Titel:
Eilrechtschutz des Nachbarn, Teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Abstandsflächenverstoß, Gebot der Rücksichtnahme, Hinreichende Bestimmtheit
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 4
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
Schlagworte:
Eilrechtschutz des Nachbarn, Teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Abstandsflächenverstoß, Gebot der Rücksichtnahme, Hinreichende Bestimmtheit
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 26.03.2025 – M 8 25.1296
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13970
Tenor
I. Der Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 26. März 2025 wird abgeändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 13. März 2024 in Form des Ergänzungsbescheids vom 6. Mai 2025 wird angeordnet, soweit die Errichtung einer Einfriedungsanlage an der nördlichen Grundstücksgrenze genehmigt wurde. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller wendet sich als Grundstücksnachbar im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine von der Antragsgegnerin sich selbst erteilte Baugenehmigung für die Sanierung, den Umbau und die Erweiterung einer Feuerwache.
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Der Antragsteller ist Miteigentümer des im unbeplanten Innenbereich gelegenen Grundstücks FlNr. … der Gemarkung M. . Auf dem etwa 13 m breiten Grundstück befindet sich ein straßenseitiges Vordergebäude und im rückwärtigen Bereich ein an der nördlichen Grundstücksgrenze grenzständig errichtetes Rückgebäude sowie eine an der südlichen Grundstücksgrenze grenzständig errichtete Garagenzeile.
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Mit Bescheid vom 13. März 2024 genehmigte die Antragsgegnerin das Bauvorhaben „Sanierung, Umbau und Erweiterung Feuerwache 1 – Geb. B: Umbau und Aufstockung Rückgebäude mit teilweiser Nutzungsänderung (Bürozu Wachbetriebsnutzung als Interimsnutzung), Geb. E: Neubau eines Bürogebäudes unter Erhalt der straßenseitigen Fassade, Geb. T: Neubau einer Tiefgarage“ auf dem Grundstück FlNr. …
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Das Baugrundstück grenzt unmittelbar südlich an das Grundstück des Antragstellers an. Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … vom … … …, der für das Grundstück geschlossene Bauweise festsetzt. Die genehmigten Baumaßnahmen umfassen unter anderem die Entkernung und Aufstockung des auf dem Baugrundstück an der nördlichen Grundstücksgrenze grenzständig errichteten dreigeschossigen Rückgebäudes um ein zurückspringendes Terrassengeschoss sowie die Errichtung einer entlang der nördlichen Grundstücksgrenze verlaufenden Einfriedungsanlage, bestehend aus einer 3,45 m hohen Mauer, an der ein von der Grenze zurückversetzter Stabgitterzaun als Übersteigschutz angebracht werden soll, der die Mauer um 2,6 m überragt und nach den genehmigten Plänen mit Kletterpflanzen begrünt werden soll. Die Baugenehmigung beinhaltet verschiedene Befreiungen und Abweichungen. Unter anderem wurde eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zum Grundstück des Antragstellers durch das zurückspringende Terrassengeschoss des Rückgebäudes erteilt.
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Der Antragsteller hat gegen die Baugenehmigung vom 13. März 2024 beim Verwaltungsgericht München Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Sein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. März 2025 abgelehnt.
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Mit Ergänzungsbescheid vom 7. Mai 2025 gewährte die Antragsgegnerin wegen des Abrückens von der Grundstücksgrenze durch das Terrassengeschoss des Rückgebäudes eine Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten geschlossenen Bauweise. Hiergegen erhob der Antragsteller ebenfalls Klage.
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Im Beschwerdeverfahren wendet sich der Antragsteller gegen die Ablehnung seines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und beantragt,
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Unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtes München vom 26. März 2025 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 13. März 2024, ergänzt durch den Nachgangsbescheid vom 6. Mai 2025, angeordnet.
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Zur Begründung führt er aus, durch die Einfriedungsanlage und das Rückgebäude würden seine Nachbarrechte verletzt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts löse die Einfriedungsanlage Abstandsflächen aus. Die Voraussetzung für eine Privilegierung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO lägen nicht vor. Zudem verstoße die Einfriedungsanlage gegen das in Art. 15 Abs. 1 BauNVO verankerte bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme und liege außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten rückwärtigen Baugrenze, der vorliegend (planübergreifende) nachbarschützende Wirkung zukomme. Das Rückgebäude löse insgesamt und nicht nur hinsichtlich des zurückversetzen Terrassengeschosses Abstandsflächen aus. Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO finde auf das Rückgebäude insgesamt keine Anwendung, da die Vorschrift nach richtigem Verständnis voraussetze, dass das gesamte Vorhaben uneingeschränkt und nicht lediglich unter Inanspruchnahme von Befreiungen oder Ausnahmen planungsrechtlich zulässig sei. Eine Abweichung sei nur für die Nichteinhaltung der durch das Terrassengeschoss ausgelösten Abstandsflächen erteilt worden. Diese erfasse überdies nicht die durch das Vordach und die Dachaufbauten ausgelösten Abstandsflächen. Darüber hinaus seien die genehmigten Pläne in nachbarrechtlicher Hinsicht nicht hinreichend bestimmt. Mangels hinreichender Höhenangaben in den Planunterlagen sei der Umfang des mit der Aufstockung des Rückgebäudes verbundenen nachbarlichen Störpotenzials nicht eindeutig feststellbar.
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Die Antragsgegnerin tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen und beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
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Die zulässige Beschwerde hat im tenorierten Umfang Erfolg.
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Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die im Beschlusstenor ausgesprochene Änderung der angefochtenen Entscheidung.
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1. Nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eines Nachbarn die nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und § 212a Abs. 1 BauGB zunächst ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung anordnen, wobei es insoweit aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung trifft, die sich in erster Linie an den Hauptsacheerfolgsaussichten orientiert.
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Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes kennzeichnet, macht der Antragsteller voraussichtlich zu Recht geltend, dass ihn die geplante Einfriedungsanlage an der nördlichen Grundstücksgrenze in seinen nachbarlichen Rechten verletzt (1.1.). Weitere Bedenken gegen die Vereinbarkeit der angegriffenen Baugenehmigung mit Nachbarrechten des Antragstellers bestehen dagegen bei summarischer Prüfung nicht (1.2.). Vor diesem Hintergrund erscheint es nur gerechtfertigt, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers in Bezug auf die Einfriedungsanlage anzuordnen (1.3.).
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1.1. Die an der nördlichen Grundstücksgrenze geplante Einfriedungsanlage verletzt den Antragsteller bei summarischer Prüfung in seinen Nachbarrechten.
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Sie verstößt voraussichtlich gegen die nachbarschützende Vorschrift des Art. 6 BayBO. Bei der geplanten 6,05 m hohen Einfriedungsanlage, bestehend aus einer grenzständigen 3,45 m hohen Mauer, an der ein von der Grenze zurückversetzter Zaun als Übersteigschutz angebracht werden soll, der die Mauer um 2,6 m überragt und nach den genehmigten Bauplänen mit Kletterpflanzen begrünt werden soll, handelt es sich um eine Anlage mit gebäudegleicher Wirkung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen für eine abstandsflächenrechtliche Privilegierung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO nicht für die gesamte Außenwand der Einfriedungslage gegeben. Gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Die abstandsflächenrechtliche Privilegierung durch diese dem Bauplanungsrecht den Vorrang einräumende Bestimmung ist nach ihrem klaren Wortlaut allerdings nur anwendbar, wenn und soweit die betrachtete Außenwand unmittelbar an der Grundstücksgrenze errichtet wird (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2025 – 1 ZB 24.142 – juris Rn. 14; B.v. 11.11.2015 – 2 CS 15.1251 – juris Rn. 9; Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 1.2.2025, Art. 6 Rn. 42). Die Vorschrift räumt dem Bauherrn kein Recht ein, anstelle einer bauplanungsrechtlich zulässigen Grenzbebauung in einem geringeren Abstand, als in den Abstandsflächenbestimmungen vorgesehen, an die Grenze zu bauen (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2015 – 2 CS 15.1251 – juris Rn. 9; Kraus in Busse/Kraus, BayBO, Stand Dezember 2024, Art. 6 Rn. 70). Vorliegend soll lediglich der untere Teil der Einfriedung – die 3,45 m hohe Mauer – unmittelbar an der Grundstücksgrenze errichtet werden. Der obere Teil der Einfriedung – der die Mauer um ca. 2,6 m überragende Zaun – soll dagegen von der Grenze zurückversetzt errichtet werden und erfüllt damit die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO nicht. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die beiden Komponenten der Einfriedung seien als Einheit zu betrachten und ließen sich abstandsflächenrechtlich nicht getrennt voneinander beurteilen, überzeugt nicht. Bei natürlicher Betrachtungsweise ist der die Mauer um 2,6 m überragende, von der Grenze zurückversetzte Zaun vielmehr – ähnlich wie eine Dachterrassenumwehrung – als zurückversetztes Außenwandteil zu bewerten, das eigene Abstandsflächen auslöst. Hinsichtlich des Zaunes verbleibt es demnach bei der Verpflichtung zur Einhaltung von Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BayBO.
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Darüber hinaus stellt es sich bei summarischer Prüfung als fraglich dar, ob die Einfriedungsanlage den Anforderungen des in Art. 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerten bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme genügt. Dass durch die vorgesehene 6 m hohe Einfriedungsanlage an der südlichen Grundstücksgrenze des lediglich etwa 13 m breiten Grundstücks des Antragstellers gegenüber dem darauf vorhandenen zweigeschossigen Rückgebäude, das bis auf den Bereich der geplanten Einfriedungsanlage (künftig) vollständig von vier- und fünfgeschossiger Bebauung umgeben ist, eine „einmauernde“ bzw. „abriegelnde“ Wirkung hervorgerufen werden könnte, erscheint bei summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen. Eine licht- und luftdurchlässige Ausgestaltung des Zaunes, von der das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, und die Belassung des Zaunes in einem solchen Zustand – dem eine Begrünung mit Kletterpflanzen, wie sie in den genehmigten Plänen dargestellt ist, widerspricht – wird durch die Baugenehmigung nicht sichergestellt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die streitgegenständliche Einfriedungsanlage führe zu keiner erheblichen Verschlechterung der Situation für das Grundstück des Antragstellers, erscheint daher nicht bedenkenfrei. Aufgrund des gegebenen Abstandsflächenverstoßes bedarf es insoweit jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Offenbleiben kann des Weiteren, ob der im Bebauungsplan festgesetzten rückwärtigen Baugrenze vorliegend (planübergreifende) nachbarschützende Wirkung zukommt.
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1.2. Die gegen das Rückgebäude erhobenen Rügen dringen bei summarischer Prüfung nicht durch.
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1.2.1. Die streitgegenständliche Baugenehmigung lässt – nach summarischer Prüfung – Gegenstand und Umfang des Vorhabens mit aus nachbarrechtlicher Sicht hinreichender Bestimmtheit erkennen. Eine Rechtsverletzung des Nachbarn durch eine fehlende hinreichende Bestimmtheit der Baugenehmigung nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG kommt nur in Betracht, wenn die Bauvorlagen hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Merkmale nicht hinreichend bestimmt sind und damit nicht geprüft werden kann, ob das Vorhaben nachbarschützenden Vorschriften entspricht (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2023 – 1 CS 23.940 – juris Rn. 8). Der Antragsteller rügt, der Umfang des mit der Aufstockung des Rückgebäudes verbundenen nachbarlichen Störpotenzials sei mangels hinreichender Höhenangaben in den Planunterlagen nicht eindeutig feststellbar. Für die Außenwand des zurückspringenden Terrassengeschosses, das vorhandene Vordach, die Absturzsicherungen der Terrasse und des Daches sowie für die Dachaufbauten fehle es jeweils an der notwendigen Höhenangabe der maßgeblichen Bezugspunkte. Die in den Plandarstellungen enthaltenen Höhenbezugspunkte genügten nicht, um die für die Berechnung und Darstellung der Abstandsflächen maßgebliche Geländeoberfläche im Bereich der zurückgesetzten Außenwand des Rückgebäudes nachvollziehbar zu bestimmen. Die im Abstandsflächenplan enthaltene Höhenangabe h = 16,58 sei nicht nachvollziehbar. Dieses Vorbringen verfängt nicht. Die der Genehmigung zugrunde gelegten Pläne lassen eine Prüfung der nachbarschützenden Vorschriften zu. Aus ihnen ergeben sich sämtliche zur Beurteilung der Abstandsflächen erforderlichen Angaben. Es lassen sich alle relevanten Abmessungen des Rückgebäudes aus den genehmigten Plänen ablesen oder durch Maßentnahme ermitteln. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, gehen die Höhenbezugspunkte aus diesen eindeutig hervor, indem der Geländeverlauf dargestellt und mehrere Höhenlagen eingezeichnet sind. Aus dem Schnitt AA Interimsmaßnahe und der Ansicht West Interimsmaßnahme ergibt sich, dass die Höhe der Attika der Nordfassade des Rückgebäudes gemessen ab der Geländeoberkante 16,58 m beträgt, was der im Abstandsflächenplan enthaltenen Höhenangabe h = 16,58 entspricht. Eine zur Nachbarrechtsverletzung führende Unbestimmtheit der Baugenehmigung zeigt das Beschwerdevorbringen somit nicht auf.
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1.2.2. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich auch kein Abstandsflächenverstoß durch das Rückgebäude.
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Die Baugenehmigung enthält gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO eine Abweichung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zum Grundstück des Antragstellers durch das zurückspringende Terrassengeschoss, die bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden ist. Entgegen der Auffassung des Antragstellers erfasst die erteilte Abweichung bei der gebotenen Auslegung anhand des objektiven Empfängerhorizonts analog §§ 133, 157 BGB, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, nicht nur die durch die Außenwand des Terrassengeschosses ausgelösten Abstandsflächen, sondern sämtliche durch Bauteile des zurückspringenden Terrassengeschosses anfallenden Abstandsflächen.
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Die Rüge des Antragstellers, es sei nicht nur für das zurückspringende Terrassengeschoss, sondern für das gesamte – bis auf das zurückspringende Terrassengeschoss grenzständig errichtete – Rückgebäude eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erforderlich, dringt nicht durch. Der vom Antragsteller vertretenen Ansicht, Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO setze voraus, dass das gesamte Vorhaben uneingeschränkt und nicht lediglich unter Inanspruchnahme von Befreiungen oder Ausnahmen planungsrechtlich zulässig sei, ist nicht zu folgen. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO sind Abstandsflächen nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder darf. Ob zu den zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorgaben nur solche gehören, die unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpfen (vgl. Laser in Schwarzer/König, BayBO, 5. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 19; Kraus in Busse/Kraus, BayBO, Stand Dezember 2024, Art. 6 Rn. 46) oder der durch die Vorschrift gesetzlich eingeräumte Vorrang des Städtebaurechts vor dem Abstandsflächenrecht nur dann greift, wenn das Vorhaben im abstandsrelevanten Bereich unter allen bauplanungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig ist (vgl. Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand Januar 2025, Art. 6 Rn. 60), kann dahinstehen. Die Inanspruchnahme von Befreiungen durch ein grenzständiges Vorhaben steht der Anwendung der Vorschrift jedenfalls nicht entgegen, da auch ein unter Befreiungen genehmigtes Vorhaben dem Bauplanungsrecht entspricht und somit planungsrechtlich gerechtfertigt an die Grenze bebaut werden darf (vgl. Laser in Schwarzer/König, BayBO 5. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 24; Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand Januar 2025, Art. 6 Rn. 61; Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 1.2.2025, Art. 6 Rn. 59; Kraus in Busse/Kraus, BayBO, Stand Dezember 2024, Art. 6 Rn. 68). Eine Rechtswidrigkeit der erteilten Befreiungen legt die Beschwerde nicht dar.
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1.3. Der bei summarischer Prüfung anzunehmende Verstoß der geplanten Einfriedungsanlage gegen Nachbarrechte des Antragstellers rechtfertigt es im vorliegenden Fall, unabhängig von der Frage, ob die streitgegenständliche Baugenehmigung insoweit teilbar ist, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers bezogen auf die Einfriedungsanlage anzuordnen, da bei einer Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz auch solche Regelungen zulässig sind, die im Hauptsacheverfahren (gegebenenfalls) nicht getroffen werden können, insbesondere wenn in Anlehnung an den Rechtsgedanken des Art. 44 Abs. 4 BayVwVfG der restliche Teil der Baugenehmigung für sich Bestand haben könnte (vgl. BayVGH, B.v. 10.5.2012 – 2 CS 12.795 – juris Rn. 33). Da die Antragsgegnerin an den übrigen, den Antragsteller bei summarischer Prüfung nicht in seinen Nachbarrechten verletzenden Baumaßnahmen zur Sanierung, des Umbaus und der Erweiterung der auf dem Baugrundstück befindlichen Feuerwache ein gewichtiges Interesse besitzt, liegen besondere Umstände vor, die eine teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht infrage gestellten erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).