageerwiderung zur Sache geäußert, ohne die örtliche Zuständigkeit zu rügen. Für die Beklagte zu 2) war die Klageerwiderungsfrist im Zeitpunkt der Aktenzuleitung noch nicht abgelaufen.
12
Nach Eingang der Klageerwiderung der Beklagten zu 1), die die Unzulässigkeit und die Unbegründetheit der Klageanträge geltend gemacht hat, hat das Landgericht mit Verfügung vom 20. Januar 2025 ergänzend darauf hingewiesen, dass es den Feststellungsantrag in Ziffer 1 der Klage für unzulässig und die Klage im Übrigen für unbegründet halte. Soweit die Klagepartei auf Seite 4 der Klage ausführe, dass gegenüber der Beklagten zu 1) auch der Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Sachmängeln erklärt worden sei, könne das Gericht hierzu keinen weiteren Sachvortrag finden.
13
Der Kläger hat sich daraufhin mit Schriftsatz vom 31. Januar 2025 an das Oberlandesgericht München gewandt und beantragt, gemäß § 36 ZPO das Landgericht München I in dem unter dem Az. 40 O 15029/24 anhängigen Rechtsstreit als zuständiges Gericht zu bestimmen. Es bestehe weder ein gemeinsamer allgemeiner noch ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand gegenüber den Beklagten, jedenfalls werde ein solcher von beiden bestritten. Auch das angerufene Gericht habe mitgeteilt, dass es nicht für alle Klageansprüche gegen beide Beklagte zuständig sei. Eine Entscheidung des Klageverfahrens durch das Landgericht München I sei die zweckmäßigste und prozessökonomischste Lösung. Im hiesigen Bezirk liege die Kaufsache und das Gericht sei bereits mit der Sache befasst. Auch würden etwaige Verhandlungen im Regelfall per Video oder mit Korrespondenzanwälten geführt, nur die Klagepartei werde häufig persönlich angehört. Das Landgericht München I sei damit das Gericht, bei dem die geringsten Fahrtkosten anfielen und das am nächsten am Ort des streitgegenständlichen Geschehens liege.
14
Nach antragsgemäßer Abgabe des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens an das Bayerische Oberste Landesgericht haben die Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Bestimmungsantrag erhalten. Die Beklagte zu 2) hat ausgeführt, es sei interessengerecht, dass das Landgericht MGB als gemeinsam zuständiges Gericht bestimmt werde. Im Fall der bestehenden Verbundenheit träte die Beklagte zu 2) in die Rückabwicklung der geschlossenen Verträge gemäß § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB ein. Es sei aus anderen Verfahren bekannt, dass sich die Beklagte zu 1) auf ihre fehlende Passivlegitimation berufen werde. Ohnehin sei das Landgericht MGB unter allen denkbaren Gesichtspunkten das zuständige Gericht. Dies gelte auch für den Feststellungsantrag. Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, dass auch sie grundsätzlich an ihrem Sitz zu verklagen sei. Weder ergebe sich aus § 29 ZPO noch aus einer anderen Vorschrift eine hiervon abweichende Zuständigkeit.
15
In einem vom Landgericht im Nachgang zugeleiteten Schriftsatz vom 8. April 2025 hat die Klagepartei ergänzend unter Bezugnahme auf veröffentlichte Rechtsprechung ausgeführt, das Landgericht München I sei gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig, da sich das streitgegenständliche Fahrzeug bestimmungsgemäß am Wohnsitz des Klägers und somit im Bezirk des angerufenen Gerichts befinde und hier auch der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt worden sei. Zudem sei der enge Zusammenhang zwischen den Darlehensverbindlichkeiten und den geltend gemachten Ansprüchen des Klägers auch nach erfolgtem Widerruf weiterhin gegeben, sodass eine Aufteilung der Gerichtsstände für die Geltendmachung der Ansprüche nicht interessengerecht erscheine. Der Widerruf ändere nichts am Zusammenhang der bestehenden Ansprüche und begründe somit weiterhin den Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO am Wohnsitz der klagenden Partei. Der Kläger habe den Kaufvertrag mit Hilfe von Fernabsatzkommunikationsmitteln geschlossen und das Fahrzeug für private Zwecke und somit als Verbraucher erworben.
16
Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts liegen vor.
17
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für die Entscheidung über den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung zuständig, weil die Beklagten ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken haben und daher das gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle entscheidet das Bayerische Oberste Landesgericht, weil ein bayerisches Gericht zuerst mit der Sache befasst worden ist. Gleichgültig ist demgegenüber, dass keiner der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand in Bayern hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2008, X ARZ 105/08, juris Rn. 10 ff.).
18
2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
19
a) Der nach § 37 ZPO erforderlich Antrag („Gesuch“) liegt vor.
20
Der Antrag des Klägers auf Bestimmung des Landgerichts München I wird insoweit lediglich als Anregung verstanden, denn die Auswahl im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO obliegt dem bestimmenden Gericht, das seine Entscheidung nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie trifft. Der Antrag ist der Auslegung zugänglich. Zu berücksichtigen ist, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 16. Mai 2017, XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 14. April 2025, 102 AR 20/25 e, juris Rn. 19 m. w. N.).
21
b) Die Bestimmung des Gerichtsstands nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Vorschrift („… verklagt werden sollen …“) hinaus auch noch in Betracht, wenn gegen alle Beklagten bereits eine Klage vor demselben Gericht erhoben worden ist (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2025, X ARZ 38/25, ZIP 2025, 1350 Rn. 15 m. w. N.).
22
Der Verfahrensstand steht einer Zuständigkeitsbestimmung nicht entgegen. Der Rechtsstreit ist beim Landgericht München I noch nicht so weit fortgeschritten, dass dem bestimmenden Gericht eine echte Auswahl unter den grundsätzlich bestimmbaren Gerichten aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit nicht mehr möglich wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1983, I ARZ 334/83, BGHZ 88, 331 [juris Rn. 9]; BayObLG, Beschluss vom 14. April 2025, 102 AR 20/25 e, juris Rn. 21 m. w. N.).
23
c) Nach dem insoweit allein maßgeblichen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 22. Februar 2024, 102 AR 247/23, NJW-RR 2024, 411 Rn. 18; Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 154/23 e, juris Rn. 20; Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 19; Beschluss vom 28. Oktober 1997, 1Z AR 74/97, NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 36 Rn. 28) Vorbringen des Antragstellers sollen die Antragsgegnerinnen, die ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten haben, als Streitgenossen im Sinne der §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen werden.
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Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich aus dem Vortrag des Klägers in tatsächlicher Hinsicht nachvollziehbar ableiten lässt, dass die behaupteten Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt; Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der gegen die Streitgenossen erhobenen Ansprüche ist nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, MDR 2018, 951 Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 19. Mai 2020, 1 AR 35/20, juris Rn. 19; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 28). Darauf, ob das tatsächliche Vorbringen zutrifft, kommt es im Verfahren auf Zuständigkeitsbestimmung ebenfalls nicht an (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26. April 2002, 1Z AR 30/02, juris Rn. 9; BayObLG NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]).
25
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die gegen beide Beklagten gerichteten Ansprüche werden aus ein und demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet, nämlich dem Kauf eines Fahrzeugs bei der Beklagten zu 1), der teilweise durch den mit der Beklagten zu 2) geschlossenen Darlehensvertragsvertrag finanziert worden sei. Der Kläger behauptet, fristgerecht einen Widerruf beider verbundener Verträge gemäß § 358 Abs. 1 BGB erklärt zu haben. Daneben erwähnt er einen Rücktritt wegen Mängeln des Fahrzeugs, mag der diesbezügliche Vortrag auch sehr pauschal sein. Zentraler und einheitlicher Streitpunkt ist die Frage, ob beide Verträge wegen des Widerrufs (bzw. des behaupteten Rücktritts) des Klägers rückabzuwickeln sind mit der Folge, dass der Kläger keine Darlehensraten mehr schuldet (Klageantrag 1) und die an die Beklagten geleisteten Zahlungen zurückzuerstatten sind (Klageanträge 2 und 3), wobei der Kläger die Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch nimmt. Sämtliche weiteren Anträge einschließlich der Hilfsanträge stützt der Kläger auf ein und denselben Sachverhalt, nämlich auf den behaupteten fristgerechten Widerruf des Kauf- und des Darlehensvertrags bzw. den erklärten Rücktritt. Damit sind sämtliche Anspruchsgründe sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen gleichartig.
26
Auf die Schlüssigkeit der Klage im Übrigen kommt es im Verfahren auf Zuständigkeitsbestimmung nicht an (vgl. BayObLG, Beschluss vom 19. März 2021, 101 AR 15/15 e, juris Rn. 15 m. w. N.).
27
d) Es besteht kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand für die mit dem Rechtsstreit geltend gemachten Klageansprüche.
28
aa) Streitgegenständlich sind Ansprüche im Zusammenhang mit dem Widerruf eines mit einem Kaufvertrag im Sinne von § 358 BGB verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags. Die unter den Land- und Oberlandesgerichten umstrittene Frage, ob in dieser Fallkonstellation alle Ansprüche auf Rückabwicklung an demselben Ort zu erfüllen sind, ist durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 6. Mai 2025, Az. X ARZ 38/25 (ZIP 2025, 1350 Rn. 19 ff.), höchstrichterlich in dem Sinne geklärt, dass es keinen einheitlichen Erfüllungsort für alle Ansprüche auf Rückabwicklung gibt.
29
Der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO bestimmt sich grundsätzlich nach materiellem Recht.
30
Für vertragliche Verpflichtungen regelt § 269 BGB den Leistungsort, der dem Erfüllungsort entspricht. Danach hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz bzw. seine Niederlassung hatte. Etwas anderes gilt nur, wenn die Parteien einen anderen Leistungsort vereinbart haben oder wenn sich aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses, ein abweichender Erfüllungsort ergibt. Danach ist der Leistungsort grundsätzlich auch bei gegenseitigen Verträgen für jede Leistung gesondert zu bestimmen. Dass dies zu unterschiedlichen Gerichtsständen führen kann, ist prinzipiell hinzunehmen.
31
Auf dieser Grundlage liegt der Leistungsort für die im Widerrufsfall geltend gemachte Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen am Sitz der jeweiligen Beklagten.
32
Weder folgt aus der Natur des Schuldverhältnisses etwas anderes noch rechtfertigen rein prozessökonomische Erwägungen eine abweichende Beurteilung. Insbesondere kann die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum einheitlichen Erfüllungsort für Ansprüche aus der Wandelung eines Kaufvertrags nach der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung von § 462 BGB nicht auf den Widerruf von zwei verbundenen Verträgen nach der seit 13. Juni 2014 geltenden Rechtslage übertragen werden. Denn auf den Widerruf sind nicht mehr die Regeln über den gesetzlichen Rücktritt entsprechend anwendbar, die gemäß § 348 BGB eine Erfüllung Zug um Zug vorsehen; vielmehr kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Ware zurückerhalten oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Ware abgesandt hat (BGH ZIP 2025, 1350 Rn. 30; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2022, XI ZR 226/21, juris Rn. 13 m. w. N.).
33
Ebenso wenig führt der im Fall der Ausübung des Widerrufs in § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB geregelte Eintritt des Darlehensgebers in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag zu einem anderen Ergebnis (BGH ZIP 2025, 1350 Rn. 31).
34
bb) Eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I für die auf den Widerruf des Darlehensvertrags gestützten Klageanträge 2 bis 5 und 10 bis 11 ist damit nicht gegeben. Allenfalls für den Klageantrag 1, der nicht nur auf positive, sondern auch auf negative Feststellung gerichtet ist, kommt unter dem Gesichtspunkt der „Spiegelbildtheorie“ am Wohnsitz des Klägers ein besonderer Gerichtsstand nach § 29 ZPO in Betracht. So ist nach ganz überwiegender Ansicht für die negative Feststellungsklage maßgeblich, an welchem Ort die fragliche Leistungspflicht bei Wirksamkeit des Vertrags zu erfüllen wäre (vgl. BayObLG, Beschluss vom 23. Juni 2025, 102 AR 43/25 e, juris Rn. 53 m. w. N.).
35
Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 2) lässt sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2002 (Az. XI ZR 32/99, BGHZ 150, 264) nicht ableiten, dass für eine Klage auf Feststellung, dass ein Verbraucher nach Widerruf eines Darlehensvertrags keine Zahlung mehr schuldet, ein Erfüllungsort an dessen Wohnsitz nicht gegeben sei. Erfüllungsort für die Verpflichtung zur Zahlung einer vertraglichen Verbindlichkeit ist nämlich nicht der Wohnsitz des Schuldners bei Klageerhebung, sondern derjenige zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 24a; BayObLG, Beschluss vom 19. Mai 2020, 1 AR 28/20, Rn. 32). Ein späterer Wohnsitzwechsel ist für den Gerichtsstand des Erfüllungsorts bedeutungslos (OLG München, Beschl. v. 24. April 2017, 34 AR 53/17, juris Rn. 10). Im Fall des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2002 war die Klagepartei bei Abschluss des Darlehensvertrags in H. wohnhaft und nicht im Bezirk des angerufenen Landgerichts M. (BGH BGHZ 150, 264 [juris Rn. 3]). Damit konnte aus § 29 ZPO von vorneherein keine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts M. hergeleitet werden.
