Titel:
Regelungswirkung einer Allgemeinverfügung, Antragsbefugnis einer Umweltvereinigung
Normenkette:
BNatSchG § 45
Schlagworte:
Regelungswirkung einer Allgemeinverfügung, Antragsbefugnis einer Umweltvereinigung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 30.06.2025 – 14 CS 25.1065
Weiterführende Hinweise:
geändert durch VGH mit Beschluss vom 30.06.2025, Az: 14 CS 25.1065
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14544
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich als Umweltvereinigung gegen eine bis zum 14.02.2026 befristete Allgemeinverfügung, die Gebiete zur Entnahme von Fischottern sowie lokale Obergenzen festlegt.
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Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung wurde im Amtsblatt Nr. 2 (Sonderausgabe) der Regierung von Oberfranken vom 14.02.2025 (dort Seite 12 mit Anlagen) veröffentlicht. Es erfolgte eine redaktionelle Berichtung am 21.02.2025, welche im Oberfränkischen Amtsblatt Nr. 5 am 27.03.2025 bekannt gemacht wurde. In der Allgemeinverfügung wurden in Ziffer 1 als Gebiete nach § 3 Abs. 3 Satz 1 der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung – AAV – die in der Anlage 1 gekennzeichneten Bereiche in den Landkreisen Bayreuth, Hof und Wunsiedel festgesetzt. Als Abgrenzung der Maßnahmengebiete wurde auf die rote Farbkennung aus der Übersichtskarte sowie aus den Detailkarten in den Anlagen 2-4 Bezug genommen, die jeweils Bestandteil der Allgemeinverfügung sind. Zudem wurde es in den Maßnahmegebieten erlaubt, Fischottern unter den Voraussetzungen des § 3 AAV zur Abwendung ernster fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der Teich- und Fischereiwirtschaft nachzustellen, sie zu fangen, zu vergrämen, zu verletzen, zu stören und zu töten. In Ziffer 2 der Allgemeinverfügung wurden für den Landkreis Bayreuth eine Höchstentnahmezahl von 2, für Stadt und Landkreis Hof eine Höchstentnahmezahl von 3 und für den Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge eine Höchstentnahmezahl von 5 festgesetzt. Die Allgemeinverfügung ist nach Ziffer 3 am Tag nach der ortsüblichen Bekanntmachung in Kraft getreten und ist nach Ziffer 4 auf ein Jahr befristet. Zudem wurde die sofortige Vollziehung in Ziffer 5 angeordnet.
3
Die Antragstellerin begehrt als Umweltvereinigung in dem Hauptsacheverfahren (Az. B 2 K 25.231) die Aufhebung der Allgemeinverfügung. Mit dem hiesigen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO wird die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt.
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Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, dass sie als anerkannte Umweltvereinigung nach § 2 Abs. 1 des Umweltrechtsbehelfsgesetzes – UmwRG – i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG in unionsrechtskonformer Auslegung unter Berücksichtigung von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention – AK – und Art. 47 EU-Grundrechte-Charta – GRCh – antragsbefugt sei. Vorliegend handele es sich um den unionsrechtlich determinierten Vollzug von Artenschutzrecht, wobei §§ 44 ff. BNatSchG unter anderem Art. 12 und 16 der RL 92/43/EWG (FFH-RL) in nationales Recht umsetze. Dem unionsrechtlich gebotenen Rechtsschutz von Umweltvereinigungen gemäß Art. 9 Abs. 3 AK i.V.m. Art. 47 GrCh könne nur dann hinreichend Rechnung getragen werden, wenn auch vorgelagerte Verwaltungsentscheidungen einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden könnten, soweit diese verbindliche Vorgaben für nachfolgende Verwaltungsakte erlassen. Zudem sei die Antragstellerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt. Nach § 2 Abs. 2 k) der Satzung fördere der Antragsteller ausdrücklich „die Einhaltung des nationalen und internationalen Umwelt- und Verbraucherschutzrechts, insbesondere des Umwelt- und Verbraucherschutzrechts der Europäische Union“. Die Allgemeinverfügung berühre diesen festgelegten Zweck, da die Festlegung von Maßnahmengebieten und Höchstentnahmezahl rechtswidrig erfolgt sei und insbesondere nicht ausgeschlossen werden könne, dass es im Fall der Entnahmen zu einer Beeinträchtigung der Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustands komme. Die Allgemeinverfügung verstoße daher gegen die umweltbezogenen Rechtsvorschriften des § 45 Abs. 7 S. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes – BNatSchG – i.V.m. Art. 16 Abs. 1 der RL 92/43/EWG und berühre damit Belange, die die Antragstellerin satzungsgemäß vertrete.
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Mit Erlass der Allgemeinverfügung werde eine jährliche Höchstentnahmemenge in bestimmten Gebieten festgelegt, was wiederum zur Folge habe, dass für diese Anzahl an Fischottern die Prüfung der Auswirkungen auf den Erhaltungszustand vorweggenommen werde und nicht mehr im Rahmen der nachgelagerten Einzelentnahmeentscheidung von der unteren Naturschutzbehörde zu prüfen sei. Daher müsse die Allgemeinverfügung den Anforderungen des Tatbestandsmerkmals gemäß Art. 16 Abs. 1b) FFH-RL und § 45 Abs. 7 S. 2 Alt. 2 Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG entsprechen, sodass bei Entnahme der festgelegten jährlichen Höchstentnahme in dem jeweiligen Maßnahmengebiet von vornherein ausgeschlossen sein müsse, dass dies nicht zu einer Beeinträchtigung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands führen werde.
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Die Auslegung des Ausnahmetatbestandes des Art. 16 Abs. 1b) FFH-RL müsse ausweislich des Leitfadens der Europäischen Kommission vom 09.12.2021 (Az. C-496, S. 55) erfolgen. Aus diesem folge, dass bei der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen ein besonderes Nachweispflichten-Konzept erforderlich sei. Es müsse anhand bester einschlägiger wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen sein, dass die Tötung der festgelegten Anzahl an Fischottern die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht beeinträchtigen werde. § 45 Abs. 7 S. 2 BNatSchG nenne als Voraussetzung ausdrücklich, dass eine Ausnahme nur zugelassen werden dürfe, wenn sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtere, soweit nicht Artikel 16 Abs. 1 der FFH-Richtlinie weitergehende Anforderungen enthalte. Da Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie vom Verweilen in einem günstigen Erhaltungszustand spreche, reiche es nicht aus, wenn sich ein bestehender ungünstiger Erhaltungszustand der Populationen lediglich nicht weiter verschlechtere. Zusätzlich dürfe die Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustandes nicht behindert werden. Bei der Ermittlung des Erhaltungszustands sei grundsätzlich auf eine großräumige Betrachtung und nicht nur auf die lokale Population abzustellen. Eine Bestimmung des Erhaltungszustands anhand der biogeographischen Region folge auch aus einer Orientierung am Reporting-System gem. Art. 17 FFH-RL. Der Fischotter befinde sich auf der biogeographischen Ebene der alpinen, atlantischen und kontinentalen Region nach wie vor in einem ungünstig-schlechten Erhaltungszustand. Somit bedürfe es des fachlichen Nachweises, dass trotz der Tötungen die Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustandes nicht behindert werde.
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Die Allgemeinverfügung sei rechtswidrig, da nicht sichergestellt werde, dass bei Anwendung der Höchstentnahmezahl in den festgelegten Maßnahmengebieten eine Beeinträchtigung der Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustands ausgeschlossen werden könne.
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Eine Ermittlung des Erhaltungszustands der lokalen Population habe nicht stattgefunden und es könne dafür nicht auf die Untersuchung Weiss et al. (2023) zurückgegriffen werden. Weder in der Begründung der Allgemeinverfügung, noch in dem Gutachten Weiss et al. (2023) finde sich eine Definition für eine Abgrenzung der lokalen Population des Fischotters. Somit leide die gesamte Begründung unter dem grundlegenden Fehler, dass die Bezugsgröße der lokalen Population schlicht unklar bleibe, obwohl diese nach dem o.g. Prüfungsmaßstab ein wesentliches Kriterium für die Prüfung der Auswirkungen von Entnahmen auf den Erhaltungszustand darstelle. Die lokale Population in den Maßnahmengebieten sei schlicht nicht ermittelt worden. Die Bestandsschätzung Weiss et al. (2023) gehe auf den räumlichen Bezugsraum des Bundeslands Bayern ein. Es könne nicht nachvollzogen werden, warum ein derart großer räumlicher Bezugsraum als lokale Population angesehen werden kann. Der Beklagte wolle möglicherweise mit der Ausweisung der Maßnahmengebiete zugleich den Erhaltungszustand der lokalen Populationen prüfen. Das Untersuchungsziel von Weiss et al. (2023) läge darin, eine Modellierung der Populationsgröße des Fischotters in Bayern durchzuführen und ausgehend davon eine Schätzung des Bestandes für die vier Regierungsbezirke vorzunehmen. Davon zu unterscheiden sei jedoch die Ermittlung des Erhaltungszustands der lokalen und biogeografischen kontinentalen Region, sowie die Auswirkungen von Entnahmen auf beide örtliche Bezugsräume. Eine reine Populationsschätzung sei bereits im Ansatz offenkundig nicht geeignet, um diesen Maßstab zu erfüllen, da keine wissenschaftlichen Daten zu den lokalen Populationen innerhalb der Maßnahmengebiete ermittelt worden seien und die Prüfung daher auf einer Abschätzung beruhe, die anhand weniger Daten erstellt worden sei und daher erst recht eine große Unsicherheit betreffend der gewonnenen Ergebnisse aufweise. Die verwendeten Daten aus den Jahren 2017 – 2019 seien offenkundig veraltet, um als Datengrundlage einer Bestandsschätzung im Jahr 2025 zu dienen. Eine Generation von Fischottern umfasse nur ca. 2-3 Jahre. Die durchschnittliche Überlebensrate betrage ca. 4 Jahre. Eine Plausibilitätsprüfung der veralteten Daten habe nicht stattgefunden. Die Vorgängerstudie von Weiss et al. (2022) „Projektskizze/Vorprüfung – Bestandsschätzung Fischotter Bayern“ verwende noch deutlich ältere Datensätze, z.B. aus dem Jahr 2010 (S. 11) und 2014 (S. 9). Ausweislich des auf S. 17 aufgeführten Zitats dienten die Ergebnisse der „Projektskizze/Vorprüfung“ als Grundlage für den Endbericht II Weiss et al. (2023), sodass davon ausgegangen werden müsse, dass der Populationsschätzung sogar Daten aus dem Jahren 2010-2023 zugrunde lägen. Hinzu käme, dass die einzelnen Untersuchungen mit unterschiedlichem Beprobungsaufwand durchgeführt worden seien. Die Schätzungen pro 10x10 km Raster seien untereinander nicht konsistent und vergleichbar. Die Mehrzahl der untersuchten 10x10 km Raster lägen in Gebieten, wo der Fischotter am längsten in Bayern vorkomme und die Population daher genügend Zeit gehabt hätte, moderate bis höhere und vor allem stabile Dichten zu entwickeln. Viele Untersuchungen seien in Gebieten mit einer Vielzahl von Teichen durchgeführt worden, wo die Dichten der Fischotter natürlicherweise besonders hoch seien und es gebe wenige Untersuchungen in Gebieten mit geringen Dichten. Das Gutachtens Weiss et al. (2023) schätze selbst die Zuverlässigkeit der Daten für die Abschätzung der Populationsgrößen des Fischotters in Bayern als mäßig ein (S. 48). Die Datengrundlage für Oberfranken sei unzureichend. Es lägen nur für ca. 42 km von weit mehr als 2300 km Fließgewässer (Hauptflüsse ohne Nebengewässer) in Oberfranken Daten vor. Die vorliegenden Daten für den Regierungsbezirk Oberfranken seien bei weitem zu gering, um Schlüsse auf die Gesamtpopulation in dieser Teilregion zu ziehen und diese Daten entsprächen zudem in Teilen nicht den besten wissenschaftlichen Standards. Die Hochrechnung der Teilpopulation in Oberfranken basiere vor allem auf den Dichteberechnungen aus der Oberpfalz und Niederbayern. In diesen beiden Regierungsbezirken sei die Verbreitung und Besiedelung jedoch weiter vorangeschritten und es kämen vor allem in Niederbayern viel höhere Dichten vor (Bayerl et al. 2012 S. 13 und 42). Bei der Population in Oberfranken handele es sich um eine genetisch differenzierte Teilpopulation, die einen anderen genetischen Ursprung aufweise als die Teilpopulationen in den südlich gelegeneren Regierungsbezirken.
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Zudem sei die Ermittlung der Auswirkungen der Höchstentnahmeanzahl fehlerhaft und die Zugrundlegung der rechnerischen durchschnittlichen Wachstumsrate ungeeignet. Der Ermittlung der Höchstentnahmezahl hätten die Annahmen zugrunde gelegen, dass die Populationsgröße in Oberfranken 176 Fischotter betrage, das jährliche Populationswachstum bei 12,7% läge und bei einer Entnahme von maximal 50% des jährlichen Wachstums die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert werde. Hierfür seien keine wissenschaftlichen Nachweise erbracht worden. Die Wachstumsrate von 12,7% sei anhand des Bestandsanstiegs von 1995 bis 2023 ermittelt worden. Jedoch dürfe die Ermittlung der rechnerischen Wachstumsrate nicht mit dem eigentlichen Populationswachstum gleichgesetzt werden. Für die Berechnung des Populationswachstums sei fälschlicherweise ein exponentielles Wachstum ohne Begrenzung angenommen worden Eine Populationsmodellierung mit Berücksichtigung von Mortalitätsraten, dynamischen Wachstumsraten und Gefährdungsfaktoren hätte vorgenommen werden müssen. Daten zum Zustand der Population (Reproduktionsrate der Weibchen; Anteil reproduzierender Weibchen; Alterszusammensetzung der Population; Geschlechtsverhältnisse, Sterberate der Jungtiere und der ganzen Population) seien nicht erhoben worden. Über die aktuelle Wachstumsrate, die ausschlaggebend für die Auswirkungen auf die Population wäre, sei nichts bekannt außer der allgemeinen Beobachtung, dass sich das Areal der Population ausbreite. Zudem sei es bei einer Entnahme schwierig Alter und Geschlecht vorab zu identifizieren, sodass nicht gewährleistet werden könne, dass die reproduzierenden Weibchen entnommen werden würden. Außerdem gebe es keinen Nachweis darüber, dass bei einer Entnahme von 50% des jährlichen Populationswachstums davon ausgegangen werden könne, dass die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht gefährdet werde.
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Außerdem sei die Festlegung der Maßnahmengebiete fehlerhaft. Es hätte keine gutachterliche Stellungnahme des LfL gefunden werden können, welche Auskunft über den Schadensort gebe, sodass keine hinreichende Begründung für die Bestimmung der Maßnahmengebiete vorläge. Es sei davon auszugehen, dass die Festlegung der Maßnahmengebiete im Wesentlichen auf Grundlage des Betriebssitzes des Antragstellers, welcher Schadensausgleich geltend gemacht hat, getroffen worden sei.
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Zudem würde eine Prüfung der Eignung der Entnahmen fehlen. Die untere Naturschutzbehörde sei im Rahmen der Einzelfallentscheidung nicht befugt, über den konkreten Entnahmeort oder die Anzahl innerhalb des Maßnahmengebietes zu entscheiden. Dies habe zur Folge, dass theoretisch die jeweils zugelassene Höchstzahl in einem Maßnahmengebiet für die Entnahme von Fischottern an ein und derselben Teichanlage „verbraucht“ werden könnte. In diesem Fall sei jedoch die Eignung der Maßnahme nicht gegeben. So sei es beispielsweise denkbar, dass eine Teichanlage ein sehr gutes Nahrungshabitat darstelle und nach der Entnahme eines dort ansässigen Fischotters eine Nachbesiedlung erfolge. Werde an dieser Teichanlage nun mehrfach entnommen, folge daraus zunächst, dass die Entnahme hier nicht die geeignete Maßnahme zur dauerhaften Schadensabwehr darstelle. Des Weiteren könne damit die Ausbreitung der Fischotter nachhaltig verlangsamt werden.
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Außerdem seien die Auswirkungen der Entnahmen auf den Erhaltungszustand der biogeografischen kontinentalen Region Deutschlands nicht ermittelt worden. In dem Artensteckbrief des Bundesamtes für Naturschutz werde der Erhaltungszustand in der atlantischen Region, der kontinentalen und der alpinen biogeografischen Region als ungünstig/unzureichend angegeben. Selbst wenn bei einer Entnahme womöglich keine Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Population erfolge, könnten die Auswirkungen auf die biogeografische Region anders zu beurteilen seien, da die Besiedelung neuer Gebiete gestoppt werde.
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Zudem sei keine Prüfung der kumulierten Auswirkungen von mehreren Entnahmen innerhalb eines nach § 3 Abs. 3 AAV festgelegten Maßnahmengebietes, sowie auf angrenzende Gebiete und Populationen, erfolgt. Bereits einzelne Individuen könnten eine große Bedeutung für den Bestand eines Vorkommens oder eine erfolgreiche Wiederbesiedlung insbesondere im Bereich der Arealgrenzen haben, da über diese neue Räume besiedelt werden. Angesichts dessen sei fraglich, wie die Auswirkungen auf den Erhaltungszustand ohne konkrete Einzelfallbetrachtung ermittelt werden sollten, da es gerade bei ungünstigem Erhaltungszustand auch auf das konkrete Entnahmegebiet ankomme.
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Überdies seien die Voraussetzungen einer Allgemeinverfügung nicht erfüllt. Eine Allgemeinverfügung setze nämlich voraus, dass ein konkreter Sachverhalt generell geregelt werde. Handele es sich hingegen bei der als Allgemeinverfügung bezeichneten Regelung um eine abstrakt-generelle Vorschrift, sei die Allgemeinverfügung materiell rechtswidrig, weil ein solcher Inhalt nicht per Allgemeinverfügung geregelt werden dürfe.
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Für den Fall, dass das Gericht die Erfolgsaussichten für nicht abschätzbar halte und die Entscheidung im Wege einer Folgenabwägung träfe, würden die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen die gegenläufigen Interessen an dem Vollzug der Allgemeinverfügung deutlich überwiegen und es würden erhebliche Nachteile letztlich nur bei keinem Erlass der einstweiligen Anordnung drohen. Bei Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sei nach wie vor die Erteilung einer Einzelausnahmegenehmigung gem. § 45 Abs. 7 BNatSchG möglich, welche dann von der Regierung als höhere Naturschutzbehörde zu erteilen sei. Insbesondere stelle eine Frage der Behördenzuständigkeit kein öffentliches Interesse dar, sodass „die eingeschränkte Handlungsfähigkeit der unteren Naturschutzbehörde“ die Anordnung des Sofortvollzugs nicht begründen könne.
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Die Antragstellerin beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Allgemeinverfügung der Regierung von Oberfranken zur „Festlegung der Gebiete zur Entnahme von Fischottern zur Abwendung ernster fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der Teich- und Fischereiwirtschaft nach § 3 Abs. 3 Satz 1 der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung (AAV)“ (Az. Nr. …), öffentlich bekannt gemacht am 14.02.2025 und redaktionell berichtigt am 27.03.2025 im Oberfränkischen Amtsblatt Nr. 5, wird wiederhergestellt.
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Der Antragsgegner beantragt,
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass es der Antragstellerin bereits am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Wende sich ein Betroffener im Wege des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen eine solche Allgemeinverfügung und habe er hiermit Erfolg, dann würde eine stattgebende gerichtliche Entscheidung nur inter partes, also zwischen den konkret Verfahrensbeteiligten Wirkungen und Rechtskraft entfalten können. Die gerichtliche Entscheidung würde nicht zugunsten oder zulasten drittbetroffener Geltung beanspruchen. Nur Demjenigen gegenüber, der an die gerichtliche Entscheidung gebunden sei, könnte auch entgegenhalten werden, dass die Erforderlichkeit der Entnahme nicht durch (sofort vollziehbare) Allgemeinverfügung bereits verbindlich festgestellt worden sei.
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Der Einwand der Antragstellerseite, dass die untere Naturschutzbehörde keine Kompetenz zur Prüfung hinsichtlich des Erhaltungszustandes hätte, erschließe sich nicht. Aus dem Verweis von § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV auf § 3 Abs. 1 Satz 3 AAV ergebe sich, dass die untere Naturschutzbehörde zu prüfen und sicherzustellen habe, dass sich der Erhaltungszustand der Populationen nicht verschlechtere und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert werde. Es obliege mithin der selbstständigen Prüfung durch die untere Naturschutzbehörde, wie sie hinsichtlich des Ziels der Erreichung und Sicherung eines günstigen Erhaltungszustandes die Umstände des Einzelfalls an der konkreten Teichanlage beurteilen. Werde die Einhaltung der Höchstentnahmezahlen bestätigt, so könne die untere Naturschutzbehörde dann davon ausgehen, dass sich der Erhaltungszustand durch eine Entnahme nicht verschlechtern werde. Warum diese Entscheidung, die sich die untere Naturschutzbehörde bei ihrer Entnahmeentscheidung im Einzelfall zu eigen mache, keiner (zumindest inzidenten) gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein solle, sei nicht ersichtlich.
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Entgegen der Auffassung der Antragstellerseite sei sichergestellt, dass die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands des Fischotters in der kontinentalen biogeografischen Region nicht beeinträchtigt werde. In Oberfranken dienten die Festlegungen der angegriffenen Allgemeinverfügung auch und gerade dem Schutz der Gebiete, die zum Lückenschluss zwischen der östlichen und westlichen Fischotterpopulation notwendig seien. Dies zeige sich schon daran, dass trotz Fischotter-Vorkommen in den Landkreisen Bamberg, Lichtenfels und Forchheim sowie im Westen des Landkreises Bayreuth mit der Allgemeinverfügung keine Gebiete festgelegt worden seien. Diese Bereiche seien vielmehr bewusst ausgespart worden, da sich die Population insbesondere am westlichen Rand Oberfrankens weiter in der Ausbreitung befände. Aus fachlicher Sicht sei ausreichend nachgewiesen, dass die Entnahmen i.R.d. Höchstentnahmezahlen die Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustandes nicht behinderten. Nach den besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten – namentlich der Studie Weiss et al. – bestehe keine Ungewissheit mehr hinsichtlich des Erhaltungszustandes. Das Alter der Daten sei unproblematisch. Zum einen beziehe sich die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung auf die artenschutzrechtliche Prüfung im Rahmen von Planfeststellungsverfahren, bei denen stets mit worst-case-Annahmen gearbeitet werden. Zum anderen habe aber hier auch eine dahingehende Plausibilitätskontrolle stattgefunden. Die Bestände des Fischotters breiteten sich seit einigen Jahren wieder erfolgreich nach Westen aus und hätten mittlerweile in Ostbayern eine stabile Population etabliert. In Oberfranken sei insoweit schon bei Betrachtung der Zahlen – in diesem Sinne eben schon als worst-case-Szenario betrachtet – eine stetige Verbesserung des Erhaltungszustandes i.S.e. stetigen Zuwachses der Fischotterpopulation zu verzeichnen gewesen. Abgesehen davon seien in der Studie Weiss et al. ohnehin auch aktuellere Daten mit einbezogen worden. Methodische Fehler in der Studie Weiss et al. – wie etwa die angebliche Gefahr einer Überschätzung der Populationsdichte im Zuge der Beprobung insbesondere kurzer Gewässerabschnitte – seien nicht erkennbar. Derartige Annahmen basierten lediglich auf Mutmaßungen und der Unterstellung, der Autor der Studie hätte derartige Faktoren unberücksichtigt gelassen. Im Übrigen werde auch aus einer anderen Studie, an der der Autor Weiss beteiligt gewesen sei, deutlich, dass sich dieser derartiger Effekte durchaus bewusst gewesen sei, sodass davon auszugehen sei, dass solche erkannt und berücksichtigt worden wären, wenn sie denn vorlägen.
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Im westlichen Oberfranken befinde sich der Fischotter noch in der Ausbreitung. Angesichts dessen seien die maximalen Kapazitäten der Fischotterpopulation hier bisher noch nicht erreicht. Da über Gesamtoberfranken gesehen weiterhin Wachstumskapazitäten in entsprechendem Umfang zu vermuten seien, könne zum momentanen Zeitpunkt davon ausgegangen werden, dass das Populationswachstum weiterhin im Jahresdurchschnitt bei 12,7% läge.
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In die Untersuchung der Bestandsentwicklung seien selbstredend auch andere Gefährdungsfaktoren – wie natürliche Todesursachen oder die Gefährdungslagen etwa im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr – eingeflossen. Die Bestände in Oberfranken hätten sich gerade ungeachtet bzw. trotz dieser bestehenden anderen Gefährdungsfaktoren und sonstiger, die Populationsentwicklung beeinflussenden Faktoren, positiv entwickelt. Insoweit berücksichtige das festgehaltene Ergebnis zur tatsächlichen Bestandsentwicklung alle insoweit maßgeblichen Faktoren. Im Übrigen sei schon generell sichergestellt, dass Entnahmen von Fischottern auf Grundlage der Allgemeinverfügung die positive Populationsentwicklung im Übrigen nicht beeinträchtigen würden. Denn nach den entsprechenden jagdrechtlichen Bestimmungen dürften ohnehin nur Jungtiere und Männchen erlegt werden, reproduktive Weibchen dagegen nicht. Angesichts des Umstandes, dass Fischotterweibchen im gebärfähigen Alter zwischen zwei und vier Jungtiere pro Jahr werfen, erscheine die positive Entwicklung der Population auch weiterhin gewährleistet.
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Schließlich sei seitens der höheren Naturschutzbehörde eine konkrete Vorprüfung und Vorfestlegung bzgl. FFHrechtlicher Fragestellungen nach § 34 BNatSchG durchgeführt worden. Insbesondere sei für den gesamten Regierungsbezirk Oberfranken eine FFH-Verträglichkeitsabschätzung durchgeführt worden, bei der die konkreten Gegebenheiten vor Ort, nämlich die regionale, landkreisübergreifende Situierung der FFH-Gebiete mit dem Erhaltungsziel „Fischotter“ betrachtet worden seien und die alle durch die Allgemeinverfügung zugelassenen Maßnahmen umfasse. Diese sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des gebietsbezogenen Erhaltungsziels „Fischotter“ in den jeweiligen FFH-Gebieten ausgeschlossen sei.
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Die Maßnahmengebiete seien nicht fehlerhaft festgelegt worden. Wie schon in der Begründung zur Allgemeinverfügung dargelegt und wie sich auch aus der aus der Akte ersichtlichen Zuordnung zu den Entnahmezahlen (Bl. 647 d. AE) ergebe, sei der Betriebssitz des teichwirtschaftlichen Betriebes insoweit weder aussagekräftig noch letztlich hierfür ausschlaggebend gewesen.
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Die Antragstellerseite übersehe drei ganz maßgebliche Funktionen der Allgemeinverfügung: Erstens lege diese schon nur den räumlichen Bereich fest, in dem die unteren Naturschutzbehörden Entnahmeentscheidungen auf Grundlage der von ihr verbindlich festgestellten Erforderlichkeit treffen könnten – sie sorge hiermit zugleich auch für den notwendigen Ost-West-Lückenschluss. Zweitens werde durch die in ihr festgelegten Höchstentnahmezahlen den unteren Naturschutzbehörden erleichtert, den Erhaltungszustand vor Ort zu beurteilen. Und drittens wirke sie sich dahingehend aus, dass mit ihr eine Obergrenze für die im jeweils geregelten Bereich entnahmefähigen Tierzahlen statuiert werde. Letztlich wirke sie sich gerade als eine Art „Entnahme-Begrenzungs-/Deckelungs-Regelung“ aus.
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Die Auswirkungen auf die biogeographische Region seien hinreichend ermittelt worden, da einer der maßgeblichen Gründe für die Festlegung der konkreten Gebiete der europaweit erforderliche Lückenschluss gewesen sei. Hierzu seien Regionen für die Maßnahmengebiete gewählt worden, in denen der Fischotter bereits seit längerem nachgewiesen worden sei und dessen Population dort eine entsprechend hohe Dichte aufweise (siehe Studie Weiss et al.). Hierbei seien bewusst überwiegend Bereiche in Verbindung mit Gewässern gewählt worden, die in Elbe und Donau entwässern und damit in Zusammenhang mit der östlichen Fischotterpopulation stehen würden. Bereiche in Verbindung mit Gewässern, die v.a. in den Main entwässern, seien dagegen bewusst ausgenommen worden, um den Lückenschluss nicht zu gefährden. Denn nachdem die Ausbreitung des Fischotters vor allem entlang von Fließgewässern erfolge, werde hiermit sichergestellt, dass in Gewässerkomplexen mit derzeit noch geringeren Populationsdichten die Ausbreitung durch Entnahmemaßnahmen nicht negativ beeinträchtigt werde.
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Anders als bei der oberpfälzischen Allgemeinverfügung, treffe die oberfränkische Allgemeinverfügung Regelungen nur für einzelne wenige konkrete oberfränkische Landkreise. Zum anderen lege die oberfränkische Allgemeinverfügung auch Höchstentnahmezahlen nicht nur allgemein regierungsbezirksweit, sondern konkret landkreisspezifisch fest. Ein Mehr an der Konkretheit der getroffenen Regelungen zu verlangen, wäre nicht nur unpraktikabel, sondern würde auch den Regelungszweck konterkarieren, nur (aber immerhin) für bestimmte Einzelfragen – hier: das „Ob“ und „Wo“ der Erforderlichkeit der Entnahme einer Höchstzahl von Tieren – eine übergeordnete, gleichsam „hochgezonte“ Entscheidung der höheren Naturschutzbehörde zu veranlassen. Eine abschließende, exakt-präzise Aufzählung aller praktisch denkbaren Maßnahme- und Fallgestaltungen im Einzelfall würde nicht nur die Grenzen des Machbaren und Praktikablen sprengen, sie würde auch den mit Vollzugsfragen befassten unteren Naturschutzbehörden bei ihren denknotwenig nachgelagerten Einzelfallentscheidungen den notwenigen, ihnen gesetzlich eingeräumten Handlungsspielraum nehmen. Insbesondere müsse die Allgemeinverfügung auch nicht selbst abschließend regeln, wie viele Tiere innerhalb des Kontingents der festgelegten Höchstentnahmezahlen an welcher konkreten Teichanlage entnommen werden dürften. Dies habe vielmehr die untere Naturschutzbehörde unter Betrachtung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles, insbesondere der konkreten Gegebenheiten vor Ort, zu befinden.
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Im Übrigen werden die vom VG Regensburg erhobenen Bedenken gegen den in den Allgemeinverfügungen jeweils verwendeten Begriff der „Entnahme“ von Tieren nicht geteilt. Dieser Begriff sei sowohl fachlich als auch fach-rechtlich anerkannt und beträfe sowohl das Fangen wie auch das Töten von Tieren.
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Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
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1. Der Antrag ist bereits unzulässig.
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a) Die Antragstellerin ist vorliegend bereits nicht antragsbefugt, da eine Verletzung von Rechtsvorschriften im Bereich ihres satzungsgemäßen Aufgabenbereichs in Form der Förderung der Einhaltung der Ziele des Umweltschutzes offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise in Betracht kommt.
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Die Antragsbefugnis erfordert grundsätzlich, dass die Antragstellerin plausibel geltend machen kann, das eine Verletzung in eigenen Rechten durch die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes möglich ist.
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Eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann allerdings, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG oder deren Unterlassen unter anderem dann einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG) und sie in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG oder deren Unterlassen berührt ist (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwRG).
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Die Antragstellerin ist eine anerkannte Umweltvereinigung nach § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. Nach § 2 Abs. 2 k) der Satzung fördert die Antragstellerin ausdrücklich „die Einhaltung des nationalen und internationalen Umwelt- und Verbraucherschutzrechts, insbesondere des Umwelt- und Verbraucherschutzrechts der Europäischen Union“.
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Grundsätzlich wird auch eine Allgemeinverfügung von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG erfasst. Die Materialien zum Umweltrechtsbehelfsgesetz sprechen für ein weites Verständnis des Gesetzgebers von dem in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG verwendeten Vorhabenbegriffs (BayVGH, U.v.1.10.2019 – 14 BV 17.1278, juris Rn. 28). Die Gesetzesbegründung spricht insofern von „sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahmen“ (vgl. BT-Drs. 18/9526, S. 36). Zudem führt der unionsrechtlich gebotene Rechtsschutz von Umweltvereinigungen nach Art. 9 Abs. 3 AK i.V.m. Art. 47 GrCh dazu, dass auch vorgelagerte Verwaltungsentscheidungen grundsätzlich einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden können, soweit diese verbindliche Vorgaben für nachfolgende Verwaltungsakte erlassen.
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Die Besonderheit ergibt sich im vorliegenden Verfahren allerdings daraus, dass die Allgemeinverfügung im Rahmen eines an ein gestuftes Verwaltungsverfahren angelehntes Verfahren ergangen ist. Im Rahmen eines solchen Verfahrens kommt es darauf an, ob auf der jeweiligen Verfahrensstufe Feststellungen beziehungsweise Regelungen getroffen werden, die eine Rechtsverletzung des Antragstellers möglich erscheinen lassen und diesbezüglich eine bindende Vorwirkung auf den nachfolgenden Stufen entfalten (Vgl. Schmidt-Kötters in: BeckOK VwGO, 73. Edition, Stand: 01.04.2025, § 42 VwGO Rn. 184).
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Zunächst ist vorliegend daher die Regelungs- und damit die Bindungswirkung der Allgemeinverfügung im Kontext des durch § 3 AAV vorgegebenen Verwaltungsverfahrens zu betrachten. Erst in einem zweiten Schritt kann dann ermittelt werden, ob überhaupt eine Verletzung von Rechtsvorschriften im satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Antragstellerin in Betracht kommt.
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Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung entfaltet vorliegend lediglich Bindungswirkung dahingehend, dass zum einen in Ziffer 1. Maßnahmengebiete festgelegt werden, in denen überhaupt eine Entnahme in Betracht kommt. Zum anderen werden in Ziffer 2. die Höchstentnahmezahlen in den einzelnen Landkreisen festgelegt. Der Allgemeinverfügung kommt damit lediglich eine begrenzende Funktion zu. Die Bindungswirkung beschränkt sich daher darauf, bestimmte Bereiche von der Möglichkeit auszuschließen, dort Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 AAV vorzunehmen. Zugleich wird die Anzahl an Entnahmen nach oben begrenzt. Eine Bindungswirkung in dem Sinne, dass es in den festgelegten Gebieten ohne weitere Prüfung erlaubt wäre, Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 AAV zu treffen oder, dass im Umfang der Höchstentnahmezahlen eine Entnahme von Fischottern in jedem Fall möglich wäre, geht von der Allgemeinverfügung nicht aus.
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Dies ergibt sich bereits aus dem Tenor der Allgemeinverfügung selbst. In Ziffer 1, in der die Maßnahmegebiete festgelegt werden, ist in Satz 3 festgelegt, dass es in den Maßnahmegebieten erlaubt ist, „Fischottern (Lutra lutra) unter den Voraussetzungen des § 3 AAV zur Abwendung ernster fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der Teich- und Fischereiwirtschaft nachzustellen, sie zu fangen, zu vergrämen, zu verletzen, zu stören und zu töten.“ Hierbei ist erkennbar, dass die höhere Naturschutzbehörde selbst die Voraussetzungen des § 3 AAV nicht geprüft hat, sodass lediglich festgelegt ist, dass nur in den Maßnahmegebieten überhaupt eine Maßnahme nach § 3 Abs. 1 AAV in Betracht kommt. Bindungswirkung kommt der Allgemeinverfügung diesbezüglich lediglich dahingehend zu, dass in den nicht gekennzeichneten Gebieten Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 AAV nicht erlaubt sind. Ziffer 2 der Allgemeinverfügung legt schon nach eindeutigem Wortlaut lediglich eine Höchstentnahmezahl fest. So dürfen bei Maßnahmen nach § 3 AAV „nicht mehr Individuen pro Kalenderjahr als nachfolgend angegeben im jeweiligen Bereich entnommen werden (Höchstentnahmezahlen)“. Ob aber überhaupt die Voraussetzungen für die Entnahme auch nur eines einzigen Fischotters vorliegen, regelt die Allgemeinverfügung nicht. Diese Überprüfung obliegt der unteren Naturschutzbehörde. Zwar mag die höhere Naturschutzbehörde davon ausgehen, dass bei Einhaltung der Höchstentnahmezahl die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht gefährdet wird und die Festlegung der Höchstentnahmezahl auf diese Einschätzung gestützt haben. Dies entbindet die untere Naturschutzbehörde aber nicht von einer eigenständigen Prüfung dieser Voraussetzung. An die Festlegung einer Höchstentnahmegrenze sind zudem niedrigere Anforderungen an die Nachweispflichten zu stellen, als bei der Regelung von Ausnahmeentscheidungen im Sinne des § 45 Abs. 7 BNatSchuG, da eine solche Grenzen eben nur die maximal mögliche Entnahmeanzahl regelt, aber nicht unmittelbar zu einer Ausnahme führt. Eine solche Ausnahmeentscheidung trifft die Allgemeinverfügung – anders als eine spätere Einzelfallentscheidung der unteren Naturschutzbehörde – aber gerade nicht. Die untere Naturschutzbehörde wird ihre Entscheidung daher gegebenfalls an einem anderen Maßstab ausrichten müssen. Wenn die untere Naturschutzbehörde sich im Rahmen einer Einzelfallentscheidung die Einschätzung der höheren Naturschutzbehörde zu eigen macht, ist diese Entscheidung vollständig gerichtlich überprüfbar, da diese eigenständige Einschätzung von der Bindungswirkung der Allgemeinverfügung nicht erfasst wird.
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So ergibt sich auch aus § 3 AAV, dass die höhere Naturschutzbehörde in einem ersten Schritt lediglich begrenzend Maßnahmegebiete und Höchstentnahmezahlen festlegt, die untere Naturschutzbehörde dagegen eine Vollprüfung der Voraussetzungen für Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 AAV durchführen muss. § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV sieht nämlich vor, dass die höhere Naturschutzbehörde „auf der Grundlage von Daten zu den Fischotterpopulationen sowie zu den durch den Fischotter verursachten Schäden Gebiete festlegen“ soll, „in denen zur Abwendung ernster fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der Teich- und Fischereiwirtschaft eine Maßnahme erforderlich ist“. In einem zweiten Schritt soll gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV die untere Naturschutzbehörde „auf Antrag bei Vorliegen der Voraussetzungen nach den Abs. 1 und 2 die erforderlichen Maßnahmen in den nach Satz 1 festgelegten Gebieten bestimmen, wenn die höhere Naturschutzbehörde zuvor die Einhaltung der jeweiligen Höchstentnahmezahl bestätigt hat.“ Aus dieser Formulierung ergibt sich deutlich, dass die höhere Naturschutzbehörde lediglich die Maßnahmegebiete eingrenzt und eine maximale Entnahmezahl festlegt, die untere Naturschutzbehörde aber erst über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 und 2 AAV entscheidet. Damit entscheidet auch erst die untere Naturschutzbehörde darüber, ob überhaupt eine Maßnahme nach § 3 Abs. 1 AAV erforderlich ist und die Voraussetzungen dafür vorliegen. Dies gilt auch für die Frage, ob sich der Erhaltungszustand der Population verschlechtert und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert wird. Dies ergibt sich auch aus § 3 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 AAV, der regelt, dass für die Bestimmung der erforderlichen Maßnahmen die untere Naturschutzbehörde zuständig ist.
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Die Antragstellerin kann als anerkannte Umweltvereinigungen Rechtsbehelfe lediglich dann einlegen, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Allgemeinverfügung Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, verletzt (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG) und sie in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG oder deren Unterlassen berührt ist. Aufgrund der dargelegten ausschließlich begrenzenden Wirkung der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung scheidet eine Verletzung von Rechtsvorschriften durch die Allgemeinverfügung selbst im Bereich des nationalen oder unionsrechtlichen Umweltrecht von vornherein aus.
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b) Auf der Grundlage der dargelegten Regelungs- und Bindungswirkung der Allgemeinverfügung mangelt es dem vorliegenden Antrag zudem am Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin geht mithin selbst zutreffend davon aus, dass auch ohne die Allgemeinverfügung grundsätzlich im Einzelfall Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG getroffen werden könnten. § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG sieht lediglich vor, dass die Landesregierungen „auch“ Ausnahmen allgemein durch Rechtsverordnung zulassen können. Hiervon wurde mit § 3 AAV Gebrauch gemacht. Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung begrenzt daher die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung in Gestalt einer Gebietskulisse und mit lokalen Begrenzungen. Es ist deshalb nicht ersichtlich, weshalb die Antragstellerin als anerkannte Umweltvereinigung ein Rechtsschutzbedürfnis haben sollte, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen diese so zu verstehende Allgemeinverfügung wiederhergestellt wird.
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Ein Rechtsschutzbedürfnis käme etwa in Betracht, wenn die Gefahr bestünde, dass die Allgemeinverfügung die Voraussetzung dafür schafft, dass Maßnahmen gegen Fischotter ergehen, die möglicherweise nicht im Einklang mit nationalem oder unionsrechtlichem Umweltschutzrecht stehen. Der Erlass etwaiger Einzelverwaltungsakte kann aber vorliegend nicht auf die Allgemeinverfügung gestützt werden, vielmehr begrenzt die Allgemeinverfügung die Möglichkeit der unteren Naturschutzbehörde solche Einzelverwaltungsakte zu erlassen. Die Allgemeinverfügung entbindet die untere Naturschutzbehörde dagegen nicht, die Voraussetzungen für eine Maßnahme vollumfänglich zu prüfen.
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Hierin unterscheidet sich die vorliegende Allgemeinverfügung im Übrigen auch von einer Verordnung wie § 3 AAV oder der im Verfahren angeführten Bayerischen Wolfsverordnung – BayWolfV, die unter Umständen von anerkannten Umweltvereinigungen selbstständig angegriffen werden können. So geht der VGH München in seinem Urteil zur Bayerischen Wolfsverordnung davon aus, dass eine Rechtsverordnung „die Zulassung einer Ausnahme von artenschutzrechtlichen Verboten streng geschützter Arten auch dann i.S.v. § 63 Abs. 2 Nr. 4 b i. V. m. § 45 Abs. 7 Satz 1, 4 und 5 BNatSchG“ regelt und „der zugehörigen Rechtsschutzmöglichkeit anerkannter Naturschutzvereinigungen (§ 64 Abs. 1 BNatSchG) –,“ unterliegt, „wenn zwar die Verordnung allein noch nicht die Befugnis für Maßnahmen gegen Wölfe verschafft, sondern vielmehr noch ein Ausnahmeverwaltungsakt zu ergehen hat, jedoch die Verordnung auf ihrer Tatbestandsseite verbindliche Vorgaben für nachfolgende Verwaltungsakte macht und außerdem für solche Verwaltungsakte das Erschließungsermessen auf Null reduziert“ (VGH München, Urteil vom 18. Juli 2024 – 14 N 23.1190, ZUR 2025, 51). Bei der hier streitgegenständlichen Allgemeinverfügung liegen diese Voraussetzungen aber gerade nicht vor. Verbindliche Vorgaben enthält diese nur im Sinne einer Begrenzung. Zudem wird das Erschließungsermessen der unteren Naturschutzbehörde durch die Allgemeinverfügung – wie oben bereits ausgeführt – nicht tangiert.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes – GKG. Die Kammer hat Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit bei ihrer Entscheidung berücksichtigt.