Titel:
Abgrenzung von "Tabak zum oralen Gebrauch" und "Kautabak"
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 3 Nr. 4, 5
VwZVG Art. 21a
TabakerzG § 11, § 29 Abs. 2
RL 2014/40 Art. 2 Nr. 6, Nr. 8, Art. 17
BayVwVfG Art. 37
Leitsätze:
1. Bei der Frage, ob ein Produkt zum Kauen bestimmt ist, muss sich die Bestimmung aus dem Produkt selbst ergeben. Es ist weder maßgeblich auf die Angabe des Herstellers noch auf die Meinung der Konsumenten abzustellen. Ausschlaggebend ist vielmehr eine auf das Produkt bezogene objektive Betrachtungsweise. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Snus fällt unter das Verbot des Tabaks zum oralen Gebrauch (folgend EuGH BeckRS 2018, 24927 Rn. 29). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Begriff "Tabakerzeugnisse, die zum Kauen bestimmt sind" bzw. synonym der Begriff "Kautabak", ist eng auszulegen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Tabak zum oralen Gebrauch, Abgrenzung zu Kautabak, Verbot des Inverkehrbringens, Bestimmtheit, Kautabak, Tabakerzeugnisse, „Snus“, Nicotine Pouches, oraler Gebrauch, Konsistenz, Inhaltsstoffe, Darreichungsform, Zwangsgeld
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14971
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 11.960,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege vorläufigen Rechtschutzes gegen ein von der Antragsgegnerin ausgesprochenes Verkehrsverbot für Tabakerzeugnisse.
2
Die Antragstellerin, ein Unternehmen mit Sitz in, betreibt in der *straße * in * * einen Automatenkiosk, in dem die Produkte A* und B* angeboten werden. Über den Instagram-Kanal des Kiosks wurde angekündigt, dass es in naher Zukunft weitere „Snus“-Produkte geben werde. Zuvor waren auch sogenannte Nicotine Pouches verkauft worden; der Verkauf dieser Produkte wurde mittlerweile wieder eingestellt.
3
Mit Gutachten vom 2. Juli 2021 hatte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit das Produkt A* zur Prüfung der Verkehrsfähigkeit begutachtet. Ausweislich der Probenbeschreibung handelt es sich bei dem Produkt um eine braune, leicht feuchte, minimal klebrige und fein zerkleinerte Tabakmischung, die in porösen Portionsbeuteln verpackt ist. Die Portionsbeutel haben eine Länge von ca. 3,5 cm und eine Breite von ca. 1,5 cm und weisen einen Geruch nach Minze (ätherisch) auf. Das Produkt wird als Tabakerzeugnis im Sinn von § 1 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG i.V.m. Art. 2 Nr. 4 RL 2014/40/EU und konkret als Kautabak im Sinn von § 1 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG i.V.m. Art. 2 Nr. 6 RL 2014/40/EU in den Verkehr gebracht. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Produkt aufgrund der Struktur, der Konsistenz und der Verwendungsart um ein verbotenes Tabakprodukt zum oralen Gebrauch handelt, da das Produkt nicht zum Kauen, sondern im Wesentlichen zum Lutschen bestimmt sei. Das Produkt könne daher nicht als „zum Kauen bestimmt“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG i.V.m. Art. 2 Nr. 8 RL 2014/40/EU bzw. als „Kautabak“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG i.V.m. Art. 2 Nr. 6 RL 2014/40/RL eingestuft werden. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen des Gutachtens verwiesen.
4
Der Betreiber des Kiosks wurde durch den zuständigen Lebensmittelkontrolleur der Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass das Inverkehrbringen von Snus in Deutschland verboten sei.
5
Am 4. November 2024 wurde der Betreiber des Kiosks telefonisch angehört. Dieser verwies darauf, dass nach Auskunft seines Franchise-Unternehmens die Produkte nach Anbringen einer Steuerbanderole verkehrsfähig seien. In anderen Städte seien dadurch die Differenzen mit den Behörden ausgeräumt worden. Er erwirtschafte in seinem Kiosk ca. 60% des Umsatzes durch Snus-Produkte. Ohne diese sei der Betrieb des Kiosks wirtschaftlich nicht mehr interessant.
6
Mit Bescheid vom 5. November 2024 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin, in ihrem Ladengeschäft in der *straße, *, das Inverkehrbringen der Tabakerzeugnisse A*, B* sowie alle anderen Sorten von Snus(-ähnlichen)-Produkten bzw. Tabak zum oralen Gebrauch (Ziffer I. des Bescheids). Die sofortige Vollziehung der Ziffer I. des Bescheids wurde angeordnet (Ziffer II.). Weiterhin wurde angeordnet, dass für den Fall, dass die Antragstellerin der unter Ziffer I. genannten Untersagung nach Ablauf eines Tages ab Zustellung des Bescheids zuwiderhandelt, für jede Sorte ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 EUR zur Zahlung fällig werde (Ziffer III.).
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Zur Begründung wird im Bescheid ausgeführt, dass es sich bei den unter I. des Tenors genannten Produkten entgegen der Aufschrift „Chewing Tobacco“ (also Kautabak) auf den Verpackungen gemäß Art. 2 Nr. 8 der EU-Tabakrichtlinie (RL 2014/40/EU) um Tabak zum oralen Gebrauch handele. Tabak zum oralen Gebrauch seien Tabakerzeugnisse, die weder zum Inhalieren noch zum Kauen bestimmt seien, sondern ganz oder teilweise aus Tabak bestehen und in Pulver- oder Granulatform oder in einer Kombination aus beiden Formen, insbesondere in Portionsbeuteln oder porösen Beuteln angeboten werden. Bei den genannten Tabakprodukten seien in kleinen Dosen mehrere poröse oder zumindest (wasser) durchlässige Cellulosebeutel mit extrem kleingeschnittenem oder gar pulver- oder pastenförmigem Tabak und weiteren geschmackgebenden Inhaltsstoffen enthalten. Der Europäische Gerichtshof habe mit Urteil vom 17. Oktober 2018 (C-425/17) entschieden, dass nur die Tabakerzeugnisse zum Kauen bestimmt seien, die ihre wesentlichen Inhaltsstoffe im Mund nur durch Kauen freisetzen könnten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs betreffe das Verbot des Inverkehrbringens von Tabak zum oralen Gebrauch unter anderem Lutschtabak des Typs Snus und somit Erzeugnisse, die als feingemahlener oder geschnittener Tabak beschrieben werden können, der lose oder in kleinen Portionsbeuteln verkauft und zum Konsum zwischen Zahnfleisch und Lippe geschoben wird. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit habe in den letzten vier Jahren zahlreiche SnusProdukte untersucht und sei bei allen Untersuchungen ausnahmslos zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um Tabak zum oralen Gebrauch handele, der nicht gekaut werden müsse, um die wesentlichen Inhaltsstoffe Nikotin und Aromastoffe zu lösen. Unter den beprobten Produkten habe sich auch A* befunden. Die Eigenschaft von „Tabak zum oralen Gebrauch“ sei aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse bei allen gleichartigen Produkten, die lose oder in Cellulosebeuteln stark zerkleinerte Tabakbestandteile enthalten, als sicher festgestellt – unabhängig von welchem Fabrikanten und aus welchem Mitgliedstaat sie stammten. Der Verkauf von Tabak zum oralen Gebrauch bzw. Snus sei nach § 11 TabakerzG verboten. Eine Herstellung der Verkehrsfähigkeit durch das Anbringen einer Steuerbanderole sei nicht möglich und nicht nötig, da diese Art von Tabakerzeugnissen auf dem deutschen Markt nicht gehandelt werden dürften. Gemäß § 29 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 TabakerzG würden die zuständigen Marktüberwachungsbehörden die erforderlichen Maßnahmen treffen, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass ein Erzeugnis nicht den Anforderungen dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes entspricht. Insbesondere würden sie dazu ermächtigt, das Inverkehrbringen von solchen Erzeugnissen zu verbieten. Da sich bei den beanstandeten Produkten nicht um Kautabak, sondern um Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch handele, sei das Inverkehrbringen deutschlandweit verboten. Der Behörde stehe in diesem Fall kein Entschließungsermessen zu. Das Auswahlermessens sei mit dem Verbot des weiteren Verkaufs korrekt ausgeübt worden. Das Verbot sei geeignet, erforderlich und angemessen. Insbesondere liege kein unverhältnismäßiger oder rechtswidriger Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit vor, wenn ein gesetzeswidriges Verhalten eines Unternehmers unterbunden werde. Eine Rücknahme oder gar ein Rückruf sei nicht erwogen worden. Die Einzelinteressen der Antragstellerin an der Gewinngenerierung und der Steigerung des Umsatzes sei gering zu werten. Die Adressatin vertreibe neben den betroffenen Tabakerzeugnissen auch weitere Lebensmittel, Tabakerzeugnisse und Bedarfsgegenstände, sodass eine künftige Umsatzgenerierung zur Aufrechterhaltung des Betriebs zu erwarten sei. Die Einhaltung des Tabakerzeugnisgesetzes, die von allen Gewerbetreibenden erwartet werden müsse, sei stärker zu gewichten als das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin.
8
Der Sofortvollzug sei im überwiegenden öffentlichen Interesse angeordnet worden. Die Interessenabwägung ergebe, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der tabakrechtlichen Vorschriften Vorrang gegenüber den Interessen der Antragstellerin an Gewinnerzielung und Umsatzsteigerung einzuräumen sei. Das Risiko, dass vor allem junge Erwachsene mit dem vermeintlich harmlosen, weil rauchfreien und mit schmackhaften Aromastoffen angereicherten SnusBeutelchen in den Tabakkonsum einsteigen und nikotinsüchtig werden, sei sehr groß. Bis zum endgültigen Urteilsspruch könne eine Vielzahl von Konsumenten gewonnen werden. Im Übrigen würde sich die Antragstellerin auch einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber allen rechtschaffenden Gewerbetreibenden verschaffen. Die Androhung des Zwangsmittels Zwangsgeld stütze sich auf Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 VwZVG. Da der Geschäftsführer der Antragstellerin sich nicht dazu bereit erklärt habe, die Produkte aus dem Handel zu nehmen, sei davon auszugehen, dass ohne Zwangsmittelandrohung die Produkte weiterhin verkauft würden. Die Höhe des Zwangsgeldes sei nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses am Weiterverkauf der Produkte festgesetzt worden. Die Fristsetzung sei angemessen, weil die Entfernung der betroffenen Produkte aus den Verkaufsräumen innerhalb eines Tages nach Erhalt des Bescheids billigerweise zuzumuten sei.
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Gegen den Bescheid hat die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten am 3. Dezember 2024 Klage erhoben (Az. Au 9 K 24.2991), über die noch nicht entschieden wurde.
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Ebenfalls am 3. Dezember 2024 ließ die Antragstellerin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen und beantragen,
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die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen die Verfügung der Antragsgegnerin, mit der das Inverkehrbringen der Tabakerzeugnisse A*, B*, sowie alle anderen Sorten von Snus(-ähnlichen)-Produkten bzw. Tabak zum oralen Gebrauch untersagt wird, wiederherzustellen.
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Die Antragstellerin macht geltend, die Anordnung der sofortigen Vollziehung entspreche nicht den Anforderungen aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 1 VwGO, da die Begründung nicht darlege, inwiefern ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung bestehe. Soweit die Verfügung auf „alle anderen Sorten von Snus(-ähnlichen)-Produkte bzw. Tabak zum oralen Gebrauch“ verweise, habe sie bereits keinen vollstreckbaren Inhalt. Den Begriff „Snus“ gebe es in der deutschen Sprache nicht. Die Verfügung untersage unter wörtlicher Wiederholung des Gesetzeswortlauts das Inverkehrbringen von Tabak zum oralen Gebrauch und umfasse somit auch Kautabak, der jedoch nicht unter die Verbotsnorm des § 11 TabakerzG falle. Da ein Verstoß gegen die Verbotsnorm des § 11 TabakerzG bei vorsätzlicher Begehung strafbewehrt ist, sei das Bestimmtheitsgebot zu beachten. Die Antragsgegnerin verweise nur beim Produkt A* auf eine Beprobung durch das LGL. Es sei daher darauf zu schließen, dass für das Produkt B* keine Proben genommen wurden. Das Produkt B* sei als „Chewing Tobacco“, also als Kautabak gekennzeichnet und unterfalle nicht dem Verbot des Inverkehrbringens. Die Antragsgegnerin lege sich nicht fest, welche Konsistenz das Produkt aufweise (klein geschnittener, oder pulver- oder pastenförmiger Tabak). Nur Tabak in Pulver- oder Granulatform oder in einer Kombination aus beiden Formen erfülle den Tatbestand des Art. 2 Nr. 8 der RL 2014/40/EU (Tabak zum oralen Gebrauch). Es gebe keine gefestigte Rechtsprechung zur Konsistenz der Produkte. Die Rechtsprechung dürfe das aber auch nicht festlegen, weil sie dann zum Gesetzgeber werde. Die Produkte würden aus geschnittenen und gesoßten Tabakblättern bestehen und würden deshalb nicht unter das Verkehrsverbot fallen. Aus dem Urteil des EuGH vom 16. Juli 2015 sei zu schließen, dass es maßgeblich auf die Konsistenz des Tabak ankomme. So sei in Dänemark der Verkauf von losem Snus weiterhin erlaubt. Zwischen Kautabak und Tabak zum oralen Gebrauch müsse unterschieden werden, es komme nicht allein auf die Freisetzung von Nikotin, sondern auf die Freisetzung der „wesentlichen Inhaltsstoffe“ an, zu diesen gehörten auch die Aromastoffe. Feststellungen dazu, welche Aromastoffe enthalten und freigesetzt werden, seien nicht getroffen worden. Gleiches gelte für die Frage, ob und welche Nikotinmenge freigesetzt wird. Durch die Bezeichnung „Chewing Bag“ habe der Hersteller das Produkt zum Kauen bestimmt. Die Abgrenzung von „Kautabak“ zu „Tabak zum oralen Gebrauch“ sei entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht höchstrichterlich geklärt. Die Verkehrsfähigkeit könne nicht allein daran gemessen werden, ob das Erzeugnis an sich nur gekaut konsumiert werden könne. Auch klassischer Kautabak werde nicht gekaut, sondern allenfalls angekaut. Der klassische Kautabak sei kein Tabak zum oralen Gebrauch im Sinne der Definition des Art. 2 Nr. 8 der Richtline 2014/40/EU. Es sei ein Erzeugnis, das (auch) zum Kauen bestimmt sei, ebenso wie die streitgegenständlichen Produkte. Die Antragsgegnerin und das LGL würden den Begriff „Snus“ in einer Art und Weise verwenden, ohne sich seiner Historie bewusst zu sein. Den Gattungsbegriff „Snus“ gebe es in der deutschen Sprache nicht. In der dänischen, schwedischen und norwegischen Sprache bedeute der Begriff Schnupftabak. Würde man den Beutel schwedischer Snus aufschneiden, würde man pulverförmigen Tabak erhalten, der – wie Schnupftabak – durch die Nase konsumiert werden könne. Die streitgegenständlichen Produkte würden sich nicht nasal konsumieren lassen. Es komme daher maßgeblich auf die Konsistenz des Produkts an. Auch komme der Bezeichnung des Produkts durch den Hersteller indizielle Wirkung zu der Frage zu, wie das Produkt zu konsumieren sei. Nach der Auffassung des OVG Hamburg komme es auch darauf an, welche weiteren wesentlichen Inhaltsstoffe auf welche Art des Konsums freigesetzt werden. Hierzu habe das LGL nach eigener Aussage keine Untersuchungen angestellt. Ein Gutachten, das allein das Maß der Nikotinexposition nach 60 Minuten bestimme, lasse keinen Schluss zu, wie sich das Produkt in der allein maßgeblichen Konsumentenerwartung verhalte. Kein Konsument werde die streitgegenständlichen Produkte 60 Minuten im Mund halten. Das Interesse der Antragstellerin auf freien Waren- und Wirtschaftsverkehr überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit.
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Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Anordnung auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 TabakerzG sei rechtmäßig, da es sich bei den genannten Erzeugnissen um Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch handele, die nach § 11 TabakerzG nicht in den Verkehr gebracht werden dürften. Der EuGH habe durch Urteil vom 17. Oktober 2018 (C-425/17 – BeckRS 2018, 24927 Rn. 29) klargestellt, dass das in Art. 17 der RL 2014/40 errichtete Verbot des Inverkehrbringens von Tabak zum oralen Gebrauch unter anderem Lutschtabak des Typs Snus betreffe. Dieses Erzeugnis könne als „fein gemahlener oder geschnittener Tabak, der lose oder in kleinen Portionsbeuteln verkauft und zum Konsum zwischen Zahnfleisch und Lippe geschoben wird“ beschrieben werden. Folglich sei die Schlussfolgerung des LGL richtig, dass es sich bei den streitgegenständlichen Produkten um „Lutschtabak des Typs Snus“ handele. Eine explizite Einordnung der Produkte als Pulver, Granulat oder in deren Kombination könne dahinstehen. Dass das Produkt “B*“ bislang noch nicht begutachtet worden sei, könne dahinstehen, da es sich auch bei diesem Produkt um eine braune, leicht feuchte und fein zerkleinerte Tabakmischung in porösen Portionsbeuteln verpackt handele. Auch sei nicht praxistauglich, Produkte, bei denen es sich offensichtlich um „Snus“ handele, weiter im Verkauf zu belassen, nur weil zu dem Produkt noch kein Gutachten des LGL vorliege. Die Anzahl der vom LGL begutachteten Produkte steige zwar stetig, allerdings würden Produkte, die eindeutig der Kategorie „Snus“ zuzuordnen sein, teils unter neuem Namen auf den Markt gebracht, um so die bereits erfolgte Beprobung zu umgehen. Bei den streitgegenständlichen Produkten handele es sich nicht um Schnupftabak, da diese nicht zum Schnupfen geeignet seien. Die Kennzeichnung als „Chewing Tobacco“ lasse keinen Rückschluss auf die Beschaffenheit des Produkts zu. Bei den streitgegenständlichen Produkten handele es sich nach bereits vergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung eindeutig nicht um Kautabak. Die Anordnung sei auch hinreichend bestimmt formuliert. Dies sei aus der Perspektive eines objektiven, verständigen Adressaten zu beurteilen. Es könne unterstellt werden, dass dem Geschäftsführer der Antragstellerin, mit dem die streitgegenständliche Thematik bereits vor Erlass des Verwaltungsakts ausführlich diskutiert worden sei, bekannt sei, was unter dem Begriff “Snus“ und „Snusähnliche“ Produkte zu verstehen sei. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei ausreichend begründet. Ein sofortiges Einschreiten sei zur Gewährleistung eines möglichst hohen Gesundheitsschutzniveaus geboten gewesen. Diesem sei Vorrang vor den Interessen der Antragstellerin an Gewinnerzielung oder Umsatzsteigerung zu gewähren. Es bestehe die Gefahr, dass vor allem junge Erwachsene mit den vermeintlich harmlosen und mit schmackhaften Aromastoffen angereicherten Snus-Produkten in den Tabakkonsum einsteigen würden.
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Ergänzend wurde auf eine rechtsgutachterliche Stellungnahme des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 8. Juni 2023 zur Verkehrsfähigkeit von „Chew Bags“ und eine Stellungnahme des LGL hierzu vom 13. Dezember 2024 verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachund Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die von der Antragsgegnerin vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 3. Dezember 2024 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. November 2024 (Az.: Au 9 K 24.2991) hat keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer fristgerecht erhobenen Klage hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Ziffer I. des Bescheids vom 5. November 2024, in der der Antragstellerin untersagt wurde, die Tabakerzeugnisse A*, B*, sowie alle anderen Sorten von Snus (-ähnlichen)-Produkten bzw. Tabak zum oralen Gebrauch in den Verkehr zu bringen.
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Der Antrag ist auch bezüglich der Zwangsmittelandrohung in Ziffer III. des Bescheids statthaft, da diese nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist.
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2. Der Antrag ist in der Sache jedoch unbegründet.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes entfällt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Das Gericht prüft bei ersterem, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind, und trifft im Übrigen jeweils eine eigene Abwägungsentscheidung. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Bleibt das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen. Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache hingegen voraussichtlich Erfolg, so ist dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Wenn sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dagegen weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung feststellen lässt, hängt der Ausgang des Verfahrens vom Ergebnis einer vom Gericht vorzunehmenden weiteren Interessenabwägung ab (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 10 CS 14.2244 – juris).
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a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer II. des streitgegenständlichen Bescheids ist formell rechtmäßig.
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Soweit die Behörde die sofortige Vollziehung ausdrücklich angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend erweist; ist das nicht der Fall, hat das Gericht die Vollziehungsanordnung ohne weitere Sachprüfung aufzuheben, nicht jedoch die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wiederherzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2013 – 10 CS 13.1782 – juris).
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Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55). Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt aus § 80 Abs. 1 VwGO auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2000 – 10 CS 99.3290 – juris Rn. 16). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind.
27
Diesen Vorgaben wird die streitgegenständliche Begründung des Sofortvollzugs gerecht. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist mit einer hinreichenden Begründung versehen, mithin also formell rechtmäßig. Die Antragsgegnerin begründet die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit dem Gesundheitsrisiko, dass vor allem junge Erwachsene durch den Konsum der vermeintlich harmlosen, rauchfreien und mit schmackhaften Aromastoffen angereicherten SnusBeutelchen in den Tabakkonsum einsteigen und nikotinsüchtig werden. Der Einhaltung der tabakrechtlichen Vorschriften sei Vorrang gegenüber den Interessen der Antragstellerin (Gewinnerzielung, Umsatzsteigerung) einzuräumen. Auch verschaffe sich die Antragstellerin gegenüber anderen Gewerbetreibenden einen wettbewerbsrechtlichen Vorteil.
28
Ausweislich der Begründung des Sofortvollzugs ist sich die Antragsgegnerin der Ausnahme der Anordnung der sofortigen Vollziehung somit bewusst geworden und hat einzelfallbezogen ausgeführt, warum sie im vorliegenden Fall dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug der streitgegenständlichen Maßnahme gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage Vorrang eingeräumt hat. Mit Blick darauf, dass an den Inhalt der schriftlichen Begründung des Sofortvollzugs keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind, genügt die Begründung des Sofortvollzugs vorliegend den Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Eine Aufhebung der Anordnung des Sofortvollzugs aus formellen Gründen war daher nicht veranlasst. Ob die behördliche Begründung inhaltlich zutreffend ist, ist im Rahmen der Prüfung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unerheblich.
29
b) Das streitgegenständliche Verbot die Tabakerzeugnisse A*, B* sowie alle anderen Sorten von Snus (-ähnlichen)-Produkten bzw. Tabak zum oralen Gebrauch in den Verkehr zu bringen ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das öffentliche Interesse und das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung der Anordnung überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
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aa) Die Anordnung ist formell rechtmäßig. Die Antragsgegnerin war zum Erlass sachlich nach § 27 Abs. 1 Satz 1 TabakerzG, Art. 1 Abs. 2 Nr. 5, Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Gesetz über den gesundheitlichen Verbraucherschutz und das Veterinärwesen (GVVG) vom 24. Juli 2003 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Bayerische Gemeindeordnung (BayGO) und nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG örtlich zuständig. Auch wurde die Antragstellerin bezüglich der streitgegenständlichen Anordnung angehört. Darüber hinaus sind keine formellen Fehler vorgetragen oder ersichtlich.
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bb) Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
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Maßgebliche Beurteilungsgrundlagen für die Rechtmäßigkeit des von der Antragsgegnerin als Dauerverwaltungsakt ausgesprochenen Verbots, die streitgegenständlichen Produkte in den Verkehr zu bringen, sind die Bestimmungen des TabakerzG vom 4. April 2016 (BGBl. I 2016, 569) und der TabakerzV vom 27. April 2016 (BGBl. I 2016, 980) in Kraft getreten jeweils am 20. Mai 2016, die die ab dem 19. Mai 2014 geltende RL 2014/40/EU (EU-Tabak-Richtlinie) in nationales Recht umsetzen (vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2022 – 20 CS 22.530 – juris Rn. 26; OVG NW, U.v. 22.1.2008 – 13 A 3308/03 – juris Rn. 22)
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(1) Nach § 29 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 TabakerzG treffen die Marktüberwachungsbehörden die erforderlichen Maßnahmen, wenn sie den begründeten Verdacht haben, dass ein Erzeugnis nicht die Anforderungen dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erfüllt. Sie sind insbesondere befugt zu verbieten, dass ein Erzeugnis in den Verkehr gebracht wird. § 29 Abs. 2 Satz 1 TabakerzG verpflichtet die zuständige Behörde, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen. Sie hat dabei kein Entschließungsermessen. Es steht ihr jedoch ein Auswahlermessen zu, welche von verschiedenen zulässigen Maßnahmen sie trifft.
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Die Voraussetzungen zum Einschreiten der Antragsgegnerin liegen vor. Nach § 11 TabakerzG, der Art. 17 der RL 2014/40/EU in deutsches Recht umsetzt, ist es verboten, Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch in den Verkehr zu bringen. Da es sich bei den beanstandeten Produkten um Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch i.S.v. Art. 2 Nr. 8 der RL 2014/40/EU, der nach § 1 Nr. 1 TabakerzG auch im Anwendungsbereich des TabakerzG Anwendung findet, handelt, findet die streitgegenständliche Untersagungsverfügung ihre Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 4 i.V.m. § 11 TabakerzG.
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Nach der Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 1 Nr.1 TabakerzG i.V.m. Art. 2 Nr. 8 RL 2014/40/EU fallen unter den Begriff „Tabak zum oralen Gebrauch“ alle Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch – mit Ausnahme von Erzeugnissen, die zum Inhalieren oder Kauen bestimmt sind –, die ganz oder teilweise aus Tabak bestehen und die in Pulver- oder Granulatform oder in einer Kombination aus beiden Formen, insbesondere in Portionsbeuteln oder porösen Beuteln, angeboten werden. In Abgrenzung dazu ist in Art. 2 Nr. 6 RL 2014/40/EU bestimmt, dass es sich bei „Kautabak“ um ein rauchloses Tabakerzeugnis handelt, das ausschließlich zum Kauen bestimmt ist. Während Tabak zum oralen Gebrauch unter das Verkehrsverbot nach § 29 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 4 i.V.m. § 11 TabakerzG fällt, ist Kautabak nicht von einem allgemeinen Verkaufsverbot betroffen.
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Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handelt es sich bei den beanstandeten Produkten nicht um verkehrsfähigen Kautabak. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist Art. 2 Nr. 8 i.V.m. Art. 2 Nr. 6 der RL 2014/40/EU dahingehend auszulegen, dass zum Kauen bestimmte Tabakerzeugnisse im Sinne dieser Bestimmungen nur solche Tabakerzeugnisse sind, die nur gekaut konsumiert werden können, was vom nationalen Gericht anhand aller relevanten objektiven Merkmale der betreffenden Erzeugnisse wie ihrer Zusammensetzung, ihrer Konsistenz, ihrer Darreichungsform und ggf. ihrer tatsächlichen Verwendung durch die Verbraucher zu beurteilen ist. Bei der Frage, ob ein Produkt zum Kauen bestimmt ist, muss sich die Bestimmung aus dem Produkt selbst ergeben. Es ist weder maßgeblich auf die Angabe des Herstellers noch auf die Meinung der Konsumenten abzustellen. Ausschlaggebend ist vielmehr eine auf das Produkt bezogene objektive Betrachtungsweise (vgl. VG Augsburg, U.v. 28.7.2015 – Au 1 K 14.1563 – juris Rn. 14).
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Ein Unterschied zwischen Kautabak und einem Tabakerzeugnis, das zum Kauen bestimmt ist, besteht nicht, so dass Kautabak i.S.v. Art. 2 Nr. 6 RL 2014/40/EU gleichbedeutend ist mit einem Tabakerzeugnis, das zum Kauen bestimmt ist, i.S.v. Art. 2 Nr. 8 RL 2014/40/EU. Der Europäische Gerichtshof hat auch ausdrücklich festgestellt, dass Snus unter das Verbot des Tabaks zum oralen Gebrauch fällt. Snus könne als „fein gemahlener oder geschnittener Tabak, der lose oder in kleinen Portionsbeuteln verkauft und zum Konsum zwischen Zahnfleisch und Lippe geschoben wird“ beschrieben werden (vgl. EuGH, U.v. 17.10.2018 – C-425/17 – juris Rn. 29). Wie den Bildern in der Gerichtsakte und der Beschreibung der streitgegenständlichen Produktart durch die Antragstellerin entnommen werden kann, handelt es sich bei den streitgegenständlichen Produkten genau um diese vom EuGH beschriebene Art eines Tabakerzeugnisses. Auf die Bezeichnung des Herstellers auf der Verpackung oder die Bedeutung des Wortes „Snus“ in unterschiedlichen Sprachen kommt es für die Einstufung des Produkts nicht an. Gleiches gilt für die Konsistenz des Tabaks in dem Portionsbeutel. Der Portionsbeutel ist nicht darauf ausgerichtet, gekaut zu werden, sondern er wird lediglich im Mundraum gehalten, damit die Wirkstoffe des Tabaks gelöst werden. Eine Aussage, dass es auf die Quantität oder den Anteil der extrahierbaren Menge der wesentlichen Inhaltsstoffe ankomme, lässt sich der Rechtsprechung des EuGH nicht entnehmen (vgl. auch BayVGH, U.v. 10.10.2019 – 20 BV 18.2231 – juris Rn. 40). Im Hinblick auf die Zielsetzung der RL 2014/40/EU, im Gesundheitsbereich angesichts der besonders schädlichen Wirkungen von Tabakerzeugnissen auf die menschliche Gesundheit ein hohes Schutzniveau zu erreichen, ist der Begriff „Tabakerzeugnisse, die zum Kauen bestimmt sind“ bzw. synonym der Begriff „Kautabak“, eng auszulegen. Dies folgt auch aus Erwägungsgrund 9 der RL 2014/40/EU, wonach für Tabakerzeugnisse, die unter verschiedene Erzeugniskategorien fallen, bei denen unterschiedliche Anforderungen gelten, die strengeren Anforderungen gelten sollen. Da Kautabak von dem generellen Verbot, „Tabak zum oralen Gebrauch“ in den Verkehr zu bringen, ausnahmsweise ausgenommen ist, entspricht diese Auffassung auch dem allgemeinen juristischen Verständnis, wonach Ausnahmebestimmungen grundsätzlich eng auszulegen sind.
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Auch das Bundesverwaltungsgericht kam unter Heranziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem Ergebnis, dass hinreichend geklärt sei, nach welchen Kriterien ein oral zu konsumierendes Tabakerzeugnis als Kautabak angesehen werden kann. Kautabak sei in Art. 2 Nr. 6 der RL 2014/40/EU als rauchloses Tabakerzeugnis definiert, das ausschließlich zum Kauen bestimmt ist. „Lutschtabak“ wie etwa „Snus“, der zum Konsum zwischen Zahnfleisch und Lippe geschoben wird, sei von dem Verbot des Inverkehrbringens von Tabak zum oralen Gebrauch nach Art. 17 der RL 2014/40/EU erfasst. Dies gelte auch dann, wenn dieser zur Umgehung des bestehenden Verbots als Kautabak vermarktet wird. Ob die Inhaltsstoffe des Erzeugnisses durch Kauen in größerer Menge freigesetzt werden als durch bloßes Im-Mund-Halten, ist für die Ermittlung der Gebrauchsbestimmung nicht maßgeblich. Der EuGH habe auf dieses Kriterium für die Abgrenzung zwischen Kau- und Lutschtabak nicht abgestellt (vgl. BVerwG, B.v. 12.5.2020 – 3 B 5.20 – juris Rn. 9 und 11).
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Die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des OVG Hamburg vom 7. Mai 2021 (5 Bs 178/20) vermag dem gegenüber nicht zu überzeugen. Die dort unter Bezugnahme der soeben zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 2020 (3 B 5.20) geäußerte Auffassung, für die Abgrenzung von (verkehrsfähigem) „Kautabak“ zu (nicht verkehrsfähigem) „Tabak zum oralen Gebrauch“ (Lutschtabak) sei es maßgeblich, ob die wesentlichen Inhaltsstoffe des jeweiligen Produkts bereits dann in einer für den Konsum wesentlichen Menge freigesetzt werden, wenn es lediglich im Mund gehalten wird, oder ob dies erst geschieht, wenn es gekaut wird, lässt sich der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gerade nicht entnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht führt vielmehr aus, dass ein Produkt nicht zum (zulässigen) Kautabak wird, wenn das Kauen die Menge der freigesetzten Stoffe deutlich erhöht. Ob die Inhaltsstoffe des Erzeugnisses durch Kauen in größerer Menge freigesetzt werden als durch bloßes Im-Mund-Halten, sei für die Ermittlung der Gebrauchsbestimmung nicht maßgeblich (vgl. BVerwG, B.v. 12.5.2020 – 3 B 5.20 – juris Rn. 11; so auch BayVGH, U.v. 10.10.2019 – 20 BV 18.2231 – juris Rn. 48).
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Angesichts der Tatsache, dass der Begriff des Tabakerzeugnisses, das zum Kauen bestimmt ist, eng auszulegen ist, und die streitgegenständlichen Produkte nach Konsistenz, Darreichungsform, Inhaltsstoffen und Verwendung (bloßes Einlegen in den Mundraum) nicht als Kautabak qualifiziert werden können, genügt dies für die Feststellung, dass die streitgegenständliche Produktgruppe nicht zum Kauen bestimmt ist i.S.v. Art. 2 Nr. 8 der RL 2014/40/EU. Es handelt sich damit um „Tabak zum oralen Gebrauch“ und somit um ein nicht verkehrsfähiges Tabakerzeugnis i.S.v. § 11 TabakerzG.
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Das Anbringen einer Steuerbanderole führt demgegenüber nicht zur Verkehrsfähigkeit des Produkts, da dies lediglich die Einhaltung steuerrechtlicher Vorschriften sichert. Es hat nicht zur Folge, dass dadurch einem aufgrund seiner Beschaffenheit und seiner konkreten Verwendung nicht verkehrsfähigen Produkt zur Verkehrsfähigkeit verholfen wird.
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Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass für jedes einzelne Produkt ein Gutachten erstellt wurde. Ausreichend ist, dass die beanstandete Produktkategorie durch die zuständige Fachbehörde, hier das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, begutachtet wurde. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass es bei der Beurteilung, ob es sich um nicht verkehrsfähigen „Tabak zum oralen Gebrauch“ oder verkehrsfähigen „Kautabak“ handelt, nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts auf die konkret extrahierbare Menge der wesentlichen Inhaltsstoffe, die nur durch Kauen freigesetzt werden können, nicht ankommt.
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(2) Die streitgegenständliche Anordnung ist auch hinreichend bestimmt.
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Ein Verwaltungsakt ist inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn der Inhalt der von der Behörde getroffenen Regelung für die Beteiligten i.S.v. Art. 13 BayVwVfG, insbesondere für den oder die Adressaten des Verwaltungsakts so klar und eindeutig erkennbar ist, dass sie ihr Verhalten danach richten können und der Bescheid darüber hinaus geeignet ist, Grundlage für Maßnahmen einer zwangsweisen Durchsetzung zu sein. Es reicht, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung und den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen, unzweifelhaft erkennen lässt. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Inhalt des Verwaltungsakts allein aus dem Anordnungssatz präzise ergibt. Der Maßstab ergibt sich aus den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts. Die Anforderungen dürfen nur so hochgesteckt werden, dass sie bei normalem, dem Sachverhalt angemessenem Verwaltungsaufwand noch verfügbar bleiben. Die Erkennbarkeit des Inhalts der Regelung ist aufgrund einer Auslegung des Verwaltungsakts entsprechend §§ 133,157 BGB ausgehend vom Wortlaut unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glauben zu ermitteln.
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Unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien ist die Anordnung ausreichend bestimmt. Der Antragstellerin, ein Tabakunternehmen, sind die Kategorien Snus, Lutschtabak oder Nicotine Pouches und die Abgrenzungsfragen zur Kategorie Kautabak bekannt. Bei Verwendung der Bezeichnung „snus(ähnliche)-Produkte“ ist vor dem Hintergrund der Fachkenntnis der Antragstellerin und unter Heranziehung der Begründung des Bescheids für diese erkennbar, welche Produkte von dem streitgegenständlichen Verbot umfasst sind. Aufgrund der Legaldefinition von „in Verkehr bringen“ in Art. 2 Nr. 40 RL 2014/40/EU als die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung von Produkten – unabhängig vom Ort ihrer Herstellung – für Verbraucher, die sich in der Union befinden, auch mittels Fernabsatz ist für die fachkundige Antragstellerin auch unschwer zu erkennen, welche Geschäftstätigkeit durch die Anordnung vom 5. November 2024 unterbunden werden soll.
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(3) Die Anordnung entspricht schließlich auch den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung, die vom Gericht nur eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. § 114 VwGO).
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Anhaltspunkte für einen Ermessensfehler bei der Auswahl der Maßnahme durch die Antragsgegnerin sind nicht ersichtlich. Diese hat ausführlich dargelegt, dass eine mildere Maßnahme angesichts des gesetzlich angeordneten absoluten Verkehrsverbots nicht in Betracht kommt. Sie hat auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Verbots für die Antragstellerin betrachtet und ist unter Berücksichtigung des hohen Gesundheitsschutzes, der durch die Regelungen der RL 2014/40/EU verwirklicht werden soll, zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dem Gesundheitsschutz Vorrang zu den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin einzuräumen.
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cc) Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer III. des streitgegenständlichen Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 5 VwZVG und ist als geeignetes und gleichzeitig mildestes Mittel rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere steht die Höhe des angedrohten Zwangsgelds, für die das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin maßgeblich ist, mit Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG in Einklang. Auch die übrigen allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da die zwangsgeldbewehrte Anordnung in Ziffer II. des Bescheids für sofort vollziehbar erklärt wurde (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Die Zwangsgelder begegnen schließlich auch hinsichtlich ihrer Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) keinen Bedenken. Für das von der Antragstellerin verlangte Verbot des In-Verkehr-Bringens wurde je Sorte ein gesondertes Zwangsgeld zur Zahlung angedroht. Auch erfolgte keine Androhung der Zwangsgelder auf Vorrat. Das Zwangsgeld wird – pro Tabaksorte – somit fällig, sobald die Antragstellerin das Produkt für den Verkauf bereitstellt. Die der Antragstellerin gesetzte Frist ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach dem Wortlaut der Regelung in Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG ist für die Erfüllung der mit einer Zwangsgeldandrohung durchzusetzenden Verpflichtung zwar im Grunde eine Frist zu bestimmen. Allerdings gilt dies nach herrschender Auffassung unmittelbar nur für die Durchsetzung von Handlungsnicht aber von Duldungs- oder Unterlassungspflichten (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2013 – 22 CS 13.590 -juris Rn. 14). In solchen Fällen ist eine Fristsetzung nur erforderlich, wenn die Erfüllung der Duldungs- oder Unterlassungspflicht ausnahmsweise weitere Handlungen oder Vorkehrungen nötig macht und daher eine gewisse „Reaktionsfrist“ geboten erscheint. Da das Entfernen der Produkte aus dem Verkaufsraum keine besonderen Vorkehrungen erfordert und nur wenig Zeit in Anspruch nehmen dürfte, begegnet die geforderte Erfüllung einen Tag nach Zustellung keinen rechtlichen Bedenken.
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c) Neben der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, bedarf es in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO einer weiteren Kontrollüberlegung. Die Vorschrift fordert für die behördliche Anordnung bei sofortiger Vollziehung ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, das über das Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts selbst hinausgeht. Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse ist grundsätzlich nicht mit dem öffentlichen Interesse am Erlass eines Verwaltungsakts identisch. Daher vermag selbst die offensichtliche Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts allein die sofortige Vollziehung regelmäßig nicht zu rechtfertigen (vgl. NdsOVG, B.v. 17.4.2014 – 7 ME 8/19 – juris Rn. 26). Das Gericht kann die behördliche Anordnung des Sofortvollzugs daher nur bestehen lassen, wenn nach seiner Beurteilung ein öffentliches Interesse daran besteht, einen offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt vor Eintritt seiner Bestandskraft zu vollziehen.
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Das öffentliche Interesse am Schutz der Gesundheit der Verbraucher ist hoch zu gewichten, insbesondere aufgrund der suchterzeugenden und gesundheitsschädlichen Wirkungen von Tabakerzeugnissen. Auch kann Tabak zum oralen Gebrauch Verbraucher und insbesondere junge Menschen irreführen, indem dieser suggeriert, dass das Produkt weniger schädlich ist. Daher muss das private Interesse der Antragstellerin am Weiterverkauf der Produkte zurückstehen. Ein überwiegendes öffentliches Interesse kann nicht mit dem Hinweis, dass ohne den Verkauf der verbotenen Produkte der Betrieb des Kiosks nicht mehr rentabel ist, verneint werden. Angesichts der Tatsache des mit § 11 TabakerzG vom 4. April 2016 (BGBl. I 2016, 569) bereits seit Jahren bestehenden gesetzlichen Verbots musste der Antragstellerin bewusst sein, dass der Verkauf der streitgegenständlichen Produkte in Deutschland verboten ist.
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3. Nach allem war der Antrag daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts richtet sich nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der von der Antragstellerin genannte wirtschaftliche Wert des Verkehrsverbots der streitgegenständlichen Produkte in Höhe von 23.920,00 EUR (§ 52 Abs. 1 GKG) war im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.