36
Selbst wenn für den Klageantrag 1 beim angerufenen Gericht ein gemeinsamer besondere Gerichtsstand nach § 29 ZPO gegeben sein sollte, steht dies einer Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegen. Denn die Regelung in § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stellt darauf ab, dass für „den Rechtsstreit“, mithin für die Klage in ihrem gesamten Umfang ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Daraus folgt, dass der Prüfung sämtliche prozessuale Ansprüche zugrunde gelegt werden müssen, die Streitgegenstand des jeweiligen Rechtsstreits sind, sofern zwischen ihnen – wie vorliegend der Fall – ein Zusammenhang i. S. v. § 60 ZPO oder § 260 ZPO besteht (BGH, Beschluss vom 27. November 2018, X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238 Rn. 21; Beschluss vom 24. Juni 2008, X ARZ 69/08, NJW-RR 2008, 1516 [juris Rn. 13]; Roth in Stein, ZPO, 24. Aufl. 2024, § 36 Rn. 50; Becker in Anders/Gehle, ZPO, 83. Aufl. 2025, § 36 Rn. 19; Toussaint in BeckOK ZPO, 56. Ed. 1. März 2025, § 36 Rn. 15; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 22. Aufl. 2025, § 36 Rn. 18).
37
cc) Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand kann sich auch nicht aus § 29c ZPO ergeben, da dieser auf Fernabsatzverträge nicht anwendbar ist (BayObLG, Beschluss vom 23. Juni 2025, 102 AR 43/25 e, juris Rn. 47 m. w. N.).
38
dd) Aus den dargelegten Gründen kann auch dahinstehen, ob für etwaige – vom Kläger selbst als „nachrangig“ bezeichnete und bislang nicht näher begründete – Ansprüche infolge Rücktritts wegen Mängeln der Kaufsache ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand beim Landgericht München I bestünde.
39
e) Die in der Klageerhebung liegende Wahl des Gerichtsstands (§ 35 ZPO) steht der Zulässigkeit der Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegen, da sich ein gemeinschaftlich bestehender Gerichtsstand am angerufenen Landgericht München I nicht zuverlässig feststellen lässt (vgl. BGH ZIP 2025, 1350 Rn. 38 m. w. N.).
40
3. Als das gemeinsam für den Rechtsstreit (örtlich) zuständige Gericht wird das Landgericht MGB bestimmt.
41
Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat (BayObLG, Beschluss vom 20. Februar 2025, 101 AR 156/24, juris Rn. 18 m. w. N.). Auszuwählen ist im Regelfall eines der Gerichte, an dem einer der Antragsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Besondere Gründe für eine Bestimmung des Landgerichts München I, bei dem keine der beiden Antragsgegnerinnen ansässig ist, als örtlich zuständiges Gericht liegen nicht vor (vgl. hierzu Toussaint in BeckOK ZPO, § 36 Rn. 25). Allein die Tatsache, dass der Kläger beim Landgericht München I Klage erhoben hat und er dort ansässig ist, rechtfertigt die Bestimmung dieses Gerichts als zuständiges Gericht nicht, denn mit den Regelungen über die allgemeinen Gerichtsstände hat der Gesetzgeber eine auch am Gerechtigkeitsgedanken orientierte prozessuale Lastenverteilung vorgenommen (BayObLG, Beschluss vom 30. April 2025, 101 AR 32/25 e, juris Rn. 19; vgl. auch Schultzky in Zöller, ZPO, § 12 Rn. 2; Patzina/Windau in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2025, § 36 Rn. 43).
42
Unter den verbleibenden beiden in Betracht kommenden Gerichten spricht für die Bestimmung des Landgerichts MGB, dass die Beklagte zu 2) als Darlehensgeberin gemäß § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB diejenige Vertragspartnerin ist, gegen die die Rechtsfolgen des Widerrufs grundsätzlich geltend zu machen sind (vgl. auch BGH ZIP 2025, 1350 Rn. 41) und der Schwerpunkt in der Argumentation der Parteien auf Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem erklärten Widerruf liegt. Relevante Einwände gegen die Wahl des Landgerichts MGB hat die in B. ansässige Beklagte zu 1) nicht geltend gemacht.
43
4. Mit dieser Entscheidung geht die Rechtshängigkeit ohne Weiteres auf das bestimmte Gericht über (vgl. BGH ZIP 2025, 1350 Rn. 42; Beschluss vom 20. Oktober 2020, X ARZ 124/20, WM 2021, 40 Rn. 65; BayObLG, Beschluss vom 18. Juni 2024, 101 AR 80/24, juris Rn. 28 m. w. N.).