Titel:
Bundespolizist, Polizeivollzugsbeamter, Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, Wiederherstellung der Dienstfähigkeit, Polizeidienstfähigkeit, Reaktivierung auf Antrag
Normenketten:
BBG § 46 Abs. 5
BPolBG § 4
Schlagworte:
Bundespolizist, Polizeivollzugsbeamter, Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, Wiederherstellung der Dienstfähigkeit, Polizeidienstfähigkeit, Reaktivierung auf Antrag
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 27.11.2024 – RO 1 K 21.718
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13974
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. November 2024 – RO 1 K 21.718 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 44.867,28 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, dem Antrag zu entsprechen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Der Kläger, ein im Jahr 1969 geborener früherer Polizeivollzugsbeamter im Bundesdienst (Polizeimeister, Besoldungsgruppe A 7), war mit Ablauf des 31. Mai 2014 wegen Polizeidienst- und allgemeiner Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden. Er begehrt seine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis, weil seiner Meinung nach die Dienstfähigkeit wiederhergestellt ist, was die Beklagte bestreitet.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Einholung von zwei medizinischen Sachverständigengutachten mit Urteil vom 27. November 2024 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage zwar zulässig. Sie sei jedoch unbegründet, weil der Kläger weder einen Anspruch auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis nach § 46 Abs. 5 BBG noch einen Anspruch auf Verbescheidung seines Reaktivierungsantrags habe. Denn seine Dienstfähigkeit sei im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht im erforderlichen Maß wiederhergestellt. Es gebe keinen seinem Statusamt entsprechenden Dienstposten, auf dem er aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen eingesetzt werden könne. Für sämtliche in Betracht kommende Dienstposten verlange der Dienstherr im Rahmen des allein ihm eröffneten Organisationsermessens die Fähigkeit für die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Dazu sei der Kläger körperlich nicht in der Lage. Das stehe nach der Beweisaufnahme fest. Ein Anspruch auf Reaktivierung ergebe sich auch nicht daraus, dass er für eine Verwendung im allgemeinen Verwaltungsdienst dienstfähig sei. Hierfür fehle dem Kläger die Laufbahnbefähigung. Eine Verpflichtung der Beklagten, Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der Befähigung für eine andere Laufbahn anzubieten oder durchzuführen, bestehe nicht.
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2. Die gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachten Einwände rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO.
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a) Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (zu diesem Maßstab BVerfG‚ B.v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524/06 – JZ 2009‚ 850/851; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 15.2.2018 – 6 ZB 17.2521 – juris Rn. 4). Das ist nicht der Fall.
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In Auslegung und Anwendung des maßgeblichen § 46 Abs. 5 BBG (i.V.m. § 2 BPolBG) ist das Verwaltungsgericht nach Beweiserhebung und unter gründlicher Würdigung der verschiedenen ärztlichen Befunde zu dem überzeugenden Ergebnis gelangt, dass die Dienstfähigkeit des Klägers nicht in dem erforderlichen Ausmaß wiederhergestellt ist und er deshalb keinen Anspruch auf Reaktivierung oder zumindest Verbescheidung seines entsprechenden Antrags hat. Die mit dem Zulassungsantrag vorgebrachten Einwände zeigen keinen weiteren Klärungsbedarf für ein Berufungsverfahren auf.
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Schon im Ansatz nicht überzeugen kann der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die Ablehnung der Reaktivierung durch die Beklagte auf sachwidrige Gründe gestützt sei und letztlich auf ehrverletzenden Äußerungen des Ersten Polizeihauptkommissars S. beruhe. Er geht an den tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts vorbei. Dieses hat – zu Recht – allein darauf abgestellt, ob der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidungen wieder dienstfähig ist oder nicht. Die angebliche Motivlage auf Seite des Dienstherrn im Verfahrensverlauf war für das Verwaltungsgericht unerheblich und wäre es auch in einem Berufungsverfahren.
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Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der Einwand, dem Reaktivierungsbegehren eines Beamten sei jedenfalls dann nachzukommen, wenn dieser in den weit überwiegenden Teilbereichen seines Tätigkeitsfelds einsetzbar sei und lediglich in einem Teilbereich Probleme gesehen würden. Das Verwaltungsgericht hat bereits berücksichtigt, dass auch ein Beamter, der gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, sämtliche seinem Statusamt zuzuordnenden Tätigkeiten auszuüben, gleichwohl dienstfähig bleibe, wenn und solange er von seiner Beschäftigungsbehörde noch anderweitig mit Aufgaben seines Statusamts belegt werden könne. Deshalb sei die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit schon dann zu bejahen, wenn sich bei der Gesamtschau der Funktionsämter, die dem Statusamt des Beamten in der Beschäftigungsbehörde zugeordnet sind, zumindest ein Einsatzbereich finden lässt, dessen gesundheitlichen Anforderungen die Leistungsfähigkeit des Beamten in dem wiedergewonnenen Umfang genüge (UA S. 38 ff.). Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass es keinen dem Statusamt des Klägers entsprechenden Dienstposten der Wertigkeit A 7 (in der Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdiensts) gibt, auf dem er aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen eingesetzt werden könnte. Denn der Kläger sei gesundheitlich nicht mehr in der Lage, unmittelbaren Zwang zu leisten.
