Inhalt

BayObLG, Urteil v. 11.04.2025 – 202 StRR 7/25
Titel:

Erheblichkeit einer sexualbezogenen Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB bei Zweifel über Dauer und Intensität eines beabsichtigten Griffes in den Schritt des Opfers oberhalb der Bekleidung

Normenketten:
StGB § 177 Abs. 1
StGB § 177 Abs. 3
StGB § 177 Abs. 5 Nr. 1
StGB § 22
StGB § 23
StGB § 184h Nr. 1
StGB § 240 Abs. 1
StGB § 20
StGB § 21
StGB § 64
StGB § 67f
StPO § 337 Abs. 1
StPO § 345 Abs. 1
StPO § 349 Abs. 5
StPO § 353 Abs. 1
StPO § 353 Abs. 2
StPO § 354 Abs. 1
StPO § 354 Abs. 2
Leitsätze:
1. Erheblich i. S. d. § 184h Nr. 1 StGB sind sexualbezogene Handlungen, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Rechtsgutsbeeinträchtigung besorgen lassen. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das betroffene Rechtsgut. Mit Blick auf den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung durch § 177 StGB ist beim An- und Festhalten einer dem Täter unbekannten Frau auf einem wenig frequentierten Radweg und dem drei- bis viermaligem Versuch, sie oberhalb der Bekleidung an das Geschlechtsteil zu fassen, die Erheblichkeit der Handlung nicht des-halb zweifelhaft, weil die Berührung möglicherweise nicht kräftig und nachhaltig gewesen wäre.
2. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kann nicht deshalb abgelehnt werden, weil eine solche Unterbringung derzeit in anderer Sache vollzogen wird.
Schlagworte:
Revision, Staatsanwaltschaft, Berufungsurteil, Freiheitsstrafe, Geldstrafe, Sachrüge, Maßstab, Nötigung, Nötigungsszenario, Fahrrad, Versuch, sexualbezogen, sexuell, Festhalten, Handgelenk, Radweg, Erheblichkeit, Griff, Genitalbereich, Geschlechtsteil, Schritt, Berührung, Bekleidung, Intensität, Dauer, Gesamtbetrachtung, Betäubungsmittel, Beeinträchtigung, Rechtsgut, Begleitumstände, Betasten, unbekleidet, sozial, hinnehmbar, kräftig, nachhaltig, Drogenintoxikation, Fehleinschätzung, Rausch, Rauschmittel, Wirkstoff, Unterbringung, Entziehungsanstalt, Nichtanordnung, Hang, Vollstreckung, Gefahr
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14357

Tenor

I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts vom 23.08.2024 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 24.04.2024 wegen versuchter sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten und die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht den Angeklagten mit Urteil vom 23.08.2024 wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 55 Euro verurteilt und im Übrigen die weiter gehende Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte und von der Generalstaatsanwaltschaft M. vertretene Revision der Staatsanwaltschaft.
II.
2
Die Berufungskammer hat im Wesentlichen folgende für die revisionsrechtliche Beurteilung relevanten Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Am 12.07.2023 gegen 05.30 Uhr entschloss sich der unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln stehende Angeklagte, der Zeugin und späteren Geschädigten, die auf ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit war, mit seinem Fahrrad zu folgen, um sie anzusprechen und gegebenenfalls zu sexuellen Handlungen zu bewegen. Nachdem der Angeklagte vergeblich versucht hatte, die Zeugin verbal zum Anhalten zu veranlassen, stellte er sein Fahrrad vor ihr quer, um ihr den Weg zu versperren. Als die Zeugin stoppte, fasste der Angeklagte sie an ihrem linken Handgelenk, um sie an der Weiterfahrt zu hindern. Obwohl die Zeugin den Angeklagten aufforderte, sie in Ruhe zu lassen, und nunmehr ihren Weg zu Fuß fortsetzte, wobei sie ihr Fahrrad mit einer Hand neben sich herschob, folgte ihr der Angeklagte unter Zurücklassung seines Fahrrades und fasste sie mit den Worten „komm wir haben Spaß, wir haben Spaß“ erneut am Handgelenk. Zugleich versuchte er drei- bis viermal der Zeugin in den Schritt zu fassen. Der Zeugin gelang es, Berührungen durch Drehen des Körpers zu vermeiden. Intensität und Dauer der erstrebten Berührungen konnte die Kammer nicht feststellen. Erst nachdem ein zufällig vorüberkommender anderer Fahrradfahrer von der Zeugin um Hilfe gebeten worden war und beide zusammen den Weg fortsetzten, blieb der Angeklagte zurück.
