Inhalt

AG Gemünden, Endbeschluss v. 17.03.2025 – 002 F 268/24
Titel:

Vergleichbarkeit und Differenz der Ausgleichswerte von Anrechten bei der Bayerischen Versorgungskammer und der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder

Normenketten:
VersAusglG § 18
VersAusglG § 47
Leitsätze:
1. Anrechte bei der Bayerischen Versorgungskammer (BVK) und der der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) sind gleichartig im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG.
2. Bei der Bestimmung der Differenz ihrer Ausgleichswerte ist nicht nur auf mitgeteilten Kapitalwerte abzustellen, sondern auch auf die Anzahl der erworbenen Versorgungspunkte.
Schlagworte:
Versorgungsausgleich, Gleichartige Anrechte, Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, Geringwertigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14304

Tenor

1. Die am …1989 vor dem Standesbeamten des Standesamtes F (Heiratsregister Nr. …1989) geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten wird geschieden.
2. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung … zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 14,7866 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto … bei der Deutschen Rentenversicherung, bezogen auf den 30.04.2024, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der A L AG (...) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 17.162,38 Euro nach Maßgabe der Teilungsordnung …, bezogen auf den 30.04.2024, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung … zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 21,5548 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto … bei der Deutschen Rentenversicherung, bezogen auf den 30.04.2024, übertragen.
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der Bayerischen Versorgungskammer (Vers. Nr. …#) findet nicht statt.
Ein Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei dem P VVaG (###) findet nicht statt.
Ein Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Vers. Nr. …#) findet nicht statt.
3. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Entscheidungsgründe

1. Scheidung
1
Zum Scheidungsausspruch der am …05.1989 vor dem Standesbeamten des Standesamtes F (Heiratsregister Nr. …1989) geschlossenen Ehe der Beteiligten bedarf es keiner Begründung (§ 38 Abs. 4 und 5 FamFG).
2. Versorgungsausgleich
2
Nach § 1 VersAusglG sind im Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des Monats der Eheschließung und endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags (§ 3 Abs. 1 VersAusglG).
Ausgleichspflichtige Anrechte
3
In der vom 01.05.1989 bis 30.04.2024 dauernden Ehezeit haben die beteiligten Ehegatten folgende Anrechte erworben:
Die Antragstellerin:
Gesetzliche Rentenversicherung
4
1. Bei der Deutschen Rentenversicherung hat die Antragstellerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 29,5732 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 14,7866 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 124.748,45 Euro.
Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes
5
2. Bei der Bayerischen Versorgungskammer hat die Antragstellerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 65,56 Versorgungspunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 31,21 Versorgungspunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 23.235,42 Euro.
Privater Altersvorsorgevertrag
6
3. Bei der A L. AG hat die Antragstellerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 34.824,76 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 17.162,38 Euro zu bestimmen.
Der Antragsgegner:
Gesetzliche Rentenversicherung
7
4. Bei der Deutschen Rentenversicherung hat der Antragsgegner ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 43,1096 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 21,5548 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 181.848,97 Euro.
Betriebliche Altersversorgung
8
5. Bei dem P VVaG hat der Antragsgegner ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 5.056,89 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 2.477,87 Euro zu bestimmen.
Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes
9
6. Bei der VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder hat der Antragsgegner ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 57,51 Versorgungspunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 30,16 Versorgungspunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 14.672,56 Euro.
Übersicht:
Antragstellerin
Die Deutsche Rentenversicherung, Kapitalwert:
124.748,45 Euro
Ausgleichswert: 14,7866 Entgeltpunkte
Die Bayerische Versorgungskammer,
Kapitalwert: 23.235,42 Euro
Ausgleichswert: 31,21 Versorgungspunkte
Die A L  AG Ausgleichswert (Kapital): 17.162,38 Euro
Antragsgegner
Die Deutsche Rentenversicherung,
Kapitalwert:
181.848,97 Euro
Ausgleichswert: 21,5548 Entgeltpunkte
Der P VVaG Ausgleichswert (Kapital): 2.477,87 Euro
Die VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Kapitalwert:
14.672,56 Euro
Ausgleichswert: 30,16 Versorgungspunkte
Ausgleich:
Bagatellprüfung:
10
Das Anrecht des Antragsgegners bei dem P VVaG mit einem Kapitalwert von 2.477,87 Euro überschreitet nicht den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 4.242,00 Euro. Das Anrecht wird deshalb gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen.
11
Das Anrecht der Antragstellerin bei der Bayerischen Versorgungskammer und das Anrecht des Antragsgegners bei der VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder sind gleichartig i.S.d. § 18 Abs. 1 VersAusglG. Anrechte gleicher Art sind Anrechte, die sich in Struktur und Wertentwicklung entsprechen, so dass ein Saldenausgleich nach Verrechnung im Wesentlichen zu demselben wirtschaftlichen Ergebnis führt wie ein Hin-und-her-Ausgleich. Eine Wertidentität ist nicht erforderlich, ausreichend ist eine strukturelle Übereinstimmung in den wesentlichen Fragen, z. B. Leistungsspektrum, Finanzierungsart, Anpassung von Anwartschaften und laufenden Versorgungen (OLG Koblenz 6.4.2017 – 7 UF 127/17, juris Rn. 16). Vor diesem Hintergrund sind die Anrechte aus den verschiedenen Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes gleichartig (OLG Brandenburg 12.11.2013 – 3 UF 100/12, FamRZ 2014, 1302 LS = juris Rn. 8). Dies gilt namentlich für die hier betroffenen Anrechte bei der Bayerischen Versorgungskammer – Zusatzversorgung der Bayerischen Gemeinden und bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (OLG Nürnberg 22.01.2025 – 9 UF 1098/24, n.v.; KG 23.01.2025 – 13 UF 157/24, n.v.).
12
Die Differenz der Ausgleichswerte ist gering im Sinne des § 18 Abs. 3 VersAusglG.
13
Allerdings betragen die von den Versorgungsträgern mitgeteilten Kapitalwerte der Ausgleichswerte 23.235,42 EUR und 14.672,56 EUR. Die Differenz dieser beiden Beträge übersteigt den maßgeblichen Grenzwert von 120% der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV, der für das hier relevante Ehezeitende im Jahr 2024 4.242 EUR betrug.
14
Allerdings kann nicht nur auf die von den Versorgungsträgern mitgeteilten Kapitalwerte abgestellt werden. Die von den Beteiligten in der Ehezeit erlangten Versorgungspunkte belaufen sich auf 65,56 (Anrecht der Antragstellerin bei der Bayerischen Versorgungskammer) und 57,51 (Anrecht des Antragsgegners bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, die vorgeschlagenen Ausgleichswerte betragen 31,21 (BVK, zugunsten des Antragsgegners) der Bayerischen Versorgungskammer) und 57,51 (Anrecht des Antragsgegners bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder und 30,16 Versorgungspunkte (VBL, zugunsten der Antragstellerin), die Differenz beträgt mithin 1,05 Versorgungspunkte. Würde man die den in Versorgungspunkten bemessenen Ausgleichswert mit dem Messbetrag von 4 EUR (§ 33 Abs. 1 BVK-Satzung; § 35 Abs. 1 VBL-Satzung multiplizieren, ergäbe sich eine Differenz in Form einer monatlichen Rente von 4,20 EUR, also ein Betrag, der deutlich hinter dem Grenzwert von 1% der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV für Rentenbeträge, also 35,35 EUR, zurückbleibt.
15
Die Unterschiede der von den Versorgungsträgern mitgeteilten Kapitalwerten beruhen auf den unterschiedlichen Barwertfaktoren, die wiederum auf den unterschiedlichen, jeweils kassenspezifischen (Sterbe-)Tafeln beruhen. Während die BVK für die Antragstellerin einen Barwertfaktor von 14,868 und für den Antragsgegner einen von 15,512 ansetzt, setzt die VBL für die Antragstellerin einen Barwertfaktor von 10,137 und für den Antragsgegner einen von 10,721 an. Wenn man für die Berechnung der Kapitalwerte des Ehezeitanteils bzw. des Ausgleichswertes der Zusatzversorgungen jeweils die Barwertfaktoren, die die eine oder andere Zusatzversorgung für die Beteiligten ansetzt, verwendet, ergibt sich eine geringe Differenz. Bei Anwendung der von der BVK verwendeten Barwertfaktoren ergibt sich für das Anrecht der Antragstellerin bei einem hälftigen Ehezeitanteil von 32,78 VP bei Multiplikation mit 48 (Messbetrag mal Zwölf) und 14,868 ein Kapitalwert von 23.393,91 EUR und für das Anrecht des Antragsgegners bei einem hälftigen Ehezeitanteil von 28,76 VP bei Multiplikation mit 48 und 15,512 ein Kapitalwert von 21.414,01 EUR. Werden die Barwertfaktoren der VBL benutzt, ergeben sich Werte von 15.949,96 und 14.800,13 EUR. Die Differenzen der Ausgleichswerte bei einheitlichen Barwertfaktoren sind gering i.S.d. § 18 Abs. 3 VersAusglG.
16
Da gemäß § 47 Abs. 6 VersAusglG bei einem Wertvergleich in den Fällen des 18 Abs. 1 VersAusglG nicht nur die Kapitalwerte und korrespondierenden Kapitalwerte, sondern auch die weiteren Faktoren der Anrechte zu berücksichtigen sind, die sich auf die Versorgung auswirken, erscheint es geboten, eine Korrektur der von den Versorgungsträgern mitgeteilten Kapitalwerte vorzunehmen. Daher ist hier bei einer Gesamtbetrachtung der beiden Anrechte aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von einer geringen Differenz der Ausgleichswerte auszugehen, so dass ein Ausgleich nicht stattfindet. Zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands für die Versorgungsträger und der Entstehung sogenannter Splitterversorgungen ist es hier geboten, von einem Ausgleich abzusehen. Die Anrechte werden deshalb gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen.
Die einzelnen Anrechte:
17
Zu 1.: Das Anrecht der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung ist nach § 10 Abs. 1 VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 14,7866 Entgeltpunkten zugunsten des Antragsgegners auszugleichen.
18
Zu 2.: Für das Anrecht der Antragstellerin bei der Bayerischen Versorgungskammer (Vers. Nr. …#) mit dem Ausgleichswert von 31,21 Versorgungspunkten unterbleibt der Ausgleich.
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Zu 3.: Das Anrecht der Antragstellerin bei der A L. AG ist nach § 10 Abs. 1 VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 17.162,38 Euro zugunsten des Antragsgegners auszugleichen.
20
Zu 4.: Das Anrecht des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung ist nach § 10 Abs. 1 VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 21,5548 Entgeltpunkten zugunsten der Antragstellerin auszugleichen.
21
Zu 5.: Für das Anrecht des Antragsgegners bei dem P VVaG mit dem Ausgleichswert von 2.477,87 Euro unterbleibt der Ausgleich.
22
Zu 6.: Für das Anrecht des Antragsgegners bei der VBL. Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Vers. Nr. …#) mit dem Ausgleichswert von 30,16 Versorgungspunkten unterbleibt der Ausgleich.
3. Kosten und Nebenentscheidungen
23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 1 FamFG.