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VG München, Beschluss v. 17.06.2025 – M 10 S 25.1845
Titel:

Kein vorhergehender Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde

Normenkette:
VwGO § 80 Abs. 6
Schlagwort:
Kein vorhergehender Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14446

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 481,99 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen ihre Heranziehung zur Zahlung eines Beitrags zur Finanzierung einer UV-Anlage des Antragsgegners zur Wasserbehandlung.
2
Der Antragsgegner ist ein Wasserbeschaffungsverband. Die Antragstellerin ist Mitglied des Verbandes. In der Verbandsversammlung vom … September 2021 wurde die Errichtung eines UV-Wasserreinigungssystems mit zugehörigem Haus beschlossen. Hierfür soll das Wasser in einem noch zu errichtenden Technikgebäude bestrahlt werden.
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Die Verbandsversammlung des Antragsgegners beschloss am … Oktober 2024 eine neue Verbandssatzung sowie Wasserbezugsordnung und Beitragsordnung. Die Satzungen wurden am … November 2024 durch das Landratsamt T* … als Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt und sind seit dem … November 2024 in Kraft. § 11 Abs. 2, 3 der Verbandssatzung vom … Oktober 2024 regelt, dass der Vorstand Vorausleistungen auf den Beitrag zum Bau von Verbandsanlagen festsetzen kann. § 15 Abs. 2 der Wasserbezugsordnung vom … Oktober 2024 regelt, dass der Verband von den Abnehmern einen Beitrag für die Erstellung von der örtlichen Versorgung dienenden baulichen Anlagen erheben kann. Die umzulegenden Baukosten werden gem. § 15 Abs. 3 der Wasserbezugsordnung vom … Oktober 2024 auf die Abnehmer in dem Verhältnis verteilt, wie sich die Größen ihrer Geschossflächen zueinander verhalten. § 15 Abs. 4 der Wasserbezugsordnung vom … Oktober 2024 regelt, dass Vorausleistungen festgesetzt werden können.
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Mit Bescheid vom … November 2024 wurde gegenüber der Antragstellerin eine Vorausleistung in Höhe von 1.927,98 Euro zur Finanzierung des neu zu errichtenden UV-Gebäudes festgesetzt. Im Bescheid wurde für das Anwesen der Antragstellerin eine Geschossfläche von 565 qm zu Grunde gelegt.
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Die Antragstellerin erhob in der Hauptsache Klage mit Schreiben vom 16. Dezember 2024. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen M 10 K 24.7684 geführt. Sie begründet die Klage damit, dass die Quadratmeterzahl der im Bescheid angegebenen Geschossflächen für das Anwesen falsch berechnet worden sei.
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Mit Schreiben vom 24. März 2025 beantragt die Antragstellerin:
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„Weiter bitte ich um Aussetzung der Vollstreckung bis zur Korrektur des Bescheides.“
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Der Antragsgegner beantragt durch seine Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 27. März 2025:
9
Der Antrag wird abgelehnt.
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Zur Begründung führt er an, dass der Antrag bereits unzulässig sei. Die Antragstellerin habe keinen vorherigen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Der Antragsgegner habe bisher keine Vollstreckungsversuche unternommen.
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Mit Schreiben vom 30. Mai 2025 wies das Gericht darauf hin, dass nach Aktenlage ein vorheriger Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Antragsgegner nicht gestellt worden ist. Die Antragstellerin hat sich auf dieses Schreiben innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, auch im Verfahren M 10 K 24.784 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
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1. Der gestellte Antrag ist nach dem erkennbaren Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO) als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auszulegen. Die Antragstellerin begehrt laut Schreiben vom 24. März 2025 „Aussetzung der Vollstreckung bis zur Korrektur des Bescheids“ und damit im Ergebnis die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, die bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO grundsätzlich kraft Gesetzes entfällt.
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2. Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg, da er mangels vorheriger Durchführung eines behördlichen Aussetzungsverfahrens nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO unzulässig ist.
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Gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO der Antrag nach Abs. 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Bei einer Vorausleistung zur Finanzierung eines UV-Gebäudes eines Wasserbeschaffungsverbandes handelt es sich um öffentliche Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Die Antragstellerin hat nach Aktenlage und unwidersprochenem Sachvortrag des Antragsgegners einen solchen vorherigen Antrag nicht gestellt. Der Behördenantrag kann nach Anhängigkeit des Eilantrags bei Gericht nicht mehr mit heilender Wirkung im Eilverfahren nachgeholt werden (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 22.09.2021 – 6 CS 21.2257 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 12.08.2020 – 11 CS 20.1518 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 09.04.2018 – 11 CS 18.564 – juris Rn. 4; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 75 m.w.N.). Ohnehin hat die Antragstellerin die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nicht einmal nachträglich erfüllt. Sie hat weder vorgetragen, dass sie wenigstens nachträglich einen Aussetzungsantrag beim Antragsgegner gestellt hätte, noch hat sie den Ausführungen des Antragsgegners zum fehlenden Behördenantrag im Schriftsatz vom 27. März 2025 widersprochen.
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Eine Antragstellung nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist auch nicht gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO entbehrlich, da im konkreten Fall keine Vollstreckung droht. Eine drohende Vollstreckung im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Vollstreckung aus dem Bescheid entweder schon begonnen hat, der Beginn der Vollstreckung von der Behörde für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt worden ist oder konkrete Vorbereitungen der Behörde für eine alsbaldige Vollstreckung vorliegen (vgl. BayVGH, B.v. 22.09.2021 – 6 CS 21.2257 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 23.03.2004 – 6 CS 03.336 – juris Rn. 24; Saarl OVG, B.v. 22.06.1992 – 1 W 29.92 – NVwZ 1993, 491). Dies ist etwa der Fall, wenn eine erneute Zahlungsaufforderung mit Androhung der Zwangsvollstreckung ergeht oder eine „letzte Zahlungserinnerung“ mit Zahlungsfrist und dem Hinweis, dass sodann zwangsweise eingezogen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.09.2021 – 6 CS 21.2257 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 23.03.2004 – 6 CS 03.3376 – juris Rn. 24). Erst aufgrund einer solchen Mahnung kann eine Geldforderung vollstreckt werden (vgl. Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG). In dem Vorauszahlungsbescheid vom … November 2024 bittet der Antragsgegner zwar um Überweisung innerhalb eines Monats auf das Konto des Wasserbeschaffungsverbandes. Der Bescheid enthält aber keinen Hinweis auf eine unmittelbar bevorstehende Vollstreckung oder konkrete Vorbereitungshandlungen für eine solche. Der Antragsgegner hat bisher keine Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der Antragstellerin angekündigt und noch nicht einmal einen Säumniszuschlag erhoben.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5, 3.1 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (1/4 der in der Hauptsache angegriffenen Vorauszahlungsfestsetzung).