Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 20.05.2025 – 203 StRR 200/25
Titel:

Gefährliche Körperverletzung bei heftigen Schlägen in das Gesicht

Normenkette:
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 5
Leitsätze:
1. Heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers, auch Schläge mit der bloßen Hand in das Gesicht oder gegen den Kopf, können eine das Leben gefährdende Behandlung sein, wenn sie nach der konkreten Art der Ausführung der Verletzungshandlungen im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können. (Rn. 2)
2. Für den Körperverletzungsvorsatz im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist es neben einem Verletzungsvorsatz erforderlich, dass der Täter die Umstände erkennt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt. Derartige Umstände sind etwa die Wucht des Schlages als konkrete Ausführung der Verletzungshandlung, die Gefahr eines unabgefangenen Sturzes als mögliche Folge der Verletzungshandlung und die Konstitution des Opfers. (Rn. 4 – 5)
Schlagworte:
gefährliche Körperverletzung, lebensgefährdende Behandlung, Schläge, Gesicht, Kopf
Vorinstanz:
LG Regensburg, Urteil vom 11.10.2024 – 9 NBs 702 Js 35073/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14210

Tenor

I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 11. Oktober 2024 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

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Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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1. Heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung sein, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlungen im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 25. Januar 2024 – 3 StR 157/23 –, juris Rn. 17 m.w.N.). Dies gilt auch für Schläge mit der bloßen Hand in das Gesicht oder gegen den Kopf, sofern Umstände in der Tatausführung oder individuelle Besonderheiten beim Opfer vorliegen, die das Gefahrenpotential der Handlung im Vergleich zu einer „einfachen” Körperverletzung deutlich erhöhen (vgl. BGH a.a.O.; Fischer, StGB, 72. Aufl. § 224 Rn. 30). Ein kräftiger Fausthieb gegen den Kopf kann genügen (BGH a.a.O. m.w.N.; Senat, Beschluss vom 12. März 2024 – 203 StRR 73/24 –, juris Rn. 10). Maßgeblich ist die Schädlichkeit der Einwirkung auf den Körper des Opfers im konkreten Einzelfall (st. Rspr.; vgl. BGH a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). Um die gegenüber der „einfachen“ Körperverletzung höhere Strafandrohung begründen zu können, kommt es maßgebend auf die Gefährlichkeit der Tathandlung, nicht aber auf die eingetretenen Verletzungen an (BGH a.a.O.).
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2. Eine Konstellation einer lebensgefährdenden Behandlung ist hier mit den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unterlegt, nachdem die Geschädigte nach mehreren kraftvollen Schlägen ins Gesicht mit einem wuchtigen Faustschlag in das Gesicht getroffen wurde und rückwärts mit dem Hinterkopf auf den Boden aufschlug. Sie erlitt eine dislozierte Nasenbeinfraktur, ein Schädel – Hirn – Trauma, mehrere Kontusionen und Hämatome. Bereits das Sturzgeschehen als solches deutet auf einen mit außergewöhnlich großer Kraft geführten Schlag hin. Ausweislich der Feststellungen der durch einen rechtsmedizinischen Sachverständigen beratenen Strafkammer kann ein wuchtig geführter Schlag in das Gesicht zu einem tödlichen Hirnversagen und Atem-Herz- Stillstand führen. Möglich ist auch eine Aspirationspneumonie. Zudem kann ein durch einen heftigen, von vorne geführten Schlag gegen das Gesicht verursachter Sturz nach hinten mit unabfangbarem Aufprall auf den Hinterkopf ohne weiteres ein lebensbedrohliches Schädel-Hirn-Trauma und einen Schädelbruch bewirken.
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3. Der Einwand des Angeklagten, er hätte nicht über die nötigen medizinischen Kenntnisse verfügt, um die Gefährlichkeit seines Tuns fundiert beurteilen zu können, geht fehl. Für den Körperverletzungsvorsatz im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist es neben einem hier vorliegenden Verletzungsvorsatz erforderlich, dass der Täter die Umstände erkennt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt. Der Täter muss sie nicht als solche bewerten (Fischer a.a.O. § 224 Rn. 32); seiner Vorstellung nach muss sein Handeln aber auf Lebensgefährdung angelegt sein (vgl. Senat; Beschluss vom 12. März 2024 – 203 StRR 73/24 –, juris Rn. 11; BGH, Beschluss vom 15. Februar 2023 – 4 StR 300/22 –, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 24. März 2020 – 4 StR 646/19 –, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 – 3 StR 190/08-, juris; Grünewald in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, § 224 StGB Rn. 39).
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Dies war hier der Fall. Die Strafkammer hat die gebotene Gesamtwürdigung der Umstände unter Einstellung der konkreten Ausführung der Verletzungshandlung, der möglichen und der tatsächlichen Folgen und der Konstitution des Opfers vorgenommen und dargelegt, dass der Angeklagte den Schlag bewusst wuchtig und gezielt von vorne gegen das Gesicht der Geschädigten führte und um die Vulnerabilität des ihm unterlegenen, mit mehreren Schlägen vorab misshandelten Opfers wusste. Damit waren ihm die mögliche Herbeiführung eines unabgefangenen Sturzes sowie die Möglichkeit des Bewirkens von Brüchen von Gesichtsknochen und Nasenbein bekannt. Wenn der Tatrichter zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Angeklagte damit die potentielle Gefährdung kannte und billigte, ist aus revisionsrechtlicher Sicht dagegen nichts zu erinnern.
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4. Die Erwägungen der Strafkammer zum Strafausspruch zeigen ebenfalls aus den von der Generalstaatsanwaltschaft dargelegten Gründen keine Rechtsfehler auf.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.