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Das begegnet weder rechtlich noch mit Blick auf die tatsächlichen Feststellungen Zweifeln. Insbesondere hält sich der Dienstherr mit der Festlegung der in Rede stehenden besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst (vgl. § 4 BPolBG) offenkundig im Rahmen des allein ihm eröffneten weiten Einschätzungsspielraums (zur Organisationsgewalt des Dienstherrn etwa BayVGH, B.v. 25.1.2019 – 6 CE 18.2481 – juris Rn. 9 m.w.N.). Diese gesundheitlichen Anforderungen, die für sämtliche in Betracht kommenden Dienstposten der Wertigkeit A 7 BBesO im Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei gelten, erfüllt der Kläger nach den überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht. Die Auffassung, es sei ausreichend, wenn der Kläger in weit überwiegenden Teilbereichen seines Tätigkeitsfelds einsetzbar sei, kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen; denn sie ersetzt die allein dem Dienstherrn vorbehaltene Organisationsentscheidung durch eine eigene.
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Dem Kläger kann schließlich nicht in der Annahme gefolgt werden, er habe Anspruch darauf, dass die Beklagte in ihrem gesamten Bereich ihrer Suchpflicht nachkomme oder Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der Befähigung für eine andere Laufbahn anbiete und dem Kläger somit den Laufbahnwechsel ermögliche.
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Soweit es um Funktionsämter geht, die dem Statusamt des Klägers in der Beschäftigungsbehörde zugeordnet sind, hat das Verwaltungsgericht bereits alle von der Beklagten angegebenen möglichen Dienstposten der Wertigkeit A 7-9mZ BBesO berücksichtigt und festgestellt, dass für sämtliche Dienstposten die Fähigkeit zur Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich und der Kläger dazu gesundheitlich nicht mehr in der Lage sei. Dafür, dass die Beklagte ihrer Suchpflicht insoweit nicht nachgekommen wäre und es noch andere Dienstposten geben könnte, die für den Kläger in Frage kommen und für die er gesundheitlich geeignet wäre, sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich. Hinsichtlich eines Wechsels in die Laufbahn des allgemeinen Verwaltungsdiensts hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der Kläger die Laufbahnbefähigung hierzu nicht besitzt, was seiner Wiederverwendung auch insoweit entgegensteht. Eine Verpflichtung des Dienstherrn, Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der Befähigung für eine andere Laufbahn anzubieten oder durchzuführen, bestehe nicht. Die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 14.2.2018 – 3 ZB 16.1011) und des Verwaltungsgerichts München (U.v. 3.2.2016 – M 5 K 15.323) steht dem nicht entgegen. Beide Entscheidungen betreffen die gerichtliche Überprüfung von Bescheiden, welche die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit betrafen; diese scheidet gesetzlich aus, wenn eine anderweitige Verwendbarkeit besteht (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG), wobei geeignet nicht nur andere Verwendungen in anderen Aufgabenbereichen sein können, sondern insbesondere auch Ämter in anderen (Fachrichtungs-) Laufbahnen (§ 44 Abs. 2 BBG), Versetzungen in Laufbahnen mit geringerem Endgrundgehalt (§ 44 Abs. 4 BBG) oder die Forderung nach Erwerb der Befähigung für eine andere Laufbahn (§ 44 Abs. 5 BBG). Im vorliegenden Fall geht es hingegen um die Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten auf Antrag. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, § 46 Abs. 5 BBG regele die Rechte des Beamten im Zusammenhang mit einer Reaktivierung auf Antrag abschließend und gerade keine Verpflichtung des Dienstherrn, Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der Befähigung für eine andere Laufbahn anzubieten oder durchzuführen. Dem hält der Zulassungsantrag nichts Stichhaltiges entgegen.
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b) Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
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Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe gegen seine Hinweispflicht aus § 86 Abs. 3 VwGO verstoßen. Es habe versäumt, den Kläger auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen, wonach vorliegend die Umstellung der Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Hinblick auf den möglichen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen der nicht erfolgten Reaktivierung im Zeitraum 23. Oktober 2018 bis zum 22. November 2023 in Betracht gekommen wäre.
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Diese Rüge ist nicht nachvollziehbar. Zum einen war der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertreten. Das Gericht darf grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt mit der Sach- und Rechtslage hinreichend vertraut ist (BVerwG, B.v. 12.12.2017 – 8 B 16.17 – juris Rn. 12). Zum anderen erschließt sich nicht, warum das Verwaltungsgericht dem anwaltlichen Vertreter den in Rede stehenden Hinweis hätte geben müssen. Am 3. Mai 2023 hatte eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der die Sach- und Rechtslage ausführlich – und unter Berücksichtigung der vom Kläger weiter erhobenen, dann zurückgenommenen Klage RO 1 K 21.717 – erörtert worden war. Insbesondere wurden die Unterschiede einer Reaktivierung von Amts wegen und auf Antrag hervorgehoben und das Klageziel erörtert (S. 1 f. des Protokolls). Dabei hob der Prozessbevollmächtigte des Klägers hervor, dass dieser sein Ziel der Reaktivierung nach wie vor weiterverfolge. Dementsprechend hat das Gericht mit den Beteiligten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Reaktivierung nach § 46 Abs. 5 BBG erörtert (s. S. 11 des Protokolls). Von Schadensersatz wegen Nichtentscheidung über den ersten Reaktivierungsantrag vom 13. Dezember 2018 war nach dem Protokoll weder ausdrücklich noch sinngemäß die Rede.
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Im Laufe des weiteren Verfahrens hatten die Beteiligten auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet. Der Kläger hat – soweit ersichtlich – nicht einmal vorgetragen, bei der Beklagten einen Antrag auf Schadensersatz gestellt zu haben.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 40, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 Satz2 und 3 GKG. Hierbei handelt es sich um die Summe der im laufenden Kalenderjahr im maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs des Zulassungsantrags zu zahlenden Bezüge in der Besoldungsgruppe A 7 in der Stufe 6 (3.510,94 € x 12 = 42.131,28 € zuzüglich der Polizeizulage von 228 € x 12 = 2.736 €).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).