Titel:
Ausnahmen vom Artenschutz bei Fischottern
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 4
UmwRG § 1, § 2, § 3
AAV § 3 Abs. 3
BNatSchG § 45 Abs. 7
FFH-Richtlinie Art. 12, Art. 16
Leitsätze:
1. Entfaltet eine Allgemeinverfügung Tatbestandswirkung für Folgeverwaltungsakte, die Ausnahmen vom strengen Artenschutz bis hin zur Tötung schließlich gestatten, haben auch die gegen Folgeverwaltungsakte angerufenen Gerichte die vorangegangene Allgemeinverfügung zu beachten, sodass effektiver Rechtsschutz bereits gegen die Allgemeinverfügung zu gewähren ist. (Rn. 32)
2. Verbleiben Unsicherheiten zur Frage, ob bei ungünstigem Erhaltungszustand einer Population durch Ausnahmen vom strengen Artenschutz die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert wird, wie es bei Fischottern in Oberfranken der Fall ist, muss von solchen Ausnahmen abgesehen werden (im Anschluss an EuGH, U.v. 10.10.2019 – Tapiola, C-674/17 – ECLI:ECLI:EU:C:2019:851 Rn. 66, 68, 69). (Rn. 55 – 56)
1. Entfaltet eine Allgemeinverfügung Tatbestandswirkung für Folgeverwaltungsakte, die Ausnahmen vom strengen Artenschutz bis hin zur Tötung schließlich gestatten, haben auch die gegen Folgeverwaltungsakte angerufenen Gerichte die vorangegangene Allgemeinverfügung zu beachten, sodass effektiver Rechtsschutz bereits gegen die Allgemeinverfügung zu gewähren ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verbleiben Unsicherheiten zur Frage, ob bei ungünstigem Erhaltungszustand einer Population durch Ausnahmen vom strengen Artenschutz die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert wird, wie es bei Fischottern in Oberfranken der Fall ist, muss von solchen Ausnahmen abgesehen werden. (Rn. 55 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausnahmen vom strengen Artenschutz bei Fischottern nach § 3 AAV, Allgemeinverfügung der höheren Naturschutzbehörde mit Gebiets- und Höchstzahlfestlegungen in Oberfranken, die selbst noch keine Ausnahme erlaubt (§ 3 Abs. 3 Satz 1 AAV), Eilrechtsschutz, insbesondere Antragsbefugnis einer Umweltvereinigung, Tatbestandswirkung derartiger Allgemeinverfügungen und daraus folgende Bindung bei Folgeverwaltungsakten nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für Gerichte, die Folgeverwaltungsakte überprüfen, erfolgreiche Beschwerde gegen ablehnenden verwaltungsgerichtlichen Beschluss, Fischottermanagement, Eilrechtsschutz, Allgemeinverfügung, Naturschutzbehörde, Umweltvereinigung, Anordnung der sofortigen Vollziehung, Anfechtungsklage, Ausweisung, Verwaltungsverfahren, Wirksamkeit
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Entscheidung vom 03.06.2025 – B 2 S 25.399
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14543
Tenor
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 3. Juni 2025 – B 2 S 25.399 – wird in Nr. 1 und 2 geändert.
II. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers – B 2 K 25.231 – gegen die Allgemeinverfügung der Regierung von Oberfranken – ROF-SG55.1-8646.1-1-2-31 – vom 14. Februar 2025 (Oberfränkisches Amtsblatt Nr. 2 [Sonderausgabe] vom 14.2.2025, S. 12), geändert durch Bekanntmachung vom 21. Februar 2025 – ROF-SG55.1-8646.1-1-2-41 (Oberfränkisches Amtsblatt Nr. 5 vom 27.3.2025, S. 37) –, wird wiederhergestellt.
III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
IV. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Gegenstand des Rechtsstreits ist die von der Regierung von Oberfranken am 14. Februar 2025 erlassene und am 27. März 2025 geänderte Allgemeinverfügung (Oberfränkisches Amtsblatt Nr. 2 – Sonderausgabe – vom 14.2.2025 S. 12 sowie Nr. 5 vom 27.3.2025, S. 37).
2
Die Allgemeinverfügung setzt gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung (AAV) für Teilgebiete dreier oberfränkischer Landkreise (und der Stadt Hof) Gebiete und Höchstzahlen für Maßnahmen gegen Fischotter bis hin zu deren Tötung fest (Bayreuth: 2; Hof: 3; Wunsiedel i.Fichtelgebirge: 5) und ordnet dafür den Sofortvollzug an. Sie bestimmt u.a.:
3
„1. Als Gebiete nach § 3 Abs. 3 Satz 1 der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung (AAV) werden die in Anlage 1 gekennzeichneten Bereiche festgesetzt.
Die Abgrenzung der Maßnahmengebiete ergibt sich in farblicher Kennung aus der Übersichtskarte im Maßstab 1 : 570.000 (Anlage 1) sowie aus Detailkarten im Maßstab 1 : 100.000 (Anlagen 2 bis 4), die jeweils Bestandteil der Allgemeinverfügung sind.
In den Maßnahmengebieten ist es erlaubt, Fischottern (Lutra lutra) unter den Voraussetzungen des § 3 AAV zur Abwendung ernster fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der Teich- und Fischereiwirtschaft nachzustellen, sie zu fangen, zu vergrämen, zu verletzen, zu stören und zu töten.
2. Bei Maßnahmen nach § 3 AAV dürfen nicht mehr Individuen pro Kalenderjahr als nachfolgend angegeben im jeweiligen Bereich entnommen werden (Höchstentnahmezahlen):
a. Im Bereich des Landkreises Bayreuth: 2
b. Im Bereich des Landkreises und der Stadt Hof: 3
c. Im Bereich des Landkreises Wunsiedel i.Fichtelgebirge: 5
3. Diese Allgemeinverfügung tritt am Tag nach der ortsüblichen Bekanntmachung in Kraft.
4. Die Allgemeinverfügung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs und tritt spätestens mit Ablauf von einem Jahr nach Bekanntgabe außer Kraft.
5. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 dieser Allgemeinverfügung wird angeordnet.
6. Für diese Allgemeinverfügung werden keine Kosten erhoben.
Rechtsbehelfsbelehrung Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage bei dem Bayer. Verwaltungsgericht in Bayreuth, … erhoben werden.
Hinweis: Die Begründung zu dieser Allgemeinverfügung kann nach vorheriger Terminvereinbarung … in der Regierung von Oberfranken … eingesehen werden.
4
Die (nicht veröffentlichte) Begründung zur Allgemeinverfügung vom 14. Februar 2025 führt u.a. Folgendes aus:
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„3. Der Fischotter (Lutra lutra) ist als Art des Anhangs IV der RL 92/43/EWG (FFHRichtlinie) nach: § 7 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a i.V.m Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97 besonders geschützt und nach § 7 Abs. 2 Nr. 14 Buchst. b des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) streng geschützt.
Innerhalb der durch diese Allgemeinverfügung festgelegten Gebiete soll entsprechend § 3 Abs. 3 Satz 1 AVV die gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG örtlich zuständige untere Naturschutzbehörde auf Antrag bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AVV die erforderlichen Maßnahmen festlegen, wenn die höhere Naturschutzbehörde zuvor die Einhaltung der jeweiligen Höchstentnahmezahl bestätigt hat. Durch die zunehmende Ausbreitung des Fischotters ist die kleinteilig strukturierte Teichwirtschaft im Regierungsbezirk Oberfranken erheblich beeinträchtigt. Im Regierungsbezirk Oberfranken liegen bedeutsame Gebiete der Teichwirtschaft mit einer Vielzahl von Teichanlagen, die der Zucht oder Produktion von Fischen dienen. Darüber hinaus leisten die Teichanlagen einen Beitrag zum Wasserrückhalt und, wenn naturnah gestaltet, als Lebensraum vieler Arten zur Biodiversität.
3.1. Der Fischotter besiedelt mittlerweile großflächig den Regierungsbezirk Oberfranken. Mit einer von der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) beauftragten Studie der Universität Graz (Weiss et al. 2023) liegt für Bayern eine erste Bestandsschätzung des Fischotters vor. Die Berechnungen ergaben für das gesamte nachgewiesene Verbreitungsgebiet des Fischotters in Bayern eine geschätzte Population von 1.495 (95% Konfidenzintervall: 1.281 – 1.734) Individuen. Im Rahmen dieser Studie wurde auch für einzelne Regierungsbezirke der regionale Bestand abgeschätzt. Daraus wird für Oberfranken eine Bestandszahl von 176 Fischottern abgeleitet, die sich überwiegend im östlichen Bereich des Regierungsbezirks befindet.
Die Festsetzung der Maßnahmengebiete durch die Regierung Oberfranken ergeht in Umsetzung der vierten Säule des Fischottermanagementplans (FMP). Der im Jahr 2013 erstellte FMP bestand vor Ergänzung der vierten Säule aus den folgenden Säulen: Beratung (Säule 1) – Prävention (Säule 2) – freiwillige Ausgleichszahlungen (Säule 3). Im April 2018 wurde die Bayerische Staatsregierung durch Beschluss des Bayerischen Landtags aufgefordert, in besonderen Fällen, in denen an Erwerbsteichanlagen keine Präventions- und Abwehrmaßnahmen umgesetzt werden können, den FMP um eine vierte Säule, die Entnahmen, zu ergänzen.
