Inhalt

VG München, Beschluss v. 18.06.2025 – M 10 E 25.3465
Titel:

Einstweilige Anordnung, Presserechtlicher Auskunftsanspruch, (Kein) Anspruch eines Redakteurs auf Auskunft zu dem Namen des Verteidigers des Beschuldigten eines Ermittlungsverfahrens, Mandatsgeheimnis, Abwägung im Einzelfall

Normenketten:
VwGO § 123
BRAO § 43a Abs. 2 S. 1
BayPrG Art. 4
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Presserechtlicher Auskunftsanspruch, (Kein) Anspruch eines Redakteurs auf Auskunft zu dem Namen des Verteidigers des Beschuldigten eines Ermittlungsverfahrens, Mandatsgeheimnis, Abwägung im Einzelfall
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14445

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller macht gegenüber dem Antragsgegner einen presserechtlichen Auskunftsanspruch geltend. Der Antragsteller ist Journalist und als Redakteur für eine überregionale Zeitung tätig.
2
Laut polizeilicher Pressemitteilung vom 15. Mai 2025 nahm die Polizei am 14. Mai 2025 einen 29-jährigen Mann in der Stadt M. fest. Dieser hatte im Rahmen einer polizeilichen Personenkontrolle angegeben, dass er am Abend zuvor einen Mann in dessen Wohnung im Stadtteil F. lebensgefährlich verletzt hätte. Aufgrund der Angaben wurde umgehend eine Nachschau in der betreffenden Wohnung veranlasst. Dort konnte wenig später der 59-jährige Wohnungsinhaber tot aufgefunden werden.
3
Am 15. Mai 2025 wurde per Mail eine Einladung an alle bei der Polizeipressestelle des Polizeipräsidiums M. im Verteiler befindlichen Journalisten zu einer Pressekonferenz übermittelt. In dieser Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft M. und des Polizeipräsidiums M. wurde über die Festnahme des 29-Jährigen Tatverdächtigen wegen eines vollendeten Tötungsdeliktes informiert. Es wurde der aktuelle Ermittlungsstand bekannt gegeben, unter anderem: Beantragung und Erlass eines Unterbringungsbefehls statt eines Haftbefehls, da Hinweise auf mögliche Schuldunfähigkeit des Tatverdächtigen vorliegen, bisherige Ermittlungsmaßnahmen des Fachkommissariats, rechtliche Würdigung durch die Staatsanwaltschaft als Totschlag. Der Antragsteller oder einer seiner Kollegen nahmen an dieser Pressekonferenz nicht teil.
4
Am 16. Mai 2025 kontaktierte der Antragsteller die Pressestelle der Staatsanwaltschaft M. per E-Mail. Er bat um Auskunft, wie der Anwalt des Tatverdächtigen heiße, der im Stadtteil F. einen 59-Jährigen getötet haben soll. Zur Begründung seines Auskunftsanspruchs berief sich der Antragsteller auf eine Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (OVG Hamburg, B.v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25, juris).
5
Eine Vertreterin der Pressestelle der Staatsanwaltschaft M. verweigerte am 19. Mai 2025 per E-Mail die vom Antragsteller begehrte Auskunft. Die Namen von Verteidigern in laufenden Ermittlungsverfahren würden nicht mitgeteilt. Die Entscheidung, welchen Verteidiger sich ein Beschuldigter nehme, sei Teil des Mandantengeheimnisses, das nicht durch Justizpressesprecher gelüftet werden dürfe.
6
Daraufhin wandte sich der Justiziar der Zeitung per E-Mail an die Pressestelle der Staatsanwaltschaft M. und forderte auf, bis zum 20. Mai 2025, 12:00 Uhr, dem Antragsteller die begehrte Auskunft zu erteilen. Es wurde nochmals auf die Rechtsprechung des OVG Hamburg verwiesen. Eine Rückmeldung seitens des Pressestelle erfolgte nicht.
7
Am Abend des 6. Juni 2025 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller Auskunft über folgende Frage zu geben:
Wer ist der Strafverteidiger des Beschuldigten, der am 13. Mai 2025 im Stadtteil F. einen 59-jährigen Mann getötet haben soll?
8
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe unter anderem einen Anspruch auf Auskunft aus Art. 4 Abs. 1 S. 1 Bayerisches Pressegesetz (BayPrG), ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Der presserechtliche Auskunftsanspruch des Antragstellers betreffe ein laufendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft M., namentlich den Namen des Strafverteidigers des dortigen Beschuldigten. Der Antragsteller wolle über das gegen den Beschuldigten geführte Ermittlungsverfahren berichten und über den Verteidiger Kontakt zum Beschuldigten aufnehmen. Ausschlussgründe im Sinne des Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayPrG seien nicht ersichtlich. Möglicherweise betroffene Geheimhaltungsinteressen würden nicht gegenüber dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Informationsinteresse des Antragstellers überwiegen. Wenn es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat gehe, sei im Rahmen der Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehörten, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien sei. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründeten grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Das Mandantengeheimnis aus § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO sei vorliegend schon nicht betroffen. Denn ihrer Bedeutung nach bedürfe die Verteidigerstellung des Rechtsanwalts an sich keiner Geheimhaltung. Insbesondere in Fällen der Pflichtverteidigung gemäß § 140 StPO beruhe die Beauftragung des Strafverteidigers nicht auf einem rein privaten Entscheidungsakt, sondern aufgrund gesetzlicher bzw. gerichtlicher Beiordnung. Auch hinsichtlich der Identität des Verteidigers bestehe keine besondere Geheimhaltungspflicht. Diesbezüglich müsse zunächst Berücksichtigung finden, dass die von dem Antragsteller begehrten Informationen lediglich den Namen des Verteidigers beträfen. Eine persönliche Beziehung des Verteidigers zu dem Beschuldigten bestehe hingegen nicht. An dem Verteidiger des Beschuldigten als privater Person bestehe kein Interesse des Antragstellers. Selbst wenn eine Betroffenheit des Mandantengeheimnisses anzunehmen wäre, überwiege nach der bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen stets erforderlichen Abwägung im Einzelfall vorliegend das Auskunftsinteresse des Antragstellers. Denn ein etwaiger, mit der Beantwortung der gestellten Frage einhergehender Eingriff in das Mandantengeheimnis erweise sich als gerechtfertigt. Dessen Rechtsstellung als Verteidiger entstehe kraft gesetzlicher Beiordnung, nicht kraft privaten Willensakts.
9
Der Antragsgegner beantragt,
der Antrag wird abgelehnt.
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Zur Begründung wird ausgeführt, nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG habe die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Die Auskunft dürfe nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht bestehe. Die Mitteilung des Namens des Verteidigers stelle einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG, denn die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 BRAO sei eine solche gesetzliche Vorschrift. Die Entscheidung, welchen Verteidiger sich ein Beschuldigter nehme, sei Teil des Mandantengeheimnisses, das nicht ohne dessen Zustimmung durch Justizpressesprecher gelüftet werden dürfe. Die berufsrechtlichen Geheimhaltungspflichten für deutsche Rechtsanwälte erstreckten sich auch auf die Namen der Klienten. Wenn aber ein Rechtsanwalt zur Wahrung der Rechte seines Mandanten nicht ohne Weiteres dessen Namen nennen dürfe, könne dies nicht dadurch ausgehebelt werden, dass eine Justizpressestelle das Mandantenverhältnis zwischen Verteidiger und Mandanten offenlegen dürfe oder müsse. Das Mandatsgeheimnis bestehe nicht im alleinigen Interesse des Mandanten, sondern auch des Anwalts und sogar auch im Interesse der Öffentlichkeit. Mandanten könnten von der Inanspruchnahme rechtlicher Beratung oder Verteidigung abgehalten werden, müssten sie befürchten, dass vom Anwaltsgeheimnis erfasste Umstände an die Presse kommuniziert würden. Es überzeuge nicht, dass die seitens des Antragstellers genannte Entscheidung des OVG Hamburg sich fast ausschließlich mit dem Persönlichkeitsrecht des Verteidigers auseinandersetze, nicht jedoch mit dem für die Beziehung zwischen Strafverteidiger und Beschuldigten essenziellen Mandantengeheimnis.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
12
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg.
13
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Dabei hat ein Antragsteller sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Maßgebend hierfür sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
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Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen nicht vor, da der Antragsteller schon keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).
15
a) Ein Anordnungsanspruch auf presserechtliche Auskunft in Form der Nennung des Namens des Verteidigers des Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens im Tötungsdelikt hinsichtlich eines 59-jährigen Manns am 13. Mai 2025 im Stadtteil F. ergibt sich nicht aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG.
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Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Sie kann es nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayPrG). Das Recht auf Auskunft kann nur gegenüber dem Behördenleiter und den von ihm Beauftragten geltend gemacht werden (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayPrG). Die Auskunft darf nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG).
17
Vorliegend besteht ein Recht zur Auskunftsverweigerung des Antragsgegners nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG, da die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht des § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO betroffen ist.
18
Die Auskunft darf nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG nur unter den dort genannten Voraussetzungen verweigert werden. Dem wird auch für das Bayerische Pressegesetz im Kern ein allgemeines Abwägungsprinzip entnommen, bei dem sich Grenzen des presserechtlichen Auskunftsanspruchs ergeben können, wenn die Beantwortung einer Anfrage Grundrechte Dritter berührt (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) (vgl. VG München, B.v. 21.5.2024 – M 10 E 24.224, Rn. 26, juris, Söder in Gersdorf/Paal, BeckOK, Informations- und Medienrecht, Stand 1.5.2024, Art. 4 BayPrG Rn. 16 ff.). Über die genannten Verschwiegenheitspflichten hinaus ist ein Auskunftsverweigerungsrecht im Bayerischen Pressegesetz nicht vorgesehen. Unter die Regelung fallen sowohl Geheimhaltungsvorschriften als auch Regelungen, die private Geheimnisse schützen. Es gibt keine umfassenden Bereichsausnahmen. Sofern sich bei der im Rahmen des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG vorzunehmende Abwägung Grundrechtspositionen gegenüberstehen, sind sie in einen angemessenen Ausgleich zu bringen und es ist insbesondere abzuwägen, ob dem verfassungsrechtlich durch die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) gewährleisteten Informationsinteresse oder dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse der Vorzug zu geben ist (stRspr, vgl. nur: BayVGH, B.v. 19.8.2020 – 7 CE 20.1822 – juris Rn. 15 f. m.w.N.).
19
Im vorliegenden Einzelfall überwiegt der verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der rechtsstaatlichen Rechtspflege in seiner konkreten, einfachrechtlichen Ausformung durch das Mandantengeheimnis in § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO die ebenfalls grundrechtlich geschützte Pressefreiheit und den damit einhergehenden Anspruch aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG. Mit dem Aspekt des Mandantengeheimnisses hat sich die vom Bevollmächtigten des Antragstellers in Bezug genommen Entscheidung des OVG Hamburg (vgl. OVG Hamburg, B.v. 7.4.2025 – 3 Bs 20/25, juris) nicht auseinandergesetzt.
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Die Verschwiegenheitspflicht des § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO des Rechtsanwalts schützt zunächst den Mandanten. Die Verschwiegenheitspflicht stellt sicher, dass sich der jeweilige Mandant darauf verlassen kann, dass mandatsbezogene Informationen vom Rechtsanwalt ohne sein Einverständnis Dritten gegenüber nicht offenbart werden (OVG NRW, B.v. 13.11.2023 – 15 B 1053/22, juris Rn. 31). Daneben liegt die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts auch im Interesse der Allgemeinheit an der rechtsstaatlichen Rechtspflege, für die eine anwaltliche Verschwiegenheit unerlässlich ist (vgl. BVerfG, U.v. 30.4.2004 – 2 BvR 1520/01 –, BVerfGE 110, 226-274, Rn. 101, OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 20.12.2019 – OVG 6 S 58.19 – juris Rn. 16 und Praß in Römermann, BeckOK BRAO, Stand 1.8.2022, § 43a, Rn. 32).
21
Bereits die Anbahnung und Ablehnung eines Mandates und der Umstand, dass überhaupt jemand einen Anwalt aufgesucht hat, fallen unter § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO (Praß in Römermann, BeckOK BRAO, Stand 1.8.2022, § 43a, Rn. 62.1). Anders als der Bevollmächtigte des Antragstellers meint, ändert hieran auch eine notwendige Verteidigung nach § 140 StPO nichts. Es mag zwar sein, dass die Öffentlichkeit davon ausgeht, dass ein Beschuldigter eines Verbrechens einen notwenigen Verteidiger hat. Gleichwohl ist dessen Name damit noch nicht automatisch während eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bekannt. Des Weiteren zeigen § 141 Abs. 1 und Abs. 2 StPO, dass auch der Beschuldigte eines Verbrechens nicht in jedem Stadium eines Ermittlungsverfahrens einen Pflichtverteidiger haben muss. Daneben besteht durchaus noch die Möglichkeit, dass der Beschuldigte eines Verbrechens nicht nur einen Pflichtverteidiger, sondern auch noch einen oder mehrere Wahlverteidiger haben kann. Damit fällt auch der Name eines Pflichtverteidigers nach § 140 StPO unter das Mandantengeheimnis § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO und genießt den verfassungsrechtlich verbürgten Schutz der rechtsstaatlichen Rechtspflege.
22
Der Antragsteller hingegen möchte weiter über das gegen den Beschuldigten geführte Ermittlungsverfahren berichten und über den Verteidiger den Kontakt zum Beschuldigten aufnehmen. In diesem Kontext ist die grundrechtliche Dimension der Pressefreiheit und der der Presse übertragenen Aufgabe zu beachten: Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommenden Funktionen wirksam wahrzunehmen. Der Presse kommt neben einer Informationsinsbesondere eine Kontrollfunktion zu. Beide Funktionen sind berührt, wenn ein Pressevertreter zum Zweck der Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren recherchiert. Der Schutz der Pressefreiheit reicht hier weiter als in Fällen, in denen die Presse eine Berichterstattung über private Umstände zu Unterhaltungszwecken anstrebt (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.10.2014 – 6 C 35/13 – Rn. 26 juris).
23
Vorliegend überwiegt jedoch das Mandatsgeheimnis mit Blick auf den aktuellen Verfahrensstand des Ermittlungsverfahrens und der Führung des 29-jährigen Mannes als Beschuldigten die Pressefreiheit und das damit verbundene, grundsätzlich anzuerkennende Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter.
24
Sofern der Beschuldigte es aus eigenem Antrieb im Wege einer „Selbstöffnung“ wünscht, kann er sich selbst oder sein Verteidiger sich an die Öffentlichkeit oder die Presse wenden. Es ist ihm unbenommen, Pressevertreter zu kontaktieren. Wünscht der Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens jedoch gerade keine Selbstöffnung und ist damit auch der Name seines Verteidigers nicht bekannt, ist diese Entscheidung des Verbleibens in der Anonymität vom Mandatsgeheimnis verfassungsrechtlich geschützt. Diese damit einhergehende anwaltliche Verschwiegenheitspflicht des § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO würde umgangen, wenn die begehrten Informationen ohne Weiteres auf dem Umweg über eine Presseauskunft der ermittelnden Staatsanwaltschaft erlangt werden könnten.
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Sobald im Fall einer Anklageerhebung die erste Hauptverhandlung stattfindet, wird dort auch der Presse der Name des Verteidigers genannt werden, da aufgrund § 169 GVG eine Hauptverhandlung öffentlich ist. Im Umkehrschluss folgt demgegenüber für das gerade nicht-öffentliche Ermittlungsverfahren, dass die verfassungsrechtlich verbürgten Schutzrechte aus § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO des Verteidigers und des Beschuldigten in diesem Stadium eines Strafprozesses überwiegen.
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Zutreffend ist daneben zwar die allgemeine Feststellung des Bevollmächtigten des Antragstellers, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen.
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Jedoch wurde, um diesem anzuerkennenden Interesse der Öffentlichkeit gerecht zu werden, bereits eine recht umfassende Pressemitteilung des Polizeipräsidiums M. und darüber hinaus am 15. Mai 2025 von Staatsanwaltschaft M. und Polizei eine Pressekonferenz veranstaltet. Dort wurden der Presse umfassende Informationen zur Verfügung gestellt, die es verschiedenen Zeitungen, deren Artikel der Bevollmächtigte des Antragstellers in seiner Antragsschrift in Bezug genommen hat, ohne Weiteres ermöglicht haben umfassend zu berichten.
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Inwiefern die Nennung des Namens des Verteidigers des Beschuldigten, des 29-jährigen Manns, im Ermittlungsverfahrens vor diesem Hintergrund im vorliegenden Einzelfall aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten Pressefreiheit noch geboten wäre, ist nicht erkennbar. Zu guter Letzt ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der 29-Jährige Beschuldigte offenbar aufgrund vorläufiger psychiatrischer Unterbringung als besonders vulnerabel anzusehen ist. Insoweit ist das Vertrauensverhältnis und damit auch das Mandatsgehemins zwischen seinem Verteidiger und ihm im vorliegenden Einzelfall als besonders schützenswert anzusehen, was auch gegen eine Weitergabe des Namens des Verteidigers an den Antragsteller spricht.
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Sofern sich der Bevollmächtigte des Antragstellers zur Geltendmachung seines Auskunftsanspruchs neben Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG auf Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK beruft, ergibt sich nichts Anderes. Auch im Rahmen der Prüfung eines möglichen Auskunftsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK ist eine der oben vorgenommenen Abwägung entsprechende Entscheidung zu treffen, die zu keinem anderen Ergebnis führt.
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b) Ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat und ob eine Vorwegnahme der Hauptsache vorliegt, ist nach alldem nicht mehr entscheidungserheblich.
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Hinsichtlich des Vorliegens des Anordnungsgrunds hat das Gericht jedoch einige Zweifel, da die in Rede stehende Straftat offensichtlich seit Mitte Mai 2025 kein gesteigertes bzw. keinerlei Interesse der Öffentlichkeit mehr erfährt und damit der erforderliche Gegenwartsbezug nicht gegeben sein dürfte. Weder haben die Zeitung des Antragstellers noch eine andere Zeitung – soweit ersichtlich – in letzter Zeit über das Verfahren berichtet, noch scheint der Antragstellers selbst von einer besonderen Eilbedürftigkeit auszugehen. Nachdem dem Antragsteller vom Antragsgegner nach Ablauf der Frist am 20. Mai 2025 keine Auskunft erteilt worden war, hat er erst am Abend des 6. Juni 2025, einem Freitag, seine Antragsschrift bei Gericht eingereicht.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Da mit der Entscheidung eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist, wird der Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben.