Titel:
Streitbeschwerde auf Erhöhung des Streitwerts bei baurechtlichem Nachbarantrag
Normenkette:
GKG § 52 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Einwand, der Streitwertkatalog aus dem Jahr 2013 sei veraltet, genügt nicht, einen höheren Streitwert anzusetzen, da es sich beim Streitwertkatalog um eine Empfehlung handelt und es im Ermessen des Gerichts steht, dem zu folgen, so dass ein Abweichen möglich ist, wenn Besonderheiten des Einzelfalles dies erfordern. Der vorgeschlagene Rahmen bietet regelmäßig ausreichend Spielraum, um der Bedeutung der Sache gerecht zu werden. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Festsetzung bei einem baurechtlichen Nachbarantrag erfolgt nach dem Maß der geltend gemachten Beeinträchtigungen, die der Kläger bzw. der Antragsteller abwehren will, und den Rechtsgütern, die geschützt werden sollen, nach Ermessen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Arbeits- und Begründungsaufwand des Verwaltungsgerichts kann bei der Streitwertfestsetzung nicht berücksichtigt werden und hat mit dem maßgeblichen Abwehrinteresse eines Antragstellers nichts zu tun. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwertbeschwerde im eigenen Namen, Nachbarantrag, Erweiterung eines Unternehmens mit mehreren Gebäuden, Streitwert, Streitwertbeschwerde, Erhöhung, baurechtlicher Nachbarantrag, einstweiliger Rechtsschutz, Bedeutung der Sache, Streitwertkatalog 2013, Ermessen, Abwehrinteresse, Arbeitsaufwand
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 14.04.2025 – Au 5 S 25.376
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13948
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
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Die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin – nach Auslegung der Formulierung und im Hinblick auf eine Unzulässigkeit der Beschwerde der Klägerin (vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2021 – 11 C 21.1420 – juris Rn. 3) – in eigenem Namen eingelegte Beschwerde (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 68 Abs. 1 GKG), mit der eine Erhöhung des Streitwerts für den Nachbarantrag auf vorläufigen Rechtsschutz betreffend die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Erweiterung eines Unternehmens zur Produktion von Schnellwechselsystemen für Bagger und andere Maschinen um einen Frontbau für Büroräume und Showbereich, eine Montage-, Produktions- und Logistikhalle, eine Verbindungshalle und einem Anbau an eine bestehende Halle begehrt wird, ist zulässig aber unbegründet. Über die Streitwertbeschwerde entscheidet der Senat, weil der angegriffene verwaltungsgerichtliche Beschluss von der Kammer als Spruchkörper, nicht aber vom Einzelrichter oder Berichterstatter erlassen wurde (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 GKG).
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Das Begehren, den Streitwert von 5.000 Euro auf 30.000 Euro zu erhöhen, hat keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Entscheidung zutreffend auf § 52 Abs. 1 GKG abgestellt. Danach ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag eines Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Es entspricht allgemeiner gerichtlicher Übung, bei der Ausübung des Ermessens auf die Empfehlungen des von der Streitwertkommission erarbeiteten Streitwertkatalogs – derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013, abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022) – zurückzugreifen (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2023 – 15 C 23.161 – juris Rn. 8). In baurechtlichen Nachbarklagen gegen die Baugenehmigung von Einzelbauvorhaben, in denen es nicht um den Wert oder die Kosten eines Bauvorhabens, sondern um die Geltendmachung von Nachbarrechten geht, empfiehlt Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 einen Streitwertrahmen von 7.500 Euro bis 15.000 Euro, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist regelmäßig die Hälfte des danach zu ermittelnden Betrages als Streitwert anzusetzen (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013).
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Der Einwand des Bevollmächtigten der Antragstellerin, der Streitwertkatalog aus dem Jahr 2013 sei veraltet, genügt nicht, einen höheren Streitwert anzusetzen. Abgesehen davon, dass es sich beim Streitwertkatalog um eine Empfehlung handelt und es im Ermessen des Gerichts steht, dem zu folgen (vgl. Vorbem. Nr. 3 des Streitwertkatalogs 2013), so dass ein Abweichen möglich ist, wenn Besonderheiten des Einzelfalles dies erfordern (vgl. OVG Saarl, B.v. 12.5.2022 – 2 E 28/22 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 26.8.2013 – 2 C 13.1483 – juris Rn. 3), bietet der vorgeschlagene Rahmen regelmäßig ausreichend Spielraum, um der Bedeutung der Sache gerecht zu werden. Die Festsetzung erfolgt nach dem Maß der geltend gemachten Beeinträchtigungen, die die Klägerin – hier die Antragstellerin – abwehren will, und den Rechtsgütern, die geschützt werden sollen, nach Ermessen (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.1994 – 4 B 188.94 – juris Rn. 5). Dabei kommt es auf eine objektive Beurteilung an (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 1 C 18.2435 – juris Rn. 3)
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Zu berücksichtigen ist, dass das objektive Interesse eines Nachbarn an der Abwehr von Beeinträchtigungen eines Bauvorhabens in der Regel nicht bezifferbar ist. Hier zielt die Antragstellerin im Wesentlichen auf eine Verhinderung des Bauvorhabens in Bezug auf die Ausmaße der einzelnen Baukörper sowie (Verkehrs-) Lärmimmissionen, was dem Regelinteresse entspricht (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2025 – 9 C 24.362 – juris Rn. 9). Der in Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 angegebene Rahmen erlaubt für den Regelfall eine praktikable Handhabung der Streitwertfestsetzung, vermeidet bei einer Nebenentscheidung nicht angemessenes, umständliches Differenzieren und macht das Prozessrisiko für die Beteiligten überschaubar (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2023 – 15 C 23.161 – juris Rn. 9). Letzteres gilt in besonderem Maße für den betroffenen Nachbarn und ist hier – wie gerade die Beschwerde des Bevollmächtigten der Antragstellerin in eigenem Namen deutlich macht – von besonderer Bedeutung.
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Zwar liegt Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs die Bebauung des Nachbargrundstücks mit einem Wohngebäude zugrunde (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2023 – 15 C 23.161 – juris Rn. 9 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat allerdings deshalb im Hinblick auf die hier im Hauptsacheverfahren angefochtene Baugenehmigung vom 31. Januar 2025 der Beigeladenen zur Standorterweiterung ihres Unternehmens um mehrere Gebäude bzw. Hallen einen höheren Streitwert als den unteren Rahmenwert für angemessen erachtet. Dies ist nicht zu beanstanden, zumal die vom Bevollmächtigen der Antragstellerin angeführten Baukosten nicht relevant sind (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2023 a.a.O.). Gleiches gilt für eine möglicherweise eintretende Wertminderung, da diese kein Maßstab für die Zumutbarkeit von Beeinträchtigungen ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2015 – 9 C 24.362 – juris Rn. 9). Unabhängig davon, dass im Beschwerdevorbringen schon keine konkreten Anhaltspunkte für die Bemessung eines höheren wirtschaftlichen Schadens dargelegt werden, und eine wirtschaftliche Entwertung rein spekulativ behauptet wird, kann ein höherer wirtschaftlicher Schaden deswegen auch nicht mit dem vom Bevollmächtigten der Antragstellerin allein behaupteten Wertverlust des Grundstücks der Antragstellerin begründet werden. Schließlich kann der angeführte Arbeits- und Begründungsaufwand des Verwaltungsgerichts bei der Streitwertfestsetzung nicht berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2015 – 9 KSt 2.15 – juris Rn. 3) und hat mit dem maßgeblichen Abwehrinteresse der Antragstellerin nichts zu tun (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2022 – 9 C 19.1873 – juris Rn. 4).
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Kosten der Beteiligten werden gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet. Demnach erübrigt sich auch die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).