Titel:
Straßenrecht (Planänderungsbeschluss „Westtangente“ Freising), Verweisung des Rechtsstreits, erstinstanzliche Zuständigkeit des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, zum Begriff der „Landesstraße“ i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO
Normenketten:
VwGO § 83 S. 1
GVG § 17a Abs. 2 S. 1
VwGO § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 8
Schlagworte:
Straßenrecht (Planänderungsbeschluss „Westtangente“ Freising), Verweisung des Rechtsstreits, erstinstanzliche Zuständigkeit des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, zum Begriff der „Landesstraße“ i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14457
Tenor
I. Das Bayerische Verwaltungsgericht München ist sachlich unzuständig.
II. Der Rechtsstreit wird an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verwiesen.
Gründe
1
Die Kläger wenden sich gegen einen Planänderungsbeschluss des Beklagten für den Bau einer Kreisstraße. Ihr Grundstück (FlNr. 63, Gemarkung …*) wird durch das - fertiggestellte – Vorhaben in Anspruch genommen.
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Mit bestandskräftigem Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern vom 12. Juni 2008 (zuletzt geändert am 27.10.2020) wurde der Plan für den Neubau der Kreisstraße FS 44 neu – Westtangente Freising – von St 2084 (T. Straße) bis B 11 (M. Straße) festgestellt. Vorhabensträgerin (in Sonderbaulast) ist die Beigeladene.
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Am 21. Juli 2022 erging auf Antrag der Vorhabensträgerin vom 28. Dezember 2021 im sog. vereinfachten Verfahren der streitgegenständliche Planänderungsbeschluss (6. Planänderung) der Regierung von Oberbayern. Die Planänderung wurde erforderlich, weil sich im Zuge der Bauausführung eines Straßentunnels technisch notwendige Änderungen gegenüber der planfestgestellten Bauweise ergaben. Hierdurch ergab sich auch eine Änderung der zur dauerhaften oder vorübergehenden Nutzung und Inanspruchnahme benötigten Flächen betroffener Eigentümer, u.a. der Kläger. Der Planänderungsbeschluss wurde den Bevollmächtigten der Kläger am 28. Juli 2022 zugestellt.
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Am 24. August 2022 erhoben die Kläger – noch ohne konkrete Antragstellung und Begründung – gegen den Planänderungsbeschluss Klage zum Verwaltungsgericht München. Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz vom 15. Juni 2023 ausgeführt. Im Kern wurde geltend gemacht, die im Planänderungsbeschluss vorgesehene, insbesondere oberirdische Flächeninanspruchnahme und Tiefennutzungsbeschränkung des klägerischen Grundstücks sei nicht im vorgesehenen Umfang erforderlich und damit unverhältnismäßig. Die Fehler im Planänderungsbeschluss führten zu einem Abwägungsmangel, der dessen Aufhebung begründe.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 4. September 2023,
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Die Klage sei schon wegen Versäumung der Frist aus § 6 Satz 1 UmwRG unbegründet. Im Übrigen wurde zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Klagebegründung auf eine Stellungnahme der Beigeladenen vom 29. August 2023 verwiesen.
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Mit Beschluss vom 6. September 2023 wurde die Vorhabensträgerin zum Verfahren beigeladen.
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Die Beigeladene beantragte mit Schriftsatz vom 29. Januar 2024,
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Sie machte mit Schriftsatz vom 7. März 2025 ebenfalls die Präklusion des klägerischen Vorbringens geltend und verteidigte die Rechtmäßigkeit des Planänderungsbeschlusses im Übrigen auch inhaltlich.
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Bereits mit der Erstzustellung der Klage wurde den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich zu einer möglichen Verweisung des Rechtsstreits an den Bayer. Verwaltungsgerichtshof zu äußern. Alle Beteiligten stimmten dieser zu bzw. beatragten diese (Klägerschriftsatz vom 14.12.2022, Beklagtenschriftsatz vom 30.11.2022, Beigeladenenschriftsatz vom 7.3.2025).
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Das Verwaltungsgericht München ist für den vorliegenden Rechtsstreit sachlich nicht zuständig. Der Rechtsstreit ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu verweisen.
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1. Zur Entscheidung des Rechtsstreits ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO sachlich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof berufen. Nach dieser Norm entscheidet der Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtszug Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Bundesfernstraßen und Landesstraßen betreffen. Problematisch erscheint insoweit vorliegend nur, ob der streitgegenständliche, eine Kreisstraße i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayStrWG behandelnde Planänderungsbeschluss eine „Landesstraße“ in diesem Sinne betrifft.
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Konkretisierende Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs oder anderer Verwaltungsgerichtshöfe/Oberverwaltungsgerichte zu dem gesetzlich (jedenfalls für Bayern, vgl. hinsichtlich der Stadtstaaten aber § 185 Abs. 3 VwGO) nicht näher und jedenfalls für die straßenrechtliche Situation in Bayern nicht eindeutig definierten Begriff der „Landesstraßen“ ist der Kammer bislang nicht bekannt.
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a) Erstinstanzlich hat sich zwischenzeitlich das Verwaltungsgericht Karlsruhe (B.v. 16.8.2024 – 9 K 3479/24 – juris Rn. 7 ff.) unter ausführlicher Würdigung der Gesetzesmaterialien und der Kommentarliteratur mit dieser Frage befasst und u.a. ausgeführt:
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„a) Die Regelung in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO, wonach das Oberverwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsgerichtshof für sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung nicht mehr nur von Bundesfernstraßen, sondern auch von sogenannten Landesstraßen betreffen, hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen vom 03.12.2020 (BGBl. I S. 2694) mit Wirkung ab dem 10.12.2020 geschaffen. Hintergrund der Ausdehnung der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Obergerichte war die Erkenntnis, dass straßenrechtliche Planfeststellungsverfahren typischerweise äußerst umfangreich und komplex seien und schwierige Rechtsfragen ebenso wie fachspezifische Fragestellungen aufwiesen. Es handle sich häufig um bedeutende Infrastrukturvorhaben, deren beschleunigte Umsetzung im besonderen öffentlichen Interesse liege. Dies gelte nicht nur für Bundesfernstraßen, sondern im Regelfall auch für den Bau und die Änderung von Landesstraßen. Die für Bundesfernstraßen gebildeten Senate der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe seien für straßenrechtliche Planfeststellungsverfahren spezialisiert. Ihre Fachkunde und Routine und der Beschleunigungseffekt infolge der Konzentration auf eine Tatsacheninstanz sollten auch für Landesstraßen nutzbar gemacht werden (vgl. BT-Drs. 19/22139 S. 16; BR-Drs. 456/20 S. 15; Berstermann, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand 01.07.2024, § 48 Rn. 16).
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Weiter wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt, von einer Einbeziehung „kommunaler Straßen“ werde im Hinblick auf deren geringere Verkehrsbedeutung abgesehen (BT-Drs. 19/22139 S. 16; BR-Drs. 456/20 S. 15). Unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung sind Landesstraßen damit von kommunalen Straßen abzugrenzen. Was unter einer Landesstraße im Sinne der Vorschrift zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht definiert. Da der Begriff bundesrechtlich einheitlich zu bestimmen ist, sind die teils abweichenden Differenzierungen der Straßengesetze der Länder jedenfalls nicht vorrangig maßgeblich (vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 48 Rn. 14a). Nach dem gesetzgeberischen Willen kommt es maßgeblich auf die Verkehrsbedeutung der Straße an (vgl. die Begründung des Gesetzgebers zum Absehen von einer Aufnahme kommunaler Straßen, BT-Drs. 19/22139 S. 16; BR-Drs. 456/20 S. 15; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 48 Rn. 14a). Insofern können die landesrechtlich geschaffenen Kategorisierungen bei der Einstufung der konkret in Rede stehenden Vorhaben in gewisser Weise dennoch zu berücksichtigen sein, weil bzw. wenn der Einteilung gerade eine Abstufung nach der Verkehrsbedeutung zugrunde liegt (im Ergebnis auch Panzer, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Januar 2024, § 48 Rn. 32c; so für das baden-württembergische Recht § 3 Abs. 1 StrG, s. dazu näher VGH BW, Urteil vom 12.11.2015 – 5 S 2071/13 –, juris Rn. 41; Schumacher/Schumacher, Straßengesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl. 2020, § 3 Rn. 5 ff.; Lorenz/Will, Straßengesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2005, § 3 Rn. 6 ff.).
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b) Um Rechtssicherheit gerade bei der Bestimmung, ob das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof sachlich zuständig ist, zu erlangen und auch um dem Zweck der gewünschten Beschleunigung gerecht zu werden, sollte eine möglichst klare Abgrenzung erfolgen.
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Insofern erscheint es geboten, als Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung von Landesstraßen (im gegebenenfalls weiteren bundesrechtlichen Sinne) im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO zumindest jedes Vorhaben anzusehen, das jedenfalls auch den Bau oder die Änderung einer Landesstraße (im gegebenenfalls engeren landesrechtlichen Sinne) beinhaltet, sei es auch nur auf einem kleinen Teilabschnitt. Denn selbst wenn Straßen mit möglicherweise eher örtlicher Bedeutung in eine Landesstraße eingebunden werden, so führt dies dazu, dass dem Vorhaben alleine hierdurch überörtliche bzw. zumindest regionale Bedeutung zukommt (vgl. zu diesen Kriterien unten). Unter einer Landesstraße im engeren Sinne ist dabei unter Anwendung auf das baden-württembergische Recht eine zu bauende oder zu ändernde Straße zu verstehen, für die das Land Träger der Straßenbaulast ist bzw. sein wird (vgl. für das Landesrecht § 9 Abs. 1, § 43 Abs. 1 StrG). Dies ist gemäß der Definition von Landesstraßen nach § 3 Abs. 1 StrG einerseits bei Straßen der Fall, die untereinander oder zusammen mit Bundesfernstraßen ein Verkehrsnetz bilden und vorwiegend dem durchgehenden Verkehr innerhalb des Landes dienen oder zu dienen bestimmt sind (Buchst. a), und andererseits bei Radschnellverbindungen, die eine regionale oder überregionale Verbindungsfunktion erfüllen und für die eine der Verkehrsbedeutung entsprechende Verkehrsnachfrage insbesondere im Alltagsradverkehr gegeben oder zu erwarten ist (Buchst. b). Gemessen daran handelt es sich hier um die Planfeststellung (auch) der Änderung einer Landesstraße im landesrechtlichen und zugleich bundesrechtlichen Sinne. […]
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c) Angesichts dessen bedarf es vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob und unter welchen Bedingungen darüber hinaus auch Vorhaben, die nicht jedenfalls auch den Bau oder die Änderung einer Landesstraße (im engeren Sinne) beinhalten, dem bundesrechtlichen Begriff eines Planfeststellungsverfahrens für den Bau oder die Änderung von Landesstraßen unterfallen.
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Aufgrund der ausdrücklichen Nichtaufnahme kommunaler Straßen spricht vieles dafür, dass insbesondere in Flächenstaaten solche Straßen, für die die Gemeinden die Straßenbaulast tragen – in Baden-Württemberg Gemeindestraßen (§ 44 StrG) – nicht von § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO erfasst sind.
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Es braucht aber nicht geklärt zu werden, wie die Kategorie der Kreisstraßen, die Baden-Württemberg und weitere, aber nicht alle (Bundes-)Länder kennen (vgl. auch Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 48 Rn. 14a, und die Übersicht bei https://de.wikipedia.org/wiki/Kreisstra%C3%9Fe [zuletzt abgerufen am 16.08.2024]), zu behandeln ist. Denkbar wäre insoweit, entsprechende Straßenbau- und -änderungsvorhaben generell entweder als auf Landesstraßen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO bezogen oder – wie es in der Tendenz auch die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens annehmen – als nur kommunale Straßen betreffend (so Panzer, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Januar 2024, § 48 Rn. 32c) einzuordnen, wobei aber etwa – für das baden-württembergische Recht – noch danach zu unterscheiden sein könnte, ob die Straßenbaulast einem Landkreis oder einem Stadtkreis obliegt (vgl. § 43 Abs. 2 StrG).
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Unter Berücksichtigung der vom Bundesgesetzgeber in der Gesetzesbegründung in den Blick genommenen Verkehrsbedeutung werden außerdem materielle Kriterien vorgeschlagen. Danach sollen alle Straßen Landesstraßen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO sein, die nicht dem Fernstraßengesetz unterfallen und die nicht überwiegend dem örtlichen Verkehr dienen (Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 48 Rn. 14a), oder – unter Verweis auf landesrechtliche Vorschriften zu Landesstraßen (im engeren Sinn) – aber alle Straßen mit mindestens regionaler Verkehrsbedeutung erfasst sein, die den durchgehenden Verkehrsverbindungen dienen oder zu dienen bestimmt sind und die untereinander und zusammen mit Bundesfernstraßen ein zusammenhängendes Netz bilden sollen (Panzer, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Januar 2024, § 48 Rn. 32c; vgl. insoweit auch die Stellungnahme des Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion Alois Rainer, der Landstraßen und Umgehungsstraßen erwähnt, 1. Beratung, BT-Plenarprotokoll 19/174, S. 21817A [21829D]), verfügbar unter https://dserver.bundestag.de/btp/19/19174.pdf#P.21817 [zuletzt abgerufen am 16.08.2024]). Soweit nur „Landesfernstraßen“ als erfasst angesehen werden (W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 48 Rn. 11), erscheint dies mit Blick auf den Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO zu eng. Ein Abstellen auf die zuständige Planfeststellungsbehörde bzw. deren Rechtsträger erschiene schließlich jedenfalls für das baden-württembergische Recht nicht sachgerecht. Denn soweit für den Bau oder die Änderung einer Landes-, Kreis oder Gemeindestraße ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist oder durchgeführt wird (s. hierzu § 37 Abs. 1, 3 und 4 StrG), ist Planfeststellungsbehörde nach § 37 Abs. 8 StrG – unabhängig von der Einordnung der Straße – stets das Regierungspräsidium als Landesbehörde (vgl. Schumacher/Schumacher, Straßengesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl. 2020, § 37 Rn. 23; Lorenz/Will, Straßengesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2005, § 37 Rn. 52).“
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b) Die Kammer schließt sich diesen überzeugenden, insbesondere den Gesetzeszweck und den in der Literatur vertretenen Meinungsstand umfassend würdigenden Ausführungen an und erachtet den vorliegenden Rechtsstreit hinsichtlich des bayerischen Landesstraßenrechts und des vorliegenden Sachverhalts für vergleichbar. Insbesondere betrifft der streitgegenständliche Planänderungsbeschluss schon deshalb den Bau einer Landesstraße i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO, weil die streitgegenständliche Planfeststellung (vgl. zur Einheit von Planänderungsbeschluss und ursprünglichem Planfeststellungsbeschluss etwa: Hösch in Zeitler, BayStrWG, Stand Januar 2023, Art. 38 Rn. 237 m.w.N.) jedenfalls an ihrem Baubeginn und Bauende die Änderung von Straßen betrifft, die – unstreitig – „Bundesfernstraßen und Landesstraßen“ i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO darstellen:
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Die planfestgestellte Kreisstraße verbindet als „Westtangente“ die radial auf das Gebiet der Beigeladenen zuführenden Verkehrswege T. Straße (St 2084) und M. Straße (seinerzeit B 11). Sie setzt den „Weihenstephaner Ring“ (FS 44) fort und ist Teil einer ringförmigen U. straße des Stadtzentrums der Beigeladenen. Der Baubeginn der Straße liegt am südlichen Ende des „Weihenstephaner Rings“ und verknüpft dort mit einem planfestgestellten, neu errichteten mehrarmigen Verteilerkreisel die Kreisstraße FS 44 mit einer S. straße (St 2084 T. Straße). Das Ende der planfestgestellten Straße liegt im Bereich der bisherigen Kreisstraße FS 44 und umfasst insbesondere die Anpassung des Knotenpunkts mit einer Bundesstraße (seinerzeit B 11) durch Abbiegespuren und Lichtsignalregelung. Die planfestgestellte Straße hat damit nicht nur unmittelbar eine Netzfunktion hinsichtlich vorhandener Kreisstraßen, sondern umfasst an ihrem Baubeginn und Bauende jeweils planfestgestellte Neubaumaßnahmen an einer B2. straße und einer S. straße und verknüpft diese durch die planfestgestellte Kreisstraße (vgl. auch Seite 21 des Planfeststellungsbeschlusses vom 12.6.2008: „Die Westtangente Freising führt daher Verkehrsströme u.a. zur B 11 und über ihre Verlängerungen auch zur B 301 und A 92, sowie zum Flughafen München. Sie stellt eine Verknüpfung der vorhandenen Bundes-, Staats- und Kreisstraßen dar“).
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c) Selbst wenn man jedoch für die aufgeworfene Rechtsfrage die planfestgestellten Maßnahmen – auch – an einer Staats- und einer B. straße hinwegdenken würde, neigt die Kammer der Auffassung zu, auch dann die Zuständigkeit des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs zu bejahen:
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Einzuräumen ist zwar, dass es für Verwaltung und Rechtsschutzsuchende vorteilhaft wäre, die Frage der sachlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach möglichst klar bestimmbaren Kriterien und frei von Wertungsfragen zu handhaben. Dies spräche dafür, als „Landesstraße“ i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO tatsächlich nur Staatsstraßen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayStrWG, deren Baulastträger nach Art. 41 Satz 1 Nr. 1 BayStrWG das Land ist), nicht aber Kreis- und Gemeindestraßen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BayStrWG) anzusehen. Indes hat der Gesetzgeber ausweislich der (bereits oben zitierten) Gesetzesbegründung zu § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO dessen Normzwecke (besondere Fachkunde und Routine der zweiten Instanz für die komplexen und schwierigen Sach- und Rechtsfragen bei Planfeststellungsverfahren sowie Ziel beschleunigter Umsetzung von Infrastrukturvorhaben im öffentlichen Interesse) auch bei Straßen „unterhalb“ der Bundesfernstraßen betont, soweit es sich nicht um kommunale Straßen mit „geringer Verkehrsbedeutung“ handelt. Jedenfalls in Teilen der Kommentarliteratur (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 48 Rn. 14a; Wysk, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 48 Rn. 28a; aA: Panzer in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2024, § 48 Rn. 32c) wird deshalb nach Auffassung der Kammer zutreffend gefolgert, dass auch (planfestgestellte, vgl. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG: „Bei Kreisstraßen und Gemeindeverbindungsstraßen ist die Planfeststellung durchzuführen, wenn es sich um Straßen von besonderer Bedeutung, insbesondere um Zubringerstraßen zu Bundesfernstraßen, handelt“) Kreisstraßen „Landesstraßen“ i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 VwGO darstellen können, soweit sie überörtliche Verkehrsbedeutung haben.
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Letzteres ist im Fall der vorliegend planfestgestellten „Westtangente“ FS 44 aber, wie bereits oben dargelegt, eindeutig der Fall und wurde auch bereits vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof festgestellt (vgl. aus der Entscheidung zur anfangs rechtsfehlerhaft als Gemeindeverbindungsstraße eingestuften Westtangente, BayVGH, U.v. 24.2.1999 – 8 B 98.1627 – juris Rn. 34: „Berücksichtigt man ferner, dass die Verknüpfung der genannten Bundes-, Staats- und Kreisstraßen mit Blick auf den Großraum München, den Flughafen München und die überlasteten Autobahnen […] dazu geeignet ist, verschiedene überregionale Verkehrswege zu verbinden, die ihrerseits die genannten Autobahnen zu entlasten vermögen […], so drängt sich die Netzfunktion der West- und in der Weiterführung der Südtangente geradezu auf. Die dargestellte Verknüpfung spricht mithin ganz wesentlich für die Netzfunktion der Westtangente, wie sie in Art. 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BayStrWG Staats- und Kreisstraßen vorbehalten ist“).
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2. Ist somit das Verwaltungsgericht München sachlich unzuständig, spricht das angerufene Gericht dies nach erfolgter Anhörung der Beteiligten – die sich für die Verweisung ausgesprochen haben – von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit an das zuständige Gericht (§ 83 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG).
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Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG).