Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 20.01.2025 – W 6 S 24.2117
Titel:

Sofortverfahren, Fahrtenbuchauflage, Geschwindigkeitsverstoß, erforderliche Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers, Übersendung eines Zeugenfragebogens an Halter ausreichend, wenn der Halter als Fahrzeugführer nicht in Betracht kommt, überobligatorische Ermittlungen, Leasing-Fahrzeug

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
StVZO § 31a
StVG § 24
StVO § 3 Abs. 3 Nr. 2 lit. c
StVO § 49 Abs. 1 Nr. 3
BKatV
FeV § 40
VwZVG Art. 21a
VwZVG Art. 36
Schlagworte:
Sofortverfahren, Fahrtenbuchauflage, Geschwindigkeitsverstoß, erforderliche Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers, Übersendung eines Zeugenfragebogens an Halter ausreichend, wenn der Halter als Fahrzeugführer nicht in Betracht kommt, überobligatorische Ermittlungen, Leasing-Fahrzeug
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.05.2025 – 11 CS 25.240
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13927

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.400,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer ihr gegenüber ergangenen Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs (Fahrtenbuchauflage).
2
1. Die Antragstellerin war vom … … 2020 bis zum … … 2024 Halterin eines Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennteichen … … (Marke: …. ). Sie ist seit dem … … 2021 Halterin eines Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … … (Marke: …. ). Auf die Firma der Antragstellerin „F. S. “ ist seit dem … … 2024 ein Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … … . Marke: …. ) zugelassen.
3
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2024 teilte die Zentrale Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rh. dem Straßenverkehrsamt des Landratsamtes S. (im Folgenden „die Fahrerlaubnisbehörde“) mit, dass der Fahrer des Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … … am … … 2024 um …14 Uhr auf der Bundesautobahn A. bei W. , Kilometer …9 in Fahrtrichtung F. a. M. , eine vorsätzliche Geschwindigkeitsübertretung begangen hat.
4
Bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h wurde das Fahrzeug nach Toleranzabzug mit einer Geschwindigkeit von 173 km/h gemessen. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte im standardisierten Messverfahren mit einem Lasergerät der Marke POLISCAN FM1. Die aufgenommenen Lichtbilder, auf denen ein männlicher Fahrer zu erkennen ist, das Messprotokoll, der Eichschein einschließlich der Konformitätserklärung und die Schulungsnachweise des die Messung durchführenden Beamten wurden an die Fahrerlaubnisbehörde übersandt.
5
Mit Schreiben vom 22. März 2024 wurde der Antragstellerin durch das Polizeipräsidium Rh. ein Zeugenfragebogen übersandt, in dem diese zur Mitteilung der Personalien des Fahrers aufgefordert wurde. Die Antragstellerin wurde auf die Möglichkeit einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) hingewiesen, sofern der Fahrer nicht festgestellt werden könne. Das Schreiben enthielt auch eine Belehrung zu möglichen Aussageverweigerungsrechten und Ausschnitte des Messfotos mit dem Kennzeichen des Tatfahrzeugs und dem Gesicht des Fahrzeugführers.
6
Eine Reaktion der Antragstellerin erfolgte zunächst nicht.
7
Ausweislich einer Aktennotiz des zuständigen Sachbearbeiters beim Polizeipräsidium Rh. vom 18. April 2024 wurde der unter derselben Anschrift wie die Antragstellerin gemeldete Herr J. A. F. nach einem Abgleich mit dem Messfoto aufgrund seines Alters (Jahrgang 19. . ) als Fahrer ausgeschlossen.
8
Mit Schreiben vom 18. April 2024 richtete das Polizeipräsidium Rh. ein Ermittlungsersuchen an die Polizeiinspektion S. (im Folgenden „PI S. “).
9
Mit Schreiben vom 18. Juni 2024 teilte die PI S. gegenüber dem Polizeipräsidium Rh. mit, dass es sich bei dem Fahrer um den Exmann der Antragstellerin, Herrn M. B. , handeln könne. Dieser sei für den 14. Juni 2024 auf die Dienststelle vorgeladen worden, habe den Termin jedoch nicht wahrgenommen. Eine fernmündliche Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin zum Zwecke einer Zeugenbefragung sei gescheitert. Ein Abgleich des Personalausweisbildes mit Herrn B. habe nicht zweifelsfrei bestätigen können, dass dieser der gesuchte Fahrzeugführer sei.
10
Die Vorladung Herrn B. erfolgte mit einem am 7. Juni 2024 erstellten und ausweislich des Auslaufstempels am 10. Juni 2024 verschickten Schreiben. Das Schreiben enthielt lediglich die Angabe, dass die Vorladung aufgrund einer Verkehrsordnungswidrigkeit erfolge und Herr B. als „Betroffener“ vernommen bzw. angehört werden solle. Das Schreiben wurde nicht an die Wohnadresse von Herrn B. , sondern an die Wohnadresse der Antragstellerin versandt.
11
Mit Schreiben vom 23. Juli 2024 wurde Herrn B. vom Polizeipräsidium Rh. ein Anhörungsbogen übersandt.
12
Am 27. Juli 2024 teilte dieser gegenüber dem Polizeipräsidium Rh. mit, dass er den in Rede stehenden Verkehrsverstoß nicht begangen habe. Das Tatfahrzeug sei auf die von ihm geschiedene Antragstellerin zugelassen, zu der er keinen Kontakt mehr pflege.
13
Mit Schreiben des Polizeipräsidiums Rh. vom 29. Juli 2024 wurde das gegen Herrn B. geführte Ordnungswidrigkeitenverfahren gemäß § 46 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i.V.m. § 170 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
14
Nach einem erneuten Bildabgleich wurde am 16. August 2024 durch das Polizeipräsidium Rh. ein neuerliches Ermittlungsersuchen an die PI S. versandt.
15
In einer Kurzmitteilung vom 24. September 2024 teilte die PI S. dem Polizeipräsidium Rh. mit, dass die Antragstellerin mit Schreiben vom 28. August 2024 für den 19. September 2024 vorgeladen worden sei. Am 16. September 2024 habe sie sich fernmündlich gemeldet und mitgeteilt, dass sie den Termin nicht wahrnehmen werde. Sie habe angegeben, dass zur Tatzeit mehrere Personen Zugriff auf das Tatfahrzeug gehabt hätten und sie deshalb den Fahrer nicht benennen könne. Herrn B. habe sie jedoch als möglichen Fahrzeugführer ausgeschlossen. Auch sei am 23. September 2024 der Versuch unternommen worden, Herrn B. an dessen Meldeadresse aufzusuchen. Zwar sei dieser nicht angetroffen worden, jedoch habe dessen neue Lebensgefährtin glaubhaft angegeben, dass Herr B. nicht im Besitz des Tatfahrzeugs sei und auch nicht die Person auf dem Messfoto sei.
16
Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 22. Oktober 2024 durch die Fahrerlaubnisbehörde zur beabsichtigten Anordnung einer Fahrtenbuchauflage betreffend das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … … angehört.
17
Aus einer Aktennotiz vom 22. Oktober 2024 ergibt sich, dass die Fahrerlaubnisbehörde die PI S. kontaktierte. Die Beamtin, die mit der Antragstellerin telefoniert habe, habe angegeben, dass sich die Antragstellerin bei dem Telefonat am 16. September 2024 unkooperativ verhalten und widersprüchliche Angaben gemacht habe.
18
In einer weiteren Aktennotiz vom 23. Oktober 2024 wurde vermerkt, dass die Antragstellerin die Fahrerlaubnisbehörde an diesem Tag telefonisch kontaktiert und mitgeteilt habe, dass sie mit einer Fahrtenbuchauflage nicht einverstanden sei. Sie sei nur einmal durch das Polizeipräsidium Rh. angehört worden und danach erst wieder durch die Polizei mit dem Vorgang konfrontiert worden. Bei der Befragung durch die Polizei sei es primär darum gegangen, ob ihr Exmann der Täter gewesen sein könne. Außerdem habe die Antragstellerin angegeben, dass sie das Tatfahrzeug bereits veräußert habe. Sie habe ein Leasingfahrzeug, das sie Mitte 2025 zurückgeben werde und würde aktuell wohl einen Firmenwagen nutzen.
19
Mit Schreiben vom 21. November 2024 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten im Wesentlichen ausführen: Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a StVZO seien nicht erfüllt. Es sei durch den ermittelnden Beamten lediglich ein Brief mit der Post an die Antragstellerin versandt worden, jedoch keine Erinnerung. Es seien keine Ermittlungsmaßnahmen unternommen worden, um mit der Antragstellerin selbst in Kontakt zu treten. Auch sei zu beachten, dass die ermittelnde Behörde das Verfahren selbst habe einstellen wollen. Als mit der Antragstellerin Kontakt aufgenommen worden sei, sei längst Verfolgungsverjährung eingetreten. Die Androhung der Erteilung einer Fahrtenbuchauflage sei vor diesem Hintergrund schlicht schikanös.
20
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2024 – dem Bevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am 5. Dezember 2024 – verpflichtete das Landratsamt S. die Antragstellerin für die Dauer von zwölf Monaten ab Zustellung des Bescheides, ein Fahrtenbuch für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … … zu führen, welches als Ersatzfahrzeug für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … … zugelassen sei. Die Anordnung wurde auf alle weiteren Fahrzeuge, erstrecht die evtl. nach Verkauf oder ggf. Rückgabe des (Leasing) Fahrzeugs als dessen Ersatz während der Dauer der Verpflichtung von der Antragstellerin angeschafft bzw. in ihrem Eigentum stehend dauerhaft durch diese mit demselben Nutzungszweck gehalten und geführt werden (Nr. 1 des Bescheides). Die Antragstellerin wurde verpflichtet, in das Fahrtenbuch für jede einzelne Fahrt vor deren Beginn das amtliche Kennzeichen des Fahrzeugs, Vorname, Name und Anschrift des Fahrzeugführers sowie Datum und Uhrzeit des Beginns der Fahrt und nach Ende jeder einzelnen Fahrt Datum und Uhrzeit mit Unterschrift einzutragen (Nr. 2). Der Antragstellerin wurde weiter aufgetragen, das Fahrtenbuch selbst oder durch eine von ihr besonders beauftragte Person verantwortlich zu führen, es dem Landratsamt S. jeweils am ersten Tag jedes Quartals eines Kalenderjahres und nach Abschluss der Dauer dieser Anordnung zur Überprüfung vorzulegen, erstmalig am 7. Januar 2025 und das Fahrtenbuch gemäß § 31a Abs. 3 StVZO noch sechs Monate nach Ablauf der Zeit aufzubewahren, für die es geführt wurde (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 bis 3 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 4). Für den Fall eines Verstoßes gegen Nr. 1 des Bescheides wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 150,00 EUR, für den Fall eines Verstoßes gegen Nr. 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 80,00 EUR und im Fall eines Verstoßes gegen Nr. 3 ein Zwangsgeld in Höhe von 50,00 EUR angedroht (Nr. 5). Die Antragstellerin wurde verpflichtet, die Fahrtenbücher auf ihre Kosten zu beschaffen (Nr. 6). Ihr wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt und eine Gebühr in Höhe von 180,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,45 EUR festgesetzt; für die dem Bevollmächtigten gewährte Akteneinsicht wurden Kosten in Höhe von 5,00 EUR festgesetzt (Nr. 7).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs stütze sich auf § 31a StVZO und sei nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erlassen worden. Gemäß § 31a StVZO könne einem Fahrzeughalter für ein Fahrzeug oder mehrere Fahrzeuge, die auf ihn zugelassen sind oder künftig zuzulassende Fahrzeuge, die Führung eines Fahrtenbuches auferlegt werden, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich gewesen sei. Im vorliegenden Fall sei mit einem auf die Antragstellerin zugelassenen Pkw eine Geschwindigkeitsübertretung von 53 km/h im Straßenverkehr außerorts begangen worden, die in der Regel nach der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) mit einer Geldbuße von 480,00 EUR und einem Monat Regelfahrverbot geahndet werde (§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, § 49 der Straßenverkehrsordnung (StVO), § 24 Abs. 1 und 3 Nr. 5, § 25 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), Nr. 11.3.8 des Bußgeldkatalogs (BKat), § 4 Abs. 1 BKatV) sowie nach dem Punktesystem gemäß § 40 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV), lfd. Nr. 2.2.3 der Anlage 13 zur FeV eine Eintragung von zwei Punkten im Fahreignungsregister zur Folge habe. Der Halter müsse möglichst umgehend – im Regelfall innerhalb von zwei Wochen – von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt werden, damit er noch zuverlässige Angaben zur Sache machen könne. Die Anhörung sei im vorliegenden Fall mit Schreiben vom 22. März 2024 und somit noch innerhalb der Frist erfolgt. Ungeachtet dessen sei eine verspätete Anhörung unschädlich, wenn die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen sei. An einem solchen Kausalzusammenhang fehle es, wenn die Ergebnislosigkeit der Ermittlungen nicht auf Erinnerungslücken des Fahrzeughalters beruhe. Die Antragstellerin habe zunächst auf das Schreiben nicht reagiert. Später habe sie zwar angegeben, dass sie nicht sagen könne, wer das Fahrzeug genutzt habe, da mehrere Personen Zugriff auf das Fahrzeug hätten, habe jedoch den Kreis der möglichen Fahrer nicht weiter eingegrenzt. Im Fall der ausdrücklichen Verweigerung der Mitwirkung, ohne sich auf ein fehlendes Erinnerungsvermögen zu berufen, sei daher eine Überschreitung der Zwei-Wochen-Frist unschädlich. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Halter von einem möglichen Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache, da § 31a StVZO der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs diene. Die Antragstellerin habe mit ihrem Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass sie bei der Aufklärung des Sachverhalts nicht im erforderlichen Maß mitwirken wolle. Sie sei im Zeugenfragebogen auch hinreichend belehrt und auf § 31a StVZO hingewiesen worden. Den Empfang des Schreibens habe die Antragstellerin eingeräumt. Die Feststellung des für die Verkehrsordnungswidrigkeiten vom 13. März 2024 verantwortlichen Fahrzeugführers sei in der Folgezeit trotz ausreichender Ermittlungen der Polizei innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht möglich gewesen, obwohl die ermittelnde Behörde alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe. Die Ermittlungen gegen die Antragstellerin sowie deren ehemaligen Ehemann seien ergebnislos verlaufen. Im Rahmen der Ermittlungen seien Lichtbilder abgeglichen und Zeugen befragt worden. Die Bildqualität des vorliegenden Messfotos lasse durchaus Schlüsse auf den tatverantwortlichen Fahrzeugführer zu. Sofern aufgrund der Bildqualität keine zweifelsfreie Personenidentifizierung möglich sei, seien weitere angemessene und zumutbare Ermittlungen durchzuführen, die einer kooperativen Mitwirkung der Antragstellerin bedurften. In der Regel sei der Personenkreis, dem ein Halter sein Kraftfahrzeug anvertraue, überschaubar und selbst bei einem größeren Personenkreis sei zu erwarten, dass dieser durch den Halter in Bezug auf die Örtlichkeit und den Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes weiter eingeschränkt werden könne. Insgesamt sei davon auszugehen, dass der Antragstellerin die Benennung des Fahrers jederzeit möglich gewesen sei. Sofern der Halter die Mitwirkung an den Ermittlungen ablehne, sei es der Behörde nicht zumutbar, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO seien somit erfüllt. Auch sei die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen worden und verhältnismäßig. Ziel der Anordnung sei es, die Antragstellerin zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes anzuhalten, mit dem Ziel die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu gewährleisten. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage setze einen Verstoß von einigem Gewicht voraus. Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung sei am Punktesystem zu orientieren. Demnach liege hier ein Verkehrsverstoß von erheblichem Gewicht vor, da die begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten nach dem Punktesystem mit zwei Punkten geahndet werden könnten, womit es nicht mehr auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankomme. Die Anordnung richte sich an den Halter, da dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitze, und sei geeignet, um künftig Fahrzeugführer im Falle eines begangenen Verkehrsverstoßes zu ermitteln. Ein weniger einschneidendes Mittel, wie beispielsweise eine Verwarnung, erscheine aufgrund des Verstoßes von erheblichem Gewicht und der mangelnden Bereitschaft der Antragstellerin bei der Ermittlung des Fahrzeugführers mitzuwirken als weniger geeignet, um künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich zu machen. Die Maßnahme sei auch erforderlich, da die Antragstellerin keinerlei ausreichende Bereitschaft zeige, sich bei der Ahndung der mit ihrem Fahrzeug begangenen Tat einzubringen. Letztlich sei die Maßnahme auch angemessen, da das Interesse der Allgemeinheit an der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr schwerer wiege als das Interesse der Antragstellerin nicht zur Führung eines Fahrtenbuches verpflichtet zu sein. Die Pflicht könne sich nicht auf das Tatfahrzeug erstrecken, da dieses in der Zwischenzeit umgemeldet worden sei und nicht mehr der Verfügungsbefugnis der Antragstellerin unterliege. In einem solchen Fall könne die Fahrtenbuchauflage auf das seitdem angeschaffte Nachfolgefahrzeug bezogen werden. Auch könne die Fahrtenbuchauflage auf Ersatzfahrzeuge erstreckt werden. Die festgesetzte Dauer der Fahrtenbuchauflage sei ermessenfehlerfrei festgesetzt worden und verhältnismäßig. Die Dauer werde an der schwere des Verkehrsverstoßes anhand des Punktesystems bemessen. Vor dem Hintergrund, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung im vorliegenden Fall mit zwei Punkten zu ahnden gewesen sei, sei eine Dauer von zwölf Monaten als angemessen anzusehen. Somit sei auch die mit der Fahrtenbuchauflage für die Antragstellerin einhergehende Belastung gerechtfertigt. Besonders erschwerend sei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass es die Antragstellerin unterlassen habe, die Identität des Fahrzeugführers offenzulegen. Dass die Bußgeldbehörde mit der Antragstellerin wiederholt bzw. persönlich in Kontakt treten müsse, entbehre jeglicher rechtlichen Grundlage. Die im Fahrtenbuch zu erfassenden Daten ergäben sich aus § 31a Abs. 2 StVZO. Die Verpflichtung zur Vorlage und Aufbewahrung des Fahrtenbuches für einen Zeitraum von sechs Monaten nach Beendigung der Fahrtenbuchanordnung stütze sich auf § 31a Abs. 3 lit. a StVZO.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheides liege im öffentlichen Interesse und diene dem Schutz der Allgemeinheit. Die Nichtfeststellung der für den Verstoß verantwortlichen Person bedeute eine Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer und damit der allgemeinen Verkehrssicherheit. Die Allgemeinheit habe ein Interesse daran, dass Kraftfahrer, die Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer gefährdeten, ausfindig gemacht würden. Dies betreffe insbesondere gravierende Verstöße, wie hier, die gravierend bzw. von wesentlichem Gewicht seien und/oder durch die andere Verkehrsteilnehmer gefährdet worden seien. Andernfalls bestehe das Risiko, dass Kraftfahrzeugführer in dem Glauben einer nicht zu erwartenden Sanktionierung die nötige Vorsicht im Straßenverkehr außer Acht ließen. Die Verwaltungsbehörde müsse jede nur denkbare Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen versuchen, was nur möglich sei, wenn Verkehrstäter sofort festgestellt werden könnten. Besondere Umstände, die ausnahmsweise den sofortigen Vollzug weniger dringlich machten, seien durch die Antragstellerin nicht vorgetragen und im vorliegenden Fall auch nicht ersichtlich. Das besondere Vollzugsinteresse falle hier mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr zusammen.
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2. Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2024 – bei Gericht eingegangen am 30. Dezember 2024 – ließ die Antragstellerin im Verfahren W 6 K 24.2116 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes S. vom 2. Dezember 2024, Aktenzeichen: …- …, wird angeordnet.
24
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragstellerin wolle gar nicht ausschließen, dass sie das Schreiben des Polizeipräsidiums Rh. erhalten habe. Sie könne nur sicher sagen, dass sich zunächst niemand mehr bei ihr gemeldet und nachgefragt habe. Mit ihrem geschiedenen Ehemann habe die Antragstellerin nichts mehr zu tun. Von den gegen ihn geführten Ermittlungen habe die Antragstellerin zunächst nicht gewusst. Erst nachdem bereits seit Monaten die Verfolgungsverjährung eingetreten sei, habe sich die PI S. an die Antragstellerin gewandt und sie aufgefordert, dort vorstellig zu werden. Bei ihrem Telefonat mit der PI S. sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass ihr keine Informationen am Telefon gegeben werden könnten, da ihre Identität fernmündlich nicht sichergestellt werden könne. Daraufhin habe die Antragstellerin verständlicherweise kein großes Engagement mehr an den Tag gelegt, sich bei der PI S. zu melden. Vor diesem Hintergrund sei nicht nachvollziehbar, weshalb die sofortige Vollziehung des Bescheides im öffentlichen Interesse liege. Das vorliegende Verwaltungsverfahren habe mit „seriöser Verwaltungsarbeit“ wenig zu tun.
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Das Landratsamt S. beantragte für den Antragsgegner, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ergänzend zur Begründung des angegriffenen Bescheides ausgeführt: Der Antrag sei abzulehnen, da die Klage in der Hauptsache unbegründet sei. Bei Abwägung der widerstreitenden Belange überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse der Antragstellerin. Die sofortige Vollziehung sei zu Recht angeordnet worden. Die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches sei nach § 31a StVZO rechtmäßig ergangen und verletze die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Die Antragstellerin sei ordnungsgemäß nach Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) angehört worden. Der Bescheid sei auch nach § 31a StVZO rechtmäßig erlassen worden. Dass es nicht erforderlich gewesen sei, der Antragstellerin eine Erinnerung an eine noch ausstehende Abgabe einer Stellungnahme im Rahmen der Anhörung als Zeugin zu übermitteln, ergebe sich aus § 55 Abs. 1 OWiG. Hiernach sei dem Betroffenen die Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Dies sei mit dem Schreiben vom 22. März 2024 hinreichend geschehen. Eine Erinnerung an das Schreiben oder eine Wiederholung der Anhörung sei nicht erforderlich gewesen. Die Beschränkung des § 163a Abs. 1 Satz 2 StPO auf einfach gelagerte Sachverhalte gelte über § 55 Abs. 1 OWiG nicht. Die schriftliche Anhörung mittels eines Fragebogens sei bei Massenverfahren nach dem OWiG gängige Behördenpraxis. Für die Bußgeldbehörde könne sich eine Verpflichtung zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers auch unabhängig von etwaigen Angaben des Fahrzeughalters ergeben, wenn erkennbar sei, dass der Halter aufgrund seines Geschlechts nicht als Täter in Betracht komme. Die sich aus dem Schreiben der PI S. an das Polizeipräsidium Rh. vom 24. September 2024 ergebende Darstellung des Telefonats mit der Antragstellerin sei glaubhaft. Der in der Antragsschrift geschilderte Ablauf des Telefongesprächs widerspreche dieser Darstellung und sei als bloße Schutzbehauptung zu werten. Die Identität des Fahrzeugführers dürfte der Antragstellerin nicht unbekannt sein, da die Antragstellerin einer ihr fremden und nicht bekannten Person ihr Fahrzeug nicht ohne Weiteres überlassen hätte. All dies belege, dass es die Antragstellerin abgelehnt habe, auch nur ansatzweise bei der Ermittlung des tatverantwortlichen Fahrzeugführers mitzuwirken. Die sofortige Vollziehbarkeit sei ordnungsgemäß angeordnet und entsprechend der Vorgaben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet worden. Für das Überwiegen des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Suspensivinteresse der Antragstellerin sei weder eine nachgewiesene Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch die streitgegenständliche Zuwiderhandlung noch das Vorliegen von mehr als einer Ordnungswidrigkeit Voraussetzung. Die von der Antragstellerin vorgebrachte Verfahrensdauer sei für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ohne Belang, zumal allenfalls aus Sicht der Antragstellerin der Anschein bestanden haben könne, dass die Behörde das Verfahren nicht weiterbetreibe. Ausweislich der Ermittlungsakte sei das Verfahren allerdings kontinuierlich und ohne Verzögerungen weiterbetrieben worden.
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Mit Schriftsatz vom 14. Januar ließ die Antragstellerin ihr Vorbringen vertiefen und im Wesentlichen ergänzend ausführen: Die Behauptung der Polizei, eine Anhörung der Antragstellerin habe zwischenzeitlich nicht verwirklicht werden können, sei wenig überzeugend. Die Antragstellerin sei weder angerufen noch persönlich aufgesucht worden. Auch werde die Behauptung des Antragsgegners, bei der Schilderung des Telefonats der Antragstellerin mit der PI S. handele es sich um eine bloße Schutzbehauptung, zurückgewiesen. Zuletzt werde nach wie vor die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der sofortigen Vollziehbarkeit in Zweifel gezogen.
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3. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich des Klageverfahrens W 6 K 24.2116) sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
29
Der bei sachgerechter Auslegung (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der im Verfahren W 6 K 24.2116 erhobenen Klage gegen die Nrn. 1 bis 3 (Fahrtenbuchauflage und deren Modalitäten) des Bescheids des Landratsamtes S. vom 2. Dezember 2024 bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nr. 5 (Zwangsgeldandrohung) des angegriffenen Bescheids hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der so verstandene Antrag ist, soweit er gegen die Nrn. 1 bis 3 des angegriffenen Bescheides gerichtet ist, nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft, da die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Rede stehende Fahrtenbuchauflage für das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … … einschließlich etwaiger Ersatzfahrzeuge aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheides des Landratsamtes S. vom 2. Dezember 2024 insoweit entfällt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
31
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
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Gemessen hieran hat der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nrn. 1 bis 3 des Bescheides vom 2. Dezember 2024 keinen Erfolg, da die sofortige Vollziehung insoweit ordnungsgemäß angeordnet wurde und die angegriffenen Regelungen sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
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Die Voraussetzungen für den Erlass der Fahrtenbuchauflage einschließlich der Erstreckung auf mögliche Ersatzfahrzeuge nach § 31a StVZO in Nr. 1 des Bescheides liegen bei summarischer Prüfung vor. Auch die konkretisierenden Nrn. 2 und 3 erweisen sich in Anbetracht dessen voraussichtlich als rechtmäßig.
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Der Antrag ist auch insoweit statthaft, als er auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nr. 5 des angegriffenen Bescheides (Zwangsgeldandrohung) gerichtet ist. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die vom Landratsamt S. getroffene Anordnung in Nr. 6 entfällt ebenfalls, da gemäß Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO Rechtsbehelfe gegen die Androhung von Zwangsmitteln bereits von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung haben. In diesem Fall kann das Gericht der Hauptsache nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung anordnen.
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Der Antrag hat aber auch insoweit keinen Erfolg, da sich die angegriffene Zwangsgeldandrohung bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
Im Einzelnen:
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1. Die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheides vom 2. Dezember 2024 liegen vor.
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Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist gleichwohl eine auf den konkreten Einzelfall abstellende, nicht lediglich formelhafte Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Maßgebend ist, dass der Antragsgegner mit seiner Begründung in hinreichender Weise zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Anordnung des Sofortvollzugs wegen der besonderen Situation im Einzelfall für unverzichtbar hält. Ausreichend ist jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalles eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Je nach Fallgestaltung können die Gründe für die sofortige Vollziehung auch ganz oder teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsaktes identisch sein und sich hierdurch das Begründungserfordernis reduzieren.
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Es ist zu beachten, dass sich die Behörde im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch die Bau- und Betriebsvorschriften für (Kraft-)Fahrzeuge im Straßenverkehr gehören, zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken kann, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Der Umstand, dass im streitgegenständlichen Bescheid angesprochene Gesichtspunkte auch in einer Vielzahl anderer Verfahren zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verwendet werden können, führt deshalb nicht zu einem Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2015 – 11 CS 15.247 – juris Rn. 9; OVG Saarland, B.v. 4.5.2015 – 1 B 66/15 – juris Rn. 3; VG Würzburg, B.v. 19.5.2021 – 6 S 21.573 – juris Rn. 24).
39
Gemessen hieran hat der Antragsgegner in der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheides hinreichend dargelegt, dass die Nichtfeststellung der für den gravierenden Verkehrsverstoß verantwortlichen Person mit einer Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum der übrigen Verkehrsteilnehmer verbunden ist. Der Antragsgegner führt an, dass sichergestellt werden muss, dass Kraftfahrzeugführer nicht in dem Glauben, nicht belangt werden zu können, die im Straßenverkehr nötige Vorsicht außer Acht lassen. Er lässt in der im streitgegenständlichen Bescheid aufgeführten Begründung erkennen, dass er im vorliegenden Fall keine besonderen Umstände annimmt, die darauf hindeuten könnten, dass die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 18.3.2008 – 11 CS 07.2210 – juris Rn. 19; Heinzeller in BeckOK Straßenverkehrsrecht, 25. Edition Stand 15.10.2024, § 31a StVZO Rn. 62).
40
Dem rein formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist damit genügt. Ob die angegebenen Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen, ist eine Frage des materiellen Rechts (vgl. VG Würzburg, B.v. 31.5.2023 – W 6 S 23.588 – juris Rn. 37 m.w.N.).
41
2. Eine summarische Prüfung, wie sie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass der streitgegenständliche Bescheid in seinen Nrn. 1 bis 3 voraussichtlich rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
42
2.1 Rechtsgrundlage für die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides ist § 31a Abs. 1 StVZO. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Fahrtenbuchauflage soll als Maßnahme zur vorbeugenden Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs gewährleisten, dass zumindest für die Dauer der Verpflichtung mit dem Fahrzeug bzw. einem der Fahrzeuge begangene Verstöße geahndet und der Fahrer ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Außerdem soll Fahrern des Fahrzeugs, das einer Fahrtenbuchauflage unterliegt, vor Augen geführt werden, dass sie im Falle der Begehung eines Verkehrsverstoßes damit rechnen müssen, aufgrund ihrer Eintragung im Fahrtenbuch als Täter ermittelt und mit Sanktionen belegt zu werden (BVerwG, U.v. 28.5.2015 – 3 C 13.14 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 11.6.2024 – 11 CS 24.628 – juris Rn. 12; jeweils m.w.N.).
43
2.2 Die Zuwiderhandlung muss in tatsächlicher Hinsicht feststehen. Die Prüfung obliegt der Behörde, die die Fahrtenbuchanordnung erlässt, und den Gerichten in eigener Zuständigkeit, sofern es zu einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren kommt. Erforderlich und ausreichend ist die Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Verkehrsstraftat oder -ordnungswidrigkeit (BayVGH, B.v. 11.6.2024 – 11 CS 24.628 – juris Rn. 13).
44
Vorliegend ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass mit dem auf die Antragstellerin zugelassenen Kraftfahrzeug mit dem amtl. Kennzeichen … … am … … 2024 um …:14 Uhr auf der Bundesautobahn A. bei W. bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h das in Rede stehende Kraftfahrzeug nach Toleranzabzug mit 173 km/h geführt wurde. Die Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 53 km/h ist eine Ordnungswidrigkeit, die nach der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) vom 14. März 2013 (BGBl. I S. 498), zuletzt geändert durch Art. 3 der Verordnung vom 2. Oktober 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 299), mit einer Geldbuße von 480,00 EUR geahndet wird (§ 24 Abs. 1 und 3 Nr. 5 StVG i.V.m. § 3 Abs. 3 Nr. 2 lit. c und § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO i.V.m. Nr. 11.3 BKat i.V.m. lfd. Nr. 11.3.5 der Tabelle 1 hierzu). Die Messung wurde mittels einer Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachungsanlage vom Typ POLISCAN FM1 durch das Polizeipräsidium K. , Zentrale Verkehrsdienst, durchgeführt (Bl. … ff. der Behördenakte). Zweifel an der Funktionsfähigkeit und der ordnungsgemäßen Handhabung des Messgeräts sind nicht ersichtlich. Die Messung wurde mit einem ordnungsgemäß geeichten Messgerät durchgeführt (Bl. … und … der Behördenakte). Das Messprotokoll (Bl. … der Behördenakte) und die Schulungsnachweise des für die Messung verantwortlichen Beamten liegen vor (Bl. … der Behördenakte). Überdies ist auch auf dem in der Behördenakte aufgenommenen Lichtbild nicht ersichtlich, dass sich hinter, neben oder vor dem Kraftfahrzeug der Antragstellerin ein weiteres Kraftfahrzeug befunden hat, das die Messung hätte auslösen können (Bl. … der Behördenakte).
45
Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage setzt unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht voraus (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.1995 – 11 C 12.94 – juris Rn. 9). Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist am Punktsystem zu orientieren. Die Gruppenbildung in Anlage 13 zu § 40 FeV, die an die Einstufung im Bußgeldkatalog anknüpft, enthält eine typisierende Bewertung von Verkehrsverstößen nach dem Maße ihrer Gefährlichkeit. Nach der Rechtsprechung rechtfertigt bereits die erstmalige Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit, die mit einem Punkt zu bewerten ist, die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, weil ein hinreichend gewichtiger Verkehrsverstoß vorliegt, ohne dass es auf besondere Umstände des Einzelfalls, namentlich die Gefährlichkeit des Verkehrsverstoßes, ankommt (BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 11 CS 14.176 – juris Rn. 10). Die Wesentlichkeit des Verstoßes hängt hiernach nicht davon ab, ob er zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat. Ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht liegt auch vor, wenn die Verkehrsordnungswidrigkeit nach dem neuen Punktsystem mit einem Punkt geahndet werden kann (vgl. VG Würzburg, U.v. 24.3.2021 – W 6 K 20.1327 – juris Rn. 41).
46
Auch diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, da eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 53 km/h nach dem Fahreignungsbewertungssystem gemäß § 40 FeV i.V.m. Nr. 2.2.3 der Anlage 13 zur FeV die Eintragung von zwei Punkten zur Folge hat. Folglich liegt nach den obigen Grundsätzen ein hinreichend gewichtiger, mit einem auf die Antragstellerin zugelassenen Kraftfahrzeug begangener Verkehrsverstoß vor.
47
2.3 Als weitere Voraussetzung darf die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers in der Folgezeit trotz ausreichender Ermittlungen nicht möglich gewesen sein. Für die Annahme der Unmöglichkeit im Rahmen des Tatbestandes des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist es nach ständiger Rechtsprechung ausreichend, dass die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Fahrzeughalter die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers zu vertreten hat (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2019 – 11 CS 18.1372 – juris Rn. 11; VG Würzburg, B.v. 19.5.2021 – W 6 S 21.573 – juris Rn. 37 m.w.N.).
48
Art, Zeitpunkt und Umfang der Ermittlungen stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Polizei. § 31a StVZO verpflichtet die Polizei auch nicht zur Anwendung bestimmter Ermittlungsmethoden (vgl. BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – juris Rn. 16). Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab (vgl. BVerwG, B.v. 23.12.1996 – 11 B 84.96 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 7.1.2019 – 11 CS 18.1372 – juris Rn. 13). Die Behörde darf ihre Bemühungen um die Feststellungen des Fahrzeugführers vorrangig an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und aus seinem Verhalten im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf fehlende Mitwirkungsbereitschaft schließen (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 – juris Rn. 7). Der Fahrzeughalter ist für sein Fahrzeug verantwortlich und daher erster Ansprechpartner für die Ermittlungsbehörden (so BayVGH in st. Rspr.: B.v. 7.1.2019 – 11 CS 18.1372 – juris Rn. 13; B.v. 16.4.2015 – 11 ZB 15.171 – juris Rn. 11). Der Fahrzeughalter ist zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet. Verweigert der Fahrzeughalter seine Mitwirkung, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer zu betreiben (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 7.1.2019 – 11 CS 18.1372 – juris Rn. 13). Reagiert der Fahrzeughalter – wie hier – nicht auf den ihm übersandten Anhörungsbogen oder schickt er diesen unausgefüllt und kommentarlos zurück oder lehnt er unter ausdrücklichem Hinweis auf sein Aussage- bzw. Zeugnisverweigerungsrecht pauschal jede Mitwirkung an der weiteren Aufklärung ab, darf die Ermittlungsbehörde grundsätzlich von einer fehlenden Bereitschaft ausgehen, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (BVerwG, B.v. 1.3.1994 – 11 B 130.93 – juris Rn. 4; siehe auch BayVGH, B.v. 7.1.2019 – 11 CS 18.1372 – juris Rn. 13 m.w.N.; OVG LSA, B.v. 26.2.2024 – 3 M 23/24 – juris Rn. 6; Nds. OVG, B.v. 15.10.2003 – 12 LA 416/03 – juris Rn. 8; VGH BW, B.v. 30.11.1999 – 10 S 2436/99 – juris Rn. 2). Dies gilt auch für den Fall, dass der Fahrzeughalter vorsorglich auch als Zeuge angesprochen worden ist (BVerwG, B.v. 1.3.1994 – 11 B 130.93 – juris Rn. 4) und somit folgerichtig auch in Fällen, in denen an den Fahrzeughalter – wie hier – ausschließlich ein Zeugenbefragungsbogen versandt wurde. Erst wenn sich im Einzelfall besondere Beweiszeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten, oder wenn besondere Umstände des Einzelfalls es naheliegend erscheinen lassen, dass der Halter bei Kenntnis bestimmter Ermittlungsergebnisse doch mitwirkungsbereit sein könnte, muss die Behörde weiter ermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2019 – 11 CS 18.1372 – juris Rn. 13; B.v. 15.10.2018 – 11 CS 18.1240 – juris Rn. 14; siehe auch OVG LSA, B.v. 26.2.2024 – 3 M 23/24 – juris Rn. 6).
49
Gemessen daran war die Feststellung des Fahrzeugführers trotz ausreichender Ermittlungen der Behörden im vorliegenden Fall nicht möglich. Bis heute konnte nicht aufgeklärt werden, wer den in Rede stehenden Verkehrsverstoß begangen hat. Auch haben die Ermittlungsbehörden gemessen an den ausgeführten Grundsätzen alle angemessenen und erfolgversprechenden Maßnahmen ergriffen, um im vorliegenden Fall den Fahrzeugführer innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist zu ermitteln.
50
Zu den angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört grundsätzlich, dass der Halter möglichst umgehend, regelmäßig innerhalb einer Frist von zwei Wochen, von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann (st. Rspr., vgl. erstmals BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77/74 – juris Rn. 18). Dabei konnte sich die Behörde – wie oben dargelegt – grundsätzlich darauf beschränken, der Fahrzeughalterin innerhalb von zwei Wochen einen Zeugenfragebogen zukommen zu lassen, da der auf dem Messfoto festgehaltene Fahrzeugführer eindeutig männlich ist. Dem hat das die Ermittlungen führende Polizeipräsidium Rh. entsprochen, indem es den auf den 22. März 2024 datierten Zeugenfragebogen an die Antragstellerin versandte (Bl. 22 der Behördenakte). Dass die Versendung des Zeugenfragebogens am 22. März 2024 erfolgte, wurde durch die ermittelnde Beamtin in dem an die PI S. gerichteten Ermittlungsersuchen vom 18. April 2024 bestätigt (Bl. 29 der Behördenakte). Der Zugang des Zeugenbefragungsbogens wurde durch die Antragstellerin weder im weiteren Gang des Verwaltungsverfahrens noch im gerichtlichen Verfahren bestritten (siehe etwa Bl. … f. der Behördenakte und S. 2 der Antragsschrift vom 27. Dezember 2024). Vielmehr teilte sie gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde in einem Telefonat am 23. Oktober 2024 mit, dass sie von der „OWi-Behörde“ angehört worden sei (Bl. … der Behördenakte), was aufgrund der Chronologie der Ereignisse nur als Bezugnahme auf den Zeugenfragebogen verstanden werden kann. Es wurde von der Antragstellerin auch zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass ihr eine Identifikation des Fahrzeugführers aufgrund der Bildqualität des Messfotos nicht möglich sei.
51
Zudem hat sich die zuständige Ermittlungsbehörde nicht auf die Versendung des Zeugenfragebogens beschränkt, sondern weitere Ermittlungsmaßnahmen ergriffen, um den Fahrzeugführer festzustellen. So wurde aufgrund eines Melderegisterabgleichs der an der Wohnadresse der Antragstellerin gemeldete Herr J. A. F. nach einem Abgleich mit dem Messfoto aufgrund seines Alters als Fahrzeugführer ausgeschlossen (Bl. … der Behördenakte).
52
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen auch Unzulänglichkeiten von überobligatorischen Ermittlungen wie hier in Bezug auf den Exmann der Antragstellerin dazu führen könnten, dass anzunehmen wäre, die Ermittlungsbehörden hätten nicht alle angemessenen und ihr zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen ergriffen. Dies käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Verfolgungsbehörde – sei es auch nur durch überobligatorische Anstrengungen – einen Zwischenstand ihrer Ermittlungen erreicht hat, mit dem sie bereits „auf der Zielgeraden“ zur Identifikation des Fahrzeugführers angelangt war, sie dann aber leichtfertig einen nun greifbar gewordenen Ermittlungserfolg vergeben hat (OVG LSA, B.v. 26.2.2024 – 3 M 23/24 – juris Rn. 7).
53
Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Zwar hätte gegen den von der Antragstellerin geschiedenen und getrenntlebenden Herrn M. E. B. kein Bußgeld mehr verhängt werden können, da vorliegend bereits zum 12. Juni 2024 Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Die Verfolgungsverjährungsfrist beträgt bei dem verfahrensgegenständlichen Verkehrsverstoß gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 StVG drei Monate. Die Frist beginnt gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG sobald die unerlaubte Handlung beendet ist, also am 13. März 2024 (siehe nur Louis in Gassner/Seith, OWiG, 2. Aufl. 2020, § 31 Rn. 38). Die Frist endete demnach am 12. Juni 2024. Im vorliegenden Fall ist eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG nicht mit der Versendung der Vorladung am 10. Juni 2024 eingetreten ist. Zwar steht der Unterbrechung nicht entgegen, dass die Vorladung mit der falschen Anschrift versehen wurde (vgl. Gertler in BeckOK OWiG, 44. Edition Stand: 1.10.2024, § 33 Rn. 35; Semrau in BeckOK StVR, 25. Edition Stand: 15.7.2024 § 33 OWiG Rn. 9; siehe auch BGH, B.v. 9.7.1974 – 1 StR 283/74 – NJW 1974, 1777). Eine Bekanntgabe setzt jedoch voraus, dass dem Betroffenen (konkludent) mitgeteilt wird, dass gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet wurde und welcher Verstoß ihm zur Last gelegt wird (siehe nur Gertler in BeckOK OWiG, 44. Edition Stand: 1.10.2024, § 33 Rn. 28 m.w.N.). Diesbezügliche Angaben sind der am 7. Juni 2024 versandten Vorladung nicht zu entnehmen. Das Schreiben enthält lediglich den Hinweis, dass es um eine Verkehrsordnungswidrigkeit gehe, ohne diese zu konkretisieren.
54
Jedoch kann im Zeitpunkt der Versendung der Vorladung am 10. Juni 2024 keinesfalls davon die Rede sein, dass sich die Ermittlungen gegen Herrn B. bereits „auf der Zielgeraden“ befanden. Nach allgemeiner Lebenserfahrung drängt sich nicht auf, dass nach dem Scheitern einer Ehe die geschiedenen und nunmehr getrenntlebenden Ehegatten sich gegenseitig Zugriff auf ihre Kraftfahrzeuge gewähren. Konkrete Anhaltspunkte, dass dies vorliegend der Fall gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich. Die Vorladung Herrn B. kann somit allenfalls als „Schuss ins Blaue“ gewertet werden. Davon, dass die Ermittlung zu diesem Zeitpunkt bereits auf der „Zielgeraden“ angelangt wäre, kann somit keine Rede sein. In Ermangelung valider Hinweise auf Herrn B. als Fahrzeugführer lagen keine neuen Beweiszeichen vor, die eine nochmalige Kontaktierung der Antragstellerin als Fahrzeughalterin als hinreichend erfolgversprechend erscheinen ließen. Somit kann im Ergebnis dahinstehen, ob, wie in der Kurzmitteilung vom 18. Juni 2024 von der ermittelnden Beamten der PI S. dargelegt, die Antragstellerin erfolglos versucht wurde, „fernmündlich und persönlich“ zu kontaktieren (vgl. Bl. … der Behördenakte).
55
Eine andere Betrachtungsweise ist auch bei einer ex post-Betrachtung nicht angezeigt. Vielmehr stritt Herr B. in seiner Stellungnahme gegenüber dem Polizeipräsidium Rh. vom 27. Juli 2024 ab, der Fahrzeugführer gewesen zu sein und gab zudem an, nicht mehr in Kontakt mit der Antragstellerin zu stehen, weshalb er auch keinen Zugriff auf deren Kraftfahrzeuge habe (Bl. … der Behördenakte). Dies wurde in der Folge von der Antragstellerin und der neuen Lebensgefährtin von Herrn B. bestätigt, sodass der Nachweis einer Tatbegehung durch Herrn B. auch im weiteren Verlauf der Ermittlungen nicht in greifbare Nähe gerückt war.
56
Die Feststellung des Fahrzeugführers war somit trotz des Ergreifens aller zumutbaren und erfolgsversprechenden Ermittlungen nicht möglich. Dass zum 12. Juni 2024 Verfolgungsverjährung eingetreten ist und damit die nachfolgenden Ermittlungsmaßnahmen, namentlich die Vorladung der Antragstellerin für den 19. September 2024, für die Verfolgung der in Rede stehenden Ordnungswidrigkeit keinen Nutzen mehr hatte, mag zutreffen, ist jedoch für die verfahrensgegenständliche Fahrtenbuchauflage ohne Belang.
57
Somit kommt es vorliegend auch nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die Antragstellerin sich darauf zurückziehen konnte, dass die Nutzung des Tatfahrzeugs einem größeren Personenkreis – der von der Antragstellerin nicht weiter konkretisiert wurde – möglich gewesen ist und sie daher den Fahrzeugführer nicht benennen könne (vgl. Bl. … der Behördenakte). Selbst wenn die Antragstellerin am 16. September 2024 die Identität des Fahrzeugführers preisgegeben hätte, hätte dieser aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Verfolgungsverjährung nicht mehr belangt werden können. Der zwischen den Beteiligten streitige Inhalt des Telefonats vom 16. September 2024 ist daher für das vorliegende Verfahren ohne Belang.
58
2.4 Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei ergangen. Wie oben bereits dargelegt, handelt es sich bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 53 km/h um eine Ordnungswidrigkeit von einigem Gewicht. Bereits die erste derartige Zuwiderhandlung rechtfertigt die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage. Es genügt, dass sich der Verstoß verkehrsgefährdend auswirken kann oder Rückschlüsse auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Fahrzeugführers zulässt, ohne dass es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist (BayVGH, B.v. 15.10.2018 – 11 CS 18.1240 – juris Rn. 19; jüngst auch VG Bayreuth, U.v. 30.7.2024 – B 1 K 23.710 – juris Rn. 50). Die vorherige Androhung der Anordnung ist vor dem Hintergrund der gefährdeten Rechtsgüter – Leben, Gesundheit sowie bedeutende Sachwerte anderer Verkehrsteilnehmer – kein gleich effektives Mittel und steht der Anordnung somit nicht entgegen (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2008 – 11 CS 07.2210 – juris Rn. 18).
59
2.5 § 31a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StVZO erlauben der Behörde auch die Erstreckung der Fahrtenbuchanordnung auf Ersatzfahrzeuge. Hiermit soll sichergestellt werden, dass sich der Halter nicht durch die Veräußerung des Tatfahrzeugs der Fahrtenbuchauflage entziehen kann. Mit § 31a StVZO soll nämlich nicht der Umgang mit einem bestimmten Fahrzeug, sondern die Beachtung der einem Kraftfahrzeughalter obliegenden Aufsichtspflicht über die von ihm in Verkehr gebrachte Kraftfahrzeuge sicherstellen (VG Bayreuth, U.v. 30.7.2024 - B 1 K 23.710 – juris Rn. 53; siehe auch Heinzeller in BeckOK StVR, 25. Edition Stand: 15.10.2024, § 31a StVZO Rn. 51).
60
Gemessen daran war die im verfahrensgegenständlichen Bescheid getroffene Anordnung für das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … … nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Dass es sich bei dem betreffenden Kraftfahrzeug um ein geleastes Fahrzeug handelt ist unerheblich, da es für das die Anordnung betreffende Fahrzeug maßgeblich darauf ankommt, ob der Betreffende die Verfügungsbefugnis und Kontrolle über das betreffende Fahrzeug hat, sodass er es selbst nutzen oder anderen zur Nutzung überlassen kann (vgl. BayVGH, B.v. 27.1.2004 – 11 CS 03.2940 – juris Rn. 12), woran vorliegend kein Zweifel besteht.
61
2.6 Auch hinsichtlich der Dauer der Fahrtenbuchauflage ergeben sich bei summarischer Prüfung keine Zweifel an deren Rechtsmäßigkeit. Maßgeblich ist hierfür insbesondere das Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlungen. Nach gefestigter Rechtsprechung ist eine am Punktesystem der Anlage 13 zu § 40 FeV ausgerichtete Dauer der Auflage nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, U.v. 28.5.2015 – 3 C 13/14 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 11.6.2024 – 11 CS 24.628 – Rn. 22; B.v. 13.10.2022 – 11 CS 22.1897 – juris Rn. 17; B.v. 31.1.2022 – 11 CS 21.3019 – juris Rn. 11). Als Richtwert ist hierbei eine Dauer von zwölf Monaten pro Punkt anerkannt (siehe nur BayVGH, B.v. 11.6.2024 – 11 CS 24.628 – juris Rn. 22).
62
Diesem Maßstab entspricht auch die vorliegende Dauer der Fahrtenbuchanordnung. In Nr. 1 des Bescheides des Landratsamtes S. vom 2. Dezember 2024 wurde eine Dauer der Auflage von zwölf Monaten angeordnet. Dies entspricht den oben angeführten Grundsätzen, da – wie bereits ausgeführt – der in Rede stehende Geschwindigkeitsverstoß von 53 km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (außerorts) mit zwei Punkten zu ahnden ist.
63
2.7 Die in Nr. 2 des Bescheides des Landratsamtes S. vom 2. Dezember 2024 getroffenen Regelungen zur Art und Weise der Führung des Fahrtenbuchs entsprechen den gesetzlichen Vorgaben des § 31a Abs. 2 StVZO und sind somit ebenfalls rechtmäßig. Selbiges gilt für die in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides getroffenen Regelungen zur Vorlageverpflichtung, die den Vorgaben des § 31a Abs. 3 StVZO entsprechen.
64
3. Schließlich erweist sich auch die Androhung des Zwangsgelds in Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheides zur Durchsetzung der Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs nach summarischer Prüfung als rechtmäßig.
65
Es liegen sowohl die allgemeinen (Art. 18 ff. VwZVG) als auch die besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Nachdem die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs von der Behörde für sofort vollziehbar erklärt wurde, ist der Grundverwaltungsakt gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG vollstreckbar. Das Zwangsgeld ist gemäß Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 und Art. 31 VwZVG ein taugliches Mittel zur nachdrücklichen Durchsetzung der verfügten Handlungspflicht. Das Zwangsmittel des Zwangsgelds steht vorliegend insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck und es kommen keine sonst zulässigen, milderen Zwangsmittel in Betracht, Art. 31 VwZVG. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes und dessen Staffelung entsprechend der Nrn. 1 bis 3 des Bescheides ist nicht zu beanstanden und entspricht insbesondere den Anforderungen des Art. 36 Abs. 5 VwZVG.
66
4. Auch bei Abwägung der gegenseitigen Interessen war kein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage festzustellen. Bei der Fahrtenbuchauflage handelt es sich um einen vergleichsweise geringen Eingriff in die Allgemeine Handlungsfreiheit der Antragstellerin. Dieser wird durch das überwiegende öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und den dahinterstehenden gewichtigen Rechtsgütern des Lebens, der Gesundheit und des Eigentums der anderen Verkehrsteilnehmer überwogen. Es entspricht dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs, dass Verkehrsteilnehmer, die geltende Verkehrsregeln überschreiten und dadurch Leib, Leben und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer gefährden, identifiziert werden können, da andernfalls auch zukünftig eine Missachtung der die Sicherheit im Straßenverkehr gewährleistenden Vorschriften und der damit einhergehenden Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu befürchten ist, wenn eine Ahndung der Verstöße nicht durchzusetzen ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.6.2024 – 11 CS 24.628 – Rn. 18). Besondere Umstände, die ausnahmsweise den sofortigen Vollzug weniger dringlich machen, sind – wie im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend festgestellt wurde – weder durch die Antragstellerin vorgebracht worden noch in sonstiger Weise ersichtlich.
67
5. Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
68
Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 46.11 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach sind bei einer Fahrtenbuchauflage 400,00 EUR je Monat für den Streitwert anzusetzen. Bei einer Fahrtenbuchauflage für zwölf Monate ergibt sich somit ein Streitwert in Höhe von 4.800,00 EUR, welcher im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren war.