Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 26.06.2025 – AN 4 E 25.1725
Titel:

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Abstimmungsempfehlung einer Universität und eines Universätsklinikums zu einem kommunalen Bürgerentscheid, Keine Geltung des Neutralitätsgebots, sondern allein des Sachlichkeitsgebots in Bezug auf Bürgebegehren/Bürgerentscheide, Zur Einordnung von Abstimmungsempfehlungen einer Universität und eines Universitätsklinikums zu einem Bürgerentscheid als dem Sachlichkeitsgebot unterliegendes „staatliches Handeln“ (offen gelassen)

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1
GO Art. 18a
Schlagworte:
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Abstimmungsempfehlung einer Universität und eines Universätsklinikums zu einem kommunalen Bürgerentscheid, Keine Geltung des Neutralitätsgebots, sondern allein des Sachlichkeitsgebots in Bezug auf Bürgebegehren/Bürgerentscheide, Zur Einordnung von Abstimmungsempfehlungen einer Universität und eines Universitätsklinikums zu einem Bürgerentscheid als dem Sachlichkeitsgebot unterliegendes „staatliches Handeln“ (offen gelassen)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14987

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Rechtmäßigkeit eines durch die Antragsgegner anlässlich eines kommunalen Bürgerentscheids veröffentlichten Abstimmungsaufrufs.
2
Die Antragsteller sind die vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens „Wohnraum in … und Umgebung erhalten“, über das am 29. Juni 2025 in … im Rahmen eines Bürgerentscheids abgestimmt werden soll. Die Fragestellung lautet:
„Sind Sie dafür, dass die Stadt … für das Gebiet, welches durch …, …, … und … begrenzt wird, alle zulässigen Mittel im eigenen Wirkungskreis einsetzt, um die noch vorhandene Wohnbebauung zu sichern und zu stärken, indem dort, wo bisher nur Wohnnutzung genehmigt wurde, auch in Zukunft nur Wohnnutzung zulässig sein soll?“
3
Die Antragsgegner positionieren sich mit der Kampagne „Stimme mit NEIN am 29. Juni – Deine Gesundheit braucht Raum im Herzen von …“ gegen die Ziele des Bürgerbegehrens und sprechen sich stattdessen für die Nutzung in diesem Gebiet gelegener Gebäude für den Krankenhausbetrieb aus. Die Verbreitung dieses Abstimmungsaufrufs erfolgt auf der durch den Antragsgegner zu 1) betriebenen Internetseite www.buergerbegehren- …de, auf welcher auch das Logo der Antragsgegnerin zu 2) abgebildet ist, sowie durch auf dem Klinikgelände und im öffentlichen Raum angebrachte Plakate und Banner. Ferner wurden auf der Facebook- und auf der Instagramseite des Antragsgegners zu 1) Videos mit dem betreffenden Abstimmungsaufruf veröffentlicht. Des Weiteren wies die kaufmännische Direktion des Antragsgegners zu 1) in einer an alle Klinikbeschäftigten gerichteten E-Mail auf die Internetseite www.buergerbegehren- …de hin. Darüber hinaus werden auf Instagram im Rahmen von Kollaborationen des Antragsgegners zu 1) mit Vertretern der Parteien CSU und SPD Inhalte verbreitet, in denen für den betreffenden Abstimmungsaufruf geworben wird. Für den 27. Juni 2025 lädt der Antragsgegner zu 1) auf seiner Website www.uk- …de zudem zu einem Rundgang über das Klinikgelände mit seinem ärztlichen Direktor sowie dem Oberbürgermeister der Stadt … ein, im Rahmen dessen er über seine Pläne für die künftige Nutzung des Areals informieren will.
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Am 25. Juni 2025 haben die Antragsteller um den Erlass einer einstweiligen Anordnung ersucht, im Rahmen derer sie im Wesentlichen die Unterlassung und Beseitigung des durch die Antragsgegner verbreiteten Abstimmungsaufrufs begehren.
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Zur Begründung machen sie einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Neutralitätsgebot geltend, welches nicht nur für Staatsorgane im engeren Sinne gelte, sondern von sonstigen öffentlich-rechtlich verfassten Institutionen ebenfalls zu beachten sei. Die hiernach geforderte staatliche Neutralität sei auch im Rahmen von kommunalen Bürgerentscheiden zu wahren. Den sich hieraus ergebenden Erfordernissen werde die Kampagne mit dem Aufruf „Stimme mit Nein am 29. Juni“ nicht gerecht, da sie insbesondere keine neutrale Information über die Interessen der Antragsgegner, sondern vielmehr eine einseitige Abstimmungsempfehlung darstelle. Auch in Ton, Gestaltung und Kommunikationsform sei diese deutlich agitierend gehalten. Hierin sei zugleich ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot zu erblicken. Dies gelte insbesondere, soweit die Antragsgegner die Position verträten, der Bürgerentscheid gefährde die medizinische Versorgung in der Region, ihre baulichen Planungen als zwingend notwendig und ohne Alternative darstellten, die Wohnsituation der Auszubildenden pauschal als „unzumutbar“ abwerteten, ohne soziale oder städtebauliche Alternativen auch nur zu erwähnen, und die Initiatoren des Bürgerbegehrens nicht nur verschweigen, sondern indirekt delegitimierten.
6
Die Antragsteller beantragen,
1. Dem Universitätsklinikum … sowie der …Universität … wird untersagt, sich unter Nutzung institutioneller Ressourcen und im Rahmen ihrer Organisationsstruktur öffentlich zur Ablehnung des Bürgerentscheids „Wohnraum in … und Umgebung erhalten“ zu positionieren oder ähnliche Inhalte weiterhin zu verbreiten.
2. Die Antragsgegner werden verpflichtet, unverzüglich folgende Inhalte zu entfernen:
- die Website www.buergerentscheid- …de,
- alle institutionell betriebenen Social-Media-Beiträge zur Kampagne „Stimme mit NEIN“,
- alle Plakatierungen und Banner auf Klinik- und Universitätsgelände und im öffentlichen Raum mit entsprechenden Aussagen,
- sämtliche E-Mail-Kommunikation mit abstimmungsbeeinflussendem Inhalt an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie andere unzulässige Einflussnahmen.
3. Festzustellen, dass die Antragsgegner gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen haben.
4. Die Antragsgegner zu verpflichten, sich bis zur Abstimmung am 29. Juni 2025 jeder weiteren autoritätsgestützten, einseitigen Einflussnahme zu enthalten.
5. Hilfsweise: die Veröffentlichung einer Gegendarstellung durch die Antragsteller auf denselben Kanälen zu gestatten.
7
Die Antragsgegner beantragen sinngemäß
Antragsablehnung.
8
Sie treten dem Vorbringen der Antragsteller entgegen.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Gerichtakte Bezug genommen.
II.
10
Das Gericht legt die durch die Antragsteller wörtlich formulierten, sich inhaltlich teilweise überschneidenden Anträge gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO in sachgerechter Weise dahingehend aus, dass den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben werden soll, die weitere öffentliche Verbreitung der Abstimmungsempfehlung „Stimme mit NEIN am 29. Juni – Deine Gesundheit braucht Raum im Herzen von …“, der hierzu gegebenen Informationen, Stellungnahmen und Veranstaltungshinweise, insbesondere auf den Internetseiten www.buergerentscheid- …de und www.uk- …de, durch im öffentlichen Raum und auf dem Gelände des Universitätsklinikums … angebrachte Plakate und Banner sowie in den Social-Media-Auftritten der Antragsgegner, namentlich auf den Plattformen Instagram und Facebook, zu unterlassen. Ein entsprechendes gerichtliches Unterlassungsgebot ist dabei zugleich auf die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands gerichtet (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2024 – 4 C 24.316 – juris Rn. 9).
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Der so verstandene zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt in der Sache ohne Erfolg und ist daher abzulehnen.
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1. Der Antrag ist zulässig.
13
Er ist statthaft als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Ein in diesem Sinne streitiges Rechtsverhältnis besteht zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens, die darum streiten, ob in der Veröffentlichung und Verbreitung des Abstimmungsaufrufs „Stimme mit NEIN am 29. Juni – Deine Gesundheit braucht Raum im Herzen von …“ durch die Antragsgegner eine Verletzung subjektiver Rechte des durch die Antragsteller vertretenen Bürgerbegehrens zu erblicken ist.
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Die Antragsteller sind analog § 42 Abs. 2 VwGO befugt, den Erlass der einstweiligen Anordnung zu beantragen. Als nach Art. 18a Abs. 4 GO benannte Vertreter sind sie berechtigt, die Rechte des Bürgerbegehrens geltend zu machen. In Art. 18a Abs. 8 Satz 2 GO ist das Recht der Vertreter, gegen die Zurückweisung des Bürgerbegehrens Klage zu erheben, ausdrücklich festgelegt. Darin ist aber keine abschließende Regelung zu sehen, die weitergehende Rechte ausschließen würde. Vielmehr ist den Vertretern des Bürgerbegehrens eine prozessuale Situation eingeräumt, die im übrigen Verfahren des Bürgerbegehrens und Bürgerentscheids zum Tragen kommen kann (BayVGH, B.v. 8.2.1996 – 4 CE 96.420 – BayVBl. 1996, 597).
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2. In der Sache jedoch erweist sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet.
16
Für die Begründetheit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist es erforderlich, dass die Antragsteller sowohl die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung, den sogenannten Anordnungsgrund, als auch den geltend gemachten materiellen Anspruch, den sogenannten Anordnungsanspruch, nach Maßgabe der § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO glaubhaft machen. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht regelmäßig nur vorläufige Entscheidungen treffen und den Antragstellern noch nicht in vollem Umfang das gewähren, was sie nur in einem Hauptsacheverfahren erstreiten könnten. Im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile der Antragsteller unzumutbar und in einem Hauptsachverfahren nicht mehr zu beheben wären sowie ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, die Antragsteller dort also schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würden (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris Rn. 5, 7).
17
Daran fehlt es hier. Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch in Gestalt des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs glaubhaft gemacht. Erst recht kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass den Antragstellern ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung unzumutbare, in einem etwaigen Hauptsacheverfahren nicht mehr zu behebende Nachteile entstünden oder diese dort bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben würden, wie dies für die mit dem vorliegenden Rechtsschutzbegehren gleichsam einhergehende Vorwegnahme der Hauptsache erforderlich wäre.
18
Der allgemein anerkannte öffentlich-rechtliche Anspruch auf zukünftige Unterlassung einer getätigten Äußerung setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist und die konkrete Gefahr der Wiederholung droht (BVerwG, B.v. 11.11.2010 – 7 B 54.10 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 6.7.2012 – 4 B 12.952 – juris Rn. 19).
19
Vorliegend mangelt es bereits an der ersten Voraussetzung eines rechtswidrigen hoheitlichen Eingriffs in eine subjektive Rechtsposition des durch die Antragsteller vertretenen Bürgerbegehrens. Zu dessen Gunsten findet – entgegen der durch die Antragsteller geäußerten Rechtsansicht – das Neutralitätsgebot keine Anwendung (a). Inwieweit die durch die Antragsgegner öffentlich verbreitete Abstimmungsempfehlung „Stimme mit NEIN am 29 Juni – Deine Gesundheit braucht Raum im Herzen von …“ als am Sachlichkeitsgebot zu messendes staatliches Handeln anzusehen sein mag, kann dahinstehen, weil diese den sich hieraus für hoheitliche Äußerungen ergebenden Anforderungen gerecht wird (b).
20
a) Das Bürgerbegehren kann sich nicht auf das von den Antragstellern ins Feld geführte – durch das Bundesverfassungsgericht aus dem Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG und, soweit es um die Chancengleichheit bei Wahlen geht, ferner aus Art. 38 Abs. 1 oder Art. 28 Abs. 1 GG hergeleitete (BVerfG, U.v. 10.7.2014 – 2 BvE 4/13 – juris Rn. 25) – Neutralitätsgebot berufen.
21
Das Neutralitätsgebot als Grenze der Äußerungsbefugnis eines Amtsträgers gilt nur im Verhältnis zu politischen Parteien im Sinne des Art. 21 GG, nicht aber im Verhältnis zu sonstigen politischen Gruppierungen. Das Neutralitätsgebot dient dem Schutz der Chancengleichheit der politischen Parteien. Gegenüber politischen Gruppierungen, die nicht als politische Partei organisiert sind, sich nicht an politischen Wahlen beteiligen und sich in der Regel durch einen vergleichsweise niedrigen Organisationsgrad auszeichnen, besteht hingegen keine vergleichbare Interessenlage. Für die Anwendung des Neutralitätsgebots zugunsten solcher politischer Gruppierungen besteht daher kein Anlass (BVerwG, U.v. 13.9.2017 – 10 C 6.16 – juris Rn. 23, 25). Eine sonstige politische Gruppierung in diesem Sinne stellt auch das durch die Antragsteller vertretene Bürgerbegehren dar, das weder als politische Partei verfasst ist noch an politischen Wahlen teilnimmt. Ferner sind die hieran durch Unterschrift beteiligten Gemeindebürger (vgl. Art. 18a Abs. 6 GO) in ihrer Gesamtheit nicht organisiert (BayVGH, B.v. 8.2.1996 – 4 CE 96.420 – BayVBl. 1996, 597).
22
Auch ist durch die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 19. Januar 1994 (Vf. 89-III-92 u.a. – juris Rn. 87 ff.) geklärt, dass das bei Wahlen für den Staat und die Gemeinden geltende Neutralitätsgebot in Verfahren der Volksgesetzgebung nicht gilt und dass an seine Stelle ein Sachlichkeitsgebot (Objektivitätsgebot) tritt. Das für den Volksentscheid geltende Sachlichkeitsgebot gilt auch für den Bürgerentscheid, denn beide sind vergleichbare Institutionen der direkten Demokratie (BayVGH, B.v. 17.3.1997 – 4 ZB 97.874 – BayVBl. 1997, 435; B.v. 25.9.2009 – 4 CE 09.2403 – juris Rn. 9).
23
b) In der öffentlichen Verbreitung der Abstimmungsempfehlung „Stimme mit NEIN am 29 Juni – Deine Gesundheit braucht Raum im Herzen von …“ kann auch keine zulasten des durch die Antragsteller vertretenen Bürgerbegehrens wirkende Verletzung des Sachlichkeitsgebots erblickt werden.
24
Jedes staatliche Handeln unterliegt dem Sachlichkeitsgebot (BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 – juris Rn. 61). Hiernach müssen Äußerungen staatlicher Stellen den allgemeinen Anforderungen an rechtstaatliches Verhalten in der Ausprägung des Willkürverbots und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen. Hieraus folgt, dass Tatsachenbehauptungen nur rechtmäßig sind, wenn sie sich als wahr erweisen. Werturteile hingegen dürfen nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen, d.h. sie müssen bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen und dürfen den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten. Letzteres bedeutet unter anderem, dass unnötige Zuspitzungen und Übertreibungen zu unterbleiben haben. Dies schließt die Zulässigkeit von Schmähkritik, Formalbeleidigungen und Angriffen auf die Menschenwürde aus (BVerwG, U.v. 29.6.2022 – 6 C 11.20 – juris Rn. 31 m.w.N.).
25
Für die Gemeinden wird das verfassungsrechtliche Sachlichkeitsgebot bei Bürgerentscheiden durch Art. 18a Abs. 15 GO dahingehend ergänzt, dass die im Gemeinderat und von den Vertretern des Bürgerbegehrens vertretenen Auffassungen zum Gegenstand des Bürgerentscheids in Veröffentlichungen und Veranstaltungen der Gemeinde nur im gleichen Umfang dargestellt werden dürfen. Damit ist es den Organen der Gemeinden, darunter auch dem ersten Bürgermeister, verboten, in amtlicher Eigenschaft eine Abstimmungsempfehlung zu geben (BayVGH, B.v. 17.3.1997 – 4 ZE 97.874 – BayVBl. 1997, 435). Die sich aus Art. 18a Abs. 15 GO ergebenden besonderen Sachlichkeitsanforderungen gelten indes nur für die Gemeinde. Vertreter und Unterstützer des Bürgerbegehrens können einseitig in ihrem Sinn informieren und für ihre Sache werben. Gleiches können Private, Parteien oder sonstige Unterstützer, auch gegen die Sache des Bürgerbegehrens (BayVGH, B.v. 8.2.1996 – 4 CE 96.420 – BayVBl. 1996, 597).
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Die Antragsgegner sind vorliegend als nicht an die besonderen Sachlichkeitsanforderungen des Art. 18a Abs. 15 GO gebundene, sonstige Unterstützer in diesem Sinne anzusehen, denen es damit insbesondere offensteht, sich gegen das durch die Antragsteller vertretene Bürgerbegehren zu positionieren, in diesem Sinne öffentlich Werbung zu betreiben und eine entsprechende Abstimmungsempfehlung abzugeben.
