Titel:
Unzulässige Beschwerde, Ablehnung eines Antrags eines am Verfahren, Beteiligten auf Beiladung eines Dritten, fehlende materielle Beschwer
Normenketten:
VwGO § 65
VwGO § 146 Abs. 1
Schlagworte:
Unzulässige Beschwerde, Ablehnung eines Antrags eines am Verfahren, Beteiligten auf Beiladung eines Dritten, fehlende materielle Beschwer
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 26.02.2025 – M 23 K 23.1212
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13950
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
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Die ein Kfz-Pfandleihhaus betreibende Klägerin, eine juristische Person des Privatrechts, ist seit dem Jahr 2016 Eigentümerin des im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Technik- & Innovationspark“ der Gemeinde T. vom 19. Juli 2006 liegenden Grundstücks FlNr. ...7/30 der Gemarkung T. mit einer Fläche von 0,834 ha.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom 23. Februar 2020 verpflichtete der Beklagte die Klägerin, das am 5. und 6. Juli 2016 komplett kahlgeschlagene (oben genannte) Grundstück bis zum 31. Mai 2020 nach sachgemäßer Waldbewirtschaftung wiederaufzuforsten, und ordnete darüber hinaus an, dass für den Fall nicht fristgerechter Wiederaufforstung ein Zwangsgeld in Höhe von 3.300 EUR fällig wird.
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Nachdem der Beklagte im Klageverfahren gegen den Bescheid vom 23. Februar 2020 im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärte, angesichts der bereits verstrichenen Frist für die Umsetzung der Aufforstungspflicht behalte man sich eine erneute Androhung und angemessene Fristsetzung vor, ordnete er mit Bescheid vom 13. Februar 2023 an, dass ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 EUR zur Zahlung fällig werde, wenn die Klägerin der Pflicht zur Wiederaufforstung aus dem Bescheid vom 23. Februar 2020 bis zum 20. Mai 2023, im Falle der richterlichen Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung aber spätestens bis zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheides, nicht vollständig nachkomme. Gegen diesen Bescheid wurde unter dem 6. März 2023 Klage erhoben (Az. M 23 K 23.1212). Die Entscheidungsgründe des die Klage abweisenden verwaltungsgerichtlichen Urteils liegen – soweit ersichtlich – noch nicht vor.
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Im Klageverfahren gegen den Bescheid vom 13. Februar 2023 hat die Klägerin die Beiladung der Gemeinde T. beantragt. Die Beiladung sei nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendig, zumindest im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO erforderlich. Errichte die Klägerin auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück einen Wald, wäre dies gerade nicht im Einklang mit den Festsetzungen des Bebauungsplans, der eine Grünfläche vorsehe.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Beiladung der Gemeinde T. in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2025 abgelehnt. Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung seien nach der Entscheidung des BayVGH im Verfahren betreffend die Wiederaufforstungsanordnung nicht gegeben. Im Übrigen habe sich die Gemeinde T. auch nicht um eine einfache Beiladung bemüht.
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Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Beiladung der Gemeinde T. weiter.
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Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist unzulässig.
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1. Zwar ist eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen einen ablehnenden Beiladungsbeschluss des Verwaltungsgerichts – im Gegensatz zu einer stattgebenden Beiladungsentscheidung (§ 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO) – statthaft (§ 146 Abs. 1 VwGO).
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2. Der Klägerin fehlt aber die für die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels erforderliche (materielle) Beschwer.
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Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt das Vorliegen einer Beschwer des Rechtsmittelführers voraus (BVerwG, U.v. 31.1.1969 – IV C 83.66 – juris Rn. 11).
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2.1 Zwar wird teilweise angenommen, dass sich die erforderliche Beschwer eines am Verfahren Beteiligten im Falle einer verwaltungsgerichtlichen Ablehnung seines Antrags auf Beiladung eines Dritten bereits aus der Antragsablehnung ergebe, weil bei einem Beteiligten der Umstand genüge, dass seinem Antrag bei Entscheidungen in der Hauptsache, bei Entscheidungen im vorbereitenden Verfahren und bei Nebenentscheidungen nicht im vollen Umfang stattgegeben worden sei (formelle Beschwer; OVG LSA, B.v. 5.2.2025 – 3 O 12/25 – juris Rn. 4; jeweils ohne nähere Begründung SächsOVG, B.v. 13.2.2017 – 1 E 4/17 – juris; OVG NW, B.v. 19.8.2016 – 4 E 409/16 – juris Rn. 1; HessVGH, B.v. 22.6.2016 – 4 B 1516/15 – juris Rn. 8; OVG Berlin-Bbg, B.v. 12.11.2013 – OVG 10 L 52.13 – juris Rn. 3; OVG LSA, B.v. 17.9.2007 – 4 O 241/07 – juris; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2025, § 65 Rn. 38; Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2024, § 65 Rn. 34; offenlassend: NdsOVG, B.v. 12.9.2023 – 11 OB 41/23 – juris Rn. 7).
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2.2 Der Senat vermag sich dieser Ansicht aber nicht anzuschließen.
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Die Beschwer ist eine Erscheinungsform des Rechtsschutzbedürfnisses (BGH, U.v. 21.10.2020 – VIII ZR 261/18 – juris Rn. 24 m.w.N.), das vom Rechtsmittelgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Zwar ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis im Allgemeinen ohne Weiteres aus der formellen Beschwer des Rechtsmittelklägers, der mit seinem Begehren in der vorhergegangenen Instanz unterlegen ist. Es gilt aber auch für Rechtsmittel der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf (BSG, U.v. 28.8.2013 – B 6 KA 42/12 R – juris Rn. 26). Daher ist höchstrichterlich geklärt, dass ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 3 C 26/07 – juris Rn. 14).
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Auch durch das Erfordernis einer Beschwer als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, soll erreicht werden, dass der Rechtsmittelzug nur eröffnet wird, wenn dafür ein sachliches Bedürfnis besteht (BGH, U.v. 21.10.2020 – VIII ZR 261/18 – juris Rn. 24 m.w.N.). Dies kann schon dann nicht der Fall sein, wenn die Rechtsstellung des Beschwerdeführers durch die angegriffene Entscheidung von vornherein nicht berührt sein kann (vgl. OVG Hamburg, B.v. 15.9.2020 – 1 So 78/20 – juris Rn. 7).
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Dies ist vorliegend der Fall. Durch eine ablehnende Beiladungsentscheidung wird ein am Verfahren Beteiligter nicht materiell beschwert und nicht in eigenen subjektiven Rechten verletzt (BayVGH, B.v. 25.3.2024 – 15 C 24.418 – juris Rn. 5; OVG Hamburg, B.v. 15.9.2020 – 1 So 78/20 – juris Rn. 7 f.; OVG NW, B.v. 13.3.2019 – 15 E 12/19 – juris Rn. 1 ff.; OVG RhPf, B.v. 25.8.2020 – 1 E 10895/20 – juris Rn. 3 f.; die Beschwer im Rahmen der Begründetheit verneinend OVG Saarl, B.v. 19.9.2017 – 2 E 426/17 – juris Rn. 4). Es liegt kein Verfahrensfehler vor, wenn eine einfache Beiladung unterbleibt (BVerwG, U.v. 5.7.1974 – IV C 50.72 – juris Rn. 35). Anders ist dies zwar, wenn eine notwendige Beiladung nicht erfolgt. Aber eine materielle Beschwer des Beteiligten ergibt sich aus diesem Verfahrensfehler nicht. Wer ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt war und entsprechend auf das Verfahrensergebnis einwirken konnte, wird durch das Unterbleiben der notwendigen Beiladung eines anderen nicht in eigenen Rechten berührt. Denn § 65 Abs. 2 VwGO soll die Rechte des notwendig Beizuladenden schützen (weshalb ein Dritter bei Ablehnung seines Antrags auf Beiladung durch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung beschwert ist). Ein subjektives Recht der Prozessbeteiligten auf fehlerfreie Anwendung des § 65 Abs. 2 VwGO ist damit nicht verbunden. Das Risiko, bei Unwirksamkeit der Entscheidung gegenüber dem nicht Beigeladenen in einen weiteren Prozess einbezogen zu werden, ändert daran nichts (BVerwG, B.v. 16.9.2009 – 8 B 75.09 – juris Rn. 3; B.v. 6.10.2020 – 4 B 10.20 – juris Rn. 12).
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Nichts anderes folgt aus dem klägerischen Vorbringen im Beschwerdeverfahren, es seien sich widersprechende Gerichtsentscheidungen nicht ausgeschlossen, wenn der Beklagte bei der Wiederaufforstung bestimmte Baumarten fordere und diese mit den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht kompatibel seien, weil der Klägerin dann [gemeint wohl: nach Pflanzung der vom Beklagten geforderten Bäume und nachfolgender Beseitigung der Bäume auf Veranlassung der Gemeinde wegen Verstoßes gegen die Vorgaben des Bebauungsplans] ein Bußgeldverfahren nach § 213 Abs. 1 Nr. 3 BauGB drohe, für das nicht die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig sei. Im Beschwerdevorbringen ist bereits nicht hinreichend dargelegt, dass der Beklagte im streitgegenständlichen Hauptsacheverfahren (Zwangsgeldandrohung) eine bestimmte Baumart für die Wiederaufforstung fordert. Die Klägerin verkennt bei ihrer Konstruktion von sich möglicherweise widersprechenden Gerichtsverfahren insoweit zudem, dass sich die Pflicht zur Wiederaufforstung aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 23. Februar 2020 und nicht aus der streitgegenständlichen Zwangsgeldandrohung ergibt. Im Bescheid vom 23. Februar 2020 ist diesbezüglich lediglich angeordnet, dass die Wiederaufforstung sachgemäßer Waldbewirtschaftung genügen müsse, was insbesondere eine von der Baumart abhängige Mindestpflanzenzahl und eine bedarfsgerechte und naturschonende Erschließung beinhalte. Widersprüchliche Gerichtsentscheidung sind insoweit bezogen auf die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung nicht ersichtlich. Zudem legt das Beschwerdevorbringen nicht hinreichend dar, dass die (vermeintlich) vom Beklagten geforderte Baumart mit den Festsetzungen im Bebauungsplan nicht kompatibel ist. Darüber hinaus drohen widersprüchliche Gerichtsentscheidungen schon deshalb nicht, weil ein Bußgeldverfahren bei behördlicher Anordnung der Baumbeseitigung nicht in Betracht kommen wird.
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Im Übrigen hat der Senat bereits in seinem die Wiederaufforstungsanordnung betreffenden Beschluss vom 23. Mai 2023 (19 ZB 23.69 – juris Rn. 28) ausgeführt, dass aus der Begründung des Bebauungsplans „Technik- & Innovationspark“ der Gemeinde T. und der in diesem Bebauungsplan festgesetzten Bindung („zu erhaltendem Baum- und Gehölzbestand“) deutlich wird, dass die Gemeinde gerade die (weitere) Entwicklung des Baum- und Gehölzbestandes auf dem Grundstück der Klägerin angestrebt hat. Dieses von der Gemeinde verfolgte Ziel begründet zwar keine Verpflichtung, die Flächen im Bebauungsplan als Wald nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b) BauGB festzusetzen und damit einer in erster Linie forstwirtschaftlichen Nutzung zu unterwerfen. Vielmehr erlaubt der Umstand, dass eine Fläche die Voraussetzungen eines „Waldes“ im Sinne des Bundes- oder Landeswaldgesetzes erfüllt, auch eine städtebauliche Einordnung – wie hier – als Grünfläche (OVG Berlin-Bbg, U.v. 16.9.2015 – OVG 10 A 3.13 – juris Rn. 62). Die Waldeigenschaft i.S.d. Art. 2 Abs. 1 BayWaldG verliert das Grundstück (allein) mit der Einbeziehung in den Bebauungsplan aber nicht (Senatsbeschluss v. 23.5.2023 – 19 ZB 23.69 – juris Rn. 29). Daher greifen auch die Ausführungen im Beschwerdeverfahren zur [gemeint wohl: flächendeckenden] Anpflanzung von Sträuchern auf dem klägerischen Grundstück – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Festsetzungen im Bebauungsplan – nicht durch.
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3. Soweit auch das schriftsätzliche Vorbringen vom 13. Februar 2025 zum Gegenstand der Beschwerde gemacht worden ist, entspricht die Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Um diesen Anforderungen zu entsprechen, muss die Beschwerdebegründung an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht tragfähig sind bzw. aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Das erstinstanzliche Vorbringen zu wiederholen, ohne auf die die angefochtene Entscheidung tragenden Erwägungen einzugehen, reicht grundsätzlich ebenso wenig aus wie pauschale oder formelhafte Rügen (BayVGH, B.v. 26.10.2009 – 19 CS 09.2242 – juris Rn. 1).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).