3.2. Die Auswahl der festgelegten Maßnahmengebiete basiert auf Bestandszahlen zur Fischotterpopulation sowie den durch Fischotter verursachten wirtschaftlichen Schäden.
Als Grundlage für die Bestandszahlen wird Weiss et al. 2023 herangezogen. So wie in ganz Bayern breitet sich auch in Oberfranken der Fischotter von Osten her aus. Mit der Studie von Weiss et al. 2023 kann für die Landkreise Wunsiedel i. Fichtelgebirge, Hof und Kulmbach ein beinahe flächendeckendes Vorkommen des Fischotters belegt werden. Es wird vermutet, dass der Fischotter auch flächendeckend im Landkreis Bayreuth sowie großflächig in weiteren Landkreisen vorkommt. Da dies zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht belegt ist, können lediglich die Landkreise Wunsiedel i.Fichtelgebirge, Hof sowie der Osten des Landkreises Bayreuth für die Ausweisung der Maßnahmengebiete berücksichtigt werden. Die Abgrenzung des Teilgebiets im Landkreis Bayreuth erfolgt entlang der Einzugsgebietsgrenzen der oberflächigen Fließgewässer (EZG Stufe 6). Es wurden Gewässerkörper, die mit denen der nördlichen Oberpfalz und somit Gebieten mit nachgewiesenem Fischottervorkommen in Verbindung stehen (vgl. Weiss et al. 2023), gewählt. Bei der Gebietsabgrenzung wurden in den Landkreisen Hof und Wunsiedel i. Fichtelgebirge die entsprechenden Prüfzonen um die FFH-Gebiete berücksichtigt.
Zuständige Behörde für die Anerkennung von durch Fischotter verursachten Schäden ist die staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAK). Im Schadensjahr 2023 liegt die durch die FüAK ausgezahlte Summe für Fischotterschäden in Oberfranken bei 294.232,21 €. In Oberfranken gingen 34 Anträge auf Schadensausgleich ein.
Die Auszahlungen werden derzeit durch die FüAK nicht nach entstandenem Schadensort, sondern nach Betriebssitz des Antragstellers aufgeschlüsselt. Die Teiche können teilweise auch in anderen Oberfränkischen Gemeinden oder außerhalb Oberfrankens liegen. Daher wurde ergänzend zu den Daten der FüAK eine gutachterliche Stellungnahme der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) eingeholt. Damit wurde herausgearbeitet, dass Fischotterschäden derzeit in den Landkreisen Wunsiedel i. Fichtelgebirge, Bayreuth und Hof das größte Ausmaß annehmen.
Die zehn zu entnehmenden Fischotter wurden rechnerisch auf oberfränkische Landkreise aufgeteilt, die im Kerngebiet der aktuellen Fischotterverbreitung liegen und die Schwerpunkte des Schadgeschehens widerspiegeln. Hierbei wurden folgende Parameter betrachtet: Zum einen die Anzahl der Auszahlungsanträge, zum anderen die Höhe der ausgezahlten Schadenssumme und schließlich auch die Größe der, aufgrund der Bestandsdaten und FFHGebietsprüfzonen hergeleiteten, Maßnahmengebiete. Durch Verschneidung dieser Informationen ergeben sich die Entnahmezahlen für die Landkreise Bayreuth, Hof und Wunsiedel i.Fichtelgebirge.
3.3. Der Erhaltungszustand des Fischotters in der kontinentalen biogeographischen Region wird vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) als ungünstig eingestuft. Nach Einschätzung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) wird die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes nicht gehindert, wenn die jährlichen Entnahmezahlen für ein bestimmtes Gebiet maximal 50% des geschätzten jährlichen Populationswachstums betragen. Laut einer vorausgegangenen Einschätzung der LfL wird der jährliche rechnerische Zuwachs der Fischotterpopulation in Bayern aufgrund des Bestandsanstiegs von 1995 bis 2023 mit 12,7% angegeben. Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass eine Entnahme von höchstens 10 Fischottern in Oberfranken die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands des Fischotters nicht behindern wird.
Begleitend zur Änderung der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung (AAV) ist zudem ein wissenschaftliches Fischotter-Monitoring vorgesehen. Hierdurch sollen sowohl die Wirksamkeit der Maßnahmen, als auch die Bestandsentwicklung der Art Fischotter kontrolliert werden.
3.4. Im Regierungsbezirk Oberfranken ist in den folgenden FFH-Gebieten der Fischotter als Erhaltungsziel festgesetzt:
Durch die sich somit ergebende Gebietskulisse bei der Festlegung der Maßnahmengebiete kann eine Verschlechterung des Erhaltungszustands des Fischotters innerhalb des FFH-Gebiets aufgrund von Entnahmen nach der AVV ausgeschlossen werden.
3.5. Die Überplanung der Naturschutzgebiete durch die Maßnahmengebiete führt nicht dazu, dass eine pauschale Befreiung von den Verboten der jeweiligen Naturschutzgebietsverordnungen (NSG-VO) zu erteilen ist.
3.6. Die Ausweisung der Maßnahmengebiete entspricht dem pflichtgemäßen Ermessen der höheren Naturschutzbehörde (vgl. Art. 40 BayVwVfG) und ist sowohl sachgerecht als auch geboten.
Die höhere Naturschutzbehörde soll bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AVV die entsprechenden Maßnahmengebiete festlegen.
4. Die Nebenbestimmungen dieser Allgemeinverfügung basieren auf den Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 BayVwVfG.
5. Diese Allgemeinverfügung ist unter Beteiligung der anerkannten Naturschutzvereinigungen und des Naturschutzbeirats der Regierung von Oberfranken zustande gekommen.
5.1 Mit Schreiben vom 08.01.2025 wurde den nach § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) anerkannten, in Bayern landesweit tätigen Naturschutzvereinigungen gem. § 63 Abs. 2 Nr. 4b BNatSchG die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf der Allgemeinverfügung bis zum 31.01.2025 gegeben. Nach Auswertung und Würdigung der fristgerecht eingegangenen Stellungnahmen konnte die Allgemeinverfügung in der vorliegenden Fassung erlassen werden.
5.2 Der Naturschutzbeirat der Regierung von Oberfranken hat der vorliegenden Allgemeinverfügung mit Beschluss vom 05.02.2024 in seiner Sitzung am vorgenannten Datum gem. Art. 48 Abs. 1 BayNatSchG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über die Naturschutzbeiräte vom 16. November 2006 (NSB-VO) zugestimmt.
6. Diese Allgemeinverfügung wird durch Veröffentlichung im Oberfränkischen Amtsblatt öffentlich bekanntgegeben, Art. 41 Abs. 4 BayVwVfG.
7. Die Rechtsgrundlage für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
6
Am 14. März 2025 erhob der Antragsteller, eine anerkannte Umweltvereinigung, gegen die Allgemeinverfügung Anfechtungsklage, die beim Verwaltungsgericht Bayreuth unter dem Aktenzeichen B 2 K 25.231 anhängig ist und seitens des Antragstellers mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24. April 2025 begründet wurde mit dem Antrag, die Allgemeinverfügung vom 14. Februar 2025 in der geänderten Fassung vom 27. März 2025 aufzuheben.
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Ebenfalls am 24. April 2025 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Bayreuth im Wege des Eilrechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
8
Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 3. Juni 2025 als unzulässig abgelehnt. Es verneint bereits die Antragsbefugnis des Antragstellers (BA S. 12 bis 15), was es u.a. damit begründete, dass § 3 Abs. 3 AAV ein „gestuftes“ Verwaltungsverfahren vorsehe, in dem der Allgemeinverfügung lediglich eine begrenzende Funktion zukomme und sich deren Bindungswirkung darauf beschränke, bestimmte Bereiche von der Möglichkeit auszuschließen, dort Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 AAV vorzunehmen, wobei zugleich die Anzahl an Entnahmen nach oben begrenzt werde. Eine Bindungswirkung dahin, dass Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 AAV in den festgelegten Gebieten ohne weitere Prüfung getroffen werden dürften oder dass Fischotterentnahmen im Umfang der Höchstentnahmezahlen in jedem Fall möglich wären, gehe von der Allgemeinverfügung nicht aus. Außerdem verneinte das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis (BA S. 15 f.), was es u.a. damit begründete, dass auch ohne die Allgemeinverfügung im Einzelfall Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG getroffen werden könnten, während die Allgemeinverfügung lediglich die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung in Gestalt einer Gebietskulisse mit lokalen Beschränkungen begrenze. Der Erlass etwaiger Einzelverwaltungsakte könne vorliegend nicht auf die Allgemeinverfügung gestützt werden; vielmehr begrenze die Allgemeinverfügung die Möglichkeit der unteren Naturschutzbehörde, solche Einzelverwaltungsakte zu erlassen, und entbinde diese nicht, die Voraussetzungen für eine Maßnahme vollumfänglich zu prüfen.
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Der Ablehnungsbeschluss wurde dem Antragsteller am 3. Juni 2025 gegen anwaltliches Empfangsbekenntnis zugestellt.