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Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung gemäß § 177 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 1, §§ 22, 23 StGB mit der Begründung verneint, der Nachweis, dass der Angeklagte eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit i.S.d. § 184h Nr. 1 StGB habe vornehmen wollen, habe nicht erbracht werden können.
III.
5
Die gemäß §§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision ist begründet. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung verneint hat, halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Als erheblich im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 29.01.2019 – 2 StR 490/18; Beschluss vom 16.05.2017 – 3 StR 122/17; Urt. v. 10.03.2016 – 3 StR 437/15; Urt. v. 01.12.2011 – 5 StR 417/11; Urt. v. 24.09.1980 – 3 StR 255/80). Zur Feststellung der Erheblichkeit bedarf es regelmäßig einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2016 – 3 StR 437/15; Urt. v. 03.04.1991 – 2 StR 582/90 m.w.N.; Fischer StGB 72. Aufl. § 184h Rn. 5 m.w.N.). Begleitumstände des Tatgeschehens, wie die besondere Tatsituation oder das Verhältnis zwischen Täter und Opfer können Bedeutung gewinnen, wenn sie das Gewicht des Übergriffs erhöhen (vgl. BGH, Beschluss vom 16.05.2017 – 3 StR 122/17; Beschluss vom 08.02.2006 – 2 StR 575/05; Beschluss vom 06.05.2020 – 2 StR 543/19).
7
2. Zwar stellt gemessen hieran das Berühren des Geschlechtsteils des Opfers über der Bekleidung nicht ohne Weiteres eine erhebliche sexualbezogene Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB dar (vgl. BGH, Beschluss vom 06.05.2020 – 2 StR 543/19; Beschluss vom 16.05.2017 – 3 StR 122/17; Urt. v. 26.04.2017 – 2 StR 574/16). Der flüchtige Griff über der Bekleidung ist ‒ anders als der feste Griff (vgl. BGH, Urt. v. 22.08.2017 – 1 StR 216/17; Beschluss vom 30.03.1992 – 4 StR 108/92), das Streicheln oder längere Betasten (BGH, Beschluss vom 27.02.1992 – 4 StR 23/92) oder der Griff an das unbekleidete Geschlechtsteil (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1987 – 4 StR 420/87) ‒ nicht stets als erhebliche sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 06.05.2020 – 2 StR 543/19 m.w.N).
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3. Jedoch fehlt es in der angefochtenen Entscheidung an der erforderlichen Gesamtbetrachtung im oben genannten Sinn. Das Landgericht hat zu Unrecht allein auf die Stärke und Dauer des „sexuellen Zugriffs“ abgestellt und einen für den Angeklagten zu günstigen Maßstab verwendet. Es hat dabei den Handlungsrahmen und die Gesamtaspekte des Geschehens aus dem Blick verloren. Denn der Ablauf ist hier nicht zuletzt durch das „Nötigungsszenario“ und den mehrmaligen Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung der Geschädigten geprägt.
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Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte mit den Worten „Komm, wir haben Spaß, wir haben Spaß“ drei- bis viermal versucht, eine ihm unbekannte Frau auf einem zur Tatzeit offensichtlich wenig frequentierten Radweg mit der Hand an das Geschlechtsteil zu fassen, wobei er sie mit der anderen Hand festhielt. Er hatte sie zunächst über einen längeren Zeitraum verfolgt, ihr den Weg versperrt, sie festgehalten und an der Weiterfahrt gehindert sowie hartnäckig im Genitalbereich zu berühren versucht.
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§ 177 StGB schützt die sexuelle Selbstbestimmung einer Person als Teilaspekt ihrer Menschenwürde (BT-Drs. 18/9097 S. 22 a.E.). Durch die Feststellungen des Landgerichts ist hinreichend belegt, dass dieses Rechtsgut in einem sozial nicht mehr hinnehmbaren Umfang beeinträchtigt wurde. Bei einem derart massiven Vorgehen kann die Erheblichkeit der Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB nicht deshalb zweifelhaft sein, weil die Berührung möglicherweise nicht kräftig und nachhaltig gewesen wäre (vgl. auch BGH, Urt. v. 20.03.2012 – 1 StR 447/11).
IV.
11
Aufgrund der aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mängel bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Von einer Aufrechterhaltung der bisherigen, vom festgestellten Wertungsmangel an sich nicht unmittelbar betroffenen Feststellungen sieht der Senat ab, um der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer die Möglichkeit zu geben, den Sachverhalt umfassend neu festzustellen. Das angefochtene Urteil ist deshalb auf die Revision der Staatsanwaltschaft mitsamt den Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO) und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
V.
12
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
13
1. Sollten die insoweit nicht eindeutigen Feststellungen des Landgerichts dahingehend zu verstehen sein, dass der Angeklagte nach den versuchten Griffen in den Schritt der Zeugin noch 100 Meter ohne weitere Vorkommnisse neben ihr herlief, bis sie zusammen mit dem vorbeikommenden Radfahrer weiterfahren konnte, wird auch die Prüfung eines eventuellen Rücktritts von dem Versuch einer sexuellen Nötigung in Erwägung zu ziehen sein.
14
2. Des Weiteren halten die bisherigen Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB ausgeschlossen hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
15
Das Landgericht ist aufgrund einer am Tattag um 10.06 Uhr entnommenen Blutprobe davon ausgegangen, dass die Drogenintoxikation des Angeklagten (2,0 µg/l THC, 70 µg/l Amphetaminkonzentration und 1093 µg/l Methamphetaminkonzentration) „möglicherweise“ bei dem Angeklagten zu einer „Fehleinschätzung“ der Situation geführt habe. „Offenbar“ sei seine Übergriffigkeit auf den Drogenkonsum zurückzuführen. Einen zur Tatzeit vorliegenden Drogenrausch des Angeklagten, der dessen Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert hat, hat es jedoch – ohne sachverständig beraten zu sein – nicht angenommen.
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Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Eine Drogenabhängigkeit als solche vermag zwar die Annahme verminderter Schuldfähigkeit nicht zu begründen. Diese ist bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa wenn ein langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsänderungen geführt hat, der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, oder unter Umständen, wenn er die Tat im Zustand eines akuten Rauschs verübt (vgl. BGH, Beschluss vom 17.7.2024 – 5 StR 232/24 m.w.N.). Maßgebend können im letzteren Fall aber nur Umstände sein, die zuverlässige Rückschlüsse auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines akuten Rausches zulassen. Von wesentlicher Bedeutung sind daher Art und Menge des zu sich genommenen Rauschmittels und die mit dessen Konsum üblicher- oder auch nur möglicherweise verbundenen spezifischen Einschränkungen und Beeinträchtigungen. Nicht jede Droge führt zu vergleichbaren Rauschfolgen, deren Eintreten auch von der jeweiligen Menge des zu sich genommenen Wirkstoffs abhängen wird.
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Das Landgericht hat weder die einzelnen Wirkstoffmengen der verschiedenen konsumierten Rauschmittel zum Tatzeitraum in den Blick genommen noch sich mit möglichen Auswirkungen des jeweiligen Drogenkonsums befasst, die allein oder in ihrem Zusammenwirken zu einer Beeinträchtigung vor allem der Steuerungsfähigkeit geführt haben könnten. Tatsächlich könnten die anlässlich der Blutentnahme ermittelten Wirkstoffmengen – allein oder in Kombination – den Tatentschluss in einer für § 21 StGB relevanten Weise gefördert haben. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Art der Tatbegehung, nämlich Verfolgung der ihm völlig fremden Geschädigten am frühen Morgen begleitet von dem wiederholten Versuch, sie zu gemeinsamen sexuellen Handlungen zu überreden, so ungewöhnlich ist, dass man Zweifel am Vorliegen eines ohne Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit gewonnenen Tatentschlusses hegen kann.
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Schließlich gibt es weitere Besonderheiten, die für sich allein oder zumindest im Zusammenwirken dafür sprechen könnten, dass der Angeklagte im akuten Rauschzustand gehandelt hat. So hat sich der Angeklagte, der seit dem 13. Lebensjahr Drogen konsumiert, dahingehend eingelassen, dass er „am Tattag extrem unter Betäubungsmitteln gestanden“ habe und „seit Tagen wach gewesen“ sei. Auch die Geschädigte hat bereits bei dem ersten Kontakt mit dem Angeklagten bemerkt, dass er „voll auf Droge sei“, u.a. habe er auf seinem Fahrrad geschwankt. Das Landgericht hat sich mit diesen Umständen nicht auseinandergesetzt und ihnen keine Bedeutung für die Frage einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit beigemessen. Insoweit fehlt es jedenfalls an einer erschöpfenden Gesamtwürdigung aller bedeutsamen Umstände.
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3. Die Entscheidung des Landgerichts über die Nichtanordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet ebenfalls rechtlichen Bedenken.
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Zwar liege bei dem Angeklagten ein Hang vor, berauschende Mittel im Übermaß zu konsumieren; auch stünde die verfahrensgegenständliche Tat in einem symptomatischen Zusammenhang mit dem Hang und es bestehe die Gefahr weiterer Straftaten aufgrund dieses Hanges. Von einer Anordnung der Maßregel hat das Landgericht gleichwohl mit der Begründung abgesehen, eine solche sei nicht erforderlich, da gegen den Angeklagten derzeit bereits die mit Beschluss vom 11.10.2023 widerrufene Aussetzung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vollstreckt werde.
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Das Landgericht hat insoweit bereits verkannt, dass entsprechend der gesetzgeberischen Wertung der §§ 64, 67f StGB bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 StGB eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt grundsätzlich erfolgen soll, und zwar auch dann, wenn diese Maßregel bereits in einem früheren Verfahren angeordnet worden war.
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Zwar ist nach der Umgestaltung des § 64 StGB in eine Sollvorschrift die Anordnung der Maßregel bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen nicht mehr zwingend. Jedoch kommt ein Absehen von der Unterbringungsanordnung – auch nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 16/5137 S. 10, 16/1344 S. 12) – nur in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 03.03.2016 – 4 StR 497/15).
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Ein solcher Ausnahmefall folgt nicht daraus, dass bereits eine Maßregel nach § 64 StGB angeordnet ist. Vielmehr ergibt sich aus § 67f StGB, dass von einer an sich gebotenen Unterbringungsanordnung gerade nicht deshalb abgesehen werden kann, weil eine bereits früher angeordnete und noch vollstreckbare Unterbringungsanordnung besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 05.09.2006 – 3 StR 305/06; Urt. v. 04.07.2019 – 4 StR 47/19; Beschluss vom 30.03.1992 – 4 StR 108/92; MüKo/van Gemmeren StGB 4. Aufl. § 64 Rn. 86). Allein dass die in einem früheren Verfahren bewilligte Aussetzung des § 64 StGB zur Bewährung widerrufen wurde, hindert die neue Unterbringung nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 13.03.2002 – 1 StR 47/02).