Inhalt

LArbG Nürnberg, Urteil v. 18.02.2025 – 6 SLa 231/24
Titel:

Eingruppierung Kodierassistentin

Normenketten:
TVöD-K (VKA) § 12
Entgeltordnung VKA
Leitsatz:
Die Kodiertätigkeit erfordert mangels Entscheidungs- oder Ermessensspielraum keine "selbstständigen Leistungen" im Sinne der Entgeltgruppe 9a.
Schlagworte:
Berufung, Höhergruppierung, Arbeitsvorgang, Fachkenntnisse, Selbständige Leistungen, Tarifmerkmale, Kodierung
Vorinstanz:
ArbG Weiden, Endurteil vom 19.08.2024 – 2 Ca 220/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14823

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 19.08.2024, Az. 2 Ca 220/24, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
2
Die Klägerin ist gelernte Zahnarzthelferin (vgl. Bl. 19 der erstinstanzlichen Akten) mit kaufmännischer Weiterbildung (Bl. 20 ff. der erstinstanzlichen Akten) und aufgrund Arbeitsvertrages vom 09.10.2009 (vgl. Bl. 24 ff. der erstinstanzlichen Akten) seit 12.10.2009 bei der Beklagten im Klinikum A-Stadt beschäftigt.
3
Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beidseitiger Tarifbindung der TVöD-K (VKA) Anwendung. Die für den vorliegenden Rechtsstreit relevanten Vorschriften lauten wie folgt:
„§ 12 TVöD-K (VKA) – Eingruppierung
(1) Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA). Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.“
(2) Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z.B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Satz 2 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von den Sätzen 2 bis 4 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person der/des Beschäftigten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.
Protokollerklärung zu Absatz 2:
Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf eine Sozialleistung, Betreuung einer Person oder Personengruppe, Durchführung einer Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeit). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Eine Anforderung im Sinne der Sätze 2 und 3 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Entgeltgruppe.
4
Die Regelungen der Entgeltordnung VKA – Teil A – Allgemeiner Teil lauten – soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Relevanz – wie folgt:
„Entgeltgruppe 5
1. Beschäftigte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren und entsprechender Tätigkeit
2. Beschäftigte, deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert.“
(Gründliche Fachkenntnisse erfordern nähere Kenntnisse von Rechtsvorschriften oder näheres kaufmännisches oder technisches Fachwissen usw. des Aufgabenkreises)
Entgeltgruppe 6
5
Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert, sowie Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2, deren Tätigkeit vielseitige Fachkenntnisse erfordert.
(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), bei der die/der Beschäftigte tätig ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis der/des Beschäftigten muss aber so gestaltet sein, dass er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.)
Entgeltgruppe 7
6
Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit mindestens zu einem Fünftel selbständige Leistungen erfordert.
(Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)
Entgeltgruppe 8
7
Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit mindestens zu einem Drittel selbständige Leistungen erfordert.
(Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderungen nicht erfüllen.)
Entgeltgruppe 9a
8
Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit selbständige Leistungen erfordert. (Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative, eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderungen nicht erfüllen.)
9
Die Klägerin war zunächst in der Patientenabrechnung tätig und gemäß Arbeitsvertrag vom 09.10.2009 in Entgeltgruppe 3 TVöD-K (VKA) eingruppiert. Nach Absolvierung einer Weiterbildung zur Kodierfachkraft in der Zeit vom 09.12.2013 bis 12.12.2013 sowie vom 15.01.2014 bis 17.01.2014 (vgl. Bl. 30 f. der erstinstanzlichen Akten) ist sie seit 01.10.2017 als Kodierassistentin im Medizincontrolling eingesetzt. Gemäß Schreiben der Beklagten vom 25.10.2017 (vgl. Bl. 29 der erstinstanzlichen Akten) wurde die Klägerin ab 01.10.2017 in Entgeltgruppe 7 Stufe 4 TVöD-K (VKA) und gemäß Schreiben vom 13.04.2018 (vgl. Bl. 32 der erstinstanzlichen Akten) ab 01.05.2018 in Entgeltgruppe 8 Stufe 4, seit 01.04.2022 Stufe 5, TVöD-K (VKA) höhergruppiert.
10
Die Tätigkeiten der Klägerin stellen sich nach Beklagtenvortrag wie folgt dar (vgl. Bl. 64 ff. der erstinstanzlichen Akten):
1. Für alle Neuaufnahmen von Patienten der Neurochirurgie (inkl. Intensivfälle), Med1 Station 202 und Intensivfälle der Med1 Aufnahmediagnosen ins System eingeben, erste Arbeits-DRG ermitteln (Haupt-, ggf. Nebendiagnosen erfassen)
10%
2. Aktualisierung aller liegenden Patienten der unter 1. genannten Fachrichtungen mit Hilfe der Revisionssoftware „MOMO“ (Online-Kodierung)
15%
3. Arbeits-DRG aktualisieren, soweit durch neue Leistungen bzw. Behandlungsmaßnahmen Handlungsbedarf besteht (alle neuen Leistungen werden in einer aktuellen DRG abgebildet)
10%
4. Fallbesprechungen mit Ärzten (auf der Station oder per Telefon), eventuell neue Erkenntnisse zu Diagnosen oder Prozeduren kodieren, fehlende Befund/OP Berichte anmahnen 15%
5. Bearbeitung der Intensivfälle Neurochirurgie und MED1, Erfassung der Beatmungsstunden und der TISS und SAPS-Punkte
20%
6. Nach Patientenentlassung: Endgültige Kodierung und Erstellung der Arbeits-DRG zum jeweiligen Fall
30%
11
Mit Schreiben vom 23.08.2022 (vgl. Bl. 34 ff. der erstinstanzlichen Akten) forderte die Klägerin die Beklagte auf, sie rückwirkend in Entgeltgruppe 9a Stufe 5 TVöD-K (VKA) höherzugruppieren. Die Beklagte wies dies mit Schreiben vom 19.07.2023 (vgl. Bl. 38 der erstinstanzlichen Akten) zurück.
12
Mit am 18.04.2024 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage vom 15.04.2024 verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter, in Entgeltgruppe 9a Stufe 5 TVöD-K (VKA) höhergruppiert zu werden. Als Kodierfachkraft verschlüssele sie die in den Patientenakten dokumentierten Krankheiten (Diagnosen und Symptome) in eine maschinenlesbare Kombination aus Buchstaben und Zahlen (sog. ICD-10 Codes) und wandle die durchgeführten medizinischen Leistungen (Prozeduren, Diagnostik und Operationen) in Operations- und Prozedurenschlüssel (sog. OPS-Codes) um. Grundlage ihrer Tätigkeit seien die Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien – im Folgenden: DKR). Die Kodierung sei die Grundlage für die korrekte Abrechnung der von der Beklagten erbrachten medizinischen Leistungen nach Fallpauschalen entsprechend der sogenannten German Diagnosis Related Groups (G-DRG). Dieses System fasse verschiedene Behandlungsfälle zu Gruppen zusammen und lege unabhängig von der Verweildauer im Klinikum eine Fallpauschale fest. Die Zuteilung zur jeweiligen Fallgruppe werde durch verschiedene Kriterien wie insbesondere Hauptdiagnose, Nebendiagnosen, Patientenalter und Behandlungsprozeduren bestimmt. Die Klägerin arbeite zu 100% ihrer Arbeitszeit als Kodierassistentin, ihre Tätigkeiten seien ein Arbeitsvorgang und würden dem Arbeitsergebnis Abrechnung dienen. Sie begleite die eingehenden Fälle abrechnungstechnisch von Anfang an, indem sie die Patientenakte täglich sichte, diese auf Vollständigkeit und Verständlichkeit prüfe und die Kodierungen anhand der jeweiligen Geschehnisse aktualisiere.
13
Die Tätigkeit der Klägerin setze sowohl gründliche als auch vielseitige Fachkenntnisse voraus, denn sie erfordere vertiefte und ausführliche Kenntnisse über die sich laufend ändernden Vorschriften der DKR und der G-DRG, der Codes und der gesetzlichen Abrechnungsbestimmungen. Wie die Stellenausschreibung der Beklagten für eine Kodierkraft (vgl. Bl. 97 der erstinstanzlichen Akten) zeige, sei auch ein grundlegendes medizinisches Fachwissen von Symptomen über Krankheiten bis hin zu Behandlungen und Medikamenten erforderlich. Durch dieses Wissen sei möglich, die medizinischen Sachverhalte in einzelne Codes zu übersetzen und zu erkennen, ob die Vorgänge und medizinischen Leistungen in der Patientenakte vollständig und richtig wiedergegeben seien. Die Klägerin prüfe die Dokumentationen in der Patientenakte, um am Ende die Kodierung des gesamten Aufwands richtig vornehmen zu können. Für die bestmögliche Kodierung und damit den größtmöglichen Umsatz für die Beklagte sei es beispielsweise von Belang, wie groß eine Wunde sei, da diese je nach Größe unterschiedlich kodiert und abgerechnet werden könne. Sie müsse daher erkennen können, dass es auf die Größe ankomme und prüfen, ob die Dokumentation dahingehend richtig sei bzw. gegebenenfalls deren Richtigkeit veranlassen. Als weiteres Beispiel sei anzuführen, dass Beatmungsstunden nur bei intensivmedizinisch versorgten Patienten kodiert werden dürften, was in den Kodierrichtlinien definiert sei. Die Klägerin entscheide dementsprechend, ob ein intensivmedizinisch versorgter Patient vorliege oder nicht. Bei etwaigen Unklarheiten nehme sie Kontakt zum Arzt bzw. der Pflegekraft auf und sorge für die Berichtigung der Patientenakte. Entsprechend der zahlreichen unterschiedlichen Erkrankungen gebe es mithin zahlreiche unterschiedliche Sachverhalte, die sie erkennen und bearbeiten müsse.
14
Überdies habe die Klägerin in rechtserheblichem Maß auch selbständige Leistungen zu erbringen, anderenfalls hätte die Beklagte sie nicht in Entgeltgruppe 8 TVöD-K (VKA) eingruppiert. Sie habe den jeweiligen Sachverhalt selbständig unter die Kodierrichtlinien und Leitlinien zu subsumieren. Sie habe zu entscheiden, ob und wie eine Diagnose kodiert und dementsprechend abgerechnet werden könne oder nicht. Eine Diagnose könne nur dann kodiert werden, wenn tatsächlich ein Aufwand betrieben worden sei, was von der Klägerin anhand der Patientenakte eigenständig zu überprüfen sei. Im Einzelfall komme es auch auf den jeweiligen Schweregrad der Krankheit bzw. der Diagnose an. Ihr obliege die Entscheidung, ob die Haupt- und Nebendiagnosen entsprechend der DKR korrekt erfasst seien und welcher Diagnose der dokumentierte Aufwand zuzurechnen sei. Sie müsse hierfür relevante fehlende Informationen oder Unstimmigkeiten in der Dokumentation erkennen. Hierzu vergleiche sie die Dokumentationen und ordne aufgeführte Behandlungen den von den Ärzten erstellten Diagnosen zu. Sie entscheide darüber, ob die Dokumentationen zu ergänzen seien und wann die Einholung ärztlicher Fachkompetenz erforderlich sei. Dies habe auch die Beklagte in ihrer Darstellung deutlich gemacht, wonach das Auffinden von fehlenden Angaben und Ungereimtheiten sowie deren anschließende Klärung mit dem zuständigen Behandler im Einzelfall eine eigene Entschließung voraussetze. Allein mit diesem Arbeitsschritt – welcher nach Auffassung der Beklagten ca. 15% ihrer Arbeitszeit beanspruche – werde die Schwelle des rechtserheblichen Ausmaßes an selbständigen Leistungen innerhalb des Arbeitsvorgangs der Kodierung erreicht, womit eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 9a TVöD-K (VKA) gerechtfertigt sei.
15
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin rückwirkend ab dem 01.03.2022 eine Vergütung gemäß der Entgeltgruppe 9a Stufe 5 der Anlage 1
- Entgeltordnung (VKA) zum TVöD, Teil A – Allgemeiner Teil – Abschnitt I Ziffer 3,
zu bezahlen und die monatliche Nettovergütungsdifferenz zwischen der Entgeltgruppe 8 und der Entgeltgruppe 9a mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu verzinsen.
16
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
Klageabweisung.
17
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Klägerin die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 9a TVöD-K (VKA) nicht erfülle. Ihre Tätigkeit umfasse jedenfalls drei übergeordnete Arbeitsvorgänge, nämlich die Kodierung der Aufnahmediagnosen, die Kontrolle der Patientenakte auf Vollständigkeit sowie die abschließende Kodierung der G-DRG zur Abrechnung gegenüber der jeweiligen Krankenkasse. Diese Aufgaben seien in der Vergangenheit auch schon einzeln zugewiesen worden. Die Klägerin müsse die DKR, die G-DRG sowie die Codes sehr genau kennen. Es seien jedoch keine selbständigen Leistungen erforderlich, da die Kodierung umfassend und bis ins Detail von den DKR vorgegeben sei und keinen Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum beinhalte. Aus den Grundregeln zur Verschlüsselung (vgl. Bl. 72 der erstinstanzlichen Akten) werde deutlich, dass für die richtige Kodierung allein die Patientendokumentation, die Kodierrichtlinien und die dort enthaltenen Hinweise maßgeblich und ein etwaiges medizinisches Fachwissen bzw. eine selbstständige Subsumption der Sachverhalte nicht erforderlich seien. Die DKR sowie die ICD-10-Codes und die OPS-Codes enthielten ausdrückliche Kodieranweisungen, Erläuterungen, Kombinationen und passende Fallbeispiele. Die passende Kodierung ergebe sich zwingend aus der Patientenakte sowie der DKR und der sie ergänzenden Regelungen, ohne dass die Klägerin hierbei ein eigenes Ermessen ausüben könne. Es sei insofern nicht zutreffend, dass sie im Rahmen der Kodierung etwa prüfen müsse, ob die Größe einer Wunde richtig dokumentiert worden sei. Ihre Aufgabe beschränke sich vielmehr auf die Prüfung, ob die Wunde an sich dokumentiert sei. Hinzu komme, dass das Kodiersystem einen automatisierten Hinweis gebe, wenn eine Komponente fehle. Die Revisionssoftware MOMO diene der Unterstützung der Kodierfachkräfte und schlage basierend auf den ärztlichen Eintragungen in der Patientenakte eine Kodierung vor. Die Klägerin habe diese Vorschläge sodann anhand der Kodierrichtlinien zu prüfen und in das DRG-System zu übertragen. Eine selbständige Überprüfung der medizinischen Richtigkeit der ärztlichen Dokumentation erfolge nicht, die Klägerin sei hinsichtlich der medizinischen Bewertung eines Falles an die Feststellungen der behandelnden Ärzte gebunden. Die Auflistung der zu verschlüsselnden Diagnosen und Prozeduren liege in der Verantwortung des behandelnden Arztes und werde von diesem in der jeweiligen Patientenakte dokumentiert. Die Kodierfachkräfte übernähmen anschließend die Verschlüsselung und die Eingabe ins G-DRG-System, wobei die operativen Leistungen von den Ärzten selbst im Rahmen der Dokumentation verschlüsselt würden. Für die Klärung von Diskrepanzen zwischen Untersuchungsbefunden und klinischer Dokumentation sowie Ergänzungen seien ausschließlich die behandelnden Ärzte und nicht die Kodierfachkräfte zuständig. Soweit die Klägerin unter Anwendung ihrer Fachkenntnisse Unklarheiten, Ungereimtheiten oder fehlende Angaben in der jeweiligen Patientenakte erkennen, herausfiltern und diese mit den behandelnden Ärzten klären müsse, sei dies ein untergeordneter Vorgang, der separat von der eigentlichen Kodierung als eigene Tätigkeit zu bewerten sei. Im Einzelfall – soweit dies auf eigene Initiative erfolge – könne hier eine eigene Beurteilung und Entschließung gefordert sein. Diese Tätigkeit sei jedoch sowohl zeitlich als auch inhaltlich von untergeordneter Bedeutung und nicht Teil des eigentlichen Kodiervorgangs. Im Übrigen sei dieser Schritt weitgehend vorgegeben und die Absprache mit dem behandelnden Arzt der einzige Weg, um Diskrepanzen aufzulösen. Sie habe daher auch hierbei keinen eigenen Ermessens- und Entschließungsspielraum, wie ihn die selbständigen Leistungen voraussetzen würden. Insbesondere erfolge die finale Freigabe der kodierten Patientenakte zur Abrechnung durch die zuständigen Ärzte, welche selbständig überprüfen müssten, ob der Fall vollständig kodiert worden sei. Schließlich sei die Bezahlung der Klägerin nach Entgeltgruppe 8 TVöD-K (VKA) eine arbeitsmarktpolitische Entscheidung der Beklagten und keine Anerkennung des Vorliegens selbständiger Leistungen.
18
Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 19.08.2024 wie folgt entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf € 17.529,12 festgesetzt.
4. Eine gesonderte Zulassung der Berufung ist nicht veranlasst.
19
Das Arbeitsgericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass bei den Tätigkeiten der Klägerin insgesamt nur von einem Arbeitsvorgang auszugehen sei, nämlich die Analyse der Patientenakte mit anschließender Erfassung aller medizinischen Leistungen mittels Fallpauschalen bzw. die Kodierung der medizinischen Leistungen der Beklagten gegenüber dem einzelnen Patienten zur anschließenden Abrechnung. Orientiert an dem einheitlichen Arbeitsergebnis der kodierten Patientenakte ergäben sich entgegen der Ansicht der Beklagten keine drei Arbeitsvorgänge, denn alle Tätigkeiten seien auf die abschließende Kodierung als relevantes Arbeitsergebnis gerichtet. Die von der Beklagten dargestellten Arbeitsschritte – Kodierung der Hauptdiagnosen, Aktualisierung der Kodierung bei neuen Behandlungen, Ergänzung von weiteren Daten wie SPAS-Codes, Ermittlung von Diskrepanzen oder Unvollständigkeiten in der Akte – würden kein verwertbares Zwischenergebnis liefern. Diese seien vielmehr Zusammenhangstätigkeiten, welche in die abschließende Kodierung münden würden und dieser als unselbständige Einzeltätigkeiten hinzuzurechnen seien. Nicht entscheidend sei es in diesem Zusammenhang, wenn einzelne dieser Arbeitsschritte theoretisch aufgeteilt oder anderen Personen separat zugewiesen würden könnten, denn im konkreten Fall führe die Klägerin alle Tätigkeiten von der Aufnahme eines Patienten und der Erfassung der DRG bis hin zur abschließenden Kodierung nach Ende der Behandlung einheitlich aus.
20
Die Tätigkeit der Klägerin erfordere zunächst unstreitig gründliche Fachkenntnisse im Sinne der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2 TVöD-K (VKA), wobei darunter entsprechend des Klammerzusatzes nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen des fraglichen Aufgabenkreises zu verstehen seien. Es seien Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art zu verlangen. Die Klägerin benötige zur Ausübung ihrer Kodiertätigkeit vertiefte und breite Kenntnisse der deutschen Kodierrichtlinien, der sie ergänzenden Normen sowie der weiteren Kodier- und Schlüsselungsverzeichnisse. Weiter sei davon auszugehen, dass die Tätigkeit auch vielseitige Fachkenntnisse im Sinne der Entgeltgruppe 6 Fallgruppe 2 TVöD-K (VKA) verlange, welche gegenüber den gründlichen Fachkenntnissen eine Erweiterung des Fachwissens dem Umfang nach erfordern würden. Dies könne sich beispielsweise aufgrund der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen oder der Verschiedenartigkeit der sich aus einem Fachgebiet stellenden Anforderungen ergeben. Denkbar sei zwar, dass sich der Wissensbereich nur auf ein einzelnes, abgegrenztes Teilgebiet beschränke, jedoch reiche ein eng abgegrenztes Teilgebiet mit etwa nur routinemäßiger Bearbeitung nicht aus. Dieses Merkmal sei aufgrund der notwendigen medizinischen Vorbildung und der erforderlichen Kenntnisse über medizinische Fachbegriffe, Diagnosen sowie Prozeduren, welche zur Erfüllung der Übersetzungstätigkeit in die entsprechenden Codes und Fallpauschalen erforderlich seien, als gegeben anzusehen. Neben den umfangreichen und aktuellen Kenntnissen über die sich laufend ändernden DKR benötige die Klägerin auch medizinisches Wissen, welches sie aus ihrer Berufsausbildung als Zahnarzthelferin mitbringe, um ihre Aufgabe ordnungsgemäß zu erfüllen. Hierdurch verbreitere sich der Wissens- und Kenntnisstand über ein einzelnes Regelwerk hinaus im Sinne der tariflichen Definition. Unterstrichen werde diese Einschätzung durch die Stellenausschreibung der Beklagten, in welcher diese sowohl medizinische Vorkenntnisse als auch einen sicheren Umgang mit dem medizinischen Fachvokabular für die Ausführung der streitgegenständlichen Tätigkeit als notwendig erachtet habe.
21
Hingegen seien aufgrund des klägerischen Vorbringens keine selbständigen Leistungen im Sinne des Tarifvertrags festzustellen, womit eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 9a TVöD-K (VKA) ausscheide. Selbständige Leistungen würden ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative erfordern. Eine leichte geistige Arbeit könne diese Anforderungen nicht erfüllen. Dabei dürfe das Merkmal selbständige Leistungen nicht mit selbständig arbeiten verwechselt werden, worunter eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung zu verstehen sei. Die Klägerin habe keine konkreten Arbeitsvorgänge aufzeigen können, bei denen sie eine eigene Entschließung oder Abwägung treffe. Vielmehr sei ihre Vorgehensweise einerseits durch die detaillierten DKR vorgegeben, andererseits könne sie Unklarheiten, Unvollständigkeiten oder Ähnliches ausschließlich mit dem behandelnden Arzt klären. Im Ergebnis habe sie nach dem Verständnis des Gerichts die Vorgänge laut Patientenakte zu kodieren. Sofern diese an bestimmten Stellen unvollständig oder unklar sei, wende sie sich an die Behandler und kodiere anschließend das von ihnen gefundene Ergebnis. Das bedeute im Umkehrschluss, dass die Klägerin aufgrund ihrer Fachkenntnisse eine fremde Entscheidung des Arztes oder der Pflegekraft in Codes umsetze, ohne hierbei ein eigenes Ermessen auszuüben oder zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten zu wählen. Unterstrichen werde dies durch die Regelung in D001a der DKR, wonach der behandelnde Arzt für die Klärung von Diskrepanzen zwischen Untersuchungsbefunden und klinischer Dokumentation verantwortlich sei. Auch bei der abschließenden Kodierung selbst sei nach dem klägerischen Vortrag kein eigener Entscheidungsspielraum für die Klägerin erkennbar, insbesondere ließen die DKR nach unwidersprochenem Beklagtenvortrag solche Ermessensspielräume gerade nicht offen, sondern gäben das zutreffende Kodierergebnis für die jeweilige Kombination aus Diagnosen und Prozeduren vor. Somit bestünden weder aus den anzuwendenden Normen selbst noch aus etwaigen Handlungsalternativen zur Beseitigung von Unklarheiten oder der Erlangung fehlender Informationen Entschließungs- oder Ermessensspielräume für die Klägerin.
22
Das Endurteil des Arbeitsgerichts vom 19.08.2024 ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 22.08.2024 zugestellt worden. Diese haben hiergegen namens und mit Vollmacht der Klägerin mit Schriftsatz vom 18.09.2024, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am gleichen Tag, Berufung eingelegt. Die Berufung ist – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist aufgrund am 17.10.2024 eingegangenen Antrags bis 19.11.2024 – mit am 23.10.2024 eingegangenem Schriftsatz vom 17.10.2024 begründet worden.
23
Die Klägerin hält in der Berufungsinstanz an ihrer erstinstanzlichen Argumentation fest. Das Arbeitsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass ihre gesamte Tätigkeit einen Arbeitsvorgang darstelle und gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordere. Zu Unrecht habe es jedoch die Ansicht vertreten, dass sie keine selbstständigen Leistungen erbringe, indem die Kodierung einerseits durch die detaillierten DKR vorgegeben wäre und sie andererseits Unklarheiten, Unvollständigkeiten oder Ähnliches ausschließlich mit dem behandelnden Arzt klären könne, womit kein eigener Entscheidungsspielraum erkennbar sei. Die Kodierrichtlinien würden kein derart enges Korsett dahingehend schnüren, dass es immer nur einen Weg ohne eigene Entscheidungen oder Abwägungen gebe. Die Klägerin entscheide, ob die Voraussetzungen für die richtige Kodierung vorlägen oder nicht. Sie habe vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass sie die Sachverhalte eigenständig unter die anzuwendenden Kodierrichtlinien bzw. die Codes subsumiere und es dabei auch auf das Ausmaß des Aufwands ankomme. Des Weiteren habe sie vorgetragen, dass sie – und nicht die Ärzte – unter anderem festlege, ob eine Diagnose als Haupt- oder Nebendiagnose kodiert werde. Die hierfür erforderlichen Überlegungen habe sie bei jeder Akte anzustellen, dies aufgrund der Fülle an Fallzahlen in nicht nur marginalem Umfang. Unter Beachtung der Kodierrichtlinien habe sie abzuwägen, welcher Diagnose der höchste Ressourcenverbrauch nach Zeitaufwand und Komplexität zugrunde liege, diese werde dann als Hauptdiagnose kodiert. Es sei außerdem vorgetragen worden, dass die Kodierung grundsätzlich vom medizinischen Dienst der Krankenkasse bemängelt werden könne, wenn dieser die Ansicht vertrete, dass der Aufwand nicht ausreichend gewesen sei, um die Diagnose kodieren zu können. Selbst wenn entsprechend der Kodierrichtlinien die Verantwortung für die Dokumentation von Diagnosen und Prozeduren beim behandelnden Arzt liege, stehe dies einer selbständigen Leistung nicht entgegen. Bezeichnenderweise teile ausweislich der E-Mail vom 21.11.2024 (vgl. Bl. 45 f. d.A.) auch die Leitung des Medizin Controllings die Ansicht der Klägerin, wonach sie selbständige Leistungen erbringe. Soweit das Erstgericht die Meinung vertreten habe, dass keine hinreichende Darlegung der selbstständigen Leistungen vorgelegen haben solle, hätte es einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen, die Klägerin hätte daraufhin weitere Beispiele zur Veranschaulichung herausgearbeitet.
24
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
Das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 19.08.2024, Az. 2 Ca 220/24, abzuändern und festzustellen, dass die Berufungsbeklagte verpflichtet ist, der Klägerin rückwirkend ab dem 01.03.2022 eine Vergütung gemäß der Entgeltgruppe 9a Stufe 5 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD, Teil A – Allgemeiner Teil – Abschnitt I Ziffer 3, zu bezahlen und die monatliche Nettovergütungsdifferenz zwischen der Entgeltgruppe 8 und der Entgeltgruppe 9a mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu verzinsen.
25
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 19.08.2024 (Az. 2 Ca 220/24) wird zurückgewiesen.
26
Die Beklagte erklärt, das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerfrei angenommen, dass aus den Darlegungen der Klägerin nicht geschlossen werden könne, dass sie eigene Beurteilungen, Entschließungen oder Abwägungen treffe und die ihr übertragene Tätigkeit das Tarifmerkmal der selbstständigen Leistungen erfülle. Sie habe keinen Entscheidungsspielraum, insbesondere sei der Kodiervorgang durch die detaillierten DKR vorgegeben. Unklarheiten oder Unvollständigkeiten seien mit dem behandelnden Arzt zu klären, welcher hierfür die Verantwortung trage. Die Klägerin setze das Ergebnis des Arztes oder der Pflegekraft, mithin eine fremde Entscheidung, in Codes um, ohne hierbei eigenes Ermessen auszuüben oder zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten zu wählen. Es sei zu bestreiten, dass sie festlege, wie eine Diagnose, beispielsweise als Haupt- oder Nebendiagnose, kodiert werde, insbesondere sei dies ausweislich der Einleitung zu den DKR schlicht unzutreffend (vgl. Bl. 42 d.A.). Hiernach liege die Verantwortung für die Dokumentation von Diagnosen und Prozeduren, insbesondere der Hauptdiagnose, beim behandelnden Arzt, unabhängig davon, ob er selbst oder eine von ihm beauftragte Person die Verschlüsselung vornehme. Im Übrigen sei dies allein nach dem quantitativen Aspekt zu entscheiden, weshalb auch in diesem Zusammenhang kein Entscheidungsspielraum bestehe. Wenn die Klägerin der Ansicht sei, dass sie die Sachverhalte eigenständig unter die Kodierrichtlinien subsumiere, seien die für die Abrechnung relevanten Sachverhalte und deren Einordnung in die verschiedenen Kategorien sowie die Verschlüsselungen für die Abrechnung durch die Kodierrichtlinien vorgegeben. Es erschließe sich auch nicht, wie aus der Tatsache, dass der Medizinische Dienst die Kodierung bemängeln könne, selbstständige Leistungen abzuleiten seien, da Kodierungen auch ohne Ermessensspielraum fehlerhaft sein könnten. Die Leiterin des Medizincontrollings könne eine Bewertung der der Klägerin zugewiesenen Tätigkeiten im Tarifsinne nicht vornehmen.
27
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung des Sachverhalts in Tatbestand und Entscheidungsgründen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung, auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 18.02.2025 und auf die von den Parteien in beiden Instanzen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
28
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b) ArbGG, und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG; 519, 520 ZPO.
II.
29
Die Berufung ist jedoch in der Sache nicht begründet.
30
Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass eine Höhergruppierung der Klägerin in Entgeltgruppe 9a TVöD-K (VKA) nicht veranlasst ist. Die Berufungskammer folgt den sorgfältigen Ausführungen des Arbeitsgerichts und schließt sich ihnen an, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann, § 69 Abs. 2 ArbGG. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist noch ergänzend auszuführen:
31
1. Eine etwaige Verletzung der Hinweispflicht durch das Arbeitsgericht ist nicht zu prüfen, da in der Rechtsmittelbegründung nicht angegeben worden ist, was auf entsprechenden Hinweis hin konkret vorgetragen wäre (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 139 Rdnr. 20; m.w.N.).
32
2. Die Voraussetzungen für eine Eingruppierung der Klägerin in Entgeltgruppe 9a TVöD-K (VKA) sind nicht gegeben.
33
a. Die Berufungskammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach es sich bei den der Klägerin übertragenen Tätigkeiten um einen Arbeitsvorgang handelt, der dem entscheidenden Bestimmungskriterium des Arbeitsergebnisses der umfassenden Kodierung der Patientenakte von der Aufnahme bis zur Entlassung zum Zwecke der Abrechnung dient, § 12 Abs. 2 TVöD-K (VKA). Insoweit kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Nur wenn es tatsächlich möglich ist, Tätigkeiten von unterschiedlicher Wertigkeit abzutrennen, werden diese nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst (vgl. BAG v. 21.03.2012, Az. 4 AZR 266/10; m.w.N.). Von einer sinnvollen Abtrennbarkeit der von der Beklagten dargestellten Tätigkeiten der Klägerin im Hinblick auf das Arbeitsergebnis der vollständig kodierten Patientenakte zum Zwecke der Abrechnung ist nicht auszugehen, da beispielsweise auch die laufende Aktualisierung und die im Einzelfall erforderliche Fallbesprechung darauf ausgerichtet sind. Selbst bei Annahme von beklagtenseits behaupteten nur drei übergeordneten Arbeitsvorgängen würde die auf einen Arbeitsvorgang beschränkte Tätigkeit nicht zum relevanten Arbeitsergebnis führen, sondern nur einen Teilbereich davon abdecken.
34
b. Wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, sind die Tarifmerkmale der gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse im Sinne der Entgeltordnung zum TVöD-K (VKA) – Teil A – Allgemeiner Teil als gegeben anzusehen. Hierfür ist eine pauschale Überprüfung ausreichend, weil die Parteien die Tätigkeiten der Klägerin als solche als unstreitig ansehen und diese Tarifmerkmale als erfüllt erachten (vgl. BAG v. 21.03.2012, Az. 4 AZR 266/10; m.w.N.).
35
aa. Gründliche Fachkenntnisse erfordern nähere Kenntnisse von Rechtsvorschriften oder näheres kaufmännisches oder technisches Fachwissen usw. des Aufgabenkreises. Die Fachkenntnisse sind nicht notwendig auf Rechtsvorschriften bzw. kaufmännisches oder technisches Fachwissen beschränkt, wie sich aus dem Zusatz usw. in der Klammerdefinition zur Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2 TVöD-K (VKA) ergibt. Damit können auch Fachkenntnisse auf anderen Wissensgebieten die Anforderung erfüllen, sofern sie das entsprechende qualitative Niveau erreichen. Es sind Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art zu verlangen, die die eigenständige Erledigung der geschuldeten Tätigkeiten ohne Arbeitsanweisungen im Einzelnen möglich machen. Vielseitige Fachkenntnisse erfordern demgegenüber eine Erweiterung des Fachwissens seinem Umfang nach und lassen auf eine gewisse Breite des Aufgabengebiets schließen. Dies kann sich beispielsweise aufgrund der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen oder der Verschiedenartigkeit der sich aus einem Fachgebiet stellenden Anforderungen ergeben (vgl. BAG v. 16.10.2019, Az. 4 AZR 284/18; m.w.N.).
36
bb. Die Klägerin muss für ihre Tätigkeit die einschlägigen Vorschriften der DKR und der G-DRG sowie die entsprechenden Codes zur Verschlüsselung von Krankheiten und medizinischen Leistungen kennen. Insbesondere hat auch die Beklagte vorgetragen, dass sie diese sehr genau kennen müsse. Es handelt sich hierbei nicht nur um allgemeine Kenntnisse oder Grundkenntnisse, sondern um solche, die es der Klägerin ermöglichen, ihre Aufgaben mit allen in Betracht kommenden Abwandlungen fachlich sorgfältig zu bearbeiten. Damit ist ohne Weiteres vom Vorliegen des Tarifmerkmals der gründlichen Fachkenntnisse auszugehen. Aufgrund der Vielzahl der auf unterschiedlichste Sachverhalte anzuwendenden und sich auch ändernden Kodiervorschriften sowie der – auch gemäß der Stellenausschreibung – erwarteten medizinischen Vorkenntnisse und des sicheren Umgangs mit dem medizinischen Fachvokabular, worüber die Klägerin verfügt, erfordert ihre Tätigkeit auch ein vielseitiges Fachwissen.
37
c. Demgegenüber geht auch die Berufungskammer nicht vom Vorliegen des Tarifmerkmals der selbständigen Leistungen aus.
38
aa. Selbständige Leistungen im tariflichen Sinne können nur im Rahmen von Arbeitsvorgängen anfallen, die für sich genommen gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordern. Das selbständige Erarbeiten eines Ergebnisses baut auf diesen Fachkenntnissen auf und muss diesen entsprechen. Selbständige Leistungen erfordern nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative. Das Merkmal selbständige Leistungen darf nicht mit selbstständig arbeiten verwechselt werden, worunter eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht, Leitung oder Einzelanweisungen zu verstehen ist. Eine selbstständige Leistung im Tarifsinn ist dann anzunehmen, wenn eine Gedankenarbeit erbracht wird, die im Rahmen der für die Entgeltgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges und insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Kennzeichnend für selbstständige Leistungen im tariflichen Sinn ist ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses. Es werden Abwägungsprozesse verlangt, in deren Rahmen Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt werden. Dabei müssen für eine Entscheidung unterschiedliche Informationen verknüpft und untereinander abgewogen werden. Dass diese Abwägungsprozesse bei entsprechender Routine durchaus schnell ablaufen können, steht nicht entgegen. Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass allein der Umstand, dass es sich bei der Ausübung der Tätigkeit um einen Normvollzug handelt, dem Vorliegen selbständiger Leistungen nicht entgegensteht. Das gilt insbesondere, wenn die zu vollziehenden Normen unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten und/oder Ermessensspielräume eröffnen. Etwas Anderes kann allerdings gelten, wenn es für den Vollzug detaillierte Handlungsanweisungen gibt, die die Beurteilung und Ermessensspielräume maßgebend einschränken und die erforderlichen Abwägungsprozesse im Wesentlichen vorwegnehmen (vgl. z.B. BAG v. 14.04.2024, Az 4 AZR 128/23; BAG v. 22.02.2017, Az. 4 AZR 514/16; m.w.N.).
39
bb. Die der Klägerin im Zusammenhang mit der Kodierung der Patientenakte übertragenen Tätigkeiten erfüllen nach ihrem Vortrag nicht das Tarifmerkmal der selbständigen Leistungen. Die Kodierung von Krankheiten und medizinischen Leistungen erfolgt nach den Kodierrichtlinien, den DRG und den hierfür vorgesehenen Codes. Diese bieten im Einzelfall auch Fallbeispiele und unterscheiden je nach Diagnose nach Unterkategorien, Schweregraden oder Kombinationen. Ein Beurteilungsspielraum dahingehend, welche Diagnose und welcher Aufwand kodiert wird besteht nicht. Vielmehr stehen beide in einem untrennbaren Zusammenhang, entweder ergibt sich aus der Diagnose der Aufwand oder umgekehrt. Selbst wenn die Klägerin im Zweifel zu Gunsten der Beklagten den höheren Aufwand kodiert, muss sich dieser für die ordnungsgemäße Abrechnung zwingend aus der zugrundeliegenden Diagnose ergeben. Demzufolge ist auch die für eine selbstständige Leistung erforderliche Abwägungsentscheidung bei der Kodierung von Haupt- oder Nebendiagnose nicht ersichtlich. Die Klägerin hat hierzu erläutert, dass sich die Hauptdiagnose aus der Diagnose mit dem größten Aufwand ergebe. Mithin kann die hierbei anzustellende Prüfung unter Beachtung der DKR, DRG und der Codes nur zu einem plausiblen Ergebnis führen. Zudem ist in den Kodierrichtlinien festgelegt, dass die Verantwortung für die Dokumentationen, insbesondere auch der Hauptdiagnose, beim behandelnden Arzt liegt. Ein irgendwie gearteter Entscheidungs- oder Ermessensspielraum der Klägerin ist damit nicht erkennbar. Die Subsumption, welche Diagnose zu welchem Aufwand codiert wird, trifft die Klägerin auf Grundlage ihrer gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse und der ihr obliegenden Sorgfalt. Auch wenn hierbei von einem selbstständigen Arbeiten oder Handeln auszugehen ist, ist dies nicht zugleich eine selbständige Leistung im Tarifsinne. Für die Erfüllung des Merkmals der selbständigen Leistungen genügt es nicht, dass ein Beurteilungsspielraum als solcher besteht. Vielmehr ist gerade bei der Ausfüllung dieses Spielraums das Abwägen unterschiedlicher Informationen erforderlich. Wenn es in diesem Fall für die Kodierung nur eine Möglichkeit gibt, scheidet ein Beurteilungsspielraum von vorneherein aus. Wenn etwaige Rückfragen im Hinblick auf Plausibilität oder Vollständigkeit erforderlich sind, ist zwar ein Handeln der Klägerin gefragt, indem sie mit dem behandelnden Arzt oder der Pflegekraft Rücksprache hält. Letztlich liegt die fachliche Verantwortung und Entscheidung jedoch bei diesen. Eine von der Klägerin im Einzelfall initiierte Rücksprache als solche führt mithin nicht zu einem Abwägungsprozess von unterschiedlichen Informationen bzw. einer Ausfüllung des Beurteilungsspielraums und damit einer Entscheidung in der Sache. Sie entscheidet im Rahmen der vorgegebenen Zuständigkeiten, dass sie Rücksprache hält, um die aus ihrer Sicht fehlenden oder widersprüchlichen Angaben klären bzw. ergänzen zu können. Ihr obliegt es, die von dem Behandler dokumentierten Krankheiten und medizinischen Leistungen gegebenenfalls nach Klärung oder Ergänzung unter Beachtung der DKR und DRG in Codes umzusetzen. Ein fachlich bzw. inhaltlich auszufüllender Ermessens- und Entscheidungsspielraum im Sinne des Tarifmerkmals selbstständige Leistungen ist hierbei – ohne die Wertigkeit der klägerischen Tätigkeit in Abrede zu stellen – jedoch nicht ersichtlich.
40
cc. Ungeachtet dessen rechtfertigt der klägerische Vortrag darüber hinaus auch nicht die Annahme, dass etwaige Abwägungsprozesse im Hinblick auf Rückfragen zur Klärung von Diskrepanzen oder Unvollständigkeiten in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegen und deshalb zur Erfüllung des Tarifmerkmals der selbstständigen Leistungen ausreichen würden. Bei der Bewertung eines Arbeitsvorgangs ist es zur Erfüllung eines Tarifmerkmals ausreichend, wenn diese innerhalb des Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegt. Nicht erforderlich ist, dass innerhalb eines Arbeitsvorgangs selbstständige Leistungen ihrerseits in dem von § 12 Abs. 2 TVöD-K (VKA) bestimmten Maß anfallen. Ein rechtlich erhebliches Ausmaß ist jedenfalls erreicht, wenn ohne die Tätigkeit ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt werden kann (vgl. BAG v. 14.04.2024, Az. 4 AZR 128/23; BAG v. 25.08.2010, Az. 4 AZR 5/09; m.w.N.). Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass von der Klägerin in diesem Zusammenhang nur im Einzelfall eine eigene Beurteilung oder Entschließung gefordert sein könne, welche zeitlich und inhaltlich von untergeordneter Bedeutung sei. Genauere Angaben hierzu sind dem klägerischen Vortrag nicht zu entnehmen.
41
dd. Aus der E-Mail der Leitung des Medizin Controllings vom 21.11.2024 kann ebenfalls nicht auf das Vorliegen selbständiger Leistungen im Tarifsinne geschlossen werden. Bei der Prüfung einer korrekten Eingruppierung handelt es sich um Rechtsanwendung und nicht um einen rechtsgestaltenden Akt.
42
3. Nach alldem ist eine Höhergruppierung der Klägerin in Entgeltgruppe 9a TVöD-K (VKA) nicht veranlasst. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, so dass die Berufung zurückzuweisen ist.
43
4. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
44
5. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.