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Am 6. Juni 2025 legte der Antragsteller gegen den Ablehnungsbeschluss Beschwerde ein mit dem Antrag,
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unter Abänderung des Beschlusses die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
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Zur Begründung macht der Antragsteller unter Darstellung der tragenden Gründe des angegriffenen Ablehnungsbeschlusses deren Fehlerhaftigkeit geltend und trägt außerdem zur Begründetheit des vom Verwaltungsgericht für unzulässig gehaltenen Eilantrags vor, die sich schon aus den Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage, selbst bei Unterstellung offener Erfolgsaussichten aber jedenfalls aus einer Folgenabwägung ergebe.
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Zusätzlich beantragte der Antragsteller in der Beschwerdeschrift vom 6. Juni 2025 eine Zwischenverfügung zur Vermeidung vollendeter Tatsachen. Der Senat untersagte mit Beschluss vom 12. Juni 2025 dem Antragsgegner einstweilen bis einschließlich 30. Juni 2025, Folgeverwaltungsakte gemäß § 3 AAV in Anknüpfung an die Allgemeinverfügung zu erlassen, und verpflichtete diesen, sicherzustellen, dass von etwaig bereits ergangenen Folgeverwaltungsakten bis einschließlich 30. Juni 2025 nicht Gebrauch gemacht wird.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
16
Er macht sich dabei zuvörderst die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu eigen.
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Jedenfalls habe die in der Hauptsache erhobene Klage – selbst bei Unterstellung von Klagebefugnis und Rechtsschutzbedürfnis – keine Erfolgsaussichten, weshalb der Sofortvollzug weiterhin aufrechtzuerhalten sei. Hierzu wird u.a. ausgeführt, dass die untere Naturschutzbehörde davon ausgehen könne, dass sich der Erhaltungszustand durch eine Entnahme nicht verschlechtern werde, wenn die Einhaltung der Höchstentnahmezahlen bestätigt werde; warum diese Entscheidung, die sich die untere Naturschutzbehörde bei ihrer Entnahmeentscheidung im Einzelfall zu eigen mache, keiner (zumindest inzidenten) gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein solle, sei nicht ersichtlich. Eine Prüfung der Tatbestandsmerkmale durch die untere Naturschutzbehörde könne durchaus auch zu einem Ergebnis führen, nach welchem die Höchstentnahmezahlen nicht ausgeschöpft würden.
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Sowohl die konkrete Anzahl an Entnahmen als auch die Allokation auf die jeweiligen Teichanlagen obliege der vollumfänglichen Prüfung der unteren Naturschutzbehörde. Es sei sichergestellt, dass die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands des Fischotters in der kontinentalen biogeografischen Region nicht beeinträchtigt werde. Es fehle weder an einer zutreffenden Bestimmung des Erhaltungszustands der lokalen Population noch an einer Prüfung der Auswirkungen der Entnahmen auf die lokale Population und die kontinentale biogeografische Region Deutschlands. Aus naturschutzfachlicher Sicht sei eine Populationsschätzung grundsätzlich ausreichend, um den Erhaltungszustand einer Art zu bestimmen. Auch in Bezug auf andere Arten würden vorhandene Daten und einzelne Stichpunkt-Kartierungen genutzt, um eine Bestandsschätzung und damit den Erhaltungszustand der Art im betrachteten Bereich abzuleiten. Eine vollständige Kartierung aller Einzelindividuen sei folglich nicht notwendig. Die Grundlage für eine Populationsschätzung liefere die Studie von Weiss et al (2023). Sie verdeutliche durch Aufarbeitung von langjährigen Daten der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und des Landesamts für Umwelt (LfU), dass sich der Fischotter in Bayern von Ost nach West ausbreitet und dass im Bereich der Maßnahmengebiete flächendeckend Fischotter vorkämen (Weiss et al, 2023, S 5 und S. 19 ff.).
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Aus rein biologischer Sicht könne die bayerische Population, die an die Fischotterpopulation nördlich der Alpen in Österreich und wahrscheinlich auch an jene in der Tschechischen Republik angebunden sei, als gesund und nachhaltig angesehen werden. Sie leiste einen positiven Beitrag zum Erhaltungsstatus der Art in Deutschland. Insoweit habe auch der EuGH in seinem Urteil vom 12. Juni 2025 – C-629/23 – festgestellt, dass bei der Bewertung, ob der Erhaltungszustand einer Tierart als günstig einzustufen sei, auch der überregionale Austausch zwischen der nationalen Population und den Populationen in benachbarten Mitgliedstaaten oder Drittländern berücksichtigt werden könne. Aus Bayern sei der Fischotter in den 1970er Jahren fast verschwunden gewesen (Röben 1974, Hodl-Rohn 1978). Mau (1996) sei „heute“ von einer bayerischen Mindestanzahl von 20 bis 30 Tieren ausgegangen. Aus dem Jahr 2023 gebe es eine belastbare Bestandsgrößenschätzung für Bayern mit einer Zahl von 1495 Fischottern. Es habe 1995 in Niederbayern (zu diesem Zeitpunkt das einzige Verbreitungsgebiet des Fischotters in Bayern) großzügig aufgerundet 50 Fischotter gegeben. Daraus abgeleitet betrage das jährliche Populationswachstum (den Anteil der alpinen biogeographischen Region nicht mit eingerechnet) 12,7 Prozent. Wenn man das unterfränkische Vorkommen zusätzlich herausrechne (18 besetze Quadranten * 4,3 Fischotter = 77(,4) Fischotter), komme man auf 1343 Individuen in der kontinentalen biografischen Region (KBR) Bayerns; dann ergäbe sich ein rechnerisches Populationswachstum von 12,47 Prozent pro Jahr. Dies seien realistische Werte, wie sie auch in einzelnen Bundesländern Österreichs extrapoliert worden seien. Das ermittelte Populationswachstum berücksichtige die natürliche Mortalität des Fischotters. Die Geburtenrate des Fischotters liege höher als das tatsächliche Populationswachstum, weil die Verluste – bekannt seien vor allem Verluste durch Verkehr, bei anderen Todesursachen gebe es eine sehr hohe Dunkelziffer – schon berücksichtigt seien. Es handele sich also um einen Nettowert, bei welchem die Mortalität schon einberechnet worden sei.
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Selbst bei Annahme offener Erfolgsaussichten hätte eine Folgenabwägung zugunsten des Sofortvollzugs der Allgemeinverfügung zu erfolgen. Das öffentliche Interesse am Erhalt der bayerischen Teichwirtschaft mitsamt seiner Berufsgruppe der erwerbsmäßigen Teichwirte, die dieses deutschland- und europaweit nahezu einzigartige Landschaftsbild pflegten und erhielten, überwiege gegenüber dem Interesse des Antragstellers, die Entnahme von maximal 10 Individuen des Fischotters zumindest vorläufig zu verhindern. Bei einem lokalen Populationsbestand von 176 Fischottern und einer jährlichen Zuwachsrate von mehr als 12 Prozent könne bei einer Entnahme von maximal 10 Individuen, die wiederum auf drei Maßnahmengebiete verteilt seien, der Erhalt des günstigen Erhaltungszustands weiterhin gewährleistet werden. Daher lasse die weitere Vollziehung der angegriffenen Allgemeinverfügung keine erheblichen Nachteile für die Belange des Antragstellers oder der Allgemeinheit befürchten. Die zunehmende Verbreitung des Fischotters stelle hingegen eine existenzielle Bedrohung für die Teichbetriebe dar, da sie den Fraßdruck erhöhe und die Bewirtschaftung gefährde. Wenn die Bewirtschaftung aufgrund des weiteren Anstiegs der durch Fischotter verursachten Schäden eingestellt werde, drohten wertvolle Sekundärlebensräume und mit ihnen auch zahlreiche, zum Teil ebenfalls streng geschützte Tier- und Pflanzenarten verloren zu gehen, weil die Teiche verlandeten. Daher sei es notwendig, den Sofortvollzug der Allgemeinverfügung aufrecht zu erhalten, um die Teichwirtschaft und die damit verbundenen Tier- und Pflanzenarten zu schützen und den Erhalt dieser historisch gewachsenen Kulturlandschaft sicherzustellen. Warte man bis zur endgültigen Klärung in der Hauptsache ab, bestehe die Gefahr, dass ein irreversibler Schaden an diesen hochrangigen Rechtsgütern eintrete.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Eilverfahrens in beiden Rechtszügen, auf die Akte des erstinstanzlichen Klageverfahrens sowie auf den vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
22
Die zulässige – insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) beim Verwaltungsgerichtshof als Beschwerdegericht fristwahrend (§ 147 Abs. 2 VwGO) eingelegte – Beschwerde, bei der das Verwaltungsgericht nicht über eine Abhilfe zu entscheiden hatte (§ 146 Abs. 4 Satz 5 Halbs. 2 i.V.m. § 148 Abs. 1 VwGO), hat Erfolg, sodass der verwaltungsgerichtliche Ablehnungsbeschluss entsprechend abzuändern ist.
23
1. Die innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerde legt die Gründe für die Änderungsbedürftigkeit des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses dar und setzt sich dabei mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinander (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Denn sie zeigt auf, wo und weshalb die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus Sicht des beschwerdeführenden Antragstellers überprüfungsbedürftig ist, indem sie die Begründung des Verwaltungsgerichts aufgreift und konkret darlegt, weshalb sie diese für unrichtig hält, wobei sie nicht bloß das erstinstanzliche Vorbringen wiederholt, sondern auf die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts argumentativ eingeht, und zwar mit nicht bloß pauschalen oder formelhaften Rügen (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2024 – 14 CS 24.898 – NuR 2024, 710 Rn. 9 m.w.N.).
24
Der verwaltungsgerichtlichen Verneinung der Antragsbefugnis wird dabei u.a. entgegengehalten, dass der Erlass der Allgemeinverfügung überhaupt erst die Zuständigkeit der unteren Naturschutzbehörde begründe und damit deren Tätigwerden in den von der Allgemeinverfügung festgesetzten Gebieten ermögliche. Fehle es an einer Gebietsausweisung, sei eine Zuständigkeit der unteren Naturschutzbehörde nicht einmal eröffnet – insoweit habe die Allgemeinverfügung eine „ermöglichende“ und nicht, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, eine „begrenzende“ Funktion. Auch handele es sich bei den Höchstentnahmezahlen um wesentliche Vorentscheidungen – eine Entscheidung der unteren Naturschutzbehörde sei überhaupt erst mit der Festlegung der Höchstentnahmezahlen ermöglicht und hinsichtlich der Ausschöpfung dieser Anzahl zugleich begrenzt. Auch werde erst durch die Allgemeinverfügung die Ermessensentscheidung für eine Entnahme auf die untere Naturschutzbehörde übertragen und deren Entschließungsermessen durch die Allgemeinverfügung zu einem „intendierten“ Entschließungsermessen („sollen“; § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV) verschärft. Außerdem habe die Höchstzahlfestsetzung der Allgemeinverfügung Bindungswirkung für nachfolgende Einzelmaßnahmen der unteren Naturschutzbehörde und enthalte die Allgemeinverfügung die rechtsverbindliche Feststellung, dass Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AAV erforderlich seien.
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Der verwaltungsgerichtlichen Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses wird insbesondere die Außenwirkung der Allgemeinverfügung entgegengehalten. Werde diese bestandskräftig, so sei höchst zweifelhaft, ob eine inzidente Überprüfung der damit rechtsverbindlichen Festlegung in einem Verfahren über einen Einzelentnahmebescheid durch ein Gericht noch erfolgen dürfe. Im Hinblick auf die besagten Regelungswirkungen der Allgemeinverfügung müsse es im Interesse effektiven Rechtsschutzes möglich sein, auf der Ebene der Allgemeinverfügung vorläufigen Rechtsschutz zu erlangen, um zu verhindern, dass überhaupt Einzelverwaltungsakte gestützt auf diese Allgemeinverfügung erlassen werden könnten.
26
2. In der Sache schlagen bereits die mit der Beschwerdeschrift vom 6. Juni 2025 dargelegten Rügen gegen den angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Beschluss (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) durch, und zwar unabhängig von der Replik des Antragstellers vom 23. Juni 2023.
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2.1. Bei der Begründetheit der Beschwerde ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die Prüfung der innerhalb der Frist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen, den inhaltlichen Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Darlegungen des Antragstellers beschränkt.
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Ob der Beschwerde aus anderen, nicht dargelegten Gründen stattzugeben wäre, hat das Beschwerdegericht dagegen in aller Regel – abgesehen von möglichen Ausnahmen bei „offensichtlicher anderweitiger“ Rechtswidrigkeit der angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung – nicht von Amts wegen zu prüfen (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2024 – 14 CS 24.898 – NuR 2024, 710 Rn. 10 im Anschluss u.a. an BVerfG, B.v. 14.8.2003 – 1 BvQ 30/03 – BVerfGK 1, 320 unter 1. m.w.N.).
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2.2. Die verwaltungsgerichtliche Verneinung der Antragsbefugnis berücksichtigt unrichtigerweise nur einen Teil der Regelungswirkung der Allgemeinverfügung.
30
Die Beschwerdeschrift weist zu Recht darauf hin, dass erst die Allgemeinverfügung für die dort festgesetzten Gebiete eine Zuständigkeit der unteren Naturschutzbehörde begründet. Dies gilt schon deshalb, weil, wie der Antragsteller zu Recht ausführt, nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV die untere Naturschutzbehörde erst tätig werden darf, wenn die Gebiete nach Satz 1 dieses Absatzes bestimmt sind. Erst dann wird gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 AAV die untere Naturschutzbehörde abweichend von § 8 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Naturschutzgesetzes (AVBayNatSchG) zuständig, der bestimmt, dass für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG – also bei Ausnahmen vom strengen Artenschutz, den auch Fischotter genießen – im Ausgangspunkt die Regierung als höhere Naturschutzbehörde zuständig ist. Im Rahmen des § 3 AAV erzeugt die Regelungswirkung einer Allgemeinverfügung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV wie der vorliegenden somit eine Verlagerung dieser Zuständigkeit bezüglich auf dieser Grundlage ergehender Ausnahmen von der höheren auf die untere Naturschutzbehörde.
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Außerdem bewirkt eine Allgemeinverfügung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV, dass sich innerhalb der von ihr festgesetzten Gebiete und Höchstzahlen das in § 45 Abs. 7 BNatSchG vorgesehene offene Verwaltungsermessen zulasten des Artenschutzes der Fischotter, gegen die sich Maßnahmen nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV richten, zu einem intendierten Ermessen („sollen“) verdichtet.
32
Beide Regelungswirkungen der Allgemeinverfügung wären nicht gerechtfertigt, wenn die von der höheren Naturschutzbehörde gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV vorgenommene Gebietsbestimmung fehlerhaft erfolgt sein sollte, sei es dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV nicht gegeben sein sollten, dass die Rechtsform der Allgemeinverfügung zu Unrecht für Gebiets- und Höchstzahlfestlegungen gewählt sein sollte oder dass die höhere Naturschutzbehörde von ihrem eigenen intendierten Ermessen nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV („soll“) fehlerhaft Gebrauch gemacht haben sollte. Für diese Varianten verlangen Art. 47 GRCh i.V.m. Art. 16 FFH-Richtlinie i.V.m. Art. 9 Abs. 3 AK die Einräumung effektiven Rechtsschutzes, und zwar unmittelbar gegen die Allgemeinverfügung selbst. Denn beiden Regelungswirkungen kann durch etwaigen Rechtsschutz gegen Folgeverwaltungsakte gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV, die Ausnahmen vom strengen Artenschutz bis hin zur Tötung schließlich gestatten, nicht gleich effektiv begegnet werden, weil in diesbezüglichen Prozessen auch die entscheidenden Verwaltungsgerichte an die besagten Regelungswirkungen der Allgemeinverfügung gebunden wären im Hinblick auf die sog. Tatbestandswirkung der Allgemeinverfügung als Verwaltungsakt (siehe Art. 35 Satz 2 BayVwVfG). Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte folgt aus dem Grundsatz der Tatbestandswirkung von wirksamen (nicht nichtigen) Verwaltungsakten, dass auch Gerichte, die nicht selbst mit der Kontrolle der betreffenden Genehmigung im Rahmen von Klagen und Anträgen befasst sind, als Teil des staatlichen Kompetenzgefüges an den Inhalt eines bestandskräftigen, formell wirksamen Verwaltungsakts gebunden sind (vgl. BFH, U.v. 30.6.2011 – V R 44/10 – BFHE 234, 504 Rn. 22 m.w.N.; BVerwG, U.v. 28.11.1986 – 8 C 122/84 u.a. – NVwZ 1987, 496 m.w.N.; siehe auch BVerwG, U.v. 20.5.1987 – 7 C 83.84 – BVerwGE 77, 268/273; U.v. 12.6.1992 – 7 C 5.92 – BVerwGE 90, 220/227).
33
Eine „Nichtigkeit“ der Allgemeinverfügung (Art. 44 BayVwVfG) ist dabei weder vorgetragen noch ersichtlich; insbesondere fehlt es an der dafür erforderlichen „offensichtlichen“ Fehlerhaftigkeit, sodass die besagte „Tatbestandswirkung“ der Allgemeinverfügung im Raum steht.
34
Die Verwaltungsgerichte verfügen über keine Kompetenz, bestandskräftige oder sofort vollziehbare Verwaltungsakte auch „inzident zu verwerfen“ – hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur inzidenten verwaltungsgerichtlichen Verwerfungskompetenz für untergesetzliche „Normen“ (siehe dazu BayVGH, U.v. 17.7.2024 – 14 N 23.1133 – BayVBl 2025, 267 Rn. 56 m.w.N.). Denn bei Verwaltungsakten hat sich der Gesetzgeber gerade im Interesse der Rechtssicherheit für „befristete“ Rechtsbehelfsmöglichkeiten (§ 74 Abs. 1 VwGO) mit der Möglichkeit einer „Bestandskraft“ (beim Verstreichen von Rechtsbehelfsfristen) entschieden. Bei fristgerechter Einlegung von Anfechtungsrechtsbehelfen sieht § 80 VwGO ein austariertes System einstweiligen Rechtsschutzes vor, bei dem Anfechtungsrechtsbehelfen zwar im Ausgangspunkt „aufschiebende Wirkung“ zukommt (§ 80 Abs. 1 VwGO), was aber mehrfach durchbrochen werden kann (§ 80 Abs. 2 VwGO), u.a. mittels Sofortvollzugsanordnungen wie hier (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO), wogegen dann jeweils die Verwaltung (§ 80 Abs. 4 VwGO) und die Gerichte (§ 80 Abs. 5 bis 7 VwGO) angerufen werden können. Dieses System findet auch bei Allgemeinverfügungen gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV wie der vorliegend streitgegenständlichen Anwendung. In Verfahren gegen weitere Folgeverwaltungsakte – wie etwa solche gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV – ist dann an die jeweiligen Ergebnisse solcher Rechtsschutzverfahren anzuknüpfen und besteht für die dort angerufenen Verwaltungsgerichte keine Möglichkeit, die Tatbestandswirkung vorangegangener bestandskräftiger oder sofort vollziehbarer Verwaltungsakte – auch solcher in Gestalt von Allgemeinverfügungen – zu relativieren.
35
Vor diesem Hintergrund schließt die Beschwerdeschrift zu Recht aus den besagten Regelungswirkungen der Allgemeinverfügung auf eine mögliche Antragsbefugnis des Antragstellers.
36
2.3. Die Beschwerdeschrift rügt zu Recht, dass das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis zu Unrecht analog der Antragsbefugnis verneint hat, und legt zutreffend dar, dass für den Fall, dass die Allgemeinverfügung bestandskräftig werden sollte, höchst zweifelhaft sei, ob eine inzidente Überprüfung der dann rechtsverbindlichen Festlegung durch ein Gericht noch möglich wäre. Dies ist – wie bereits ausgeführt – ersichtlich nicht der Fall (siehe 2.2.), sodass effektiver Rechtsschutz bereits gegen die Allgemeinverfügung zu gewähren ist.
37
Dabei ist zu sehen, dass – einerseits – Einzelausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG, die von einer Allgemeinverfügung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV unabhängig sind, und – andererseits – Maßnahmen nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV, die auf einer Allgemeinverfügung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV wie der hier streitgegenständlichen beruhen, zwei verschiedenartige Regelungen mit unterschiedlichen Zuständigkeiten (höhere versus untere Naturschutzbehörde), unterschiedlichen Voraussetzungen (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 und 2 AAV) und unterschiedlichen Rechtsfolgen („kann“ versus „soll“) sind, bei denen jeweils eigenständige Fehler auftreten können (siehe auch 2.2.). All dies spricht dagegen, das Rechtsschutzbedürfnis für gegen Allgemeinverfügungen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 AAV gerichtete Rechtsbehelfe mit Blick auf § 45 Abs. 7 BNatSchG in Frage zu stellen, wie es das Verwaltungsgericht getan hat.
38
3. Der angefochtene verwaltungsgerichtliche Beschluss erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig; insbesondere ist der Eilantrag zulässig (siehe 3.2.) und nicht als unbegründet abzulehnen, sondern hat in der Sache Erfolg (siehe 3.3.).
39
3.1. Sind die Beschwerdegründe – wie hier (siehe 2.) – berechtigt, hat die Beschwerde nicht schon aus diesem Grund Erfolg, sondern (entsprechend § 144 Abs. 4 VwGO) erst dann, wenn sich die angefochtene Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist, wobei die Prüfung insoweit nicht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf vom Beschwerdeführer thematisierte Aspekte beschränkt ist und die Beteiligten hinsichtlich aller explizit erstinstanzlich oder im Beschwerdeverfahren erörterter Aspekte mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass die Beschwerdeentscheidung auf andere als die vom Verwaltungsgericht tragend zugrunde gelegten Gründe gestützt wird, ohne dass es insoweit eines gesonderten Hinweises bedürfte (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2024 – 14 CS 24.898 – NuR 2024, 710 Rn. 11 m.w.N.).
40
3.2. Der Eilantrag ist nicht nur im Hinblick auf Antragsbefugnis und Rechtsschutzbedürfnis, die das Verwaltungsgericht unrichtiger Weise verneint hat (siehe 2.), sondern auch im Übrigen zulässig.
41
3.2.1. Der Antragsteller ist als i.S.v. § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG zur Rechtsbehelfseinlegung nach § 80 Abs. 5, § 42 Abs. 1 VwGO berechtigt, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen.
42
3.2.1.1. Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV ist ein Verwaltungsakt i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.
43
Die Allgemeinverfügung beruht auf der Anwendung von umweltbezogenen landesrechtlichen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 AAV) und bundesrechtlichen (§ 7 Abs. 2 Nr. 14 Buchst. b, § 44 Abs. 1 BNatSchG) Rechtsvorschriften.
44
Auch wird mit ihr ein Vorhaben zugelassen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG, der nach den Gesetzesmaterialen (BT-Drs. 18/9526, S. 36 – „sonstige in Natur und Landschaft eingreifende Maßnahmen“) weit auszulegen ist (vgl. BayVGH, U.v 1.10.2019 – 14 BV 17.1278 u.a. – VGH n.F. 72, 167 Rn. 28). Zwar wird mit ihr eine Maßnahme gegen Fischotter nicht unmittelbar erlaubt, insbesondere keine Tötung. Jedoch ist sie eine unabdingbare Voraussetzung für die Zulassung solcher Ausnahmen vom strengen Artenschutz der Fischotter nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV. Denn erst durch die Allgemeinverfügung wird eine Zuständigkeit der unteren Naturschutzbehörde für solche Einzelmaßnahmen geschaffen. Außerdem bewirkt die Allgemeinverfügung die wesentliche Rechtsfolge, dass für die von ihr bestimmten Gebiete das allgemeine Ausnahmeermessen in § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG in ein „Sollen“ verdichtet wird.
45
Angesichts dieser wesentlichen Weichenstellungen der Allgemeinverfügung gebietet Art. 47 Abs. 1 GRCh verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz bereits gegen die Allgemeinverfügung selbst. Die Auffangvorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2023 – 10 C 4.23 – juris Rn. 14) verfolgt das Ziel, Art. 9 Abs. 3 AK, der seinerseits integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist (EuGH, U.v. 8.11.2022 – C-873/19 – ECLI:ECLI:EU:C:2022:857 Rn. 48), vollständig umzusetzen (BVerwG, U.v. 19.12.2019 – 7 C 28.18 – BVerwGE 167, 250 Rn. 25). Dabei ist insbesondere dem unionsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 47 Abs. 1 GRCh) Wirksamkeit zu verschaffen (EuGH, U.v. 8.11.2022 a.a.O. Rn. 79 sowie Rn. 75, 77), wobei es vorliegend um den unionsrechtlich determinierten Vollzug von Artenschutzrecht geht und §§ 44 ff. BNatSchG u.a. Art. 12, 16 der FFH-Richtlinie in nationales Recht umsetzen (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh; vgl. BayVGH, U.v. 30.4.2024 – 14 N 23.1502 u.a. – NuR 2024, 499 Rn. 45 m.w.N.).
46
Im Rahmen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegen nachfolgende Einzelmaßnahmen gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV könnte kein gleichwertiger Rechtsschutz erzielt werden, weil die sog. Tatbestandswirkung – die Allgemeinverfügungen wie der vorliegenden ebenso zukommt wie allen anderen Verwaltungsakten – in solchen nachfolgenden Verfahren zu § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV nicht nur von der Verwaltung, sondern auch von den Verwaltungsgerichten zu beachten wäre (siehe 2.2.).
47
3.2.1.2. Dabei macht der Antragsteller nicht nur einen Widerspruch gegen dafür bedeutsame Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG), sondern auch eine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG) geltend, namentlich eine Verletzung von § 45 Abs. 7 BNatSchG und § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV, die vor dem Hintergrund von Art. 12 und Art. 16 FFH-Richtlinie zu sehen sind.
48
Auch macht der Antragsteller geltend, durch die Allgemeinverfügung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung von Umweltschutzzielen berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG).
49
3.2.2. Sonstige Zulässigkeitshindernisse des Eilantrags sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Anfechtungsklage ihrerseits fristgerecht eingelegt worden, sodass die Allgemeinverfügung bislang keine Bestandskraft erlangt hat und dem Eilantrag auch insoweit nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Auch fehlt der Klage – nicht anders dem Eilantrag – das Rechtsschutzbedürfnis nicht etwa im Hinblick auf Klagemöglichkeiten gegen etwaige Einzelverwaltungsakte gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV oder solcher, die nur auf § 45 Abs. 7 BNatSchG gestützt sind (siehe 2.3.).
50
3.3. Der Eilantrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO begründet; das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, weil die – insbesondere im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, §§ 2, 3 UmwRG, die Klagebefugnis und das Rechtsschutzbedürfnis – zulässig erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich begründet (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG) und damit erfolgreich sein wird.
51
3.3.1. Rechtsgrundlage der Allgemeinverfügung ist § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV, wonach die höhere Naturschutzbehörde auf Grundlage von Daten zu den Fischotterpopulationen sowie zu den durch den Fischotter verursachten Schäden Gebiete festlegen soll, in denen zur Abwendung ernster fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der Teich- und Fischereiwirtschaft eine entsprechende Maßnahme erforderlich ist. Die Regierung von Oberfranken ist nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV und Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG sachlich und örtlich für den Erlass dieser Allgemeinverfügung zuständig.
52
3.3.2. Die Allgemeinverfügung erweist sich nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich wohl schon deshalb als rechtswidrig, weil für das zweite Tatbestandsmerkmal des § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV der „durch den Fischotter verursachten Schäden“ keine belastbare Zuordnung der Schadensorte aktenkundig ist. Die Begründung der Allgemeinverfügung (dort 3.2. vorletzter Absatz) räumt selbst ein, dass die Auszahlungen der staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAK), zu denen Daten aktenkundig sind, nicht nach dem Ort des entstandenen Schadens, sondern nach dem Betriebssitz des jeweiligen Antragstellers aufgeschlüsselt sind, der indes in anderen oberfränkischen Gebieten oder sogar ganz außerhalb Oberfrankens liegen kann. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs (dort Blatt 703) lägen zwar bei der FüAK wohl genauere Allokationen der Schäden vor, die aber trotz Nachfrage im Allgemeinverfügungsverfahren nicht an die Regierung von Oberfranken weitergegeben wurden, was zulasten des Antragsgegners geht, weil nicht aktenkundige Informationen nicht zur Prüfung des Tatbestandsmerkmals der auf die festgelegten Gebiete bezogenen Schäden i.S.v. § 3 Abs. 3 Satz 1 AAV beitragen können. Soweit die Begründung der Allgemeinverfügung sodann mit einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) argumentiert, ist auch diese nicht aktenkundig, worauf der Antragsteller zutreffend hingewiesen und zu umgehender entsprechender Vorlage aufgefordert hat, was bislang nicht erfolgt ist und ebenfalls zulasten des Antragsgegners geht. Auch die im Verwaltungsvorgang (dort Bl. 644 ff.) enthaltenen Tabellen zur Zuordnung der Schadenszahlen nach Landkreisen erläutern nicht, mit welcher Methode die dort erfolgte örtliche Zuordnung von Fischotterschäden zu bestimmten Schadensorten im Einzelnen erfolgt ist. Die aktenkundige – ihrerseits auf die Studie von Weiss et al. (2023) bezogene – E-Mail der LfL vom 15. Dezember 2023 (Bl. 8 f. des Verwaltungsvorgangs) enthält keine Aussagen zu den Schadensorten.
53
3.3.3. Unabhängig davon ergibt sich die voraussichtliche Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung – die weichenstellend für Ausnahmen nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AAV ist (siehe 3.2.1.1.) – auch aus Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie i.V.m. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG, weil der Erhaltungszustand des Fischotters in Oberfranken nicht „günstig“ ist (siehe 3.3.3.2.) und zusätzlich „Ungewissheiten“ bestehen, ob Entnahmen in den festgelegten oberfränkischen Gebieten im Rahmen der dafür festgelegten Höchstzahlen die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der dortigen Fischotterpopulation nicht behindern werden (siehe 3.3.3.3.), was aus unionsrechtlichen Gründen dazu führt, dass von einer solchen Ausnahmeregelung „abgesehen werden muss“ (siehe 3.3.3.1.); hinsichtlich der ost-oberfränkischen Einzugsgebiete ist jedenfalls eine Nichtverschlechterung des Populationszustands (§ 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG) nicht nachgewiesen (siehe 3.3.3.4.).
54
3.3.3.1. Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie und § 45 Abs. 7 Satz 2 letzter Halbs. BNatSchG stellen ihrem Wortlaut nach Ausnahmen vom strengen Artenschutz unter die Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung „in einem günstigen Erhaltungszustand“ (siehe dazu Art. 1 Buchst. i FFH-Richtlinie) verweilen.
55
Zwar kann es trotz des Wortlauts des Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie („günstiger Erhaltungszustand“) ausnahmsweise auch bei einem „ungünstigen“ Erhaltungszustand zulässig sein, Ausnahmen vom strengen Artenschutz zu machen, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass solche Ausnahmen (insbesondere Entnahmen streng geschützter Tiere) nicht geeignet sind, den ungünstigen Erhaltungszustand einer Population zu verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands zu behindern (sog. neutrale Maßnahmen; vgl. EuGH, U.v. 10.10.2019 – Tapiola, C-674/17 – ECLI:ECLI:EU:C:2019:851 Rn. 68 m.w.N.).
56
Jedoch gilt dies nur dann, wenn eine dergestalt ausnahmsweise auch bei ungünstigem Erhaltungszustand gewährte Ausnahme das den Mitgliedstaaten obliegende Vorsorgeprinzip (Art. 191 Abs. 2 AEUV) beachtet, was dazu führt, dass von solchen Ausnahmeregelungen „abgesehen werden muss“, wenn dabei nach der Prüfung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten eine „Ungewissheit“ bestehen bleibt hinsichtlich der Wiederherstellbarkeit eines günstigen Erhaltungszustands der Population (EuGH, U.v. 10.10.2019 – Tapiola, C-674/17 – ECLI:ECLI:EU:C:2019:851 Rn. 69, 66). Auf Letzteres hat auch der Antragsteller zutreffend hingewiesen.
57
3.3.3.2. Für den Regierungsbezirk Oberfranken ist nicht von einem „günstigen“ Erhaltungszustand der Fischotterpopulation (i.S.v. Art. 1 Buchst. i FFH-Richtlinie) auszugehen.
58
Die Begründung der Allgemeinverfügung (dort unter 3.3.) geht selbst nicht von einem günstigen Erhaltungszustand des Fischotters in Oberfranken, sondern davon aus, dass der Zustand der Fischotterpopulation in der „kontinentalen biogeographischen Region“ vom Landesamt für Umwelt (LfU) als ungünstig eingestuft wird. Sie setzt dem aber die in der (aktenkundigen) Studie von Weiss et al. (2023) geschätzten Bestandszahlen entgegen (a.a.O. unter 3.1. und 3.2.) und kommt davon ausgehend zu der zentralen Schlussfolgerung (a.a.O. unter 3.3. erster Absatz), die „Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands“ werde durch die Gebiets- und Höchstzahlfestlegungen nicht gehindert (siehe 3.3.3.3.).
59
Auch die Studie von Weiss et al. (2023) nimmt für Oberfranken als Ganzes keinen „günstigen“ Erhaltungszustand des Fischotters an. Sie entwickelt für den Erhaltungszustand der Fischotterpopulationen in Bayern keineswegs ein für Bayern einheitliches, sondern vielmehr ein differenziertes Bild. Zwar beschreibt die Studie zunächst für Bayern insgesamt einen „günstigen Erhaltungszustand“ (a.a.O. S. 48 zweiter Absatz). Jedoch macht sie im Gefolge davon wieder Abstriche und beschränkt ihre Unterstützung eines günstigen Status für den Verbreitungsparameter letztlich auf verschiedene geografische Untereinheiten, für die die Daten „eindeutig sind“ (a.a.O. S. 49 erster Absatz). Dabei geht sie speziell für den Bezirk Oberfranken insgesamt gerade nicht von einer solchen Eindeutigkeit aus, sondern hält dazu fest, dieser Bezirk weise nicht den hohen Prozentsatz an dokumentierter Verbreitung auf, sodass Oberfranken zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit einem positiven Beitrag zum günstigen Erhaltungszustand bewertet werden könne (a.a.O. S. 49 unten bis S. 50 oben). Dabei hält die Studie zu Oberfranken fest, dass nur für etwas mehr als die Hälfte des oberfränkischen Gebiets Fischottervorkommen mit objektiven Daten dokumentiert seien (a.a.O. S. 48 Mitte), dass der Fischotter dort auf einem geringeren Anteil der Fläche (als in anderen Regierungsbezirken) nachgewiesen sei (a.a.O. S. 4 zweiter Absatz), dass dort (anders als in anderen Regierungsbezirken) 15% der untersuchten Rasterzellen kein Fischottervorkommen aufgewiesen hätten (a.a.O. S. 20 letzter Absatz) und dass Oberfranken den Tiefstwert von 176 Exemplaren aufweise (a.a.O. S. 42 letzter Absatz). Auch soweit die Studie für die ost-oberfränkischen Einzugsgebiete einen „Beitrag“ zu einem günstigen Erhaltungszustand bejaht (a.a.O. S. 50 zweiter Absatz; siehe auch 3.3.3.4.), nimmt sie dies nicht zum Anlass, das negative Gesamtresümee für den Erhaltungszustand der Fischotterpopulation in Oberfranken insgesamt (siehe oben) zu revidieren.
60
3.3.3.3. Im Bereich Oberfrankens bestehen „Ungewissheiten“ (siehe 3.3.3.1.), ob die von der Allgemeinverfügung festgelegten Gebiets- und Höchstzahlregelungen die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der oberfränkischen Fischotterpopulation, die derzeit in keinem „günstigen“ Erhaltungszustand ist (siehe 3.3.3.2.), nicht behindern.
61
a) Die Allgemeinverfügungsbegründung (dort unter 3.3. erster Absatz) meint, die Gebiets- und Höchstzahlfestlegungen hinderten eine Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht, wenn die jährlichen Entnahmezahlen für ein bestimmtes Gebiet maximal 50% des geschätzten jährlichen Populationswachstums betragen, wobei sie von einem jährlichen rechnerischen Zuwachs von 12,7% ausgeht, an anderer Stelle (dort unter 3.1.) die von der Studie von Weiss et al. (2023) für Oberfranken ermittelte Bestandszahl von 176 Fischotterexemplaren übernimmt und im Ergebnis annimmt (dort unter 3.3.), bei einer Begrenzung der Entnahmen auf höchstens 10 Fischotter werde in Oberfranken die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert.
62
b) Dafür stützt sich die Allgemeinverfügungsbegründung auf eine Einschätzung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV), die nicht näher mit Datum bezeichnet wird, wobei nur vermutet werden kann, dass damit das umweltministerielle Schreiben vom 16. August 2024 gemeint ist (Bl. 144 ff. des Verwaltungsvorgangs); gemeint sein könnte auch die aktenkundige umweltministerielle E-Mail vom 11. Februar 2025 (Bl. 596 f. des Verwaltungsvorgangs) mit ähnlichen Aussagen. Die Begründung der Allgemeinverfügung führt sodann aus, laut einer vorausgegangen Einschätzung der LfL werde der jährliche rechnerische Zuwachs der Fischotterpopulation in Bayern aufgrund des Bestandsanstiegs von 1995 bis 2023 mit 12,7% angegeben; auf dieser Grundlage sei davon auszugehen, dass eine Entnahme von höchstens 10 Fischottern in Oberfranken die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands des Fischotters nicht behindern werde.
63
Auch das besagte aktenkundige umweltministerielle Schreiben vom 16. August 2024 (dort unter 4.2 S. 5 f.) nimmt auf eine Einschätzung der LfL Bezug, die diesem umweltministeriellen Schreiben vorausgegangen, aber hier nicht aktenkundig ist, wonach aufgrund des Bestandsanstiegs von 1995 bis 2023 ein jährlicher rechnerischer Zuwachs der Fischotterpopulation mit 12,7% angenommen werde. Im Gefolge führt das umweltministerielle Schreiben aus, ausgehend von den dort genannten Bestandszahlen und unter Zugrundelegung der genannten Überlegungen könne „in der Regel“ davon ausgegangen werden, dass bei Einhaltung der dort angegebenen Höchstentnahmen die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands des Fischotters nicht behindert werde, wobei es für Oberfranken eine Höchstentnahmezahl von „10“ benennt und ausführt, dass zum Stand von August 2024 für Oberfranken aufgrund der nicht flächendeckenden Ausbreitung des Fischotters eine „regionale Differenzierung“ vorzunehmen sei, die sich an den Ergebnissen der Studie von Weiss et al. (2023) orientieren könne; von den besagten Entnahmezahlen könne bei Vorliegen aktuellerer Daten abgewichen werden.
64
c) Vor diesem Hintergrund folgen „Ungewissheiten“ hinsichtlich der Nichtbehinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands (siehe 3.3.3.1.) bereits daraus, dass die Herleitung des für die Allgemeinverfügung zentralen jährlichen rechnerischen Zuwachses von 12,7% schon rechnerisch nicht nachvollziehbar hergeleitet ist, und zwar weder in der Begründung der Allgemeinverfügung noch in den aktenkundigen umweltministeriellen Schreiben, auf die sich der Verweis in der Allgemeinverfügungsbegründung beziehen könnte (siehe b)). Denn keines dieser aktenkundigen Dokumente legt dar, wie genau aus den vorhandenen Daten auf einen rechnerischen jährlichen Zuwachs von gerade 12,7% geschlossen worden ist. Die sowohl in der Begründung der Allgemeinverfügung als auch im umweltministeriellen Schreiben vom 16. August 2024 als auch in der umweltministeriellen E-Mail vom 11. Februar 2025 genannte Einschätzung der LfL ist ihrerseits nicht aktenkundig und deren rechnerische Erwägungen werden in den besagten aktenkundigen Dokumenten nicht näher erläutert. Es kann deshalb nur vermutet, nicht aber aufgrund der Akten eindeutig belegt werden, dass der Antragsgegner – wie es die Beschwerdeschrift interpretiert – bei einer Annahme einer Zuwachsrate von 12,7% eine „exponentielle“ Wachstumsentwicklung nach der Formel Anzahlt = Anzahl0 x (1 + Wachstumsrate)t zugrunde gelegt und so zu einem jährlichen Zuwachs von 22 Fischotterexemplaren gelangt ist, wovon die verfügte Entnahmezahl „10“ weniger als die Hälfte ausmachen würde. Dabei ist es weder Sache des Antragstellers noch des Senats, sich mögliche Rechenwege des Antragsgegners aus den Rohdaten zu erschließen – vielmehr ist es Sache des Antragsgegners, den von ihm gewählten Rechenweg schlüssig darzutun und zu begründen (vgl. EuGH, U.v. 10.10.2019 – Tapiola, C-674/17 – ECLI:ECLI:EU:C:2019:851 Rn. 30 m.w.N.).
65
Schon aus diesem Grund verbleiben hinsichtlich der von der Allgemeinverfügung angenommenen Zuwachsraten – und damit hinsichtlich ihrer Prognose der Nichtbehinderung einer Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands – Ungewissheiten und ist schon deshalb von den streitgegenständlichen Gebiets- und Höchstzahlfestsetzungen abzusehen (siehe 3.3.3.1.). Dafür kommt es nicht auf die Vorfrage an, ob entgegen der Kritik des Antragstellers trotz der kurzen Generationendauer und durchschnittlichen Überlebenszeit legitimer Weise auch auf alte Daten aus den Jahren 2017 bis 2019 zurückgegriffen werden konnte.
66
d) „Ungewissheiten“, die den hier streitgegenständlichen Gebiets- und Höchstzahlfestlegungen der Allgemeinverfügung entgegenstehen, ergeben sich auch daraus, dass die Begründung der Allgemeinverfügung auf die besagte (siehe b)), im umweltministeriellen Schreiben vom 16. August 2024 enthaltene Relativierung („…in der Regel…“) nicht eingeht und nicht begründet, weshalb es im Bereich Oberfrankens beim Regelfall bleiben soll, obwohl die der Allgemeinverfügung zugrundeliegende Studie von Weiss et al. (2023) gerade für Oberfranken für derartige Prüfungen Anlass gibt.
67
Die Studie von Weiss et al. (2023) befasst sich selbst nicht ansatzweise mit der Frage, wie viele Entnahmen in Bayern oder in einzelnen Regierungsbezirken oder Teilregionen von Regierungsbezirken vertretbar erscheinen, ohne die Wiederherstellbarkeit eines günstigen Erhaltungszustands zu behindern. Vielmehr untersucht die Studie ausschließlich den bestehenden Erhaltungszustand selbst, den sie für Bayern nicht insgesamt als „günstig“, sondern vielmehr nach verschiedenen geografischen Untereinheiten differenziert bewertet, wobei sie gerade für Oberfranken insgesamt den Erhaltungszustand nicht als günstig ansieht (siehe auch 3.3.3.2. und 3.3.3.4.).
68
Zwar hält die Studie für den „östlichen Teil Oberfrankens“ die dort untersuchten Einzugsgebiete für einen „Beitrag zu einem günstigen Erhaltungszustand des Fischotters“ (a.a.O. S. 50 zweiter Absatz) und schätzt diesbezüglich die Zuverlässigkeit der Daten zur Dokumentation „der Verbreitung des Fischotters“ als „hoch“ ein (a.a.O. S. 50 dritter Absatz; siehe auch 3.3.3.4.).
69
Jedoch bewertet sie die Zuverlässigkeit der Daten für die Abschätzung der Populationsgrößen des Fischotters in Bayern als lediglich „mäßig“ (a.a.O. S. 48 unten), worauf auch der Antragsteller hingewiesen hat; als ebenfalls „mäßig“ beurteilt die Studie zudem die Zuverlässigkeit der Daten für die Bewertung der Habitatqualität des Fischotters in Bayern (a.a.O. S. 51 zweiter Absatz) und die Zuverlässigkeit der Daten für die Abschätzung der Zukunftsperspektiven des Fischotters in Bayern (a.a.O. S. 51 unten).
70
Angesichts dessen hätte Anlass bestanden, zu begründen, weshalb die ministeriell nur „in der Regel“ empfohlene Entnahmehöchstzahl – entsprechend der ministeriellen weiteren Vorgabe, regional zu differenzieren – auch in den ausgewählten Bereichen Oberfrankens gilt, obwohl die Studie von Weiss et al. (2023) für drei von vier Datenparametern eine nur „mäßige“ Datenqualität angenommen hat und zusätzlich für Oberfranken insgesamt von einer nicht eindeutigen Datenlage ausgegangen ist (siehe 3.3.3.2.).
71
e) Schließlich bestehen den hier streitgegenständlichen Gebiets- und Höchstzahlfestlegungen der Allgemeinverfügung entgegenstehende „Ungewissheiten“ hinsichtlich etwaiger Behinderungen der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands (siehe 3.3.3.1.) auch deshalb, weil die differenzierte Herangehensweise der Studie von Weiss et al. (2023) (siehe 3.3.3.2.) und die daraus resultierenden Vorbehalte dieser Studie in den daraus von der Allgemeinverfügung für Oberfranken gezogenen Schlussfolgerungen hinsichtlich der Auswirkungen etwaiger Entnahmen keinen Widerhall finden.
72
So greift die Allgemeinverfügung auf die geschätzte Gesamtzahl von Fischottern in Oberfranken insgesamt (176 Exemplare; vgl. Studie von Weiss et al. (2023) S. 42) zurück, ohne Erwägungen dazu anzustellen, inwieweit dies mit der allein in der Studie von Weiss et al. (2023) als günstig beitragenden Populations-„Verbreitung“ in Ost-Oberfranken (a.a.O. S. 50 zweiter Absatz; siehe oben) korreliert und ob Letzteres nicht dafür sprechen könnte, für eine Bestimmung der Höchstentnahmezahlen auf den Bestand allein in Ost-Oberfranken abzustellen und zu fragen, ob dies zu entsprechend niedrigeren Zuwachsraten und demgemäß Entnahmehöchstzahlen führen könnte. Begründungsbedarf hätte insoweit schon deshalb bestanden, weil ausweislich der Rasterzellenkarten der Studie von Weiss et al. (2023) (dort S. 21 f.) – mit denen das bayerische Staatsgebiet in Rasterzellen von jeweils 10 x 10 km unterteilt wird – im Bereich Oberfranken keineswegs nur das Gebiet der drei Landkreise (Bayreuth, Hof, Wunsiedel) mit „Fischotter positiv“ (grün) gekennzeichnet ist.
73
Auch setzt sich die Begründung der Allgemeinverfügung bei der Bestimmung des jährlichen Zuwachses von 12,7% nicht damit auseinander, dass die Studie von Weiss et al. (2023) die Zuverlässigkeit der Dokumentationsdaten im Hinblick auf die Populations-„Größen“ a.a.O. S. 48 unten), die Habitatqualität (a.a.O. S. 51 zweiter Absatz) und die Zukunftsperspektiven (a.a.O. S. 51 unten) jeweils als lediglich „mäßig“ bewertet und fragt infolgedessen auch nicht danach, ob insoweit eine „Unsicherheit“ besteht, die wie gezeigt einer Ausnahme vom strengen Artenschutz bei ungünstigem Erhaltungszustand entgehen steht. Dies wird durch die Bezugnahmen der Begründung auf Einschätzungen der LfL schon deshalb nicht ausgeglichen, weil diese ihrerseits nicht aktenkundig sind (siehe 3.3.3.2.).
74
f) All dies spricht nach summarischer Prüfung dafür, dass im Hinblick auf die zu erwartenden Auswirkungen der festgelegten Gebiete und Höchstzahlen auf die Fischotterpopulation in Oberfranken „Ungewissheiten“ bestehen, ob Entnahmen in den festgelegten oberfränkischen Gebieten im Rahmen der dafür festgelegten Höchstzahl die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der dortigen Fischotterpopulation nicht behindern, was wie gezeigt dazu führt, dass von einer solchen Ausnahmeregelung „abgesehen werden muss“ (EuGH, U.v. 10.10.2019 – Tapiola, C-674/17 – ECLI:ECLI:EU:C:2019:851 Rn. 69, 68, 66 m.w.N.).
75
3.3.3.4. Für die „Einzugsgebiete im östlichen Teil Oberfrankens“ ist jedenfalls nicht nachgewiesen, dass sich der Erhaltungszustand der Population durch die streitgegenständlichen Gebiets- und Höchstzahlfestlegungen der Allgemeinverfügung „nicht verschlechtert“ (vgl. § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie), und zwar selbst dann nicht, wenn in diesem Teilgebiet Oberfrankens ein „günstiger Erhaltungszustand“ angenommen wird.
76
Die Studie von Weiss et al. (2023) bewertet für den „östlichen Teil Oberfrankens“ die dortigen Einzugsgebiete als „Beitrag“ zu einem günstigen Erhaltungszustand des Fischotters (a.a.O. S. 50 zweiter Absatz) und schätzt diesbezüglich die Zuverlässigkeit der Daten zur Dokumentation „der Verbreitung des Fischotters“ als „hoch“ ein (a.a.O. S. 50 dritter Absatz; siehe 3.3.3.2. a.E.).
77
Zu betonen ist dabei, dass die Begründung der Allgemeinverfügung (dort 3.3.) selbst auch für diese Teile Ost-Oberfrankens jedenfalls nicht explizit von einem „günstigen“ Erhaltungszustand ausgeht, sondern mit dem Kriterium der Nichtbehinderung der Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands an die Ausnahmemöglichkeiten bei ungünstigem Erhaltungszustand anknüpft. Schon diese argumentative Vorgehensweise der Allgemeinverfügung spricht gegen die Annahme einer Nicht-Verschlechterung außerhalb des behördlichen Begründungsansatzes, weil es den zuständigen nationalen Behörden obliegt, im Zusammenhang mit der Genehmigung von Ausnahmen nachzuweisen, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung im Hinblick auf die Verbote und Ziele der FFH-Richtlinie gibt (vgl. EuGH, U.v. 10.10.2019 – Tapiola, C-674/17 – ECLI:ECLI:EU:C:2019:851 Rn. 51), wofür die Unterscheidung zwischen günstigem und nicht-günstigem Erhaltungszustand eine Vorentscheidung ist.
78
Unabhängig davon gibt die Studie von Weiss et al. (2023) nicht an, wie viele Fischotterexemplare sich gerade in diesen östlichen Teilgebieten Oberfrankens befinden, sondern hält nur die Anzahl von Fischotterexemplaren für Oberfranken insgesamt mit 176 Exemplaren fest (a.a.O. S. 42), ohne dass ersichtlich würde, welchen Anteil gerade die besagten östlichen Teilgebiete Oberfrankens an der geschätzten oberfränkischen Gesamtexemplaranzahl haben (siehe dazu auch 3.3.3.3. unter e)). Schon aus diesem Grund lässt sich – selbst wenn ein günstiger Erhaltungszustand in den ostfränkischen Einzugsgebieten unterstellt wird – aufgrund der aktenkundigen Unterlagen nicht bewerten, ob trotz der Gebiets- und Höchstzahlfestlegungen der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung mit keiner Verschlechterung des Erhaltungszustands dieser Population i.S.v. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG zu rechnen ist. Gleiches gilt für die nicht nachgewiesene Methode bei der Herleitung der jährlichen Wachstumsrate von 12,7%, zumal die für die Allgemeinverfügung wie auch für die aktenkundigen umweltministeriellen Dokumente maßgebliche Einschätzung des LfL selbst nicht aktenkundig ist (siehe 3.3.3.3. unter c)). Dabei ist zu sehen, dass sich die Studie von Weiss et al. (2023) selbst nicht ansatzweise mit der Frage der „Auswirkungen“ etwaiger Entnahmen oder sonstiger Ausnahmen vom strengen Artenschutz befasst. Außerdem spricht gegen einen Nachweis der Nichtverschlechterung des Erhaltungszustands auch, dass die Studie von Weiss et al. (2023) die Zuverlässigkeit der Daten zur Populationsgröße, zur Habitatqualität und zu den Zukunftsperspektiven des Fischotters in Bayern als lediglich „mäßig“ bewertet (a.a.O. S. 48 unten, S. 51 zweiter Absatz und S. 51 unten; siehe auch 3.3.3.3. unter d)).
79
4. Die vielfältigen sonstigen Rügen des Antragstellers zur Rechtswidrigkeit des Bescheids im Übrigen – insbesondere die Methodenkritik hinsichtlich der Studie von Weiss et al. (2023), die Rüge, der Antragsgegner habe unter unzureichender Beachtung wachstumsbremsender Faktoren ein exponentielles (ungedeckeltes) anstatt des gebotenen „logistischen“ Wachstums zugrunde gelegt, und die Diskussion, wie eine „lokale“ Population zu definieren ist – bedürfen im Kontext des vorliegenden Eilverfahrens keiner Entscheidung, weil sich der voraussichtliche Erfolg der Anfechtungsklage bereits aus den genannten Gründen ergibt (siehe 3.). Weil der Senat mit diesem Beschluss abschließend über die Beschwerde entscheidet, ist auf den – lediglich für den Fall, dass bis 30. Juni 2025 keine abschließende Entscheidung ergeht, gestellten – Antrag vom 27. Juni 2025, den Schiebebeschluss zu verlängern, nicht weiter einzugehen.
80
Offen lässt der Senat, ob die Rechtsform der Allgemeinverfügung zu Recht gewählt worden ist (kritisch dazu VG Regensburg, B.v. 31.3.2025 – RO 4 S 25.546 – n.v.). Da der Antragsgegner eine solche tatsächlich erlassen hat, liegt die besagte Tatbestandswirkung dieser Allgemeinverfügung als Verwaltungsakt jedenfalls vor (siehe oben 2.), zumal über die dargestellte Rechtswidrigkeit (siehe 3.) hinausgehende Nichtigkeitsgründe (Art. 44 BayVwVfG) weder dargelegt noch ersichtlich sind (siehe 2.2.).
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Nicht entschieden werden muss auch, wie es sich auswirkt, dass die vorgelegte Begründung zur Allgemeinverfügung ab Seite 2 als „Entwurf“ bezeichnet wird, was die Frage aufwerfen könnte – wenn gerade diese Version zur Einsicht in der Dienststelle ausliegen sollte –, ob das Begründungsdokument sich damit insgesamt als bloßer („unverbindlicher“) Entwurf, nicht aber als das „Original“ präsentiert.
82
Schließlich kommt es auch nicht auf eine Folgenabwägung an, weil bereits der voraussichtliche Erfolg der Anfechtungsklage ein hinreichendes Indiz für die Begründetheit (auch) des Eilantrags ist. Aus demselben Grund kann auch dahinstehen, ob die Begründung der Sofortvollzugsanordnung § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt.
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5. Der unterliegende Antragsgegner hat die Kosten des Eilverfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
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6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 VwGO i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).