27
Inwieweit ein entsprechendes Tätigwerden der Antragsgegner als dem Sachlichkeitsgebot unterliegendes „staatliches Handeln“ angesehen werden kann, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Einerseits weisen die Antragsgegner eine öffentlich-rechtliche Verfassung auf. So stellt der Antragsgegner zu 1), das Universitätsklinikum …, gemäß Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayUniKlinG eine durch den Freistaat Bayern betriebene rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Recht zur Selbstverwaltung dar, welche der …Universität … zugeordnet ist (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayUniKlinG). Bei der Antragsgegnerin zu 2), der …Universität …, handelt es sich gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayHIG um eine staatliche Einrichtung und daneben um eine rechtsfähige Personalkörperschaft des öffentlichen Rechts. Mit Blick auf ihre Stellung als öffentlich-rechtliche Körperschaften ist daher auch eine Grundrechtsbindung der Universitäten gegenüber Dritten grundsätzlich anerkannt (vgl. etwa Hillgruber in BeckOK-GG, 61. Ed. 15.3.2025, Art. 1 Rn. 67). Andererseits stehen wissenschaftliche Forschung und Lehre und nicht der Vollzug hoheitlicher Tätigkeiten im Zentrum der universitären Tätigkeit (Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand: 64. EL August 2024, § 90 Rn. 149). In diesem Bereich können die Universitäten und ihre Fakultäten daher Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sein (vgl. BVerfG, B.v. 16.1.1969 – 1 BvR 316/60 – juris Rn. 21 f. und 31 ff.). Dabei ist in vorliegender Konstellation insbesondere zu sehen, dass die Antragsgegner von dem Bürgerbegehren hier spezifisch betroffen sind, da es in der Sache um die weiteren räumlichen Entwicklungsmöglichkeiten im Umgriff der Bestandsbebauung der innerstädtischen Liegenschaften geht. In der konkreten Interessenssituation sind sie damit betroffen, wie es typischerweise auch Private wären.
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Doch auch wenn die durch den Antragsgegner zu 1) auf der Internetseite www.buergerbegehren- …de, deren Inhalt infolge der darauf erfolgten Anbringung des Logos der Antragsgegnerin zu 2) wohl auch dieser zuzurechnen sein dürfte, auf Plakaten und Bannern sowie in den sozialen Medien öffentlich verbreitete Abstimmungsempfehlung „Stimme mit NEIN am 29. Juni – Deine Gesundheit braucht Raum im Herzen von …“ und die hierzu gegebenen Stellungnahmen und Informationen, am Sachlichkeitsgebot zu messen sind, wahren sie die sich hieraus für Äußerungen staatlicher Stellen ergebenden Schranken. Dabei kann das Gericht namentlich einen agitierenden Charakter der betreffenden Äußerungen, wie die Antragstellerseite diesen anhand von deren Tonfall, Gestaltung und Kommunikationsform ausmachen zu können glaubt, nicht erkennen. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die seitens der Antragsteller in diesem Zusammenhang konkret beanstandeten Äußerungen. Soweit die Antragsgegnerseite von einer Gefährdung der regionalen medizinischen Versorgung durch das Bürgerbegehren warnt, die von ihr verfolgten Planungen als zwingend notwendig und alternativlos darstellt und die Wohnsituation der Auszubildenden als unzumutbar bewertet, handelt es sich um erkennbar durch Elemente des Dafürhaltens und der Stellungnahme geprägte und mithin als Werturteile einzustufende Äußerungen. Wenngleich sich die Antragsgegnerseite mit den Begriffen der Gefährdung, der zwingenden Notwendigkeit und Alternativlosigkeit sowie der Unzumutbarkeit einer deutlichen Sprache bedient, vermag das Gericht hierin – jedenfalls unter Berücksichtigung der nachteiligen Auswirkungen, die sich aus den Zielen des Bürgerbegehrens für den durch die Antragsgegner geplanten Ausbau des Klinikstandorts ergeben – keine mit dem Sachlichkeitsgebot unvereinbaren unnötigen Übertreibungen oder Zuspitzungen zu erkennen. Erst recht kann diesen Äußerungen keine zulasten der Antragsteller und des von ihnen vertretenen Bürgerbegehrens wirkende Schmähkritik entnommen werden. Dem Gericht erschließt es sich zuletzt nicht, auf welcher Grundlage sich vorliegend ein Anspruch der Initiatoren des Bürgerbegehrens auf eine namentliche Erwähnung auf den Internetseiten der Antragsgegner ergeben könnte. Erst recht ist damit nicht nachzuvollziehen, weshalb die unterbliebene Namenswidergabe als Delegitimierung derselben zu werten sein sollte.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO.
30
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Der sich hieraus ergebende Auffangstreitwert wird vorliegend verdoppelt, weil sich der Antrag gegen zwei nicht in Rechtsgemeinschaft stehende Antragsgegner richtet. Daneben macht das Gericht von der Möglichkeit der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Gebrauch, den Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben, weil das vorliegende Verfahren die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt.