Titel:
Pfändungs- und Überweisungsverfügung, Erledigung wegen Aufhebung des Verwaltungsakts, Unzulässigkeit der Klage
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
BayVwVfG Art. 43 Abs. 2
VwZVG Art. 26
Schlagworte:
Pfändungs- und Überweisungsverfügung, Erledigung wegen Aufhebung des Verwaltungsakts, Unzulässigkeit der Klage
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14215
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Beklagten.
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Er erwarb im Jahr 2017 ein ehemaliges Brauereigelände mit zahlreichen Gebäuden, das sich über die Grundstücke Fl.Nr. …, …, …, …, …, …, … und … der Gemarkung … erstreckte. Wie sich aus einem von Klägerseite in Auszügen vorgelegten notariellen Kaufvertrag ergibt, verkaufte er mehrere dieser Grundstücke am 17. Mai 2022 an Herrn ... .
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Mit einer an das Bankhaus … als Drittschuldnerin adressierten, als „Pfändungs- und Überweisungsbeschluss“ bezeichneten Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 21. Juli 2022 vollstreckte die Beklagte öffentlich-rechtliche Forderungen gegen den Kläger in Höhe von 3.040,00 EUR zzgl. weiter berechneter Säumniszuschläge. Diese Pfändungs- und Überweisungsverfügung wurde der Drittschuldnerin am 23. Juli 2022 zugestellt. Am 29. Juli 2022 erfolgte die Zustellung einer Ausfertigung davon sowie einer detaillierten Aufstellung der zu vollstreckenden Forderungen (Straßenreinigungsgebühren, Niederschlagswassergebühren und Grundsteuer) an den Kläger.
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Mit Schreiben vom 28. Juli 2022 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Aufrechnung gemäß § 226 der Abgabenordnung (AO) hinsichtlich der in der Aufrechnungserklärung näher bezeichneten Forderungen. Ebenfalls mit Schreiben vom 28. Juli 2022 berichtigte die Beklagte die Pfändungs- und Überweisungsverfügung gegenüber der Drittschuldnerin dahingehend, dass sich der Schuldbetrag auf 1.973,58 EUR zzgl. weiter anfallender Säumniszuschläge gemindert habe.
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Mit Schriftsatz vom 14. August 2022, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 15. August 2022, erhob der Kläger Klage gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 21. Juli 2022.
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Zur Begründung führte er mit Schriftsatz vom 25. September 2023 im Wesentlichen aus, die Aufstellung der Beklagten, in der Straßenreinigungsgebühren, Grundsteuern und Niederschlagswassergebühren über 3.040,00 EUR gefordert würden, sei rechtswidrig und falsch berechnet. Für einige Grundstücke falle laut Bescheid keine Kehrgebühr an. Andere Grundstücke befänden sich nicht in seinem Besitz.
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Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 30. November 2023,
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Unter dem 4. Februar 2025 teilte die Beklagte auf Anfrage des Gerichts mit, dass aus der Pfändungs- und Überweisungsverfügung 3.337,50 EUR vollstreckt worden seien und übersandte eine aktuelle Forderungsaufstellung, woraus sich das Erloschensein sämtlicher verfahrensgegenständlicher Vollstreckungsforderungen ergab. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2025 ergänzte die Beklagte unter Vorlage eines entsprechenden Bescheids vom 3. April 2023, dass bei nochmaliger Durchsicht der Akten festgestellt worden sei, dass die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 21. Juli 2022 gegenüber der Drittschuldnerin aufgehoben worden sei.
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Mit Schreiben vom selben Tag wies das Gericht den Kläger auf die eingetretene Erledigung hin und regte die Abgabe einer Erledigterklärung bzw. die Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an. Zugleich wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Der Kläger äußerte sich daraufhin mit Schriftsatz vom 14. März 2025 dahingehend, dass er eine mündliche Verhandlung wünsche. Im Vorfeld sei vieles nicht korrekt gelaufen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
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Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach Art. 26 Abs. 7 Satz 3 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) unterliegen Rechtsbehelfe gegen die Pfändung und Einziehung von Geldforderungen durch Gemeinden der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
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Die vorliegende Klage ist unzulässig.
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1. Die auf Aufhebung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 21. Juli 2022 gerichtete Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist unzulässig, da Erledigung eingetreten ist.
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Bei der gemeindlichen Pfändungs- und Überweisungsverfügung nach Art. 26 Abs. 5 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 VwZVG i.V.m. §§ 829, 835 der Zivilprozessordnung (ZPO) handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG), der sowohl von der Drittschuldnerin als auch vom Vollstreckungsschuldner grundsätzlich mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.2023 – 10 ZB 23.46 – juris Rn. 4; Käß in Giehl/Adolph/Fabisch, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand März 2024, Art. 26 VwZVG Erl. VI 3. und XII.1.). Hier wurde die streitgegenständliche Pfändungs- und Überweisungsverfügung von der Beklagten allerdings am 28. Juli 2022 zunächst dahingehend berichtigt, dass sich der Schuldbetrag auf 1.973,58 EUR zzgl. weiter anfallender Säumniszuschläge minderte, und schließlich mit Bescheid vom 3. April 2023 vollständig aufgehoben. Der Verwaltungsakt hat sich also, soweit die zu vollstreckenden Forderungen durch Aufrechnung erloschen waren und die streitgegenständliche Aufhebungsverfügung entsprechend berichtigt worden war, bereits vor Klageerhebung, im Übrigen jedenfalls durch Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids nach Klageerhebung erledigt (vgl. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG). Wie sich aus der von der Beklagten übersandten Forderungsaufstellung vom 3. Februar 2025 ergibt, sind sämtliche verfahrensgegenständliche Vollstreckungsforderungen mittlerweile erloschen. Auf die Gründe hierfür kommt es nach Aufhebung der streitgegenständlichen Pfändungs- und Überweisungsverfügung nicht mehr entscheidungserheblich an. Rechtsschutz gegen erledigte Verwaltungsakte (die der Betroffene für rechts- oder verfassungswidrig hält) kann nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage begehrt werden (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2019 – 4 ZB 18.1935 – juris Rn. 11; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 42 Rn. 14).
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2. Eine Auslegung der Klage dahingehend, dass sie auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 21. Juli 2022 gerichtet ist (vgl. § 88 VwGO), scheidet unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls aus.
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Auf das Schreiben vom 13. Februar 2025, mit dem das Gericht den Kläger auf die Erledigung hingewiesen und die Abgabe einer Erledigterklärung bzw. die Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO angeregt hatte, teilte dieser lediglich mit, dass er eine mündliche Verhandlung wünsche. Die Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht erfolgt. Voraussetzung einer solchen Klage wäre zudem das Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses, das jedoch weder vom Kläger geltend gemacht wurde noch für das Gericht anderweitig erkennbar ist. Als berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO genügt grundsätzlich jedes konkrete, durch die Sachlage gerechtfertigte Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein solches besonderes Feststellungsinteresse angenommen werden kann, wenn die Feststellungsklage zum Zwecke der Beseitigung von Folgen einer aufgehobenen Pfändungsverfügung erhoben wird. Richtet sich die Folgenbeseitigung allein auf die Rückgängigmachung der durch die Vollstreckungsmaßnahme bewirkten Vermögensverschiebung, ist jedoch bei der Beurteilung des Feststellungsinteresses zu berücksichtigen, dass aus einer Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsmaßnahme nicht zwangsläufig gefolgert werden kann, dass die Vollstreckungsbehörde die erlangten Beträge zu erstatten oder zurückzuzahlen habe. Nach den allgemeinen Regeln eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs trifft den Vollstreckungsgläubiger nämlich nur eine Verpflichtung, vereinnahmte Beträge zu erstatten, die ohne rechtlichen Grund geleistet worden sind. Dies ist dann der Fall, wenn der Kläger nicht die bloße Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung geltend macht, sondern sich auf ein Pfändungs- und Vollstreckungsverbot beruft (VG Meiningen, U.v. 22.2.2023 – 5 K 1279/20 Me – juris Rn. 36 f. rek. auf BFH, B.v. 11.4.2001 – VII B 304/00 – juris Rn. 13 ff.; in Bayern ist § 37 Abs. 2 AO, der den steuerrechtlichen Erstattungsanspruch regelt, im Kommunalabgabenrecht über Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Kommunalabgabengesetzes (KAG) entsprechend anwendbar). Hier stellt der Kläger kein Pfändungs- und Vollstreckungsverbot in den Raum, sondern er macht im Wesentlichen Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch geltend, die ohnehin nur im Rahmen des Art. 21 Satz 2 VwZVG zulässig wären.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO.