Titel:
Polizeibeamter (BesGr. A 9), Vertraulichkeit der Kommunikation, Verfassungstreue, Außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht
Normenketten:
BayDG Art. 14
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3
BeamtStG § 34 Abs. 1 S. 3
Leitsatz:
Sind außerdienstliche Äußerungen mit objektiv verfassungsfeindlichem Inhalt ohne echten Kundgabewillen nach außen nur im engsten Familien- oder Freundeskreis gefallen und muss der Betroffene aufgrund der besonderen Vertrautheit der Beteiligten und der Vertraulichkeit der Gesamtumstände nicht mit einem Bekanntwerden rechnen, überwiegt das öffentliche Bedürfnis nach disziplinarer Ahndung die Grundrechte des Beamten auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und auf Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) nur dann, wenn die Äußerungen auch eine entsprechende ernsthafte verfassungsfeindliche Gesinnung im Sinne einer inneren Abkehr von den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widerspiegeln.
Schlagworte:
Polizeibeamter (BesGr. A 9), Vertraulichkeit der Kommunikation, Verfassungstreue, Außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 08.02.2023 – M 19L DK 22.2278
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13949
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 8. Februar 2023 geändert. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt eines Kriminalobermeisters (BesGr. A 8) erkannt. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof tragen der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt der Beklagte.
Tatbestand
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Die Beteiligten wenden sich mit ihren Berufungen gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2023 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses den Beklagten eines Dienstvergehens für schuldig befunden und ihn in das Amt eines Kriminalmeisters (Besoldungsgruppe A 7) zurückgestuft hat.
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1. Der 1979 geborene Beklagte ist ledig und kinderlos und seit 4. Januar 2010 Beamter, seit 1. September 2013 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Er war seit 1. Oktober 2016 bis zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte am 10. August 2020 beim Kriminalfachdezernat 7 – Bereiche Korruption und Fehlverhalten im Gesundheitswesen – tätig; zuvor war er bei einer Polizeiinspektion eingesetzt und u.a. mit Aufgaben des Personenschutzes betraut. Die Ernennung zum Kriminalhauptmeister (Besoldungsgruppe A9) erfolgte zum 1. Juni 2019. Straf- und disziplinarrechtlich ist der Beklagte nicht vorbelastet.
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Mit Verfügung vom 10. Februar 2021 wurde der Beklagte unter teilweiser Einbehaltung der monatlichen Dienstbezüge vorläufig des Dienstes enthoben.
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2. In der verfahrensgegenständlichen Disziplinarklage vom 25. April 2022, mit der der Kläger die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis erstrebt, wird dem Beklagten vorgeworfen, im Zeitraum Oktober 2014 bis März 2020 in mehreren bilateralen WhatsApp-Chats sowie in einem mit anderen Polizeibeamten außerdienstlich geführten geschlossenen Gruppenchat Nachrichten – einschließlich Bild-, Audio- und Videodateien – mit ausländerfeindlichem, nationalsozialistischem und antisemitischem Inhalt versendet und empfangen zu haben (Vorwürfe 1a, 1b, 2 sowie 7 bis 9). Hinsichtlich der Inhalte der inkriminierten Chatnachrichten, die dem Kläger im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen gegen den Chatpartner D. sowie einer Durchsuchung des Mobilfunkgeräts und von Speichermedien des Beklagten zur Kenntnis gelangten, wird auf die Darstellung in der Disziplinarklage Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Soweit diesbezüglich nicht von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 152 Abs. 2 StPO abgesehen wurde (Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 24. August 2020), wurde das gegen den Beklagten eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzungmit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 24. November 2020 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Darüber hinaus wird dem Beklagten in der Disziplinarklage die Weitergabe von Erkenntnissen aus der polizeilichen Sachbearbeitung zur Last gelegt. So habe er in einem Gruppenchat mit mehreren Polizeibeamten in zwei Textnachrichten vom 6. September 2017 Details zu einem Einsatz bei dem Fußballspieler … geschildert und den Hinweis gegeben, dass u.a. die Handynummer des … in dem zentralen polizeilichen Einsatz- und Unterstützungssystem (ZEUS) unter dem entsprechenden Vorgang abrufbar sei (Vorwurf 3). In drei Chats am 21. September 2015, 13. November 2015 und 10. März 2016 habe er an Familienangehörige und Bekannte Informationen aus den polizeilichen Ermittlungen gegen den Fußballspieler … wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss weitergegeben (Vorwurf 4). Am 25. Oktober 2018 habe der Beklagte ohne dienstliche Veranlassung den Screenshot einer polizeilichen Sachverhaltsschilderung an eine Angehörige der Justiz versandt, der sodann von beiden Chatteilnehmern kommentiert worden sei (Vorwurf 6). Das wegen dieser Sachverhalte (Vorwürfe 4 und 6) gegen den Beklagten geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 11. Mai 2021 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Des Weiteren habe der Beklagte am 15. Mai 2019 Informationen über das Ergebnis der Untersuchung einer Blutprobe, die seinem Cousin im Zuge einer Verkehrskontrolle entnommen worden war, an seine Tante weitergeleitet (Vorwurf 5). Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht wurde nach Zahlung einer Geldauflage mit Verfügung vom 2. Juni 2021 nach § 153a Abs. 1 StPO eingestellt.
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3. Mit seiner gegen das Urteil eingelegten Berufung beantragt der Kläger,
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unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Darüber hinaus beantragt er,
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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
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Der Beklagte zeige eine über Jahre verfestigte Nähe zu rechtsradikalen und nationalsozialistischen Ideologieinhalten, welche er durch seine zahlreichen Äußerungen, die auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung und die Identifikation mit verwerflichem Gedankengut hindeuteten, nach außen kundgetan und verbreitet habe. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts liege ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG vor. Die Äußerungen seien mit der besonderen Vertrauens- und Garantenstellung eines Polizeibeamten im Hinblick auf die Wahrung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in der Öffentlichkeit unvereinbar. Es sei davon auszugehen, dass die im Zeitraum vom 24. Oktober bis 25. November 2014 in einem bilateralen Chat getätigten Äußerungen insbesondere den … … …, der dem Beklagten zum damaligen Zeitpunkt als Personenschützer anvertraut gewesen sei, betroffen hätten, was erschwerend wirke. Bei den in diesem Chat verwendeten Abkürzungen „SH“ und „HH“ handle es sich um Codes für „Sieg Heil“ bzw. „Heil Hitler“; überdies werde in einer Sprachnachricht die Stimme Hitlers imitiert und in zwei Äußerungen angedeutet, dass die Schutzperson vergast bzw. in ein Konzentrationslager verbracht werden solle. All dies komme einem Bekenntnis des Beklagten zu seiner verfassungsfeindlichen Gesinnung gleich. Durch die geäußerte Absicht, in der Reichspogromnacht auf die Straße zu gehen, sowie die Vergesellschaftung des Sprachgebrauchs aus dem Dritten Reich und den Versand rechtsradikaler, nationalsozialistischer und antisemitischer Bilder verharmlose er zudem den Tod und das Leiden der Opfer des Nationalsozialismus. Mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung unvereinbar seien gerade solche Verhaltensweisen, die objektiv geeignet oder gar darauf angelegt sind, die Ziele des NS-Regimes zu verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie gesellschaftsfähig zu machen. Die Aussagen des Beklagten überschritten nicht nur die Grenze des guten Geschmacks und der Satire, sondern zwängen im Kontext der Gesamtereignisse zu dem Eindruck, dass dies Ausdruck einer verwurzelten ausländerfeindlichen und menschenverachtenden Gesinnung des Beklagten sei. Aufgrund der Verhaltensweise des Beklagten sei von einer Abkehr von den Grundprinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung auszugehen. Indem er rassistische, diskriminierende, antisemitische, nationalistische und menschenverachtende Beiträge seiner Chatpartner geduldet habe, sei er auch nicht aktiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung eingetreten, was im Übrigen unabhängig von einer verfassungsfeindlichen Gesinnung eine Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue begründe. Selbst wenn man jedoch einen Verstoß gegen die politische Treuepflicht des Beklagten ablehne, sei sein Verhalten jedenfalls derart achtungs- und vertrauensschädigend, dass das in Ihn gesetzte Vertrauen irreparabel und vollständig zerstört sei. Aufgabe des Beklagten sei es gerade gewesen, die ihm anvertraute Schutzperson jüdischen Glaubens und mit Migrationshintergrund zu schützen und nicht selbst eine Gefahr für diese darzustellen. Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse und die damit verbundenen Eingriffsrechte des Staates seien durch Art. 33 Abs. 4 GG einem Personenkreis vorbehalten, dessen Rechtsstellung in besonderer Weise Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bieten müsse, weshalb der bloße Anschein der Identifikation mit den Zielen des Nationalsozialismus zu vermeiden sei. Der Öffentlichkeit und auch dem Kollegenkreis sei nicht zu vermitteln, dass ein Beamter, der derartige Verunglimpfungen gegenüber einem Dritten äußere und Feindseligkeiten hege, im Dienst der Bayerischen Polizei verbleibe. Diese Einschätzung werde bestärkt durch die Weitergabe dienstlicher Erkenntnisse an Dritte unter Verstoß gegen die dienstliche Geheimhaltungspflicht in vier Fällen. Der Beklagte habe das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren, sein weiterer Verbleib im Dienst sei nicht hinnehmbar.
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Der Beklagte beantragt mit seiner Berufung,
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unter Aufhebung bzw. Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 8. Februar 2023 die Disziplinarklage abzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
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Hinsichtlich der Berufung des Klägers beantragt er,
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begangen worden und erfüllten nicht die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Die Chatbeiträge seien gerade nicht für Dritte bestimmt gewesen. Die Chatteilnehmer seien davon ausgegangen, dass ihre Mitteilungen aufgrund der Vertraulichkeit des geschriebenen Wortes geschützt sind. Der Beklagte sei weit davon entfernt, ausländerfeindlich zu sein oder rechtsradikales Gedankengut zu hegen. Dies komme auch in den von seinen Vorgesetzten erstellten Persönlichkeitsbildern zum Ausdruck. Im dienstlichen Kontakt mit Flüchtlingen, mit Kollegen mit Migrationshintergrund und mit seinen Schutzpersonen sei er stets objektiv gewesen und es sei nie zu Beschwerden gekommen. Die im Oktober/November 2014 getätigten Äußerungen in dem Chat mit D., seinem ehemaligen Streifenkollegen, mit dem er seit mehr als zehn Jahren befreundet gewesen sei und auf den sich sein Freundeskreis zeitweise beschränkt habe (Vorwurf 2), ließen sich mit dienstlichen Umständen erklären. Der Beklagte habe sich durch den überaus anstrengenden und ihn auch zeitlich stark beanspruchenden Dienst als Personenschützer in einer schwierigen Lebensphase befunden, sei sozial isoliert gewesen und habe den Austausch mit seinem Kollegen D., der diesbezüglich sein einziger Ansprechpartner gewesen sei, als Ventil gebraucht, einfach um das von der Schutzperson ihm gegenüber an den Tag gelegte Verhalten, das er als unzumutbar und völlig unangemessen empfunden und dem er sich faktisch hilflos ausgeliefert gesehen habe, zu erdulden und zu verarbeiten. Denn im Hinblick auf die wegen ihrer Herkunft und Stellung nahezu unangreifbare Position der Schutzperson habe der Beklagte sich nicht in der Lage gesehen, sich wegen deren Verhaltens zu beschweren, ohne sich dabei der Gefahr auszusetzen, dienstliche oder persönliche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Er habe daher keine Hoffnung gehabt, die Situation verändern zu können. Mit den Äußerungen im Chat mit dem Kollegen D. habe der Beklagte angesichts des Verhaltens der Schutzperson sowie einer weiteren hochrangigen Person jüdischen Glaubens, mit der er im Rahmen der Tätigkeit als Personenschützer dienstlichen Kontakt gehabt habe, über diese „abledern“ und sich abreagieren wollen. Dabei habe er sich als Anknüpfungspunkt gerade der offenkundigsten Eigenschaft der faktischen Unangreifbarkeit der beiden betroffenen Personen bedient, um eine eigene Mächtigkeit über sich wiederherzustellen. In diesem Rahmen habe sich die Kommunikation mit dem Kollegen D. hochgeschaukelt und eine eigene Dynamik angenommen. Es bestehe kein Zweifel, dass der Beklagte dabei eine Grenze überschritten habe, und er bedauere dies zutiefst.
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Um die Freundschaft mit D. nicht zu gefährden, habe er in dem 2017/2018 geführten 1/1-Chat (Vorwurf 1a) nicht abweisend auf dessen Nachrichten reagiert, sondern lediglich durch wortkarge Antworten erkennen lassen, dass er die Nachrichten nicht gutheiße. Er habe D. dann jedoch Ende 2018/Anfang 2019 in einem persönlichen Gespräch gebeten, die Zusendungen entsprechender Nachrichten einzustellen, was dieser auch getan habe. Er bereue zutiefst, sich nicht nur nicht distanziert, sondern aus falsch verstandener Rücksichtnahme auch noch aktiv an dem Chat mitgewirkt zu haben. In dem Chat mit A. am 19. März 2020 (Vorwurf 8), der ein entfernter Bekannter gewesen sei, sei der Beklagte nicht auf dessen Äußerungen eingegangen. Die Äußerungen des Beklagten hätten sich eindeutig darauf bezogen, dass die Polizei während des Corona-Lockdowns mit eigentlich überflüssigen Einsätzen belastet gewesen sei und sich die Bevölkerung vernünftiger verhalten müsse. Für die Äußerungen in dem Chat mit V. (Vorwurf 9) schäme er sich ebenfalls. Er habe sie auf einer Dating-Plattform kennengelernt und sie beeindrucken wollen. Sie habe ihm zwei Vorfälle geschildert, bei denen sie von Personen mit Migrationshintergrund extrem belästigt worden sei. Dadurch habe er ihre ausländerfeindliche Einstellung erkannt und in diesem Sinne mit ihr geschrieben, um ihr zu gefallen. Sie gehöre wegen ihrer extremen Ansichten nicht mehr zu seinem Bekanntenkreis.
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Die Vorwürfe 3 bis 6 hätten als Dienstpflichtverletzungen jeweils nur geringe Relevanz; es sei nicht unüblich, sich unter Kollegen über Einsätze auszutauschen. Die Dienstpflichtverletzung hinsichtlich Vorwurf 5 sei im Übrigen nach der strafrechtlichen Ahndung nach § 153a StPO gemäß Art. 15 BayDG nicht zu verfolgen.
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Der Senat hat am 19. Februar 2025 mündlich verhandelt. Hierzu wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die vorgelegten Disziplinar-, Personal- und strafrechtlichen Ermittlungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Berufung des Beklagten ist teilweise begründet und führt zu seiner Zurückstufung in das nächst niedrigere Amt eines Kriminalobermeisters (Besoldungsgruppe A 8).
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1. In tatsächlicher Hinsicht legt der Senat seiner Entscheidung die Inhalte der WhatsApp-Chats sowie die darin seitens des Beklagten getätigten Äußerungen und eingestellten Bild-, Audio- und Videodateien zugrunde, wie sie in der Disziplinarklage dargestellt sind. Die Inhalte ergeben sich vollumfänglich aus den vorgelegten Akten; darüber hinaus hat der Beklagte sie eingeräumt. Dies schließt auch die Weitergabe von Erkenntnissen aus der polizeilichen Sachbearbeitung in vier Fällen (Anschuldigungspunkte 3 bis 6 der Disziplinarklage) ein, die ebenfalls jeweils über Chats erfolgte.
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2. Die mit D. und V. geführten Chats sowie die Nachrichten des Beklagten im Gruppenchat Nr. 232 (Vorwürfe 1a, 1b, 2, 7 und 9 der Disziplinarklage) sind jedoch nicht disziplinarisch zu ahnden (2.1). Die Äußerungen des Beklagten in dem Chat mit A. sowie seine unterlassene Reaktion auf dessen verfassungsfeindliche Äußerungen (Vorwurf 8) begründen einen Verstoß gegen die Pflicht, sich auch außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauensgerecht zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG in der von 7.12.2018 bis 6.7.2021 geltenden Fassung) sowie zur unparteiischen Amtsführung (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG), aber keinen Verstoß gegen die politische Treuepflicht gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (2.2). Durch die Weitergabe von Erkenntnissen aus der polizeilichen Sachbearbeitung in vier Fällen (Vorwürfe 3 bis 6) hat der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen, indem er die Gehorsamspflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG a.F. bzw. § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG n.F.), die Pflicht zur Verschwiegenheit aus § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sowie die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 34 Satz 3 BeamtStG in der im Zeitpunkt des jeweiligen Verstoßes geltenden Fassung verletzt hat. Der Anschuldigungspunkt 5 (Weitergabe von Inhalten eines polizeilichen Datenbestandes zu einer beim Cousin des Beklagten durchgeführten Blutentnahme an seine Tante) erfüllt zudem den Straftatbestand der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht nach § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB; insoweit liegt ein Verstoß gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze vor (2.3).
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2.1 Die Inhalte der mit D. und V. geführten Chats sowie die Nachrichten des Beklagten im Gruppenchat Nr. 232 (Vorwürfe 1a, 1b, 2, 7 und 9 der Disziplinarklage) dürfen nicht disziplinarisch geahndet werden, da sie der Vertraulichkeit der Kommunikation und damit dem grundrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) sowie der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) unterliegen und dem Beklagten zugleich keine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Gesinnung nachgewiesen werden kann.
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2.1.1 Das öffentliche Interesse an Strafverfolgung und disziplinarer Ahndung außerdienstlicher Verfehlungen muss regelmäßig zurücktreten, wenn die inkriminierten Äußerungen ohne echten Kundgabewillen nur im engsten Familien- oder Freundeskreis gefallen sind und wenn der Betroffene aufgrund der besonderen Vertrautheit der Beteiligten und der Vertraulichkeit der Gesamtumstände nicht mit einem Bekanntwerden seiner Äußerung rechnen muss. Denn in diesen Fällen fordern die auch dem Beamten zustehenden Grundrechte auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), dass die Vertraulichkeit der Kommunikation respektiert wird und eine staatliche Sanktion unterbleibt.
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Zum einen gibt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden, polemischen oder verletzenden Gehalts einer Äußerung (BVerfG, B.v. 17.3.2021 – 2 BvR 194/20 – juris Rn. 30 m.w.N.). Zum anderen gewährleistet Art. 2 Abs. 1 GG die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Zu den Bedingungen der Persönlichkeitsentfaltung gehört es, dass der Einzelne einen Raum besitzt, in dem er unbeobachtet sich selbst überlassen ist oder mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen verkehren kann. Aus der Bedeutung einer solchen Rückzugsmöglichkeit für die Persönlichkeitsentfaltung folgt, dass der Schutz des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG auch die Privatsphäre umfasst. Am Schutz der Privatsphäre nimmt auch die vertrauliche Kommunikation teil. Gerade bei Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen steht häufig weniger der Aspekt der Meinungskundgabe und die damit angestrebte Einwirkung auf die Meinungsbildung Dritter als der Aspekt der Selbstentfaltung im Vordergrund. Nur unter den Bedingungen besonderer Vertraulichkeit ist dem Einzelnen ein rückhaltloser Ausdruck seiner Emotionen, die Offenbarung geheimer Wünsche oder Ängste, die freimütige Kundgabe des eigenen Urteils über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung möglich. Unter solchen Umständen kann es auch zu Äußerungsinhalten oder -formen kommen, die sich der Einzelne gegenüber Außenstehenden oder in der Öffentlichkeit nicht gestatten würde. Gleichwohl verdienen sie als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung den Schutz des Grundrechts (BVerfG, B.v. 17.3.2021 – 2 BvR 194/20 – juris Rn. 32 m.w.N.).
