Titel:
Strafvollzug - Keine Bearbeitung normaler Gefangenenpost außerhalb des regulären Dienstbetriebs (hier: Wochenende)
Normenketten:
BayStVollzG Art. 33 Abs. 2
StVollzG § 30 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Regelung von Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG verlangt eine Bearbeitung der Gefangenenpost einschließlich der Überwachung nur während des regulären Dienstbetriebs. Demensprechend kann am Samstag eingehende normale Gefangenenpost am Montag verteilt werden. Am Samstag, am Sonntag und nach der letzten anstaltsinternen Freitagsleerung abgegebene, nicht als Fristsache gekennzeichnete Post des Strafgefangenen kann ohne Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG am Montag zur Postbeförderung gegeben werden. (Rn. 5 – 6)
2. Anderes gilt für als Fristsachen gekennzeichnete eilbedürftige Stücke und Tageszeitungen. (Rn. 7)
Schlagworte:
Rechtsbeschwerde, Unzulässigkeit, Strafvollzug, Gefangenenpost, Dienstbetrieb, Fristsachen, Postweiterleitung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 14208
Tenor
I. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg beim Amtsgericht Straubing vom 4. März 2025 wird auf seine Kosten einstimmig als unzulässig verworfen, da die Nachprüfung der gerichtlichen Entscheidung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 116 Abs. 1, § 119 Abs. 3 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG).
II. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 100.- Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG unzulässig, weil es nicht geboten ist, die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu überprüfen. Der Fall gibt keinen Anlass, Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu schließen. Von der angefochtenen Entscheidung geht auch keine Gefahr für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung aus. Es bestehen mit Blick auf den Maßnahmebegriff in § 109 StVollzG bereits erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags. Jedenfalls ist die dem Streitfall zugrundeliegende Rechtsfrage bereits obergerichtlich, auch durch das Bayerische Oberste Landesgericht, entschieden worden.
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1. Aus den Begriffen „Werktag“ und „Arbeitstag“ kann der Beschwerdeführer das von ihm gewünschte Ergebnis nicht herleiten. Ob der Samstag ein Werktag ist, variiert je nach Rechtsvorschrift, Gesetzeszweck und Regelungsgehalt einer Vorschrift (vgl. etwa § 10 ArbZG; § 7 Abs. 4 SGB VIII; BAG, Urteil vom 20. September 2017 – 6 AZR 143/16 –, BAGE 160, 192-204, juris Rn. 34 ff.; BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 – VIII ZR 129/09 –, juris). Ob er ein Arbeitstag ist, hängt individuell davon ab, ob der Arbeitnehmer vertraglich planmäßig oder betriebsüblich an diesem Tag zu arbeiten hat (BAG, Urteil vom 15. März 2011 – 9 AZR 799/09 –, BAGE 137, 221-230 Rn. 20).
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2. Die alleine streitentscheidende Rechtsfrage, ob eine Pflicht der Justizvollzugsanstalt besteht, die im Zeitraum später Freitagnachmittag bis Sonntag vom Strafgefangenen in der Vollzugsanstalt auf den Weg gebrachten Poststücke noch am Samstag rechtzeitig zu einem Briefkasten oder zu einer Poststelle zur Samstagsleerung oder am Sonntag zur Sonntagsleerung zu bringen, ist bereits mehrfach entschieden sowie wiederholt und auch unlängst bestätigt worden. Die Rechtslage stellt sich nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung ungeachtet alternativer schnellerer technischer Kommunikationsmöglichkeiten und ungeachtet der individuellen Auslastung der am Wochenende in der Anstalt Beschäftigten wie folgt dar:
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a. Gemäß Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG (identisch zu § 30 Abs. 2 StVollzG) sind eingehende und ausgehende Schreiben unverzüglich weiterzuleiten. Von Montag bis Freitag am Morgen eingehende Poststücke sind grundsätzlich bis zum Abend (Senat, Beschluss vom 28. Juni 2021 – 203 StObWs 273/21 –, juris Rn. 4; Bosch in BeckOK Strafvollzug Bund, 27. Ed. StVollzG § 30 Rn. 2; Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 30 StVollzG Rn. 3; Laubenthal/Baier in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, StVollzG, 13. Aufl. 2024, Kap. E III Rn. 81a; Dessecker/Schwind in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl., Kap. 9 Abschn. C III Rn. 45; Knauer in Feest/Lesting/Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 8. Aufl., Teil II § 33 Rn. 3) oder nach anderer Ansicht jedenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2011 – 2 BvR 565/10, BeckRS 2011, 56250 Rn. 3) am folgenden Werktag (OLG Celle, Beschluss vom 27. November 2023 – 1 Ws 289/23 (StrVollz) –, juris Rn. 7; Lesting in: Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht, 4. Aufl. 2018, G. Einzelne Grundrechte im Vollzug III Rn. 116; vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 2. November 2021 – 204 StObWs 279/21 –, juris a.a.O. Rn. 19, 20 ohne Differenzierung zwischen eingehenden und ausgehenden Schreiben) an den Strafgefangenen auszuhändigen (Senat, Beschluss vom 11. November 2024 – 203 StObWs 435/24 –, juris Rn. 9).
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b. Mehrfach entschieden ist auch, dass die Regelung von Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG eine Bearbeitung der Gefangenenpost einschließlich der Überwachung nur während des regulären Dienstbetriebs verlangt, also an Werktagen von Montag bis Freitag (§ 5 Abs. 1 BayAzV), nicht jedoch am Samstag, nicht am 24. und 31. Dezember (§ 5 Abs. 2 BayAzV) und nicht an Sonn- und Feiertagen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 11. November 2024 – 204 StObWs 362/24 –, juris Rn. 42; OLG Hamm, Beschluss vom 28. September 2010 – 1 Vollz (Ws) 468-471/10-, juris Rn. 5 f. m.w.N.). Der Umstand, dass an Sonn- und Feiertagen und an dienstfreien Zeiten Dienst angeordnet werden kann, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BayAzV), ändert hieran nichts. Ein solches Erfordernis liegt bei der Weiterleitung normaler Gefangenenpost mit Ausnahme von Eilsachen und eingehenden Zeitungen und Zeitschriften nicht vor (vgl. BayObLG, Beschluss vom 11. November 2024 – 204 StObWs 362/24 –, juris Rn. 43; OLG Hamm, Beschluss vom 28. September 2010 – 1 Vollz (Ws) 468-471/10-, juris Rn. 5 f. m.w.N.). Demensprechend kann am Samstag eingehende normale Gefangenenpost am Montag verteilt werden (Senat, Beschluss vom 28. Juni 2021 – 203 StObWs 273/21 –, juris Rn. 4; BayObLG, Beschluss vom 2. November 2021 – 204 StObWs 279/21 –, juris a.a.O. Rn. 19; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2015 – III-1 Vollz (Ws) 406/15 –, juris Rn. 9; Bosch a.a.O. Rn. 2; Arloth/Krä a.a.O. Rn. 3; Dessecker/Schwind a.a.O. Kap. 9 Abschn. C III Rn. 45; Laubenthal/Baier a.a.O. Kap. E III Rn. 81a; Knauer a.a.O. § 33 Rn. 3).
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c. Ausgehende Post ist in der Regel am folgenden Werktag weiterzuleiten (BayObLG, Beschluss vom 2. November 2021 – 204 StObWs 279/21 –, juris Rn. 19; KG Berlin, Beschluss vom 4. November 2003 – 5 Ws 536/03 Vollz –, juris Rn. 7; Bosch a.a.O. Rn. 2; Arloth/Krä a.a.O. Rn. 3; Lesting a.a.O. G. Einzelne Grundrechte im Vollzug III Rn. 116; für eine taggleiche Weiterleitung Laubenthal/Baier a.a.O. Kap. E III Rn. 81b). Da wie oben dargestellt nach der gefestigten Rechtsprechung die Bearbeitung der Gefangenenpost einschließlich der Kontrolle nur während des regulären Dienstbetriebs, also an Werktagen von Montag bis Freitag zu erfolgen hat, kann am Samstag, am Sonntag und nach der letzten anstaltsinternen Freitagsleerung abgegebene, nicht als Fristsache gekennzeichnete Post des Strafgefangenen ohne Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG am Montag zur Postbeförderung gegeben werden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 2. November 2021 – 204 StObWs 279/21 –, juris a.a.O. Rn. 19 für die am Samstag abgegebene Post; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Oktober 2015 – III-1 Vollz (Ws) 406/15 –, juris Rn. 9; OLG Hamm, Beschluss vom 28. September 2010 – 1 Vollz (Ws) 468-471/10-, juris m.w.N.; KG Berlin, Beschluss vom 4. November 2003 – 5 Ws 536/03 Vollz –, juris).
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d. Anderes gilt für als Fristsachen gekennzeichnete eilbedürftige Stücke (Senat, Beschluss vom 11. November 2024 – 203 StObWs 435/24 –, juris Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 02. November 2021 – 204 StObWs 279/21 –, juris Rn. 20 m.w.N.; Dessecker/Schwind a.a.O. Kap. 9 Abschn. C III Rn. 45; Knauer a.a.O. § 33 Rn. 3).
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3. Die vom Beschwerdeführer in der Rechtsbeschwerde mit insgesamt 40 Spiegelstrichen vorgetragenen Aspekte und seine weiteren Ausführungen hat der Senat bei der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde in seine Überlegungen mit eingestellt. Sie sind jedoch sämtlich nach dem oben Gesagten nicht entscheidungsrelevant. Weder mussten sie von der Strafvollstreckungskammer noch müssen sie in der Beschwerdeentscheidung vom Senat im einzelnen aufgearbeitet werden.