Inhalt

VGH München, Urteil v. 05.05.2025 – 13 A 25.207
Titel:

Qualifizierung als Zusage

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2, § 43 Abs. 2 S. 1, § 55a, § 55d, § 67 Abs. 4 S. 4, § 106
FlurbG § 1, § 4, § 37, § 140, § 141
BGB § 133
Leitsätze:
Die Klägerinnen haben einen Rechtsanspruch auf Änderung der baulichen Gestaltung des Brunnens vor ihrem Anwesen gemäß der Zusage der Beklagten vom 28. Oktober 2022. (Rn. 24, 31, 32)
Unter einer (nicht formgebundenen) Zusage ist die bindende Selbstverpflichtung einer Behörde zu einem künftigen Tun oder Unterlassen gegenüber dem Erklärungsempfänger durch Abgabe einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung zu verstehen. Die Qualifizierung als Zusage hängt davon ab, ob die Erklärung eine solche Selbstverpflichtung oder aber eine unverbindliche Auskunft oder Prognose enthält. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Flurbereinigungsverfahren, Umgestaltung eines Brunnens, Allgemeine Leistungsklage, Zusage aus einem Gerichtsverfahren, Auslegung, Gerichtlicher Vergleich (verneint), Flurbereinigung, allgemeine Leistungsklage, Hinterlegung, Zufahrt, Zusage, Selbstverpflichtung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13934

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, den Brunnen auf Flurstück 40/2 vor dem Anwesen der Klägerinnen so umzugestalten, dass an der nordöstlichen Seite die Fläche außerhalb der früheren Brunnenabdeckung wieder befahrbar wird. Dies erfordert eine Entfernung des Pflanztrogs und des ersten östlichen Sitzsteins.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 30 Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Klägerinnen sind in Rechtsnachfolge Teilnehmerinnen des mit Beschluss vom 20. Juni 2005 nach §§ 1, 4 und 37 FlurbG angeordneten Verfahrens M.-P. Sie begehren die Umgestaltung eines von der Beklagten im Zuge des Verfahrens vor ihrem Anwesen errichteten Gemeindebrunnens.
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1. Der Vorstand der beklagten Teilnehmergemeinschaft M.-P. (TG) beschloss am 11. Juni 2013 den Flurbereinigungsplan Teil l. Das Amt für ... (ALE) ordnete für das Verfahren mit Wirkung zum 4. November 2013 die vorläufige Besitzeinweisung an.
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Der Rechtsvorgänger der Klägerinnen wandte sich in der Folge mit zahlreichen Rügen gegen den Flurbereinigungsplan Teil I. Unter anderem thematisierte er die Zufahrt vom Straßengrundstück 40/2 auf sein Hofgrundstück (Abfindungsflurstück 22) und die dort geplante Errichtung eines Gemeindebrunnens. Anstelle des zur Einrichtung des Brunnens vorgesehenen Grenzverlaufs forderte er die Zumessung einer Fläche von Flurstück 40/2 zu seinem Hofgrundstück in Verlängerung der Grenze zum benachbarten Flurstück 33/1. Die Zufahrt zu dem landwirtschaftlichen Gebäude auf den bisherigen Einlageflurstücken 25 und 25/2 erfolge über Flurstück 40/2. Anderenfalls könne er seinen Hof nicht bewirtschaften. Der Entnahmepunkt des Güllekellers befinde sich vor der Nordwestecke des Gebäudes. Die direkt davorliegende Fläche des Flurstücks 40/2 sei dem Abfindungsflurstück 33/1 zugeteilt worden. Er könne daher den Gülleentnahmeschacht mit seinen landwirtschaftlichen Fahrzeugen nicht mehr anfahren. Zudem bereite die neue Grenzziehung Probleme, wenn er mit seinem Ladewagen die Futterkammer anfahren wolle, welche ebenfalls hinter der abgemessenen Fläche liege. Er beantragte, eine dem Abfindungsflurstück 33/1 zugemessene Fläche wieder dem Straßengrundstück zuzumessen, alternativ ihm die vor den Einlageflurstücken 25 und 25/2 liegenden Straßenflächen bis zur Nordgrenze der Abfindungsflurstücke 33/1 und 22 als Eigentum zuzuteilen.
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2. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2021 änderte der Spruchausschuss den Flurbereinigungsplan Teil l unter anderem dahingehend, dass dem Abfindungsflurstück 22 an der nördlichen Grenze eine Fläche von 34 m² aus dem Straßenflurstück 40/2 zugeteilt wurde.
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Am 11. Februar 2022 erhob der Rechtsvorgänger der Klägerinnen Klage gegen den Flurbereinigungsplan Teil l zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof – Flurbereinigungsgericht (Az. 13 A 22.408). Erneut griff er dabei auch die aus seiner Sicht unzureichende Zufahrt zu seinem Hofgrundstück an: Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung nicht nachgenommen, eine ausreichende Erschließung sicherzustellen. Mit der Umgestaltung des öffentlichen Straßengrundstück 40/2 bestehe kein Einverständnis. Der Bereich, in dem der Gemeindebrunnen errichtet werden solle, sei eine gewidmete Verkehrsfläche. Hier liege die Zufahrt zu dem auf den Einlagegrundstücken 25 und 25/2 stehenden Betriebsgebäude. Die Zufahrt sei weiterhin im bisherigen Umfang notwendig. Insbesondere müsse die Zufahrt zum Güllekeller vollumfänglich gewährleistet sein. Die Umgestaltungsmaßnahme diene allein der Ortgestaltung. Er beantrage, den Gemeindebrunnen nicht an dieser Stelle zu errichten.
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Am 27. Oktober 2022 fand ein Augenschein durch den Senat am klägerischen Anwesen statt. Im Protokoll wurde festgehalten:
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„Weiter wird der Brunnen an der Nordseite besichtigt, der auf öffentlichem Grund zu liegen kommt. Der Beistand des Klägers weist nochmal darauf hin, dass es dem Kläger nicht um den Brunnen an sich gehe, sondern darum, dass darauf kein Bauwerk errichtet werde. Ein oberirdisches Bauwerk würde den Kurvenradius verschlechtern.“
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Am 28. Oktober 2022 fand die mündliche Verhandlung statt. Der Vorsitzende des Vorstands der Beklagten machte mit Blick auf den geplanten Brunnen dabei laut Protokoll folgende Zusage:
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„Nach den Planungen soll der Brunnen nur in einer Breite gebaut werden, wie sie die derzeitige Brunnenabdeckung aufweist. Ein Umgriff von 1,5 m soll im Eigentum des Markts verbleiben. Der Rest wird dem klägerischen Abfindungsflurstück 22 in Fortsetzung der Linie des Anwesens B. zugeteilt. Die Umgriffsfläche bleibt befahrbar.“
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Daraufhin wurde die Klage gegen den Flurbereinigungsplan Teil I von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt und das Verfahren eingestellt.
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3. Mit Schreiben vom 30. Januar 2025 erhoben die Klägerinnen als Erbinnen und Rechtsnachfolgerinnen des zwischenzeitlich verstorbenen früheren Klägers erneut Klage zum Flurbereinigungsgericht gegen die Beklagte.
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In der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2022 sei zwischen ihrem Rechtsvorgänger und der Beklagten eine Einigung getroffen worden, die unter anderem eine Gestaltung der bei der Gemeinde verbleibenden Fläche rund um den Gemeindebrunnen vor dem klägerischen Anwesen festlege. Insbesondere sei vereinbart worden, dass die Fläche rings um den eigentlichen Brunnen überfahrbar bleibe. Im September 2024 seien an der gegenständlichen Fläche rund um den Brunnen Bauarbeiten vorgenommen und Sitzsteine und ein Brunnentrog errichtet worden. Die Beklagte sei bereits mit Schreiben vom 10. September 2024 darauf hingewiesen worden, dass die Arbeiten gegen die getroffene Einigung verstießen. Gleichwohl habe die Beklagte am 16. September 2024 mitgeteilt, die Arbeiten zu Ende zu führen. Am 11. Oktober 2024 sei die Beklagte aufgefordert worden, den vereinbarten Zustand herzustellen und die Sitzsteine und den Brunnentrog zu entfernen. Die Ausführung der Arbeiten entspreche nicht dem Inhalt der Vereinbarung. Um den Eintrag von Oberflächenwasser und Gefahrstoffen in den Brunnen zu verhindern, hätten andere Möglichkeiten bestanden, z.B. indem das Pflaster rings um den Brunnen abfallend ausgebildet oder am Rand eine Rinne angebracht werde, die zuströmendes Wasser aufnehme und in die Entwässerung ableite. Zum Zeitpunkt der Errichtung des Brunnens sei zudem die Tierhaltung nach dem Tod ihres Rechtsvorgängers bereits eingestellt gewesen. Eine Notwendigkeit, den Brunnen vor Gefahrstoffen wie Gülle und Silosäften zu schützen, habe nicht mehr bestanden. Der Beklagten sei es nur um die Gestaltung gegangen. Die Abweichung von der Zusage im gerichtlichen Verfahren sei ohne ihr Einverständnis erfolgt.
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Die Klägerinnen beantragen zuletzt,
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1. Es wird festgestellt, dass die Ausgestaltung der Fläche rund um den Gemeindebrunnen vor dem Anwesen Pirkach 13 nicht der Einigung im gerichtlichen Verfahren entspricht.
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2. Den Klägerinnen wird eine vollstreckbare Ausfertigung der Einigung im gerichtlichen Verfahren 13 A 22.408 erteilt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat ausgeführt, bei der Planung des Brunnens seien Fachbeiträge des Wasserwirtschaftsamts und des Landratsamts, Sachgebiet Gewässerschutz und Abfallrecht berücksichtigt worden. Die Sitzsteine und der seitlich angebrachte Trog, der keine wasserführende Funktion habe, sollten einerseits die Gefahr des Eintrags von Oberflächenwasser und Gefahrstoffen aus dem höher gelegenen Flurstück der Klägerinnen verhindern und andererseits eine Schutzfunktion für die am Brunnen verbaute Schwengelpumpe – etwa gegen mechanische Einwirkungen – erfüllen.
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Als das Schreiben der Klägerinnen vom 10. September 2024 die Beklagte erreicht habe, seien Sitzsteine und Trog bereits gesetzt gewesen. Eine Baueinstellung hätte zu Forderungen der Baufirma geführt, weshalb die Weiterführung der Maßnahme als wirtschaftlichste Lösung angesehen worden sei. Seitlich neben dem Brunnen habe schon vor der Umgestaltung ein Grünstreifen bestanden, der neben dem Trog eine Breite von ca. 1,5 Meter aufweise. Dieser Bereich sei bereits vor der Brunnenumgestaltung nicht überfahren und nicht als Zufahrt genutzt worden. Eine Notwendigkeit zum Überfahren der Fläche, auf der nun der Brunnen ausgeführt sei, habe demnach nicht bestanden. Die Gestaltung des Brunnens und des umliegenden Bereichs beschränke sich auf die Fläche, die im Eigentum des Beigeladenen stehe. Es sei ein seitlicher Abstand des Troges von ca. 40 cm bis zur Grenze freigehalten worden, sodass das Grundstück der Klägerinnen bis zur Grenzlinie in vollem Umfang genutzt werden könne. Der Trog sei zusätzlich mit einem Abstand zur Straße hin so gesetzt worden, dass die Fläche vor dem Brunnen überfahrbar bleibe. Die Bewirtschaftung des klägerischen Grundstücks werde nicht beeinträchtigt.
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Die Planung mit Sitzsteinen, die neben einer Sitzgelegenheit auch verhinderten, dass Schadstoffe in den Brunnen gelangten, entspreche dem Wunsch der Ortsbevölkerung. Andere Ansätze zur Verringerung des Schadstoffeintrags hätten zu höheren Kosten geführt und hätten eine effektive Rückhaltung von Fremdstoffen nicht gleichermaßen gewährleistet. Die Planung sei erfolgt, als das landwirtschaftliche Anwesen noch in Betrieb gewesen sei. Der Beklagten sei nicht bekannt gewesen, wie die weitere Nutzung aussehen würde. Daher sei eine Änderung der Planung nicht in Erwägung gezogen worden. Eine Umplanung hätte zu zusätzlichen Kosten und zeitlichen Verzögerungen bei der Umsetzung geführt.
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Am 8. April 2025 ist der Markt E. nach § 65 VwGO zum Verfahren beigeladen worden.
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Am 5. Mai 2025 ist in der Sache mündlich verhandelt worden. Dabei hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das Klagebegehren auslegungsbedürftig ist und eine Leistungsklage in Betracht kommt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, die Gerichtsakten des Verfahrens 13 A 22.408 und die dem Gericht vorliegenden Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerinnen haben einen Rechtsanspruch gegen die Beklagte auf Änderung der baulichen Gestaltung des vor ihrem Anwesen auf dem Straßengrundstück Nr. 40/2 des Beigeladenen errichteten Brunnens.
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1. Die Klage ist zulässig.
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a) Die Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts ergibt sich aus § 140 FlurbG, denn Gegenstand des Verfahrens ist eine durch ein Flurbereinigungsverfahren hervorgerufene Streitigkeit.
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b) Die Klageanträge der anwaltlich nicht vertretenen Klägerinnen waren gemäß § 88 VwGO nach dem tatsächlichen Klagebegehren als allgemeine Leistungsklage auszulegen (siehe hierzu Happ in Eyermann, 16. Auflage 2022, VwGO, § 42 Rn. 62 ff.). Das eigentliche mit der Klage verfolgte Ziel der Klägerinnen war die Herstellung des Brunnens in einer der Zusage der Beklagten vom 28. Oktober 2022 entsprechenden Form. Dieses Klageziel konnte mit der gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegenüber der Leistungsklage subsidiären Feststellungsklage nicht erreicht werden (zur Zulässigkeit der Umdeutung eines Feststellungsantrags in eine Leistungsklage vgl. Wöckel in Eyermann, a.a.O., § 88 Rn. 10). Der weitere Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Einigung im früheren Verfahren 13 A 22.408 ginge zudem ins Leere, da dort weder ein Urteil gesprochen noch ein gerichtlicher Vergleich (§ 106 VwGO) geschlossen wurde, deren Vollstreckung nach § 168 Nr. 1, Nr. 3 VwGO möglich wäre. Vielmehr haben die Beteiligten des damaligen Klageverfahrens nach einer Zusage der Beklagten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. Dabei handelt es sich nicht um einen vollstreckbaren Vergleich nach § 106 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2016 – 19 C 14.1185, BeckRS 2016, 41891).
28
c) Die allgemeine Leistungsklage ist ihrerseits statthaft, denn Gegenstand des Leistungsbegehrens ist kein Verwaltungsakt mit der Folge einer Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, sondern die Vornahme eines tatsächlichen Handelns in Form der Umgestaltung des von der Beklagten errichteten Brunnenbauwerks.
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Die allgemeine Leistungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Die Klägerinnen sind analog § 42 Abs. 2 VwGO (siehe zu dessen entsprechender Anwendbarkeit nur BVerwG, U.v. 15.6.2011 – 9 C 4/10 – NVwZ 2011, 1388 Rn. 16) klagebefugt, denn sie machen eine Verletzung ihrer Rechte durch Errichtung des Brunnens in der konkreten Form geltend, welche die Nutzung der Hofstelle und damit einen weiterhin im Raum stehenden landwirtschaftlichen Betrieb erschwere. Die Einhaltung einer Klagefrist war ebenso wenig erforderlich, wie die Durchführung eines Vorverfahrens (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O., § 42, Rn 68). Insbesondere ergab sich die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens auch nicht aus § 141 FlurbG, weil kein Verwaltungsakt inmitten stand.
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2. Die Klage ist auch begründet.
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Die Klägerinnen haben einen Rechtsanspruch auf Umgestaltung des Brunnens. Dieser Anspruch geht dahin, dass an der nordöstlichen Seite die Fläche außerhalb der früheren Brunnenabdeckung wieder befahrbar gemacht wird. Dies erfordert – wie tenoriert – eine Entfernung des Pflanztrogs und des ersten östlichen Sitzsteins.
32
a) Dieser im Wege der vorliegenden allgemeinen Leistungsklage durchsetzbare Rechtsanspruch findet seine Grundlage in der Zusage der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2022 im Verfahren 13 A 22.408, die mit der derzeitigen Gestaltung des Brunnenumgriffs nicht erfüllt ist.
33
Unter einer Zusage ist die bindende Selbstverpflichtung einer Behörde zu einem künftigen Tun oder Unterlassen gegenüber dem Erklärungsempfänger durch Abgabe einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung zu verstehen (BVerwG, U.v. 19.1.1967 – VI C 73.64 – BVerwGE 26, 31). Es handelt sich mithin um die Äußerung des auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichteten Willens (vgl. Schröder in Schoch/Schneider, 6. EL November 2024, VwVfG, § 38 Rn. 13 m.w.N.). Die Zusage ist grundsätzlich nicht formgebunden. Die Qualifizierung als Zusage hängt davon ab, ob die Erklärung eine solche Selbstverpflichtung, oder aber eine unverbindliche Auskunft oder Prognose beinhaltet. Ob ein entsprechender Rechtsbindungswille der Behörde vorliegt ist anhand der Auslegungsgrundsätze der §§ 133 ff. BGB zu ermitteln. Maßgeblich ist, dass der Rechtsbindungswille dokumentiert ist oder für den Empfänger in anderer Weise deutlich hervortritt (für die Zusicherung nach § 38 VwVfG vgl. BVerwG U.v. 4.4.2012 − 4 C 8/09 u.a. – juris Rn. 39).
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Dies zu Grunde gelegt war die Äußerung der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2022 objektiv nicht als bloße Absichtserklärung oder unverbindliche Auskunft, sondern als rechtsverbindliche Zusage zu verstehen. Hierfür spricht zunächst bereits der protokollierte Wortlaut („bleibt befahrbar“), der über eine bloße Absichtserklärung deutlich hinausgeht. Auch der Hintergrund der protokollierten Äußerung als Teil einer einvernehmlichen Beendigung des Rechtsstreits durch beiderseitiges Nachgeben ist zu beachten. Zu der zwischen den Beteiligten erzielten Einigung gehörten auch Vereinbarungen zur Gestaltung etwa von künftigen Grundstücksgrenzen und auch der Hofzufahrt einschließlich des streitgegenständlichen Brunnens. Aus Sicht der damaligen Beteiligten mussten die dort von beiden Seiten gegebenen Zusagen verbindlich sein, da ansonsten eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung nicht erreicht worden wäre.
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Die Zusage lautete ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung im Einzelnen inhaltlich wie folgt: „Nach den Planungen soll der Brunnen nur in einer Breite gebaut werden, wie sie die derzeitige Brunnenabdeckung aufweist. Ein Umgriff von 1,5 m soll im Eigentum des Markts verbleiben. Der Rest wird dem klägerischen Abfindungsflurstück 22 in Fortsetzung der Linie des Anwesens Böhm zugeteilt. Die Umgriffsfläche bleibt befahrbar.“
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Es wird damit differenziert zwischen dem zu errichtenden Brunnen selbst mit einem vorgegebenen größtmöglichen Umfang in Größe der früheren Brunnenabdeckung und einem Brunnenumgriff, der im Eigentum des Beigeladenen bleiben und so ausgestaltet sein soll, dass er überfahrbar „bleibt“. Es musste nach der Zusage mithin nicht die gesamte Umgriffsfläche befahrbar ausgestaltet werden, sondern nur derjenige Teil des Umgriffs, der bereits früher überfahrbar war.
37
Hintergrund des ursprünglichen Wunsches des damaligen Klägers, den Brunnen nicht zu errichten oder das Bauwerk zu verschieben und damit auch Hintergrund der streitgegenständlichen Zusage vom 28. Oktober 2022 war die Anfahrbarkeit der klägerischen Gebäude mit Gespannen aus beiden Fahrtrichtungen der Hauptstraße, vor allem, aber nicht nur zur Entnahme von Gülle. Diese Zufahrt war, was der damalige Kläger wiederholt bemängelte, bereits unter Berücksichtigung des früheren Zustands nicht einfach, sollte aber im Flurbereinigungsverfahren nicht weiter eingeschränkt werden. Auch die Anfahrt zum landwirtschaftlichen Hauptgebäude von Westen aus war dabei in den Blick zu nehmen. Wie sich aus dem Protokoll zum Augenschein vom 27. Oktober 2022 ergibt, ging es dem Kläger insgesamt nicht um den Brunnen an sich, sondern darum, dass darauf kein oberirdisches Bauwerk errichtet werde, das die Zufahrt zu seinen Betriebsgebäuden durch Veränderung möglicher Kurvenradien verschlechtern würde. Die Zusage ist daher auch nicht etwa dahingehend auszulegen, dass Bereiche, die zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zusage nicht überfahren werden konnten (etwa südlich des Brunnens), nunmehr überfahrbar gestaltet werden müssten.
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Für die Auslegung der Vereinbarung kommt es weiter nicht darauf an, dass derzeit auf den klägerischen Hofflächen keine Landwirtschaft mehr betrieben wird. Vielmehr ist die im Zeitpunkt der geschlossenen Vereinbarung ausgeübte Landwirtschaft maßgeblich, die durch den Brunnenbau nicht weiter eingeschränkt werden sollte. Derzeit ist noch offen, ob und wie an der Hofstelle künftig eine landwirtschaftliche Nutzung erfolgen wird. Der von der Beklagten gewählten Gestaltung des Brunnens kann daher weder seitens der Klägerinnen entgegengehalten werden, dass ein Schutz vor dem Eintrag wasserschädlicher Stoffe nicht mehr nötig sei, weil kein Viehbestand mehr bestehe. Umgekehrt kann seitens der Beklagten nicht darauf abgestellt werden, dass mangels Landwirtschaft ein Bedarf für die Zufahrt von landwirtschaftlichen Gespannen nicht mehr bestehe.
39
Die Befahrbarkeit des Umgriffs des Brunnens hat sich auch nicht an dem früheren Grasbewuchs zu orientieren. Dieser stellt ohnehin lediglich ein Indiz für die Häufigkeit der früheren Nutzung des Anfahrtswegs dar, denn auch ein eher selten genutzter Fahrbereich wäre durch die Zusage der Erhaltung bestehender Zufahrtsmöglichkeiten geschützt, hätte sich aber gegebenenfalls im Grünbewuchs nicht gezeigt. Ein Grasaufwuchs im Hofbereich spricht grundsätzlich nicht gegen eine Überfahrbarkeit mit landwirtschaftlichen Maschinen. Insoweit ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die dem Senat vorliegenden Fotografien auch auf einen wiederholt genutzten Zufahrtsweg zum westlichen Eingang des Hauptgebäudes hinweisen.
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b) Dass bei der Errichtung des Brunnens Anforderungen von Fachbehörden, insbesondere mit Blick auf den Gewässerschutz zu beachten waren, steht der Rechtsverbindlichkeit der Zusage nicht entgegen. Bei Behandlung der Angelegenheit vor dem Flurbereinigungsgericht am 28. Oktober 2022 konnten von vorne herein nicht alle fachlichen Einwände vorhergesehen werden. Bei Gestaltung und Bau des Brunnens konnten und mussten vielmehr solche möglichen zusätzlichen Anforderungen Berücksichtigung finden und dabei nach dem Inhalt der Zusage dennoch unter Nutzung baulicher Möglichkeiten ein Zustand geschaffen werden, der die bisher mögliche Zufahrt zum klägerischen Hofgrundstück weiterhin gewährleistete. Die der Zusage zu Grunde liegenden Verhältnisse haben sich jedenfalls nicht nachträglich in so wesentlichen Punkten im Sinne eines „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ geändert, dass die Zusage ihre Bindungswirkung verloren hätte. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sowohl die Anforderungen des Schutzes des Brunnens vor Eindringen von Oberflächenwasser, als auch der Erhalt der Zufahrtsmöglichkeiten in Einklang gebracht werden können. Aufgrund von gestalterischen Gesichtspunkten mag dies seitens der Beklagten oder des Beigeladenen nicht gewünscht sein, dies nimmt der Zusage vom 28. Oktober 2022 gleichwohl nicht ihre Verbindlichkeit.
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c) Die Zusage ist mit dem durch die Errichtung des Brunnenbauwerks geschaffenen Zustand nicht eingehalten. Denn dieses schränkt in seiner derzeitigen Gestalt die Überfahrbarkeit des Brunnenumgriffs gegenüber den früheren Verhältnissen ein.
42
Vor dem Umbau bestand der „Brunnen“ lediglich aus einem Brunnenschacht, überdeckt mit einer kreisrunden Betonabdeckung, der von Grünbewuchs umgeben war. Dieser Bewuchs im Umfeld des Brunnens konnte auf der nördlichen und östlichen Seite unproblematisch mit landwirtschaftlichen Geräten überfahren werden.
43
Das nunmehr errichtete Brunnenbauwerk besteht aus einer zentral angeordneten Schwengelpumpe vor einem im Boden eingelassenen Ablauf und einem rechteckigen gepflasterten Umgriff, der auf allen Seiten über die Fläche der früheren Brunnenabdeckung hinausgeht und dessen nordöstliche Seite teilweise von einem bepflanzten Trog, die südöstliche Seite vollständig von Sitzsteinen begrenzt wird, die – zwischen den Beteiligten unstreitig – nicht mit landwirtschaftlichen Geräten überfahren werden können. Während große Teile der südöstlichen Seite des Brunnenumgriffs bereits im früheren Zustand nicht befahrbar waren und dementsprechend auch künftig nicht überfahrbar sein müssen, gilt dies nicht für die nordöstliche Seite. Hier konnte die Fläche des jetzigen Brunnenumgriffs früher zur Zufahrt zu den klägerischen Hofgebäuden genutzt werden und war der Erhalt dieser Möglichkeit zugesagt. Dies ist allerdings nicht mehr im früheren und damit zugesagten Umfang der Fall.
44
Da somit die frühere Überfahrbarkeit des Brunnenumgriffs maßgeblich ist, die nach der Zusage erhalten bleiben musste, war die Frage, ob eine Zufahrt zu den klägerischen Hofgebäuden im derzeitigen Zustand mit einem Traktor mit Anhänger noch möglich ist, nicht entscheidungserheblich. Der entsprechende Beweisantrag der Beklagten war demzufolge abzulehnen.
45
d) Zur Herstellung eines der Zusage vom 28. Oktober 2022 entsprechenden Zustands ist zumindest eine Umgestaltung des Brunnens wie tenoriert erforderlich.
46
Insoweit sei angemerkt, dass der Senat das Bemühen der Beklagten anerkennt, durch Rückversetzung des Brunnenbauwerks um 40 cm gegenüber der Grundstücksgrenze und Freihaltung des Bereichs vor dem Pflanztrog einen Kompromiss zwischen den Interessen der Beteiligten, einschließlich des Beigeladenen und der Ortsbevölkerung zu finden. Um die frühere Überfahrbarkeit im Sinne der Zusage vom 28. Oktober 2022 wieder herzustellen, ist es nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen gleichwohl erforderlich, dass der bepflanzte Trog und zudem der an diesen angrenzende erste Sitzstein an der südwestlichen Brunnenseite entfernt und durch eine überfahrbare Oberflächengestaltung ersetzt werden.
47
Ob dabei der Trog auf die andere (südwestliche) Seite des Brunnens versetzt wird, ist hingegen mit Blick auf die Zusage vom 28. Oktober 2022 nicht von Belang und bleibt der Beklagten überlassen. Ebenso sei darauf hingewiesen, dass die Zusage nicht verlangt, dass die frei werdende Fläche zwingend völlig eben gepflastert wird. Sofern zum Schutz vor eindringendem Oberflächenwasser und Gefahrstoffen erforderlich, kann demnach auch eine Rinne oder eine leicht erhöhte Pflasterung vorgesehen werden, so lange mit der Gestaltung die Befahrbarkeit mit landwirtschaftlichen Maschinen sichergestellt ist.
48
3. Der Klage war daher wie tenoriert stattzugeben.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG und § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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5. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.