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Sind Äußerungen Ausdruck eines besonderen Vertrauens und besteht keine begründete Gefahr ihrer Weitergabe, geht der Schutz der Vertrauenssphäre auch dann nicht verloren, wenn sich der Staat, wie etwa bei einer Briefkontrolle bei Strafgefangenen oder – wie vorliegend – durch anderweitige strafrechtliche Ermittlungen und eine Durchsuchung, Kenntnis von vertraulich getätigten Äußerungen verschafft (vgl. BVerfG, B.v. 26.4.1994 – 1 BvR 1689/88 – BVerfGE 90, 255/261; B.v. 23.11.2006 – 1 BvR 285/06 – BVerfGK 9, 442/444 f.). Der Kreis möglicher Vertrauenspersonen ist dabei nicht auf Eheleute oder Eltern beschränkt, sondern erstreckt sich auf ähnlich enge – auch rein freundschaftliche – Vertrauensverhältnisse. Entscheidend für den grundrechtlichen Schutz der Vertrauensbeziehung ist, dass ein Verhältnis besteht, welches für den Betroffenen in seiner Funktion, ihm einen Raum zu bieten, in dem er ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen verkehren kann, dem Verhältnis vergleichbar ist, wie es in der Regel zu Eheleuten, Eltern oder auch anderen Familienangehörigen besteht (BVerfG, B.v. 17.3.2021 – 2 BvR 194/20 -juris Rn. 34 m.w.N.). Ein solches besonderes Näheverhältnis kann auch zwischen Menschen bestehen, die als Mitglieder einer Gruppe Gleichgesinnter mit gemeinsamen Freizeitgewohnheiten („Clique“) befreundet sind. Für junge Menschen sind in der Funktion als Ort entlasteter und entlastender vertrauensvoller Kommunikation häufig gerade Freundschaften dieser Art besonders wichtig (BVerfG, B.v. 27.7.2009 – 2 BvR 2186/07 – juris Rn. 18 m.w.N.). Zur Beurteilung, ob im Einzelfall zwischen den an einer Kommunikation Beteiligten ein derartiges Vertrauensverhältnis besteht, sind neben dem Charakter der Vertrauensbeziehung die Art und der Kontext der inkriminierten Äußerung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 23.11.2006 – 1 BvR 285/06 – juris Rn. 13 ff.; vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 48 ff.).
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Vor diesem Hintergrund setzen sich im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zwischen den Grundrechten des Beamten und dem öffentlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit der Verwaltung die Grundrechte des Beamten auf den Schutz der Meinungsfreiheit und der Vertraulichkeit der Kommunikation durch, sofern (nur) ein Verstoß gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht vorliegt. Denn neben dem den grundrechtlich geschützten Interessen des Beamten zukommenden Gewicht ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass wegen der Vertraulichkeit der Kommunikation nicht die Gefahr besteht, dass die Äußerungen in die Öffentlichkeit dringen. Im Falle eines Verstoßes (auch) gegen die politische Treuepflicht, die dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als unverzichtbarer verfassungsrechtlicher Grundlagedient und deren Erfüllung durch die Beamten für die Funktionsfähigkeit des Staates unerlässlich ist, ist dieses Abwägungsergebnis nicht in gleicher Weise vorgezeichnet (vgl. BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 55 f.; BVerfG, B.v. 17.3.2021 – 2 BvR 194/20 – juris Rn. 35, 41; OVG Bremen, B.v. 10.5.2023 – 2 B 298/22 – juris Rn. 73 ff., insb. Rn. 75). Lassen die in Rede stehenden vertraulichen Äußerungen einen Rückschluss auf eine ernsthafte verfassungsfeindliche Gesinnung des Beamten zu, gebietet das öffentliche (Sicherheits-)Interesse auch in Ansehung der Vertraulichkeit der Kommunikation die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis, da Art. 33 Abs. 4 GG es nicht erlaubt, Verfassungsfeinde mit der Ausübung staatlicher Aufgaben zu betrauen und es die Grundentscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie nicht zulässt, dass Beamte im Staatsdienst tätig werden, die die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen und bekämpfen (BVerwG, U.v. 17.11.2017 -2 C 25.17 – juris Rn. 18 m.w.N.; HessVGH, B.v. 30.6.2023 – 28 E 803/23.D – juris Rn. 44 ff., insb. Rn. 96).
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Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG müssen Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Der Begriff „freiheitlich demokratische Grundordnung“ ist identisch mit dem gleichlautenden Begriff, wie er bezogen auf Art. 21 Abs. 2 GG konturiert worden ist. Daraus folgt eine Konzentration auf wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Begriffsinhalts ist danach die Würde des Menschen und das Demokratieprinzip, für das die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller am politischen Willensbildungsprozess sowie die Rückbindung der Ausübung von Staatsgewalt an das Volk maßgeblich ist. Darüber hinaus erfasst der Begriff den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1.13 – juris Rn. 535 ff.; BVerwG, B.v. 28.1.2022 – 2 WDB 7.21 – juris Rn. 23; U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 42). Mit der Treuepflicht ist insbesondere ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt ist, die Ziele des verbrecherischen NS-Regimes zu verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen und gleichsam im Sinne der „nationalsozialistischen Sache“ zu wirken (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2020 – 2 WD 17.19 – juris Rn. 38; U.v. 22.10.2008 – 2 WD 1.08 – juris Rn. 54; HessVGH, U.v. 2.5.2024 – 1 A 271/23 – juris Rn. 69).
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§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG fordert ein Bekennen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und ein Eintreten für deren Erhaltung, wobei die Verpflichtung zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 33 Abs. 1 Satz 3 2. Alt. BeamtStG weiter geht als die Pflicht, sich zu ihr gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 1. Alt. BeamtStG zu bekennen: Die Pflicht zum Eintreten verlangt, dass der Beamte sich nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. BVerfG, B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334/348). Ein Verstoß gegen § 33 Abs. 1 Satz 3 2. Alt. BeamtStG setzt mithin nicht zwingend das Vorliegen einer verfassungsfeindlichen Gesinnung voraus. Ein Beamter darf daher auch nicht entgegen seiner inneren verfassungstreuen Gesinnung aus Solidarität zu Freunden, aus Übermut, aus Provokationsabsicht oder aus anderen Gründen nach außen hin verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen und sich objektiv betrachtet illoyal verhalten (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2024 – 2 WDB 12.23 – juris Rn. 15; U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 39 ff., 44 m.w.N.; U.v. 4.11.2021 – 2 WD 25.20 – juris Rn. 30; U.v. 18.6.2020 – 2 WD 17.19 – juris Rn. 39, jeweils zu § 8 SG; NdsOVG, U.v. 27.11.2024 – 3 LD 1/23 – DÖD 2025, 54 – juris Rn. 43).
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Allein die „mangelnde Gewähr“ eines Beamten dafür, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, d. h. eine entsprechende Befürchtung/Prognose, reicht für die Annahme eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue indes nicht aus; dementsprechend stellt das bloße „Haben“ oder „Mitteilen“ einer nicht verfassungstreuen Überzeugung (noch) keinen Verstoß gegen die Pflicht zu verfassungstreuem Verhalten dar. Der Verstoß gegen die Pflicht zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung (§ 33 Abs. 1 Satz 3 2. Alt. BeamtStG) erfordert daher ein nach außen gerichtetes Verhalten des Beamten (vgl. BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 44; U.v. 18.6.2020 – 2 WD 17.19 – juris Rn. 39 f.; U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 83; HessVGH, B.v. 30.6.2023 – 28 E 803/23.D – juris Rn. 103), dem ein gewisses Gewicht zukommt (vgl. BVerfG, B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – juris Rn. 45; B.v. 6.5.2008 – 2 BvR 337/08 – juris Rn. 31; BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 28). Im Schutzbereich vertraulicher Kommunikation, in dem inkriminierte Äußerungen ohne echten Kundgabewillen nur im engsten Familien- oder Freundeskreis gefallen sind und der Beamte aufgrund der besonderen Vertrautheit der Beteiligten und der Vertraulichkeit der Gesamtumstände nicht mit einem Bekanntwerden bzw. einer Weitergabe seiner Äußerungen rechnen muss, erreichen diese daher regelmäßig nicht das für die Annahme eines Verstoßes gegen die Pflicht aus Art. 33 Abs. 1 Satz 3 2. Alt. BeamtStG erforderliche Gewicht. Das Verhalten des Beamten stellt sich in diesen Fällen nicht als ein Unterstützen verfassungswidriger Bestrebungen „nach außen hin“ mit der Folge eines Verstoßes gegen die Pflicht zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG dar. Im Schutzbereich der Vertraulichkeit der Kommunikation überwiegt das öffentliche Bedürfnis nach disziplinarer Ahndung die Grundrechte des Beamten auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und auf Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) nur dann, wenn Äußerungen mit objektiv verfassungsfeindlichem Inhalt oder die widerspruchslose Hinnahme verfassungsfeindlicher Äußerungen auch eine entsprechende ernsthafte Gesinnung im Sinne einer inneren Abkehr von den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung widerspiegeln (HessVGH, B.v. 30.6.2023 – 28 E 803/23.D – juris Rn. 96; vgl. auch BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 43; B.v. 28.1.2022 – 2 WDB 7.21 – juris Rn. 25 f.) und wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 21 m.w.N.). Denn wie bereits ausgeführt bedarf ein berechtigte Vertraulichkeitserwartungen verletzender und daher schwer wiegender Eingriff in die Privatsphäre und das Recht auf Meinungsfreiheit durch Verwertung vertraulicher Kommunikation zum Zwecke ihrer disziplinarrechtlichen Ahndung der Rechtfertigung durch ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit, das nur im Falle eines sehr schweren Dienstvergehens gegeben ist, welches eine Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung konkret befürchten lässt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1981 – 2 BvR 646/80 – juris Rn. 84).
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Entgegen der Ansicht des Klägers gilt dies auch im Falle „verschriftlichter“ Kommunikation in geschlossenen WhatsApp-Chats mit Chatpartnern, zu denen ein besonderes Näheverhältnis der vorbeschriebenen Art besteht. Solche Chats sind vor dem Hintergrund der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sowie des Umstands, dass auch der Zugang zu den Mobiltelefonen, über die sie geführt werden, in aller Regel besonders geschützt wird, grundsätzlich für niemanden außerhalb der Kommunikation einsehbar. Zudem hat die digitale Kommunikation über geschlossene Chats insbesondere für jüngere Menschen seit langem eine zentrale soziale und emotionale Bedeutung. Sie stellt für viele Jugendliche und jüngere Erwachsene den primären Kommunikationskanal dar und ersetzt angesichts der ständigen Verfügbarkeit und der Möglichkeit, auch über größere Entfernungen hinweg in Echtzeit zu kommunizieren, weithin die Kommunikation über Brief und unter vier Augen. Darüber hinaus werden über solche Chats Emojis, Memes, Sprachmemos, Bilder und Insider-Witze geteilt, die der Selbstdarstellung dienen und zur Gruppen- und Freundschaftsbindung beitragen. Die Nutzung digitaler Kommunikation über geschlossene Chats ist daher von großer Bedeutung für die grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsentfaltung und die Ausübung der Meinungsfreiheit frei von staatlicher Beobachtung und Sanktionen.
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2.1.2 Zwischen dem Beklagten und seinem früheren Streifenkollegen D. sowie zu V. bestand ein besonderes Vertrauensverhältnis der vorbeschriebenen Art. Bei den mit ihnen geführten Chats (Vorwürfe 1a, 2 und 7 der Disziplinarklage) handelt es sich daher um besonders geschützte Kommunikationsräume ähnlich einem Gespräch unter vier Augen, bei denen der Beklagte insbesondere auch nicht mit einem Bekanntwerden seiner Äußerungen rechnen musste. Gleiches dürfte hinsichtlich des Gruppenchats „Schlafzentrum Allach“ (Anschuldigungspunkt 1b der Disziplinarklage) gelten.
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Mit D. verband den Beklagten im Zeitpunkt der getätigten Kommunikation eine langjährige, enge Freundschaft. Zeitweise, insbesondere im Hinblick auf die vom Beklagten als sehr anstrengend beschriebene Zeit als Personenschützer des … … …, dessen Verhalten er als unzumutbar empfunden hatte, war D. sein einziger Ansprechpartner. Nach Einschätzung des Vorgesetzten des Beklagten S. war möglicherweise eine mangelnde Vielfalt an sozialen Kontakten auslösend dafür, dass der Beklagte sich dazu verleiten ließ, sich mit seinem Freund und ehemaligen Streifenpartner in diese inhaltlich absolut verwerfliche Kommunikation hineinzusteigern.
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Auch der Chat mit V. (Anschuldigungspunkt 9 der Disziplinarklage) war zur Pflege einer privaten Freundschaft bestimmt. Der Beklagte hatte sie ursprünglich auf einer Dating-Plattform kennengelernt und sie zeitweise „gut gefunden“ und daher auch beeindrucken wollen. Dementsprechend enthalten die über einen Zeitraum von fast vier Jahren geführten Chats erkennbar vertrauliche Kommunikation über Alltagserlebnisse, Empfindungen und Wünsche.
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Schließlich fallen auch die dem Beklagten unter Anschuldigungspunkt 1b versandten Nachrichten in dem außerdienstlich geführten Gruppenchat Nr. 232 mit insgesamt sieben Polizeibeamten verschiedener Dienststellen, der sowohl zum Austausch von Bildern und Videos als auch für private Verabredungen genutzt wurde, in den Schutzbereich der vertraulichen Kommunikation, da den Beklagten seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zufolge mit fünf der Chatpartner und damit dem weitaus größten Teil ein jeweils bereits seit Längerem bestehendes freundschaftliches Verhältnis verband; Der sechste Teilnehmer sei wiederum ein guter Freund eines anderen Gruppenmitglieds gewesen. Die Chatteilnehmer tauschten sich daher auch hier vertrauensvoll untereinander aus und gingen berechtigter Weise davon aus, dass ihre Kommunikation nicht nach außen dringen werde.
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Selbst wenn man aber annähme, dass es sich bei der Unterhaltung in der Chatgruppe um keine vertrauliche Kommunikation handelte, die unter den besonderen Schutz der Privatsphäre nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG fiele und für die deshalb ebenso wie hinsichtlich der Chats mit V. und D. ein grundsätzliches Berücksichtigungsverbot bestünde, ist nach den Umständen des Einzelfalls die Schwelle zur Dienstpflichtverletzung im Sinne eines Verstoßes gegen die Pflicht, sich auch außerdienstlich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 a.F., § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG), noch nicht überschritten.
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Bei dem der Seite „FB / Hirnfick Deluxe“ entnommenen Screenshot (Anschuldigungspunkt 1b Nr. 1), der das Bild eines Wolfes zeigt mit dem Text: „EIN DEUTSCHER FRIERT NICHT! ER ZITTERT VOR ZORN, WEIL ES NICHT NOCH KÄLTER IST!“, handelt es sich um Satire, die keinen eindeutigen Bezug zum Nationalsozialismus aufweist und nicht disziplinarwürdig ist. Die beiden Videos, die einen Kopfschuss bzw. Schüsse mit einem Maschinengewehr zeigen, mit dem zunächst in die Luft und dann in eine Menschengruppe geschossen wird, haben einen gewalttätigen Inhalt, der aber nicht strafwürdig und insbesondere nicht rechtsradikal bzw. sonst verfassungsfeindlich ist. Bei dem Foto unter Nr. 4, das sechs kleinwüchsige Personen in NS-Uniform zeigt und mit „THE 1/3 REICH“ betitelt ist, handelt es sich erkennbar um eine satirische Verballhornung des Dritten Reichs. Die Nachricht unter Nr. 6 stellt einen Sprachwitz ohne einen das Dritte Reich verherrlichenden Inhalt dar. Die am 24. Dezember 2018 versandte Chatnachricht unter Nr. 5 („Nur Kanacken im Zug“) enthält zwar nach objektivem Verständnis eine Abwertung von Ausländern. Allerdings können sich auch Beamte im Rahmen einer außerdienstlichen, privaten Unterhaltung, auch wenn diese nicht dem besonderen Schutz der Vertraulichkeit der Privatsphäre unterliegt, auf das Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, das auch Äußerungen unabhängig davon schützt, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, begründet oder grundlos, emotional oder rational, wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos sind. Vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Beamten sind sogar offensichtlich anstößige, abstoßende und bewusst provozierende Äußerungen gedeckt (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2020 – 2 WD 17.19 – juris Rn. 25 f.; BVerfG, B.v. 22.6.2018 – 1 BvR 2083/15 – juris Rn. 29; HessVGH, U.v. 2.5.2024 – 1 A 271/23 – juris Rn. 72). Zwischen dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Beamten, dass durch § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG eingeschränkt wird, besteht eine Wechselwirkung. Bei der Auslegung der Äußerung sind ausgehend vom objektiven Erklärungsgehalt alle Begleitumstände, einschließlich des Kontextes und der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebene, auf der die Äußerungen fielen, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 34 m.w.N; HessVGH, U.v. 2.5.2024 – 1 A 271/23 – juris Rn. 72). Bei mehrdeutigen Äußerungen haben Behörden und Gerichte sanktionsrechtlich irrelevante Auslegungsvarianten mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen auszuschließen, bevor sie ihrer Entscheidung eine zur Anwendung sanktionierender Normen führende Deutung zugrunde legen (vgl. BVerfG, B.v. 11.11.2021 – 1 BvR 11/20 – juris Rn. 17; B.v. 24.1.2018 – 1 BvR 2465/13 – juris Rn. 19; BVerwG, U.v. 26.4.2023 – 6 C 8.21 – juris Rn. 29 f.; U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 34).
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Zum Kontext und den Begleitumständen der Äußerung hat der Beklagte ausgeführt, er sei in Uniform Zug gefahren und derentwegen ständig von jungen Männern mit Migrationshintergrund provoziert worden, indem diese um ihn getanzt seien, sehr laut Musik gehört und ständig in ihrer Sprache gesprochen hätten, die der Beklagte nicht verstanden habe. Es sei für den Beklagten aber offensichtlich gewesen, dass die jungen Männer über ihn gesprochen hätten, da sie immer wieder in seine Richtung geschaut und gelacht hätten. Hinzu gekommen sei, dass der Beklagte an Weihnachten wieder allein mit dem Zug nach Hause gefahren sei, um am nächsten Tag seinen Geburtstag allein zu feiern. Vor diesem Hintergrund kommt der Äußerung kein klar und generell ausländerfeindlicher Inhalt zu, sondern es handelt sich nicht ausschließbar um eine überzogene und überspitzt formulierte Reaktion auf eine konkrete Einzelfallsituation. Hinzu kommt, dass die Äußerung in einer geschlossenen Chatgruppe gefallen ist, deren Mitglieder überwiegend gute Freunde des Beklagten waren und in der der Beklagte daher davon ausgehen konnte, dass seine Äußerung entsprechend eingeordnet werde. Das Posting ist daher nach den konkreten Umständen nicht in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt des Beklagten als Polizeibeamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
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2.1.3 Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue, der im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung mit dem öffentlichen Bedürfnis nach disziplinarer Ahndung überwiegen würde, liegt nicht vor. Das Vorliegen einer verfassungsfeindlichen Einstellung des Beklagten im Zeitpunkt der Taten lässt sich nicht zur vollen Überzeugung des Senats feststellen.
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Insbesondere bei Aussagen in geschlossenen Chats, die zur Begründung einer der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenstehenden Gesinnung herangezogen werden, kommt es darauf an, ob die Textnachrichten, Bild- und Videodateien (sog. Postings) objektiv einen klar erkennbaren verfassungsfeindlichen Inhalt haben oder etwa angesichts einer spielerisch-scherzhaften Einkleidung der Kommunikation nicht selbsterklärend sind (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2019 – 2 WDB 2.19 – juris Rn. 27; HessVGH, B.v. 30.10.2024 – 28 B 1679/23.D – juris Rn. 45). Hat ein Beamter seine Äußerungen nicht ernst gemeint, fehlt es an einer verfassungsfeindlichen Gesinnung (BVerwG, B.v. 28.1.2022 – 2 WDB 7.21 – juris Rn. 26 sowie die Anmerkung Nitschkes hierzu in NVwZ 2022, 798; BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 43). Gegen die Annahme einer verfassungsfeindlichen Gesinnung spricht es, wenn in einem Chat ein auf kurzfristige „Lacher“ angelegter Überbietungswettbewerb an geschmacklosen und menschenverachtenden Bemerkungen stattfand und es deswegen nicht auszuschließen ist, dass der Betreffende den Gehalt seiner Postings nicht ernst gemeint hat und er sich durch das Bedürfnis nach Anerkennung durch seine Freunde zu besonders schlechten vermeintlichen Witzen hinreißen lässt (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2019 – 2 WDB 2.19 – juris Rn. 27; U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 43).
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Dies zugrunde gelegt kann aus einer Gesamtschau der Kommunikation vorliegend nicht der Rückschluss gezogen werden, dass eine innere Abkehr des Beklagten von den Fundamentalprinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung stattgefunden hat.
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Der die Vernehmung eines Rabbiners betreffende Nachrichtenverlauf in dem am 6. März 2020 mit D. geführten Chat (Anschuldigungspunkt 7 der Disziplinarklage) enthält keine Äußerung des Beklagten mit objektiv eindeutig verfassungsfeindlichem Inhalt und vermag bereits deshalb entgegen der in der Disziplinarklage vertretenen Auffassung des Klägers keine rechtsradikale, ausländerfeindliche oder nationalistische Gesinnung des Beklagten nahezulegen. Vielmehr berichtete der Beklagte dem D. in scherzhaft eingekleideter Art von der an diesem Tag anstehenden Zeugeneinvernahme und wollte damit seiner nachvollziehbaren Einlassung im gerichtlichen Verfahren zufolge sein Bewusstsein für die hervorgehobene Stellung des Zeugen und eine daraus resultierende gewisse Nervosität ausdrücken.
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Der Großteil der übrigen inkriminierten Nachrichten in den Chats mit D. (Vorwürfe 1a und 2 der Disziplinarklage) war auf Lacher bzw. deutlich überspitzte Meinungskundgabe jedenfalls angelegt. Die vorgeworfenen Postings entspringen größtenteils einer sich aufschaukelnden Unterhaltung, in der jeweils ein auf kurzfristige Lacher angelegter Überbietungswettbewerb an geschmacklosen und menschenverachtenden Bemerkungen stattfand (vgl. BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WB 4.21 – juris Rn. 43; B.v. 10.10.2019 – 2 WDB 2.19 – juris Rn. 27). Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Beklagte den Gehalt seiner Postings nicht ernst gemeint hat und dass die „Unterhaltungskomponente“ sowie die Suche nach Anerkennung seitens des damaligen Freundes für ihn im Vordergrund stand. Die Postings offenbaren auch keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Zeit, der Thematik und den Umständen des Nationalsozialismus, sondern bestehen überwiegend in online leicht zugänglichem Material und beinhalten in erster Linie gedankenlose, wenn auch inakzeptable Äußerungen.
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Auch ist der Vortrag des Beklagten, dass die antisemitischen Beiträge in dem zwischen ihm und D. im Zeitraum vom 24. Oktober bis 25. November 2014 geführten Chat Nr. 66 (Vorwurf 2 der Disziplinarklage) im Hinblick auf innerdienstliche Begebenheiten gefallen seien, ohne dass eine grundlegend antisemitische Einstellung dahinter stehe, nachvollziehbar. Dass der Beklagte das Verhalten der Schutzpersonen als unzumutbar empfunden und teilweise subjektiv hierunter gelitten hat, ist auch aus den Chats erkennbar. Darüber hinaus hat der Beklagte geltend gemacht, in dieser Zeit sozial isoliert gewesen zu sein und außer D. keine wirklichen Freunde gehabt zu haben. Vor diesem Hintergrund ist es – wenngleich selbstredend objektiv nicht zu rechtfertigen – aus psychologischer Sicht zumindest erklärbar und im Ansatz nachvollziehbar, dass die vertraulichen Äußerungen dem Beklagten gerade wegen ihres inakzeptablen und tabuisierten Inhalts als Ventil dienten, um das Verhalten der beiden betreffenden Personen, das er nach außen hinzunehmen hatte und dem er sich nichts entgegenzusetzen traute, zu ertragen, sich abzureagieren und eine Mächtigkeit über sich selbst im Sinne einer Selbstwirksamkeit, Autonomie und Kontrolle zurückzugewinnen. Entgegen der Auffassung des Klägers kann daher nicht angenommen werden, dass der Beklagte die entsprechenden Äußerungen tatsächlich ernst gemeint hat, i.e. dass er sich ernsthaft gewünscht hätte, dass die Schutzperson vergast bzw. in ein Konzentrationslager verbracht werden solle oder dass er die Absicht hatte, in der Reichspogromnacht auf die Straße zu gehen. Zwar geht der Senat mit dem Kläger davon aus, dass es sich bei den in diesem Chat verwendeten Abkürzungen „SH“ und „HH“ um Codes für „Sieg Heil“ bzw. „Heil Hitler“ handelte; er hat aber nicht die Überzeugung gewonnen, dass die Verwendung dieser verfassungsfeindlichen Parolen Ausdruck eines Bekenntnisses des Beklagten zum Nationalsozialismus war. Vielmehr stellte sich die Verwendung dieser Abkürzungen vor dem Hintergrund des geschilderten Kontextes der Kommunikation und der Gefühls- und Motivlage des Beklagten als ein bewusstes Spielen mit dem Verbotenen dar, das dazu diente, die Schutzperson als „Vergeltung“ für ihr vom Beklagten als unzumutbar empfundenes Verhalten insgeheim herabzuwürdigen, ohne sich hierbei auf Personen jüdischen Glaubens im Allgemeinen zu beziehen, diese verächtlich zu machen oder den Nationalsozialismus ernsthaft verherrlichen oder wieder gesellschaftsfähig machen zu wollen.
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Der Senat verkennt nicht, dass diese Situation innerer Frustration, Isolation und Wut des Beklagten im Zeitraum von 13. Oktober 2017 bis 7. November 2018, in dem die dem Beklagten unter Anschuldigungspunkt 1a der Disziplinarklage zur Last gelegten Äußerungen und zustimmenden Reaktionen auf Äußerungen des D. im Chat Nr. 219 gefallen sind, nicht mehr fortbestand und dennoch eine verwerfliche Kommunikation sowie ein Austausch von online verfügbaren verfassungswidrigen Bildinhalten fortgeführt wurden. Die unter Rn. 45 getroffenen Feststellungen und Erwägungen treffen jedoch auch auf diese Kommunikation zu. Die seitens des Beklagten vorgetragene Angst vor dem Verlust der Freundschaft zu D. und das Bedürfnis nach Anerkennung durch diesen bildet ein nachvollziehbares Motiv für die aktive und passive Beteiligung an der in Rede stehenden, sich aufschaukelnden Kommunikation, aufgrund dessen nicht auszuschließen ist, dass der Beklagte den Inhalt der Postings nicht ernst gemeint hat. Für ein solches „Mitläufertum“ sprechen auch die teilweise wortkargen und wenig motivierten Antworten des Beklagten. Dies lässt sich auch mit dem Bild in Einklang bringen, das die Vorgesetzten des Beklagten in ihren über den Beklagten erstellten Persönlichkeitsbildern von ihm gezeichnet haben und das der Senat in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat. Die Vorgesetzten beschrieben den Beklagten als jemanden, der gern im Mittelpunkt stehe und stets Aufmerksamkeit und Bestätigung suche, so unter anderem durch die Übernahme zusätzlicher polizeilicher Aufgaben, wobei er es nur schwer akzeptieren könne, wenn er hierfür nicht ausgewählt werde. Auch wenn er als Polizeibeamter entschieden auftrete und gefestigt erscheine, zeichne er sich als Privatperson durch eine gewisse Labilität aus; möglicherweise habe ihn die fehlende Vielfalt an sozialen Kontakten dazu verleitet, sich mit seinem Freund und ehemaligen Streifenpartner in diese inhaltlich absolut verwerfliche Kommunikation hineinzusteigern. Dieses Bild hat sich in der mündlichen Verhandlung für den Senat bestätigt. So zeigt sich das Geltungsbedürfnis des Beklagten beispielsweise auch in der Weitergabe unzutreffender Informationen über den Fußballspieler … (s.u. Rn. 78 f.).
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Die dem Beklagten zur Last gelegten Nachrichten im Chat mit V. (Anschuldigungspunkt 9 der Disziplinarklage), die von ausländerfeindlichem Gedankengut geprägt und objektiv geeignet sind, Zuwanderer/Flüchtlinge pauschal verächtlich zu machen, können dem Kontext nach zumindest auch als deutlich überspitzte Kritik an der Flüchtlingspolitik der damaligen Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel, die zu dieser Zeit stark polarisiert hat, sowie als überzogene und überspitzt formulierte Reaktionen auf Vorkommnisse wie die verheerenden Terroranschläge an mehreren Orten in Paris am 13. November 2015 und die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln sowie auf vom Beklagten im Dienst festgestellte, von Ausländern begangene Straftaten verstanden werden. Die Nachrichten erfahren insoweit in Ansehung der Meinungsfreiheit und mit Blick auf die privat geführte Kommunikation grundrechtlichen Schutz (zum grundrechtlichen Schutz auch von „Hatespeech“ siehe im Überblick Kaiser, in: Dreier, GG, 4. Aufl. 2023, Art. 5 Abs. 1 Rn. 60, 148, 151). Zudem kann die Erklärung des Beklagten, er habe V., die aufgrund schlechter Erfahrungen mit Männern aus anderen Kulturkreisen diesen gegenüber eine ablehnende Haltung eingenommen habe, mit seinen Beiträgen beeindrucken wollen (Niederschrift über die Verhandlung vor dem VG, S. 3), nicht widerlegt werden. Vor diesem Hintergrund kann daher auch aus dieser Kommunikation nicht der zwingende Schluss gezogen werden, der Beklagte sehe Ausländer generell als minderwertig an.
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Insgesamt lassen die Postings des Beklagten als solche daher keinen zwingenden Rückschluss auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung zu
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Im Übrigen haben sich während des gesamten Verfahrens keine Anhaltspunkte für eine fehlende Verfassungstreue des Beklagten bzw. für eine ausländerfeindliche, nationalsozialistische oder antisemitische Einstellung ergeben. Die Vorgesetzten des Beklagten haben in vier zwischen August und November 2020 über ihn erstellten Persönlichkeitsbildern übereinstimmend geäußert, bislang nie fremdenfeindliche, rechtsradikale oder sonst herabwürdigende Verhaltensweisen gegenüber ausländischen Personen, mit denen der Beklagte dienstlich zu tun hatte, oder gegenüber Kollegen mit Migrationshintergrund beobachtet oder gemeldet erhalten zu haben. Der Beklagte mache in seinem stets kommunikativen, höflichen und korrekten, aber auch verständnisvollen Auftreten gegenüber Beschuldigten oder Zeugen keine Unterschiede hinsichtlich der Herkunft oder sozialen Stellung des Gegenübers; so habe sich kürzlich ein türkischer Arzt für die menschliche und höfliche Art, die ihm der Beklagte als verantwortlicher Sachbearbeiter bei einer Durchsuchung entgegengebracht habe, bedankt. Die dem Beklagten vorgeworfene Kommunikation passe aus Sicht der Vorgesetzten nicht zu dem im Dienst gezeigten Verhalten. Weder in dienstlichem Zusammenhang noch in privaten Erzählungen seien rechtsradikale bzw. antisemitische Äußerungen oder Aussagen gefallen, die an der Haltung des Beklagten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung Zweifel aufkommen ließen.
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Ein weiteres Indiz dafür, dass der Beklagte während des Tatzeitraums kein der freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenstehendes Gedankengut verinnerlicht hatte, lässt sich der Schilderung eines polizeilichen Einsatzes des Beklagten im April 2016 entnehmen, der der Kläger ausdrücklich nicht widersprochen hat: Der Beklagte habe einem syrischen Flüchtling, der von einem irakischen Flüchtling vor den Augen des Beklagten niedergeschossen worden sei, erste Hilfe geleistet, indem er seinen Finger auf und in die Schussverletzung gesteckt habe, um den Blutverlust zu stoppen. Schließlich habe der Beklagte das Opfer im Laufe des Schusswechsels durch die Schusslinie des Täters gezogen, um ihn einer schnellen notärztlichen Versorgung in der Nebenstraße zuzuführen. Dabei hätte auch die Schutzweste des Beklagten eine lebensbedrohliche Verletzung durch den Täter nicht verhindern können, da dieser eine Magnum mit dem Kaliber .354 benutzt habe, deren Projektil ohne Probleme seine Schutzweste durchschlagen hätte. Von jemandem, der sich vom Menschenbild des Grundgesetzes gelöst hätte und rassistisches Gedankengut überzeugt verträte, wäre ein besonders risikobereiter Rettungseinsatz zugunsten einer geflüchteten Person nicht unbedingt zu erwarten. Diese Schlussfolgerung ist zwar nicht zwingend, denn eine besonders engagierte Dienstausübung kann auch von dem taktischen Motiv getragen sein, beurteilungsrelevante „Pluspunkte“ zu sammeln. Gerade vor dem Hintergrund des eingegangenen Risikos einer eigenen erheblichen Verletzung erscheint die Sichtweise, dass ein Beamter, der tatsächlich eine fremdenfeindliche Einstellung hätte, sich nicht in der beschriebenen Weise verhalten würde, aber deutlich näherliegender.
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Auch das Verwaltungsgericht und der Senat haben in der jeweiligen mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck gewonnen, dass es sich beim Beklagten um einen Antisemiten, Ausländerfeind oder sonstigen Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung handelt. So hat er beispielsweise authentisch und durchaus emotional geschildert, dass er die jüdischen Feiertage mitgefeiert und mit jüdischen Mitbürgern „eine mords Gaudi“ gehabt habe. Was für ihn im beruflichen Kontext der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bedeutet, hat er in einfachen Worten erklärt, die nicht auswendig gelernt wirkten.
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Ebenso hat die Auswertung der beschlagnahmten Speichermedien ergeben, dass er sich nicht im rechten Spektrum bei entsprechenden Vereinigungen engagiert oder sonst extremistische Bestrebungen unterstützt hat. Außerdem waren keinerlei Veröffentlichungen mit ausländerfeindlichem, nationalsozialistischem oder antisemitischem Inhalt – beispielsweise in sozialen Medien – auf seinen Geräten gespeichert.
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Zudem hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht glaubhaft bekundet, dass er den Kontakt zu D. und V. inzwischen abgebrochen hat, weil er mit deren Einstellung und Äußerungen nicht einverstanden war. Die Chats mit D. hatte er von seinem Mobiltelefon bereits gelöscht; sie waren lediglich noch als automatische Datensicherung auf dem Notebook vorhanden. Etwa Ende 2018/Anfang 2019 hat er ein Gespräch mit D. geführt und ihn gebeten, Posts mit nationalsozialistischen Inhalten zu unterlassen. Auch ist er in einem dienstlichen Gruppenchat mit Kollegen mit einer Nachricht vom 20. März 2020 und damit vor Einleitung des Disziplinarverfahrens dem Einstellen anstößiger Posts entgegengetreten und hat angesichts des auch dienstlichen Charakters des Chats zu Besonnenheit und Mäßigung aufgerufen. Auch wenn der Kläger darauf hinweist, dass insbesondere das Gespräch mit D. wohl unter dem Eindruck eines zu dieser Zeit aufkommenden Chatskandals innerhalb des Unterstützungs- und Sondereinsatzkommandos der Münchner Polizei erfolgt und der Beklagte deswegen entsprechend gewarnt gewesen sei, geschah dies dennoch aus eigenem Antrieb, da weder gegen den Beklagten noch gegen den Kollegen D. ein Verfahren eingeleitet war und nicht anzunehmen ist, dass der Beklagte zu diesem Zeitpunkt insoweit konkreten Anlass zu entsprechenden Befürchtungen hatte.
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Schließlich ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Beklagte mit einer Weiterverbreitung und Verwendung der von ihm geposteten Bilder zu verfassungsfeindlichen Zwecken rechnete oder rechnen musste, so dass sich sein Verhalten auch nicht als ein Unterstützen verfassungswidriger Bestrebungen „nach außen hin“ mit der Folge eines Verstoßes gegen die Pflicht zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 2. Alt. BeamtStG darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 44; BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 28 m.w.N.; U.v. 18.6.2020 – 2 WD 17.19 – juris Rn. 39 f.; U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 83; HessVGH, B.v. 30.6.2023 – 28 E 803/23.D – juris Rn. 103). Nach alldem kann ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht, der im Rahmen der Abwägung zwischen dem Schutz der Meinungsfreiheit und der Vertraulichkeit der Kommunikation des Beamten und dem öffentlichen Interesse an der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung dazu führen würde, dass Letzterem der Vorrang zu geben wäre, nicht festgestellt werden.
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2.2 Durch seine Äußerungen im Chat mit A. und die widerspruchslose Hinnahme dessen verfassungsfeindlicher Äußerungen hat der Beklagte außerdienstlich gegen die Pflicht verstoßen, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Zugleich begründet dieses Verhalten einen Verstoß gegen die Pflicht zur unparteiischen Amtsführung (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
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2.2.1 Ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht ist hierin hingegen ebenfalls nicht zu sehen. Dem Beklagten kann nicht nachgewiesen werden, dass er durch das Unterlassen einer entschiedenen, ablehnenden Reaktion auf das Plädoyer des A., Dachau bzw. ein anderes Konzentrationslager wieder zu eröffnen, sowie mit seinen eigenen Äußerungen eine politische Überzeugung im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie oder einer generell ausländerfeindlichen Einstellung kundgetan bzw. dokumentiert hat (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.2001 – 1 DB 15.01 – juris Rn. 31). Ein objektiv eindeutig verfassungsfeindlicher Inhalt kommt den Äußerungen des Beklagten bzw. seiner unterlassenen Reaktion ebenfalls nicht zu.
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Die Äußerung des Beklagten „Die Leute sind zu dumm um es zu verstehen. 99% der Einsätze waren bei Alis etc.…“ bezog sich auf Einsätze am Nachmittag des 18. oder 19. März 2020 im Rahmen der Kontrolle der Einhaltung von ab dem 18. März 2020 geltenden Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Veranstaltungsverbote und Betriebsuntersagungen von Gaststätten und Ladengeschäften, vgl. https://www.bayern.de/corona-pandemie-bayern-ruft-den-katastrophenfall-aus-veranstaltungsverbote-und-betriebsuntersagungen/), wofür der Beklagte sich am 18. März 2020 auf einen Aufruf hin gemeldet hatte. Eine klare Aussage dahingehend, der Beklagte sei Ausländern gegenüber generell ablehnend bzw. feindlich gesinnt, lässt sich dem Posting daher nicht entnehmen. Gleiches gilt für die Äußerung „vernünftig wäre es, wirklich“. Zwar erfolgte diese als Antwort auf die Nachrichten des A. „brauchen ein Konzentrationslager“ und „Die Leute konzentrieren sich zu wenig“; sie kann jedoch nicht ausschließbar auch als sich auf das ursprünglich geäußerte Petitum des Beklagten beziehend, eine radikale Ausgangssperre zu verhängen, verstanden werden.
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Auch die Tatsache, dass der Beklagte der Aussage des A., man brauche ein Konzentrationslager, nicht entgegengetreten ist, sondern hierauf durch eine zumindest zweideutige Äußerung reagiert hat, ist nicht von derart erheblichem Gewicht, dass bereits von einem Verstoß gegen die politische Treuepflicht gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 2. Alt. BeamtStG auszugehen wäre (vgl. BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 28; BVerfG, B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – juris Rn. 45; B.v. 6.5.2008 – 2 BvR 337/08 – juris Rn. 31). Wenngleich die Äußerung außerhalb einer Vertrauensbeziehung stattfand, erfolgte sie in einem rein bilateralen, per se für niemanden einsehbaren Chat, so dass ein Unterstützen verfassungsfeindlicher Bestrebungen „nach außen hin“ (vgl. BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 44; U.v. 18.6.2020 – 2 WD 17.19 – juris Rn. 39 f.; U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 –, juris Rn. 83; HessVGH, B.v. 30.6.2023 – 28 E 803/23.D – juris Rn. 103) noch nicht angenommen werden kann. Jedenfalls erreicht die einmalige fehlende Distanzierung von einer vereinzelten verfassungsfeindlichen Äußerung in einem 1/1-Chat nicht die Qualität einer Unterstützungshandlung von gegen die geltende Verfassungsordnung gerichteten Bestrebungen.
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2.2.2 Allerdings hat der Beklagte hierdurch gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG in der von 7. Dezember 2018 bis 6. Juli 2021 geltenden Fassung und gegen die Pflicht zur unparteiischen Amtsführung (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) verstoßen und dadurch ein Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG begangen. Auch wenn die Äußerungen des Beklagten sowie der Umstand, dass er den verfassungsfeindlichen Äußerungen des A. nicht entgegengetreten ist, nicht als Betätigung einer verfassungsfeindlichen Einstellung des Beklagten oder als Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen gesehen werden können, hat er den diesbezüglichen Anschein erweckt und damit Zweifel an seiner unparteiischen Amtsführung begründet. Im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft sind Beamte gehalten zu vermeiden, dass sie durch ihr außerdienstliches Verhalten in vorhersehbarer und daher zurechenbarer Weise den Anschein setzen, sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren oder auch nur mit ihm zu sympathisieren. Denn im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns sind sie verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Vereinigungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine disziplinarrechtlich bedeutsame Dienstpflichtverletzung dar. Pflichtwidrig handelt also auch der, der zwar kein Gegner der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, durch konkretes Handeln aber diesen Rechtsschein hervorruft (BVerwG, B.v. 17.5.2001 – 1 DB 15.01 – juris Rn. 36). Auch aus § 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG folgt das an den Beamten gerichtete Gebot, sich nicht in einer die Besorgnis der Parteilichkeit begründenden Weise zu verhalten. Es dürfen keine Zweifel an seiner unparteiischen Amtsführung entstehen. Eine Besorgnis der Parteilichkeit ist dann angezeigt, wenn objektive Gründe vorliegen, die aus Sicht eines vernünftigen Betrachters Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Beamten erregen. Maßgeblich ist insoweit nicht, ob er tatsächlich parteiisch ist und dem Gerechtigkeitsgebot zuwiderhandelt. Vielmehr genügt insoweit der „böse Schein“, weil bereits dieser geeignet ist, das Vertrauen in eine gerechte und unparteiische Amtsführung nachhaltig zu erschüttern (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2001 – 1 D 55.99 – juris Rn. 41 f.).
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Das außerdienstliche Verhalten des Beklagten kann aus der Sicht eines unbefangenen Betrachters den Eindruck hervorrufen, dass er die Methoden des nationalsozialistischen Staates befürworte, und Zweifel daran entstehen lassen, dass er als Polizeivollzugsbeamter seinen dienstlichen Aufgaben, zu denen die Verhütung von Straftaten und die Abwehr drohender Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung gehört, unbefangen und zum Wohle der Allgemeinheit nachkommen wird und dass er im Rahmen seiner Amtsführung Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit jüdischem Glauben unparteiisch und gerecht gegenübertreten wird. Ein solches Verhalten ist geeignet, das Ansehen der Polizei – aber darüber hinaus auch das Vertrauen der Allgemeinheit in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung – zu erschüttern, weil die Öffentlichkeit den Eindruck gewinnen kann, die Polizei verfahre gegenüber dem entsprechenden Personenkreis nicht unvoreingenommen. Es indiziert einen Persönlichkeitsmangel, der Anlass zu Zweifeln an seiner Eignung gibt, der einem Polizeivollzugsbeamten auf jedem Dienstposten obliegenden Dienstpflicht, seine Aufgaben auf den Grundprinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erfüllen, gerecht zu werden (BVerwG, B.v. 21.12.2010 – 2 B 29.10 – juris Rn. 8). Da der Beklagte den A. ausweislich seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht gut kannte und überdies nicht besonders mochte, konnte er auch nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass es sich bei dessen Äußerung um einen Witz handelte; jedenfalls war von ihm als Polizeibeamten zu erwarten, dass er dieser verfassungsfeindlichen Äußerung entschieden entgegentritt. Stattdessen hat er hierauf mit einer zweideutigen Antwort reagiert, was nicht hingenommen werden kann. Schließlich konnte der Beklagte, wenngleich die Äußerungen im Rahmen einer geschlossenen, bilateralen Unterhaltung gefallen sind, mangels eines Vertrauensverhältnisses zu A. nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass diese niemals nach außen dringen würden. Damit hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG begangen.
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2.3 Durch die Weitergabe von Erkenntnissen aus der polizeilichen Sachbearbeitung in vier Fällen (Vorwürfe 3 bis 6) hat der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen, indem er gegen die Gehorsamspflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG a.F. bzw. § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG n.F.) i.V.m. Nr. 2.7.2 der EDV-Rahmenrichtlinie für die Bayerische Polizei vom 1. März 2001, wonach die Nutzung dienstlicher EDV-Anlagen etc. für private Zwecke und die unbefugte Weitergabe dienstlicher Daten unzulässig sind, verstoßen hat. Darüber hinaus hat er hierdurch die Pflicht zur Verschwiegenheit aus § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sowie die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 34 Satz 3 BeamtStG in der im Zeitpunkt des jeweiligen Verstoßes geltenden Fassung verletzt. Soweit die Weitergabe an Kollegen aus der Polizei bzw. der Justiz erfolgte, wie dies bei Anschuldigungspunkt 3 und 6 sowie teilweise bei Anschuldigungspunkt 4 der Fall war, bestand jeweils kein dienstlicher Anlass. Anschuldigungspunkt 5 (Weitergabe von Inhalten eines polizeilichen Datenbestandes zu einer beim Cousin des Beklagten durchgeführten Blutentnahme an seine Tante) erfüllt zudem den Straftatbestand der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht nach § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB; insoweit liegt ein Verstoß gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze vor. Die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 153a Abs. 1 StPO ändert hieran nichts.
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3. Die inner- und außerdienstlichen Pflichtenverstöße führen nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens zu einer Ahndung durch eine einheitliche Disziplinarmaßnahme (BVerwG, B.v. 6.6.2013 – 2 B 50.12 – juris Rn. 14). Im Rahmen der dem Gericht obliegenden Maßnahmebemessung ist die Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Kriminalobermeisters (Besoldungsgruppe A 8) geboten.
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3.1 Welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, richtet sich nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten. Aus den gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung, die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu bestimmen. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Sicherung der Funktion des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten.
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Bei der Gesamtwürdigung sind die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen nach Maßgabe des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 56 BayDG zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Das bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist.
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Ein endgültiger Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (vgl. zu Vorstehendem BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 46 bis 48).
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3.2 Den Ausgangspunkt der Erwägungen zur Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme bildet vorliegend der Geheimnisverrat nach § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB als schwerste Verfehlung (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.2021 – 2 B 12.21 – juris Rn. 12). Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den festzustellenden Strafrahmen zurück und folgt damit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 19 f.; B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 14). Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren – hier sind es bis zu fünf Jahre – vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 22).
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Wegen der großen Spannbreite der Verhaltensweisen hinsichtlich einer derartigen Pflichtverletzung lassen sich feste Regeln für eine Disziplinarmaßnahme indes nicht aufstellen. Die in § 37 BeamtStG normierte Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gehört zu den Hauptpflichten des Beamten. In der Verletzung des Amtsgeheimnisses ist ein schwerwiegender Treuebruch zu sehen, der geeignet ist, die Vertrauenswürdigkeit eines Beamten in Frage zu stellen. Je nach der Bedeutung der vertraulich zu behandelnden amtlichen Vorgänge und dem Grad des Verschuldens kann ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht aber unterschiedliches disziplinarisches Gewicht haben (BVerwG, U.v. 19.5.1998 – 1 D 37.97 – juris Rn. 16).
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Vorliegend kommt der Straftat des Geheimnisverrats zusammen mit den übrigen Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht (Anschuldigungspunkte 3 bis 6) disziplinarrechtlich insgesamt mittelschweres Gewicht zu, so dass die Kürzung der Dienstbezüge den Ausgangspunkt der Zumessung bildet. Die zum Fußballspieler … weitergegebenen Erkenntnisse haben den polizeilichen Bereich nicht verlassen und waren nicht besonders sensibel. Über die Erkenntnisse zum Fußballspieler … wurde ohnehin am selben Tag bereits in einer großen Tageszeitung berichtet, weshalb die Staatsanwaltschaft den Straftatbestand des Verrats eines Geheimnisses nicht als erfüllt ansah. Die Weitergabe des Ergebnisses der bei einer Verkehrskontrolle durchgeführten Blutentnahme bei einem Cousin des Beklagten (BAK: 0,44 Promille) an die Tante erfolgte im engen Familienkreis und blieb für das weitere Verfahren ohne Folgen. Eine Gefährdung der polizeilichen Aufgabenerfüllung ist nicht festzustellen, da eine Ordnungswidrigkeit letztlich nicht vorlag und der Beschuldigte das Ergebnis der Blutuntersuchung zeitnah auch im Rahmen einer Akteneinsicht oder einer Auskunftserteilung hätte erfahren können. Bei der Übersendung eines Screenshots aus einer Polizeiakte an eine Staatsanwältin wurde der polizeiliche/staatsanwaltschaftliche Ermittlungsapparat ebenfalls nicht verlassen.
69
Andererseits handelt es sich, wenngleich sich nur eine der Dienstpflichtverletzungen als strafbares Verhalten darstellt, doch um vier Fälle der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht in etwa dreieinhalb Jahren, was verdeutlicht, dass der Beklagte dieser Kernpflicht bislang nicht den ihr zukommenden Stellenwert beigemessen hat. In zwei Fällen (Vorwürfe 4 und 5) wurden die Erkenntnisse an Personen außerhalb des Polizei- und Justizbereichs weitergegeben. Dies hat zu einer erheblichen Vertrauensbeeinträchtigung geführt.
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Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDG steht einer disziplinaren Ahndung nicht entgegen. Zwar darf danach eine Kürzung der Dienstbezüge nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten oder das Ansehen des Berufsbeamtentums zu wahren. Dies ist vorliegend – unabhängig davon, dass die in Rede stehenden Pflichtverletzungen wegen des Vorliegens eines weiteren Dienstvergehens eine statusberührende Disziplinarmaßnahme erfordern (s. sogleich) – der Fall, da nur einer der vier Verstöße gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit mit einer Geldauflage geahndet wurde.
71
3.3 Da der Beklagte darüber hinaus durch seine Äußerungen im Chat mit A., mit denen er insbesondere dessen Aussage zur Notwendigkeit der Wiedereinrichtung eines Konzentrationslagers nicht entgegengetreten ist, seine Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten verletzt hat, erscheint die Kürzung der Dienstbezüge nicht mehr ausreichend, um den Beklagten zu einer künftigen beanstandungsfreien Dienstausübung anzuhalten. Auch das in ihn gesetzte Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit hat durch das Dienstvergehen insgesamt eine nachhaltige Erschütterung erfahren.
72
Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine dienstliche Belastungssituation insoweit nicht vorlag. Der Beklagte war nur an einem einzigen Nachmittag mit der Kontrolle der Corona-Schutzmaßnahmen befasst und hatte daher keinen nachvollziehbaren Anlass, sich – noch dazu gegenüber einer Person außerhalb des polizeilichen Bereichs, mit der er kaum bekannt war und der er in keiner Weise nahestand – derart abfällig in Bezug auf Personen mit Migrationshintergrund zu äußern. Die zweideutige Äußerung als Reaktion auf die Forderung des A. nach einer Wiedereröffnung von Konzentrationslagern „vernünftig wäre es, wirklich“ ist nicht zu rechtfertigen; vielmehr war insoweit, wie bereits ausgeführt, eine klare Positionierung des Beklagten angezeigt.
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3.4 Die Würdigung der Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und der sonstigen Umstände gebieten keine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme.
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3.4.1 Zu Gunsten des Beklagten ist das hinsichtlich Leistung, Motivation und Identifikation mit dem Beruf außerordentlich positive Persönlichkeitsbild zu berücksichtigen, das seine vier Vorgesetzten von ihm zeichnen. Sie bescheinigen ihm eine sehr pflichtbewusste Einstellung zum Polizeiberuf, Zuverlässigkeit, eine hohe Einsatzbereitschaft und großes Engagement, das sich in der stetigen Bereitschaft zur Übernahme von Zusatzaufgaben manifestiere. Auch bei kniffligen Situationen finde er immer wieder gute und spontane Lösungen. Sein Verhalten gegenüber Kollegen, Vorgesetzten und Bürgern sei tadellos gewesen; er sei freundlich, zuvorkommend, hilfsbereit und ein echter Teamplayer. In der gesamten Zeit, in der der Beklagte bei dem betreffenden Kriminalfachdezernat eingesetzt gewesen sei, sei keine einzige Beschwerde eingegangen.
75
Des Weiteren führen die Vorgesetzten aus, der Beklagte habe zumindest im Laufe des Disziplinarverfahrens auch die nötige Selbstreflexion erkennen lassen und habe realisiert, dass die Äußerungen und Konversationen in den Chats nicht mit den Werten eines Polizeibeamten vereinbar sind. Diesen Eindruck hat auch der Senat in der mündlichen Verhandlung gewonnen, so dass prognostisch davon ausgegangen werden kann, dass die ausgesprochene Zurückstufung zwar erforderlich, aber auch ausreichend ist, um den Beklagten zu einer künftig beanstandungsfreien Führung seines Amtes anzuhalten.
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3.4.2 Andererseits haben die Vorgesetzten den Beklagten wie bereits ausgeführt auch als jemanden beschrieben, der gern im Mittelpunkt stehe, stets Aufmerksamkeit und Bestätigung suche und sich als Privatperson durch eine gewisse Labilität auszeichne. Dieser Persönlichkeitszug hat die begangenen Dienstpflichtverletzungen wesentlich begünstigt und sich darüber hinaus in einem weiteren zu beanstandenden Verhalten gezeigt.
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Für die Beurteilung des Persönlichkeitsbildes können auch Feststellungen zu Verhaltensweisen des Beamten getroffen werden, die nicht Gegenstand des zur Last gelegten Dienstvergehens sind (vgl. BVerwG, B.v. 28.6.2010 – 2 B 84.09 – juris Rn. 14; OVG NW, U.v. 23.10.2019 – 3d A 3489/18.O – juris Rn. 225 f.). In diesem Zusammenhang ist zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen, dass er in Bezug auf den Fußballspieler … über die ihm in der Disziplinarklage vorgeworfene Weitergabe polizeilicher Erkenntnisse hinaus auch unzutreffende Informationen verbreitet hat, um sich „wichtig zu machen“ (so seine Angabe in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, Niederschrift S. 3). Der Beklagte hat in einen bilateralen Chat mit einem Bekannten oder Verwandten, der kein Polizeibeamter ist, am 10. März 2016 eine unzutreffende Information dahingehend eingestellt, es habe sich herausgestellt, dass der Fußballspieler … auch noch Koks im Blut hatte, was die Öffentlichkeit nicht wisse. In einem weiteren Chat mit einem Polizeibeamten spricht er am 13. November 2015 ausdrücklich von Koks. Schließlich führte er in einem Chat mit „Dad“ am 28. November 2015 aus, er habe gerade das Gutachten zu … bekommen – Kokain sei auch im Blut gewesen. Tatsächlich lässt sich den polizeilichen Akten, insbesondere dem chemisch-toxikologischen Gutachten, gerade nicht entnehmen, dass bei der betreffenden Blutuntersuchung Kokain festgestellt worden wäre.
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Dies erfüllt den objektiven Tatbestand des § 186 StGB. Hierfür genügt die Weitergabe der unzutreffenden Information an nur eine Person. Die Tatsache, dass jemand harte Drogen nimmt und damit gegen die (Straf-)Rechtsordnung verstößt, ist geeignet, diesen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (abstraktes Gefährdungsdelikt; der Erfolg muss nicht eingetreten sein). Schließlich hat der Beklagte im Hinblick auf die Unwahrheit der behaupteten Tatsache zumindest sorgfaltswidrig gehandelt. Denn er hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er habe „einfach etwas rausgehauen“, sei nicht Sachbearbeiter dieses Falles gewesen und kenne das Gutachten nicht (Niederschrift S. 3).
79
Wenngleich die Weitergabe unzutreffender Informationen nicht Gegenstand der Disziplinarklage ist – diese wirft dem Beklagten ausdrücklich nur die Weitergabe „detaillierter Informationen zu diesem Vorgang“ vor –, kann dieser Sachverhalt als Erschwerungsgrund berücksichtigt werden. Art. 58 Abs. 2 Satz 1 BayDG steht einer Berücksichtigung nicht entgegen. Denn ein dem Gericht – etwa durch die Behördenakten oder im Rahmen einer Beweiserhebung – bekannt gewordener schuldhafter Verstoß gegen Dienstpflichten, der dem Beamten nicht in der Disziplinarklageschrift als Tatvorwurf zur Last gelegt wird, kann jedenfalls dann im Rahmen der Maßnahmebemessung nach Art. 14 BayDG, die anhand aller bemessungsrelevanten be- und entlastenden Gesichtspunkte vorzunehmen ist, berücksichtigt werden, wenn sein Gewicht erheblich hinter dem angeschuldigten Dienstvergehen zurückbleibt (BVerwG, B.v. 9.10.2014 – 2 B 60.14 – juris Rn. 22). Die dargestellten leichtfertigen und in der Sache unzutreffenden Äußerungen, die in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den angeschuldigten Vorwürfen stehen und deren Hinter- und Beweggrund in dem Geltungsbedürfnis des Beklagten und der Suche nach Anerkennung zu sehen ist, sind Ausdruck einer mangelnden emotionalen Festigkeit und Selbstkontrolle, die wichtige persönliche Voraussetzungen für die Ausübung des Amtes eines Polizeibeamten darstellen.
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3.4.3 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der langen Verfahrensdauer und der mehr als viereinhalb Jahre andauernden vorläufigen Dienstenthebung, die den Beklagten psychisch stark belastet haben und derentwegen er sich nach eigenen Angaben in psychologische Behandlung begeben musste, spricht der Senat eine Zurückstufung in das nächst niedrigere Amt aus (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 44 m.w.N.). Diese hält er zur erzieherischen Einwirkung auf den Beklagten für ausreichend, zugleich aber auch für geboten und verhältnismäßig.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus Art. 72 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
82
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).