Titel:
Vorläufige Zulassung eines Bürgerbegehrens
Normenketten:
BayGO Art. 18a
VwGO § 123
Leitsätze:
1. Wenn keine rechtliche Möglichkeit besteht, den am Hauptsacheverfahren nicht beteiligten staatlichen Stellen die Weiterführung des Baus einer Ortsumgehung vorläufig zu untersagen und deshalb außer einer Einflussnahme der Gemeinde auf diese staatlichen Stellen keine weitere Möglichkeit besteht, gegen die Realisierung des Vorhabens zu intervenieren, kommt als gerichtlich angeordnete Maßnahme, die der mit Zeitablauf zunehmenden Gefahr der Vereitelung des Zulassungsanspruchs entgegenzuwirken vermag, allein die vorläufige Zulassung des Bürgerbegehrens im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO in Betracht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist unzulässig, wenn in der Begründung des Bürgerbegehrens in einer entscheidungsrelevanten Weise unzutreffende Tatsachen behauptet werden oder wenn die maßgebende Rechtslage unzutreffend bzw. unvollständig erläutert wird. Zu beanstanden ist die Begründung eines Bürgerbegehrens, wenn sie über eine bloß tendenziöse Wiedergabe von Informationen hinaus einen entscheidungsrelevanten Umstand nachweislich falsch oder in objektiv irreführender Weise darstellt (vgl. VGH München BeckRS 2017, 111611 Rn. 33). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bürgerbegehren gegen ein bestandskräftig planfestgestelltes Straßenbauvorhaben, Vorwegnahme der Hauptsache, Eilbedürftigkeit trotz erfolgten Baubeginns, Begründungsmangel, Bürgerbegehren, Anordnungsgrund, Anordnungsanspruch, einstweilige Anordnung, irreführende Begründung, Ortsumgehung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14214
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Zulassung eines Bürgerbegehrens.
2
Am … 2014 erließ die Regierung von … einen Planfeststellungsbeschluss für den Bau der Ortsumgehungen von … und … im Zuge der Staatsstraße … „…“ von Baukm 0+000 bis Baukm … im Gebiet der Stadt … und des Marktes …, Landkreis … Eine hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth … …abgewiesen. Am … 2021 fand ein Bürgerentscheid „Staatsstraße …: Keine Ortsumgehung … – …“ statt. Die Fragestellung lautete: „Sind Sie dafür, dass die Marktgemeinde … a) die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses bei der Regierung von … beantragt und b) den Wunsch gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr sowie den Vorsitzenden der im Landtag vertretenen Fraktion äußert, auf den Bau der planfestgestellten Ortsumgehung zu verzichten?“ (vgl. https://www. ….). Die Mehrheit der Abstimmenden stimmte mit Nein (vgl. https:/ ….). Das Staatliche Bauamt … (im Folgenden: Staatliches Bauamt) teilte dem Antragsgegner mit Schreiben vom 22. April 2024 mit, dass mit den Bauarbeiten gemäß dem Planfeststellungsbeschluss vom …2014 begonnen worden seien, da der Abbruch eines Bestandsgebäudes stattgefunden habe. Die anstehenden Leitungsverlegungen an der Kreisstraße … würden derzeit vorbereitet werden. Die Ausführung der Leistungen werde auf Mitte September terminiert.
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Am 29. April 2024 übergaben der Antragsteller und sein Stellvertreter dem Antragsgegner eine Unterschriftensammlung zum Bürgerbegehren „Staatsstraße …: Keine Ortsumgehung … – …“. Das Bürgerbegehren hat folgende Fragestellung und Begründung:
„Sind Sie dafür, dass die Marktgemeinde …
a) die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses bei der Regierung von … beantragt und
b) den Wunsch gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr sowie den Vorsitzenden der im Landtag vertretenen Fraktionen äußert, auf den Bau der planfestgestellten Ortsumgehung zu verzichten?
Die Planung für die Ortsumgehung … beruht auf alten Werten. Folgende aktuelle Entwicklungen sprechen gegen dieses Bauprojekt:
- Die erwarteten Baukosten haben sich auf 60 Mio. € erhöht und damit mehr als vervierfacht.
- Der innerörtliche Verkehr wird auch mit Ortsumgehung hoch bleiben und die Gestaltungsmöglichkeiten der … Straße stark beschränken.
- Die Bauzeit verlängert sich auf sechs Jahre, während zwei Bauphasen wird die Staatsstraße Richtung … bzw. … voll gesperrt.
- Das Staatliche Bauamt hat klargestellt, dass keine Lärmschutzmaßnahmen für die Anwohner geplant sind.
- Die Bedeutung landwirtschaftlicher Flächen für die regionale Versorgung hat zugenommen.
- Die Zuspitzung der Klimakrise.“
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Der Marktgemeinderat des Antragsgegners lehnte in der Sitzung am 28. Mai 2024 mehrheitlich die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ab. Das Mitglied des Marktgemeinderats Frau .. wurde von der Beratung und Beschlussfassung mehrheitlich ausgeschlossen.
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Mit Bescheid vom 11. Juni 2024 wies der Antragsgegner das am 29. April 2024 eingereichte Bürgerbegehren „Staatsstraße …: Keine Ortsumgehung … – …“ als unzulässig zurück (Ziffer 1 des Bescheids). Der beantragte Bürgerentscheid werde nicht durchgeführt (Ziffer 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das Bürgerbegehren sei unzulässig, da es auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet sei. Der Antragsgegner sei den Gesetzen und der Verfassung nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) und Art. 56 Abs. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) verpflichtet. Der Planfeststellungsbeschluss vom … 2014 sei nach der Ausschöpfung der Rechtsmittel bestandskräftig, sodass Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen seien. Ein bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluss könne nach dem Durchführungsbeginn nur nach den Maßgaben des Art. 77 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) oder Art. 49 BayVwVfG aufgehoben werden. Mit dem Bau des Vorhabens sei entsprechend der Mitteilung des Staatlichen Bauamts vom 22. April 2024 bereits begonnen worden. Eine Aufgabe des Vorhabens i.S.d. Art. 77 BayVwVfG komme nach einer Meldung der Pressestelle der Regierung von … (siehe Presseartikel vom 4. Mai 2024) nicht in Betracht. Auch ein Widerruf nach Art. 49 BayVwVfG scheide aus, da die Anwendung dieser Norm aufgrund der erhöhten Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses ultima ratio bleiben müsse und die Voraussetzungen für einen Widerruf nicht erfüllt seien (wird näher ausgeführt). Letztlich habe die Regierung von … als zuständige Behörde vermelden lassen, dass das Projekt fortgeführt werde. Dies bedeute, dass im Falle der Stellung des begehrten Antrags noch nicht einmal ansatzweise eine Aussicht auf Erfolg bestünde. Darüber hinaus sei das Bürgerbegehren unzulässig, weil es rechtlich oder tatsächlich unmöglich sei. Dass das Ziel des Bürgerbegehrens inzwischen aufgrund des erreichten Fortschritts in der Planung und Umsetzung rechtlich nicht mehr erreicht werden könne, sei seitens der Regierung von … bereits per Pressemitteilung klargestellt worden. Zudem sei die Begründung des Bürgerbegehrens materiell nicht richtig. Soweit das Bürgerbegehren damit begründet werde, dass der innerörtliche Verkehr auch mit der Ortsumgehung hoch bleiben werde, sei diese Wortwahl zu ungenau und verfälschend. Laut dem Planfeststellungsbeschluss (S. 45) werde es in … zu einer Verkehrsentlastung zwischen 39% und 67% kommen. In … werde eine Entlastung von 75% prognostiziert. Der Behauptung, dass diese Zahlen nicht mehr zutreffend seien, könne nicht gefolgt werden. 2023 hätten Zählungen des Staatlichen Bauamts eine Verkehrsbelastung von rund 10.450 Kfz/24h (Höhe des Gewerbegebiets ….) bzw. von 6.810 Kfz/24h (Zählstandort ….) ergeben. Die Zahlen seien zwar geringer als noch 2000 bis 2019 ermittelt, dies läge laut dem Staatlichen Bauamt aber an den Effekten der Corona-Pandemie und den zum Zeitpunkt der Messungen stattgefundenen Bauarbeiten auf der Strecke in … Die ermittelten Verkehrszahlen 2023 würden auf Hochrechnungen der Fortschreibung der Zählung aus 2021 basieren. Das Staatliche Bauamt habe zudem erläutert, dass selbst mit den 2023 ermittelten Werten die Verkehrsbelastung noch immer 2,8-mal höher als die durchschnittliche tägliche Verkehrsbelastung auf bayerischen Staatsstraßen (ca. 3.770 Kfz/24h) sei und dementsprechend die Staatsstraße … immer noch zu den höchstbelasteten Staatsstraßen in Bayern gehöre. Eine Blitzaktion der kommunalen Verkehrsüberwachung über mehrere Tage habe gezeigt, dass die aktuellen Durchfahrtszahlen an Werktagen nicht markant von den Daten der Verkehrsuntersuchung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens abweichen würden. So seien Mitte März 2024 an der Bushaltestelle gegenüber dem Feuerwehrhaus an der … Straße im Durchschnitt rund 9.300 Kfz/Werktag gezählt worden. Entsprechend handele es sich bei der Begründung um eine unzutreffende Behauptung, die die Unterschreibenden deutlich in die Irre führe. Falsch sei die Begründung, dass die Gestaltungsmöglichkeiten der … Straße durch die Umgehungsstraße stark beschränkt würden. Nach der Errichtung der Umgehungsstraße sei die Umwidmung der … Straße in einem bestimmten Bereich (wird näher beschrieben) zur Gemeindestraße vorgesehen. Für diesen und weitere betroffene Bereiche, insbesondere die südliche … Straße, seien ein Sanierungsgebiet ausgewiesen und bereits künftige Maßnahmen eruiert worden. Eine Umsetzung vor der Umwidmung sei nicht wirklich möglich und aufgrund der aktuellen Verkehrsbelastung nicht sinnvoll. Im Anschluss daran würden weitere Machbarkeitsstudien erforderlich sein und genauere Details festgelegt werden. Insgesamt lasse sich festhalten, dass durch die Umwidmung die Möglichkeiten des Antragsgegners zur Umgestaltung der … Straße eben nicht eingeschränkt, sondern durchaus erweitert würden. Einen dementsprechenden Willen habe der Marktgemeinderat bereits in mehreren Beschlüssen festgehalten. Die Darstellung, die Bauzeit verlängere sich auf sechs Jahre, sei falsch. Da bisher zu keinem Zeitpunkt Angaben zu Bauzeiten gemacht worden seien, sei die Angabe in der Begründung, die Bauzeit habe sich verlängert, unzutreffend. Die Aussage, das Staatliche Bauamt habe klargestellt, dass keine Lärmschutzmaßnahmen für die Anwohner geplant seien, verschweige Wesentliches. Das Staatliche Bauamt habe in der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses am 6. Februar 2024 öffentlich klargestellt, dass es bundesweite Regelwerke zur Berechnung von Lärm gebe. Entsprechend sei bundesweit ein Verfahren entwickelt worden, welches mittels Berechnungen die zu erwartenden Lärmimmissionen ermitteln würde. Nach dem Verfahren seien keine Lärmschutzmaßnahmen erforderlich, sodass solche nicht geplant worden seien. Dies sei auch vom Bayerischen Landesamt für Umwelt mit Stellungnahme vom 15. April 2011 bestätigt worden. Dass keine Lärmschutzmaßnahmen notwendig seien, sei verschwiegen worden. Die in der Begründung verwendete Formulierung impliziere geradezu, dass Maßnahmen erforderlich seien, die nicht geplant seien. Die Unterzeichnenden würden entsprechend bewusst in die Irre geführt. Der Bescheid wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 12. Juni 2024 zugestellt.
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Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 9. Juli 2024 – Eingang beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag – Klage (. ….) erheben und unter dem 29. Oktober 2024 beantragen, den Bescheid des Antragsgegners vom 11. Juni 2024 aufzuheben und diesen dazu zu verpflichten, das am 29. April 2024 vom Antragsteller als Vertreter eingereichte Bürgerbegehren zuzulassen und den dort beantragten Bürgerentscheid durchzuführen. Zur Begründung wurde maßgeblich ausgeführt, dass der Bescheid formell rechtswidrig sei. Die Behördenakte enthalte keinen Nachweis, dass die Marktgemeinderäte zur Sitzung am 28. Mai 2024 unter Angabe der Tagesordnungspunkte geladen worden seien. Die Ehefrau des Antragstellers Frau .. sei zu Unrecht nach Art. 49 Abs. 1 Satz 1 GO von der Beratung und Beschlussfassung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ausgeschlossen worden. Hingegen hätten Marktgemeinderatsmitglieder mitgewirkt, die Grundstücke entlang der jetzigen Staatsstraße … im Ortsbereich besitzen würden. Das eingereichte Bürgerbegehren sei nicht auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet. Neben der Tatsache, dass die identische Fragestellung im ersten Bürgerbegehren gestellt worden sei und der Antragsgegner sie dort als zulässig befunden habe, bestehe die grundsätzliche Möglichkeit der Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nach Art. 77 BayVwVfG. Demzufolge sei die Fragestellung auf ein ausdrücklich gesetzlich vorgesehenes Ziel gerichtet. Falsch sei zudem, dass die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses rechtlich oder tatsächlich nicht mehr erreicht werden könne. Dies ergebe sich aus dem zweiten Teil der Fragestellung, wonach der Antragsgegner den Wunsch, auf den Bau zu verzichten, gegenüber dem zuständigen Staatsministerium äußern solle. Eine Entscheidung der Staatsregierung, das Vorhaben endgültig aufzugeben, sei nicht ausgeschlossen. Wie das Ministerium entscheiden würde, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit beurteilt werden. Es sei in der Vergangenheit seitens der Staatsregierung mehrfach betont worden, dass Vorhaben, die von der Bevölkerung vor Ort mehrheitlich abgelehnt würden, nicht durchgeführt werden sollen. Die Begründung des Bürgerbegehrens sei weder sachlich noch rechtlich falsch. Es sei korrekt, dass der innerörtliche Verkehr auch nach Errichtung der Ortsumgehung hoch bleibe. Der Planfeststellungsbeschluss selbst beruhe darauf, dass im Bereich der Ortsdurchfahrt … in weiten Bereichen zwischen 5.100 und 6.800 Kfz/Werktag, max. 9.250 Kfz/Werktag und damit mehr als die durchschnittliche Verkehrsbelastung einer Bayerischen Staatsstraße von 3.770 Kfz/Werktag prognostisch zu erwarten seien. Die weiterhin überdurchschnittliche Verkehrsbelastung verdeutliche klar, dass der innerörtliche Verkehr trotz der behaupteten Entlastungswirkung der Ortsumgehung hoch bleiben werde. Die Aussage, die Gestaltungsmöglichkeiten der … Straße würden stark beschränkt sein, sei eine korrekte Tatsachendarstellung. Bei einer Belastung von 5.100 bis 9.250 Kfz/Werktag verstehe sich bereits von selbst, dass die Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt seien. Bei dieser Fahrzeugmenge sei es nicht möglich, alle denkbaren Maßnahmen für Verkehrsberuhigung, Umgestaltung von Kreuzungen etc. zu verwirklichen. Zudem habe der Antragsgegner selbst eine vorbereitende Untersuchung der möglichen Umgestaltung in Auftrag gegeben, diese sei auf seiner Internetseite öffentlich einsehbar. Dort werde im Ergebnis auf Seite 75 ausgeführt, dass die Möglichkeiten eines Rückbaus bzw. Umbaus zu einem Kreisverkehr oder einer vorfahrtsgeregelten Kreuzung kritisch zu betrachten seien, weil insbesondere der Sicherheitsfaktor für den Fußgängerverkehr maßgebend sei. Ein Kreuzen der Straße bei einer Verkehrsbelastung von 7.000 Kfz/Tag stelle ein Risiko dar, sodass weiterhin eine Lichtsignalanlage empfohlen werde. Die Aussage, die Bauzeit verlängere sich auf sechs Jahre, sei richtig, da in den Planfeststellungsunterlagen ausdrücklich festgehalten sei, dass die Bauzeit zur Durchführung der Maßnahme voraussichtlich drei Jahre betrage. Die in der Begründung enthaltene Äußerung, es seien keine Lärmschutzmaßnahmen für die Anwohner geplant, sei nicht irreführend. Die Aussage sei korrekt, da entsprechende Maßnahmen nicht vorgesehen seien. Richtig sei zwar, dass nach den der Planfeststellung zugrunde liegenden Prognoseberechnungen die Grenzwerte eingehalten würden und daher keine Lärmschutzmaßnahmen notwendig seien, dies habe der Antragsteller in der Begründung des Bürgerbegehrens aber nicht in Zweifel gezogen. Dass das Unterlassen von Lärmschutzmaßnahmen rechtswidrig wäre und vom Staatlichen Bauamt eigentlich vorgeschriebene Maßnahmen nicht durchgeführt worden seien, sei weder behauptet noch suggeriert worden. Die klarstellenden Äußerungen des Staatlichen Bauamts in der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses vom 6. Februar 2024 seien für die Bürger neu, auch deshalb sei der Hinweis auf die entsprechende Klarstellung des Staatlichen Bauamtes in der Begründung des Bürgerbegehrens nicht irreführend. Es werde um eine zeitnahe Terminierung gebeten, da bereits öffentlichkeitswirksam und symbolträchtig mit dem Bau des Vorhabens begonnen worden sei. Je weiter die Baumaßnahmen voranschreiten würden, desto weniger sei die Aufgabe des Vorhabens durch den Freistaat Bayern zu erwarten.
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Unter dem 5. Dezember 2024 erwiderte der Antragsgegner im Klageverfahren, das Staatliche Bauamt habe dem Antragsgegner im März 2024 mitgeteilt, dass die Aufträge zur Planung „Baugrundgutachten“ und „Bodengutachten“ vergeben worden seien und der Grunderwerb für insgesamt 2 Mio. EUR bereits betrieben worden sei. Zudem stelle der Abbruch eines Bestandsgebäudes laut Schreiben des Staatlichen Bauamts vom 22. April 2024 den Baubeginn des Vorhabens dar. Die Regierung von … habe nochmals öffentlich im Zuge des hier verfahrensgegenständlichen Bürgerbegehrens geäußert, dass diese am Bau der Ortsumgehung, unabhängig vom Ausgang eines möglichen zweiten Bürgerentscheids, festhalten werde. Der streitgegenständliche Bescheid leide nicht unter formellen Mängeln, da ordnungsgemäß zur Gemeinderatssitzung am 28. Mai 2024 geladen und Frau .. als Ehefrau des Antragstellers zu Recht ausgeschlossen worden sei Der Antragsteller trage nicht substantiiert vor, welche Gemeinderäte konkret nach Art. 49 GO hätten ausgeschlossen werden müssen. Das Bürgerbegehren sei unzulässig, da mit ihm ein rechtswidriges Ziel verfolgt werde und seine Begründung fehlerhaft sei. Diesbezüglich wurden maßgeblich die Argumente aus dem streitgegenständlichen Bescheid wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass die Ortsumgehung prognostisch eine Entlastung von 5.800 bis 6.600 Kfz/Tag (S. 45 des Planfeststellungsbeschlusses) bewirken werde. In der Ortsdurchfahrt von … verbleibe noch eine Verkehrsbelastung zum Prognosezeitpunkt zwischen 2.150 Kfz/Werktag und im stärker gewerblich bzw. industriell geprägten Teil … bei max. 9.250 Kfz/Werktag. In der Ortsmitte läge die Verkehrsbelastung in weiten Bereichen nur noch zwischen 5.100 und 6.800 Kfz/Werktag. In … werde sich im Prognosejahr eine prognostizierte Verkehrsbelastung von nur noch 2.050 Kfz/Werktag einstellen. Die Gestaltungsmöglichkeiten der … Straße seien vorhanden und nicht stark eingeschränkt. Die ersten bauplanungs- und sanierungsrechtlichen Schritte, welche durch den Antragsgegner eingeleitet worden seien, würden dies zeigen; denklogisch könnten Umgestaltungen und hierfür notwendige Planungen nur dann voranschreiten, wenn die Ortsumgehung verwirklicht werde. Aus der Herabstufung zur Ortsstraße folge, dass der Antragsgegner Straßenbaulastträger werde und damit alleine für die Gestaltung des Straßenkörpers verantwortlich werden würde. Schon daraus ergebe sich keine Einschränkung, sondern eine Zunahme an planerischen und gestalterischen Möglichkeiten. Zudem beschrieb der Bevollmächtigte des Antragsgegners die Lärmberechnungen näher, die zu dem Ergebnis gelangt seien, dass an keinem Immissionsstandort im Einwirkungsbereich der Neubautrasse der Staatsstraße … gesonderte Lärmschutzmaßnahmen notwendig seien. Dass sämtliche Grenzwerte eingehalten werden würden und dies durch eine fachliche Begutachtung bestätigt worden sei, verschweige die Begründung des Bürgerbegehrens gerade.
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In der Replik zum Klageverfahren vom 20. Dezember 2024 ließ der Antragsteller im Wesentlichen bemängeln, dass die Klageerwiderung nicht auf die Ausführungen in der Klagebegründung (wurden nochmals zusammengefasst) eingehe. Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2025 bat der Bevollmächtigte des Antragstellers das Gericht, einen Verhandlungstermin im Klageverfahren mitzuteilen. Ihm wurde daraufhin telefonisch von Seiten des Gerichts mitgeteilt, dass eine Terminierung des Klageverfahrens derzeit nicht absehbar sei.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 11. April 2025 – Eingang beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag – ließ der Antragsteller beantragen,
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung dazu verpflichtet, das am 29. April 2024 vom Antragsteller als Vertreter eingereichte Bürgerbegehren zuzulassen und den beantragten Bürgerentscheid unverzüglich durchzuführen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Anordnungsanspruch gegeben sei. Der Bescheid vom 11. Juni 2024 sei evident rechtswidrig. Diesbezüglich werde auf die Ausführungen im Hauptsacheverfahren Bezug genommen. Zusammenfassend stelle sich die Rechtslage so dar, dass das beantragte Bürgerbegehren keine rechtswidrigen Ziele verfolge. Die Aufgabe des Vorhabens sei grundsätzlich möglich, da zum jetzigen Zeitpunkt politisch noch auf die Durchführung verzichtet werden könne. Die Begründung des Antrags zum Bürgerbegehren sei ebenfalls zulässig. Alle Teile der Begründung seien wahrheitsgemäß und nicht irreführend. Im jetzigen Verfahrensstadium stehe somit fest, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben sei. Zumindest spreche eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür. Ein Anordnungsgrund sei gegeben. Im Hauptsacheverfahren sei bereits mehrfach auf die Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung hingewiesen worden, weil zwischenzeitlich Tatsachen geschaffen würden, die dem durchzuführenden Bürgerentscheid die Grundlage entziehen könnten. Das Gericht habe bisher keinen Verhandlungstermin bestimmt und informatorisch mitgeteilt, dass mit einem solchen in den kommenden Monaten nicht zu rechnen sei. Bis zu einer Hauptsacheentscheidung würden Bauarbeiten für die Ortsumgehung, gegen deren Herstellung sich das Bürgerbegehren richte, durchgeführt werden. Es handele sich dabei nicht nur um den bereits in der Klagebegründung geschilderten Spatenstich, sondern um die Vorbereitung und Durchführung wesentlicher Bauarbeiten. Das Staatliche Bauamt habe zuletzt einen entsprechenden Ausblick veröffentlicht, wonach noch im laufenden Jahr unter anderem ab Mitte Mai Arbeiten zur Ergänzung im Trinkwasserleitungsnetz geplant seien, ab Mitte Juli mit Betonarbeiten für ein Brückenbauwerk begonnen werden sollen und ab Mitte des Jahres 2025 der Baubeginn einer weiteren Brücke vorgesehen sei. Je weiter solche wesentlichen Arbeiten fortschreiten würden, desto unwahrscheinlicher werde die politische Möglichkeit die Durchführung des Vorhabens aufzugeben. Daraus folge, dass letztlich der Bürgerentscheid ins Leere laufen würde, wenn er erst in Monaten oder Jahren durchgeführt werde; er habe dann keine Bewandtnis mehr für die tatsächliche Verwirklichung. Effektiven Rechtsschutz könne das anhängige Klageverfahren somit nicht gewähren. Nur durch eine schnelle Entscheidung bleibe die Möglichkeit erhalten, dass der Wille der Bevölkerung noch Berücksichtigung finde. Es sei für den Antragsteller unzumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
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Unter dem 29. April 2025 ließ der Antragsgegner durch seinen Bevollmächtigten erwidern, dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei. Diesbezüglich werde auf die Klageerwiderung in der Hauptsache verwiesen. Sowohl die Regierung von … als auch das Staatliche Bauamt hätten klargestellt, nicht von einer Umsetzung der Ortsumgehung abzusehen. Darüber hinaus sei der Bau so weit fortgeschritten, dass der Freistaat Bayern von diesem Vorhaben nicht mehr absehen werde. Eine vorläufige Zulassung des Bürgerbegehrens scheide zudem aus, weil eine solche mit der gesetzlichen Ausgestaltung und dem Wesen des Bürgerbegehrens unvereinbar sei, da – je nachdem, wie das Hauptsacheverfahren ausgehe – die Abstimmung der Bürger unter Umständen ins Leere gehen würde, wodurch zugleich eine unzulässige Beeinflussung des Abstimmungsverhaltens bewirkt werden könne. Ein Anordnungsgrund liege nicht vor, da bereits vor Einreichen des Bürgerbegehrens mit dem Bau der Ortsumgehung begonnen worden sei. Zudem seien bereits acht Monate zwischen Klageerhebung und Erhebung des Eilantrags verstrichen. Selbst der Antragsteller habe in der Vergangenheit keine Eilbedürftigkeit gesehen, obwohl im Jahr 2024 und im Frühjahr 2025 der Bau der Ortsumgehung vorangeschritten sei.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. Mai 2025 ließ der Antragsteller ergänzend vortragen, der Baubeginn hindere rechtlich in keiner Weise an einem Verzicht auf die weitere Durchführung des Vorhabens. Das bestehende Baurecht löse keine rechtliche Pflicht und keinen Zwang zur tatsächlichen Ausführung des Vorhabens aus. Für den Fall, dass ein weiterer Bürgerentscheid eine Mehrheit gegen die Ortsumgehung ergeben würde, wäre die politische Entscheidung der Staatsregierung zu treffen, ob man sich über den Bürgerwillen hinwegsetzen wolle. Bisher hätten die größten Bauarbeiten noch nicht begonnen. Der Vortrag des Antragsgegners, dass der Freistaat Bayern aufgrund der bisherigen Baufortschritte nicht mehr vom Vorhaben absehen werde, sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die vorläufige Zulassung des Bürgerbegehrens scheide grundsätzlich nicht aus; dies sei von der Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt. Der Antragsteller habe die Eilbedürftigkeit gesehen und im Hauptsacheverfahren mehrfach auf eine zügige Behandlung der Angelegenheit gedrängt. Der Anordnungsgrund ergebe sich aus der Tatsache, dass im Hauptsacheverfahren voraussichtlich noch Jahre vergehen würden, bis eine Entscheidung vorliege.
13
Unter dem 26. Mai 2025 verwies die Antragsgegnerseite nochmals darauf, dass das Staatliche Bauamt und der Freistaat Bayern stets kommuniziert hätten, die Maßnahmen umsetzen zu wollen. Zudem wurden die bisher durchgeführten Baumaßnahmen und -kosten näher dargestellt.
14
Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2025 replizierte der Bevollmächtigte des Antragstellers, dass der Abschluss der europaweiten Ausschreibungen für das erste Brückenbauwerk und die Bindung von öffentlichen Mitteln in Höhe von 5 Mio. EUR dafür die Eilbedürftigkeit zeigen würden.
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Ergänzend wird in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte – auch in den … – und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
16
I. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig.
18
a. Der Antragsteller ist in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, weil er durch die Unterzeichner des Bürgerbegehrens gem. Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO wirksam als einziger Vertreter benannt und damit nach Art. 18a Abs. 8 Satz 2 GO berechtigt ist, die einstweilige Zulassung des Bürgerbegehrens im eigenen Namen gerichtlich einzufordern (vgl. zur Klagebefugnis: BayVGH, U.v. 25.7.2007 – 4 BV 06.1438 – juris Rn. 41).
19
b. Dem Antragsteller fehlt es auch nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Entsprechend der Niederschrift zur Marktgemeinderatssitzung am 28. Mai 2025 ist die Kommunalaufsicht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Feststellung der Unzulässigkeit vertretbar sei. In der Klageerwiderung vom 5. Dezember 2024 verweist der Antragsgegner auf die Ausführungen der Rechtsaufsichtsbehörde, welche eine vom Antragsteller angestrengte Dienstaufsichtsbeschwerde als haltlos angesehen habe. Nach Überzeugung des Gerichts ist es angesichts dieser konkreten Umstände unschädlich, dass der Antragsteller sein Anliegen vor Anrufung des Verwaltungsgerichts nicht beim Antragsgegner bzw. der Rechtsaufsichtsbehörde geltend gemacht hat. Die Frage, ob dies geschehen muss, entzieht sich einer pauschalen Beantwortung. Zumindest in aller Regel ist eine Vorbefassung der zuständigen Behörde mit dem gemäß § 123 VwGO zu sichernden Begehren dann erforderlich, wenn das materielle Recht eine Antragstellung bei der öffentlichen Verwaltung vorschreibt; dies ist hier nicht der Fall (vgl. VG Bayreuth, B.v. 19.1.2023 – B 9 E 23.10 – juris Rn. 17 m.w.N.). Ein Antragsteller, der sein Anliegen nicht zuvor an die öffentliche Verwaltung herangetragen hat, hat ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anrufung des Gerichts im Verfahren nach § 123 VwGO dann, wenn ausreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die zuständige Behörde seinem Begehren entweder nicht oder nicht innerhalb der Zeitspanne entsprochen hätte, nach deren Ablauf dem Rechtsschutzsuchenden diejenigen Nachteile drohen, die mit der beantragten einstweiligen Anordnung abgewehrt werden sollen (BayVGH, B.v. 28.5.2018 – 22 CE 17.2260 – juris Rn. 74).
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
21
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch eine Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet wird, nach § 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen.
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a. Ein Anordnungsgrund wurde von Antragstellerseite glaubhaft gemacht.
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aa. Der Anordnungsgrund ist entgegen der Meinung des Antragsgegners nicht deshalb in Frage gestellt, weil das Bürgerbegehren erst nach dem Beginn der Umsetzung der Ortsumgehung beim Antragsgegner eingereicht wurde und die Erhebung des Eilantrags bei Gericht erst ca. acht Monate nach Erhebung der Hauptsacheklage erfolgte. Für die Einreichung eines Bürgerbegehrens besteht weder eine gesetzliche Präklusionsfrist noch eine innergemeindliche Treuepflicht, das Begehren möglichst früh einzuleiten. Ein sich angesichts des Verlaufs einer Projektumsetzung erst nach und nach formulierender politischer Wille, der laut Begründung des Bürgerbegehrens auf aktuellen Entwicklungen beruht, ist nicht deshalb illegitim, weil er sich erst spät manifestiert und in ein Bürgerbegehren münden kann. Es ist gerade das Risiko des Initiators eines Bürgerbegehrens, dass bei fortschreitender Projektverwirklichung ein zu einem späten Zeitpunkt eingereichtes Bürgerbegehrens ins Leere laufen könnte (vgl. hierzu auch: BayVGH, B.v. 19.3.2007 – 4 CE 07.416 – juris Rn. 19). Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO ist ebenfalls nicht an eine Antragsfrist geknüpft. Die zeitlich deutlich nach der Klageerhebung erfolgte Erhebung gerichtlichen Eilrechtsschutzes kann die Dringlichkeit und damit den Anordnungsgrund nicht pauschal ausschließen, sondern erhöht lediglich das Risiko des Antragstellers, dass durch zwischenzeitlich eingetretene Tatsachenumstände eine Dringlichkeit nicht mehr gegeben sein könnte.
24
bb. Der für die erstrebte Regelungsanordnung notwendige Anordnungsgrund in Gestalt einer besonderen Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens ergibt sich vorliegend aus der Gefahr, dass das vom Antragsteller geltend gemachte Recht auf Zulassung des eingereichten Bürgerbegehrens (Art. 18a Abs. 8 GO) durch weiteren Zeitablauf vereitelt werden könnte. Das Bürgerbegehren ist darauf gerichtet, dass der Antragsgegner bei der Regierung von … die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zur hier verfahrensgegenständlichen Ortsumgehung beantragt und gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr sowie den Vorsitzenden der im Landtag vertretenen Fraktionen die Bitte äußert, auf den Bau der planfestgestellten Ortsumgehung zu verzichten. Da der politische Einfluss des Antragsgegners auf die Realisierung eines bereits mit dessen Bau begonnenen Vorhabens denklogisch abnimmt, je weiter dessen Umsetzung voranschreitet und öffentliche Mittel hierfür ausgegeben und gebunden werden, nimmt auch die Erfolgschance des Bürgerbegehrens mit dem Voranschreiten des Baus der Umgehungsstraße ab. Letztlich würde das Erreichen eines gewissen Baufortschritts eine politische Einflussnahme auf das Vorhaben als höchst gering erscheinen lassen, sodass eine Erledigung des Bürgerbegehrens eintreten würde, die auch zu einem Wegfall des gerichtlichen Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. hierzu: VG Oldenburg, B.v. 19.4.2005 – 2 B 901/05 – juris Rn. 3; VG Würzburg, U.v. 11.10.2000 – W 2 K 00.233 – juris Rn. 26 ff.) führen würde. Da sich die vom Antragsgegner geschilderten Baufortschritte (Grunderwerb, Auftragsvergaben zur Planung „Baugrundgutachten“ und „Bodengutachten“, Schaffung der Behelfsumfahrt, Abriss eines Bestandsgebäudes, europaweite Ausschreibungen für 2025 und 2026 und teilweise erfolgte Vergabe) mit der Beschreibung der Bauphase 1 von 5 auf der Homepage des Freistaates Bayern zum Vorhaben (www. ….) decken, befindet sich die Umsetzung des Bauvorhabens noch in der Anfangsphase, sodass eine politische Einflussmöglichkeit der Antragsgegnerin auf die Realisierung der Ortsumgehung noch möglich erscheint (vgl. auch BayVGH, U.v. 13.3.2019 – 4 B 18.1851 – juris Rn. 27, wonach eine politische Einflussnahme auch nach dem mittlerweile erfolgten offiziellen Baubeginn nicht ausgeschlossen erscheint). Auch die bisher aufgewandten und gebundenen finanziellen Mittel sprechen hierfür. Entsprechend der im Schriftsatz des Antragsgegners vom 26. Mai 2025 aufgelisteten Daten wurden bisher 3 Mio. EUR für den Grunderwerb, 0,5 Mio. EUR für Bohrarbeiten und 0,1 Mio. EUR für die Vergabe für Aufträge zur Sicherung der Wasserversorgung ausgegeben bzw. gebunden. Dies entspricht auch annähernd der Darstellung der Kostenverteilung in der Behördenakte (BA Bl. 1 f.), wonach die größten Kostenpositionen für den Erdbau, den Oberbau/Asphaltbau und den Brückenbau (insgesamt ca. 52,67 Mio. EUR) und damit in einer späteren Bauphase ab 2026 anfallen werden. In Anbetracht der Gesamtbaukosten in Höhe von ca. 60,55 Mio. EUR erscheint eine Aufgabe des Vorhabens politisch weiterhin möglich. Eine Dringlichkeit besteht, da mit Voranschreiten der Bauerfolge und durch die Bindung weiterer öffentlicher Mittel (vgl. die im Schriftsatz vom 26. Mai 2025 dargestellte ausstehende Bindung von 5 Mio. EUR für die Aufträge zur Errichtung für das erste Brückenbauwerk im Jahr 2025) eine mögliche Erledigung des Bürgerbegehrens immer wahrscheinlicher wird.
25
b. Der Antragsteller kann auch – entgegen der Ansicht des Antragsgegners – im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung des Bürgerbegehrens verlangen, da die Sicherung des im Hauptsacheverfahrens geltend gemachten Anspruchs nur auf diesem Wege erreicht werden kann.
26
Anders als in den Fällen, in denen der beantragte Bürgerentscheid nur die Gemeinde auf ein künftiges Verhalten festlegen soll, sodass ein wirksamer Eilrechtsschutz schon durch das einstweilige Verbot entgegenstehender gemeindlicher Maßnahmen entsprechend Art. 18a Abs. 9 GO sichergestellt werden kann und der Inhalt der Sicherungsanordnung nicht über den Umfang der gesetzlichen Sperrwirkung des Art. 18a Abs. 9 VwGO hinausgehen darf (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2007 – 4 CE 07.416 – juris Rn. 16 m.w.N.; VG München, B.v. 9.5.2016 – M 7E 16.1589 – juris Rn. 17), besteht hier keine rechtliche Möglichkeit den am Hauptsacheverfahren nicht beteiligten staatlichen Stellen die Weiterführung des Baus der Ortsumgehung vorläufig zu untersagen. Da der Planfeststellungsbeschluss vom … 2014 zur verfahrensgegenständlichen Ortsumgehung bereits bestandskräftig ist, besteht außer einer Einflussnahme des Antragsgegners auf diese staatlichen Stellen keine weitere Möglichkeit, gegen die Realisierung des Vorhabens zu intervenieren. Als gerichtlich angeordnete Maßnahme, die der mit Zeitablauf zunehmenden Gefahr der Vereitelung des Zulassungsanspruchs entgegenzuwirken vermag, kommt daher allein die vorläufige Zulassung des Bürgerbegehrens in Betracht.
27
Der Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung scheitert unter den gegebenen Umständen nicht daran, dass damit die Hauptsache faktisch vorweggenommen wird. Auch bei einer nur „vorläufigen“ Zulassung des Bürgerbegehrens muss innerhalb von drei Monaten eine Abstimmung stattfinden, deren Ergebnis zwar nach einer späteren Abweisung der Hauptsacheklage nicht mehr bindend wäre (Art. 18 Abs. 13 Satz 2 Halbs. 2 GO), die aber als solche – etwa hinsichtlich der getätigten Aufwendungen und der Beeinflussung der öffentlichen Meinung – nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2007 – 4 CE 07.416 – juris Rn. 16; B.v. 18.1.2019 – 4 CE 18.2578 – juris Rn. 16). Diese irreversiblen Folgen der vorläufigen Zulassung eines Bürgerbegehrens zwingen dazu, den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung auf die Fälle zu beschränken, in denen die Zulässigkeit bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit solcher Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann, dass eine gegenteilige Entscheidung im Hauptsacheverfahren praktisch ausgeschlossen ist (BayVGH, B.v. 18.1.2019 a.a.O. Rn. 16; B.v. 13.12.2010 – 4 CE 10.2839 – juris Rn. 26; Suerbaum/Retzmann in Dietlein/Suerbaum, BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand 1.2.2025, Art. 18a GO Rn. 63; Müller in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand Januar 2024, Art. 18a Rn. 35; jeweils m.w.N.). Die damit verbundene Vorwegnahme der Hauptsache muss im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ausnahmsweise hingenommen werden, wenn der Antragsteller anderenfalls ein nicht mehr wiedergutzumachender und unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2010 a.a.O. Rn. 26). Ein solcher Nachteil liegt hier darin, dass die in absehbarer Zeit zu erwartenden Baufortschritte – wie oben dargestellt – zu einer Erledigung des Bürgerbegehrens führen und den geltend gemachten Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens endgültig zunichtemachen würden.
28
c. Ein Anordnungsanspruch wurde hingegen nicht glaubhaft gemacht.
29
Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ist Art. 18a Abs. 8 Satz 1 GO. Ein Bürgerbegehren ist zulässig, wenn die in Art. 18a Abs. 1 bis 6 GO geregelten Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Bürgerbegehrens vorliegen und die Maßnahmen, die mit dem Bürgerbegehren erreicht werden sollen, mit der Rechtsordnung im Übrigen in Einklang stehen (vgl. VG Bayreuth, B.v. 27.9.2016 – B 5 K 15.982 – juris Rn. 32 m.w.N.). Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, die von den Gerichten in der Hauptsache uneingeschränkt nachprüfbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2021 – 4 CE 21.2576 – juris Rn. 27).
30
aa. Da es sich bei der Zulassung eines Bürgerbegehrens um eine rechtlich gebundene Entscheidung handelt, sind die von Antragstellerseite im Hauptsacheverfahren geltend gemachten formellen Mängel des Bescheids vom 11. Juni 2024 unerheblich. Maßgeblich ist lediglich, ob die Voraussetzungen des Art. 18a Abs. 1 bis 6 GO nach der hier gebotenen summarischen Prüfung erfüllt sind und dem Antragsteller ein entsprechender Anspruch auf Zulassung seines Bürgerbegehrens zusteht.
31
bb. Die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens kann nicht mit solcher Wahrscheinlichkeit bejaht werden, dass eine gegenteilige Entscheidung im Hauptsacheverfahren praktisch ausgeschlossen ist.
32
Ein zulässiges Bürgerbegehren muss nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO eine (auf allen Unterschriftslisten gleichlautende) Begründung enthalten. Mit diesem Erfordernis soll sichergestellt werden, dass die Gemeindebürger, wenn sie vom Initiator des Bürgerbegehrens zur Unterschriftsleistung aufgefordert werden, schon in dieser ersten Phase des direktdemokratischen Verfahrens die Bedeutung und Tragweite der mit Ja oder Nein zu entscheidenden Fragestellung erkennen können (BayVGH, U.v. 4.7.2016 – 4 BV 16.105 – juris Rn. 27). Da bereits mit der Unterzeichnung eines Bürgerbegehrens das Recht auf Teilhabe an der Staatsgewalt in Gestalt der Abstimmungsfreiheit (Art. 7 Abs. 2, Art. 12 Abs. 3 der Verfassung des Freistaates Bayern – BV) ausgeübt wird, ergeben sich aus der Bayerischen Verfassung Mindestanforderungen an die Richtigkeit der Begründung nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO. Die Bürger können nur dann sachgerecht über die Unterstützung eines Bürgerbegehrens entscheiden und von ihrem Eintragungsrecht Gebrauch machen, wenn sie nicht durch den vorgelegten Begründungstext in wesentlichen Punkten in die Irre geführt werden. Es ist daher mit dem Sinn und Zweck eines Plebiszits auf kommunaler Ebene nicht vereinbar, wenn in der Begründung des Bürgerbegehrens in einer entscheidungsrelevanten Weise unzutreffende Tatsachen behauptet werden oder wenn die maßgebende Rechtslage unzutreffend bzw. unvollständig erläutert wird (BayVGH, U.v. 4.7.2016 a.a.O. Rn. 27 f.; B.v. 20.12.2021 – 4 CE 21.2576 – juris Rn. 28; jeweils m.w.N.). Hierbei sind jedoch auch die Besonderheiten des plebiszitären Entscheidungsprozesses auf der kommunalen Ebene zu berücksichtigen. Zu beanstanden ist die Begründung eines Bürgerbegehrens danach nur, wenn sie über eine bloß tendenziöse Wiedergabe von Informationen hinaus einen entscheidungsrelevanten Umstand nachweislich falsch oder in objektiv irreführender Weise darstellt (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 34 f.). Der Begründungstext muss zudem keine Rechtsausführungen zum derzeitigen Verfahrensstand oder zu den zulässigen Handlungsoptionen enthalten, sondern darf in pauschaler und plakativer Weise die aus Sicht des Initiators wichtigsten Gründe für die Ablehnung des Projekts präsentieren (vgl. BayVGH, U.v. 13.3.2019 – 4 B 18.1851 – juris Rn. 30).
33
Gemessen an diesen Grundsätzen enthält die Begründung des Bürgerbegehrens nach summarischer Prüfung des Gerichts in einzelnen Punkten unrichtige bzw. irreführende Tatsachen (vgl. [1]). Diese haben erhebliche Relevanz für die Abstimmung und stützen die Begründung des Bürgerbegehrens wesentlich, sodass das Begründungserfordernis des Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO nicht erfüllt ist (hierzu unter [2]).
34
(1) Einige der in der Begründung enthaltenen Tatsachenbehauptungen sind nach summarischer Prüfung des Gerichts unzutreffend bzw. irreführend.
35
Die Begründung des Bürgerbegehrens beginnt mit folgenden Sätzen: „Die Planung für die Ortsumgehung … beruht auf alten Werten. Folgende aktuelle Entwicklungen sprechen gegen dieses Bauprojekt.“ Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Unterschriftenleistung konnte diese Einleitung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB) nur dergestalt verstanden werden, dass es im Vergleich zur Planungsphase nunmehr neue Tatsachen bzw. Entwicklungen gibt, die dazu führen, dass die Grundlagen der Planung nicht mehr aktuell sind. Die in der Begründung nach dieser Einleitung aufgelisteten „aktuellen Entwicklungen“ müssen daher beim Leser und Unterzeichner der Unterschriftenliste den Eindruck erwecken, dass sie erst nach der Planfeststellung entstanden sind und neuere Erkenntnisse in Bezug auf das Vorhaben bieten.
36
Die in der Begründung enthaltenen Angaben zu den erwarteten Baukosten sind demnach wahre Tatsachenbehauptungen. Medienberichten zufolge lagen die erwarteten Baukosten ursprünglich bei 15 Mio. EUR (https://www. ….) anstatt der nunmehr prognostizierten 60,55 Mio. EUR (vgl. BA Bl. 2), sodass sich die Baukosten in der Tat mehr als vervierfacht haben. Die Aussagen, die Bauzeit verlängere sich auf sechs Jahre und während zwei Bauphasen werde die Staatsstraße in Richtung … bzw. … vollständig gesperrt, sind ebenfalls wahre Tatsachenbehauptungen. Die primär angenommene Bauzeit von drei Jahren ergibt sich aus dem von Antragstellerseite vorgelegten Erläuterungsbericht zum Planfeststellungsbeschluss (S. 59). Dass nunmehr mit einer sechsjährigen Bauzeit gerechnet wird und es in zwei Bauphasen zu Vollsperrungen kommen wird, wurde von Seiten des Antragsgegners nicht in Abrede gestellt. Der Wahrheitsgehalt der Äußerungen bezüglich der Zunahme der Bedeutung landwirtschaftlicher Flächen für die regionale Versorgung und der Zuspitzung der Klimakrise wurden von Seiten des Antragsgegners ebenfalls nicht bezweifelt. Diese Tatsachenbehauptungen entsprechen im Übrigen aktuellen weltweiten Entwicklungen.
37
Die Angabe, dass der innerörtliche Verkehr auch mit der Ortsumgehung hoch bleiben wird, erweist sich dagegen im Gesamtkontext der Begründung als unwahr. Zwar handelt es sich isoliert betrachtet um eine wahre Tatsachenbehauptung. Diesbezüglich verweisen sowohl der Antragsteller als auch der Antragsgegner auf die im Planfeststellungsbeschluss (S. 44 ff.) enthaltenen Daten, wonach sich laut der dem Beschluss zugrundeliegenden Verkehrsprognose in … durch die Ortsumgehung eine Entlastungswirkung zwischen 39% und 67% ergeben, die Verkehrsbelastung sich zum Prognosezeitpunkt aber noch auf zwischen 2.150 Kfz/Werktag und max. 9.250 Kfz/Werktag belaufen wird. Die Verkehrsbelastung wird in weiten Bereichen … noch zwischen 5.100 und 6.800 Kfz/Werktag (vgl. S. 46) und damit noch weit über der Verkehrsbelastung der bayerischen Staatsstraßen im Jahr 2010 mit 3.851 Kfz/Tag bzw. der oberfränkischen Staatsstraßenbelastung von 3.378 Kfz/Tag (S. 46 f.) liegen. Entsprechend des unbestrittenen Vorbringens des Antragsgegners ergaben neuere Auswertungen des Staatlichen Bauamts im Jahr 2023 zwar ein geringeres Verkehrsaufkommen als der Verkehrsprognose zum Planfeststellungsbeschlussbeschluss zugrunde gelegt wurde. Das Staatliche Bauamt hat aber gegenüber dem Antragsgegner erläutert, dass selbst mit den neuen Werten die Verkehrsbelastung prognostisch 2,8-mal höher als die durchschnittliche tägliche Verkehrsbelastung auf bayerischen Staatsstraßen sei. Da die innerörtliche Verkehrsbelastung demnach trotz der Errichtung der Ortsumgehung und der damit verbundenen Herabstufung zur Ortsstraße über dem bayerischen Durchschnitt für Staatsstraßen liegt, ist die Aussage, dass der innerörtliche Verkehr auch mit Ortsumgehung weiterhin hoch bleiben wird, für sich genommen korrekt. Jedoch ist diese Aussage im Kontext mit der Einleitung der Begründung des Bürgerbegehrens als unwahr einzustufen. Die Äußerung zum innerörtlichen Verkehr wird entsprechend der Einleitung der Begründung als eine aktuelle Entwicklung dargestellt, die belegt, dass die Planung auf alten Werten beruht. Der Planfeststellung zur Ortsumgehung lag jedoch gerade – wie dargestellt – die Prämisse zugrunde, dass der innerörtliche Verkehr beim Bau der Ortsumgehung hoch bleiben wird. Es mag sein, dass der Planfeststellungsbeschluss auf einer veralteten Verkehrsprognose beruht und auch die Eigenverkehrszählung des Antragsgegners eine neue Entwicklung darstellt. Hierauf stützt sich die Begründung des Bürgerbegehrens aber gerade nicht. Vielmehr wird die bereits der Planfeststellung zugrundeliegende Tatsache, der innerörtliche Verkehr bleibe auch mit Ortsumgehung hoch, als aktuelle Entwicklung dargestellt, obwohl es bezüglich dieser Angabe keine Änderungen seit Erlass des Planfeststellungsbeschlusses gab.
38
Bei der Aussage „und die Gestaltungsmöglichkeiten der … Straße stark beschränken“, die sich der Angabe zum auch mit Ortsumgehung hoch bleibenden innerörtlichen Verkehr anschließt, handelt es sich ebenfalls um eine im Gesamtkontext der Begründung unwahre Tatsachenbehauptung. Dieser Halbsatz ist aus Sicht eines objektiven Betrachters in Verbindung mit dem vorangegangenen Halbsatz zum innerörtlichen Verkehr, der auch mit Ortsumgehung hoch bleibt, zu würdigen. Aus diesem Kontext ergibt sich, dass der hoch bleibende innerörtliche Verkehr gerade Ursache für eine starke Beschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten der … Straße ist. Entsprechend der Ausführungen der Antragstellerseite führt die hohe Verkehrsbelastung in der Tat zu begrenzten Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung und der Umgestaltung von Kreuzungen. Dass die später geplante Umwidmung der … Straße als Ortsstraße wiederum mehr Gestaltungsspielraum bieten könnte, macht die Begründung des Bürgerbegehrens in diesem Punkt jedoch entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht unwahr oder irreführend, da die Aussage zu den Gestaltungsmöglichkeiten sich explizit auf das weiterhin hohe Verkehrsaufkommen bezieht und hierdurch einem verständigen Bürger zeigt, dass andere Faktoren nicht in die Beurteilung der Gestaltungsmöglichkeiten mit einbezogen wurden. Jedoch ist der Umstand der eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten der … Straße wiederum keine aktuelle Entwicklung. Da sie an das weiterhin hohe Verkehrsaufkommen anknüpfen, waren die eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten bereits während der Planungsphase erkennbar gegeben. Die Planung der Ortsumgehung beruht diesbezüglich nicht auf alten Werten und die eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten stellen keine aktuelle Entwicklung dar. Dass eine Untersuchung der möglichen Umgestaltungsmöglichkeiten durch den Antragsgegner die Einschränkungen in den Gestaltungsmöglichkeiten, die durch den innerörtlichen Verkehr bestehen, wiederholt hat, ändert nichts daran, dass es sich um keine neue Entwicklung handelt. Die Begründung des Bürgerbegehrens stellt nicht darauf ab, dass der Antragsgegner die eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten nunmehr bestätigt hat, sondern behauptet, dass es sich hierbei um eine im Vergleich zur Planungsphase aktuelle Entwicklung handelt.
39
Die Angabe in der Begründung, das Staatliche Bauamt habe klargestellt, dass keine Lärmschutzmaßnahmen für die Anwohner geplant seien, stellt eine irreführende Tatsache dar. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass keine Lärmschutzmaßnahmen für die Anwohner wegen der Errichtung der Ortsumgehung erforderlich und geplant sind, da die Lärmgrenzwerte eingehalten werden. Dies ergibt sich entsprechend aus dem Planfeststellungsbeschluss vom … 2014 (S. 90 ff.). Dass das Staatliche Bauamt dies nochmals klargestellt hat (nach Angaben des Antragsgegners beispielsweise bei einer öffentlichen Sitzung des Bau- und Umweltausschusses am 6. Februar 2024) stellt eine nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses entstandene neue Tatsache dar. Diese in der Begründung enthaltene Tatsache ist jedoch für den Unterzeichner des Bürgerbegehrens irreführend. Nach dem objektiven Erklärungsgehalt stützt sich das Bürgerbegehren in seiner Begründung auf aktuelle Entwicklungen, die dafür sorgen, dass die Grundlagen der Planung veraltet sind und deshalb das Vorhaben gestoppt werden müsste. Dem objektiven Empfänger des Bürgerbegehrens wird durch diesen Teil der Begründung suggeriert, dass sich bezüglich des Lärmschutzes neue Entwicklungen bzw. Erkenntnisse ergeben haben müssen, die bei der bisherigen Planung noch nicht berücksichtigt worden sind und die eine erneute Prüfung von Lärmschutzmaßnahmen für Anwohner erforderlich gemacht haben. Dies ist jedoch nicht der Fall, da es sich bei der Klarstellung des Staatlichen Bauamts um eine reine Wiederholung der bereits dem Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegenden Lärmschutzbewertungen handelte. Zudem vermittelt die Aussage dem objektiven Empfänger, dass durch die Klarstellung des Staatlichen Bauamts die Grundlage der Planung gerade veraltet ist und unter Lärmschutzaspekten die Umgehung nicht bzw. zumindest nicht ohne entsprechende Lärmschutzmaßnahmen gebaut werden sollte. Eine veraltete Planungsgrundlage liegt bei den nicht geplanten Lärmschutzmaßnahmen aber nicht vor. Eine Irreführung des Unterzeichners ist deshalb gegeben.
40
(2) Die in der Begründung des Bürgerbegehrens enthaltenen unwahren bzw. irreführenden Tatsachenbehauptungen betreffen tragende Begründungselemente, sodass die gesamte Begründung dem Begründungserfordernis nicht gerecht wird. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist zwar nicht jede Unvollständigkeit in der Begründung abstimmungsrelevant und muss daher zur Ablehnung des Bürgerbegehrens führen (BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 4 ZB 14.707 – juris Rn. 6 m.w.N.; VG München B.v. 9.5.2016 – M 7 E 16.1589 – juris Rn. 22). Die hier unwahren bzw. irreführenden Aussagen haben jedoch erhebliche Relevanz für die Abstimmung und stützen die Begründung des Bürgerbegehrens wesentlich. Beim hohen innerörtlichen Verkehr, den eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten der … Straße und den Lärmschutzmaßnahmen für Anwohner handelt es sich um das Marktgemeindegebiet des Antragsgegners und damit den Unterzeichner unmittelbar betreffende Auswirkungen der geplanten Ortsumgehung. Der Unterzeichner misst diesen Tatsachenbehauptungen deshalb einen mindestens genauso großen, wenn nicht sogar größeren Stellenwert als den in der Begründung enthaltenen übergemeindlichen und ihn nur mittelbar betreffenden Umständen (Baukostenerhöhung, Bauzeitverlängerung, Klimawandel und Bedeutung landwirtschaftlicher Flächen für die regionale Versorgung) zu. Zudem sind gleich mehrere der in der Begründung enthaltenen Aussagen unwahr bzw. irreführend.
41
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 22.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der gestellte Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt.