Inhalt

VGH München, Beschluss v. 06.06.2025 – 11 CE 25.378
Titel:

Straßenverkehrsrechtliche Anordnung, Beeinträchtigungen eines Anliegers an der Ortsdurchfahrt

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2, § 123 Abs. 1 S. 2
StVO § 45 Abs. 1, Abs. 9 S. 1 und 3
Schlagworte:
Straßenverkehrsrechtliche Anordnung, Beeinträchtigungen eines Anliegers an der Ortsdurchfahrt
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 05.02.2025 – M 23 E 23.6275
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13924

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, ein Anwohner an der Bundesstraße B20 in der Ortsdurchfahrt der Stadt L. , begehrt die Vornahme straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen u.a. zur Lärmminderung im Wege des einsteiligen Rechtsschutzes.
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Wegen verkehrsbedingter Beeinträchtigungen hatte sich der Antragsteller bereits in den Jahren 2022 und 2023 mit auf einstweiligen Rechtschutz gerichteten Anträgen an das Verwaltungsgericht München gewandt. Im Zuge dessen beschränkte der Antragsgegner mit Wirkung vom 23. Mai 2022 die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Bereich des Wohnanwesens des Antragstellers aus Gründen des Lärmschutzes auf 30 km/h. Ein Durchfahrtsverbot für Lkw lehnte er mangels Umleitungsstrecke ab. Am 26. Juli 2022 wurden im Auftrag der Stadt L. die Erschütterungsimmissionen aus dem Straßenverkehr gemessen und nachfolgend das Gutachten zu den Erschütterungseinwirkungen aus Schwerlastverkehr auf Wohngebäude entlang der B 20 vom 23. November 2022 erstellt. Nach dem vom Landesamt für Umweltschutz in Auftrag gegebenen Bericht über die Durchführung von Stickstoffdioxid(NO₂)-Passivsammlermessungen in Laufen vom 16. Februar 2023 wurde der Immissionsgrenzwert der 39. BImSchV für das Kalenderjahr von 40 μg/m³ beim Wohnanwesen des Antragstellers unterschritten. Zur Entlastung der historischen Ortsdurchfahrt, deren Ausbau nicht den aktuellen Erfordernissen entspricht, ist der Bau einer Ortsumfahrung geplant.
3
Am 28. Dezember 2023 stellte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München einen „Eilantrag“ „auf Prüfung und Aktualisierung der tatsächlichen Immissionsbelastungen“ und erbat „eine richterliche Anordnung im ganzheitlichen Aspekt des Immissionsschutzgesetzes“. Die tatsächlichen Verkehrsbelastungen vor Ort erfüllten die aktuellen Vorgaben für das Einschreiten bei einer nicht mehr ortsüblichen Verkehrsbelastung. Würden die im Vergleich zur 16. BlmSchV strengeren Grenzwerte der Nr. 2.1 der Lärmschutz-Richtlinien-Straßenverkehr überschritten, sei erst Recht von einer Unzumutbarkeit auszugehen. Die anhand überholter Maßstäbe ermittelten Immissionswerte an seinem Wohnort seien erneut zu bestimmen. Der Antragsgegner verkenne, dass es im Rahmen der Ermessensbetätigung wesentlich darauf ankomme, in welchem Maße die jeweiligen Orientierungswerte – hier der 16. BlmSchV – überschritten seien. Hiernach bestimme sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung das Gewicht der etwa entgegenstehenden Verkehrsinteressen, um ein Absehen von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen zu rechtfertigen. Die den Berechnungen zugrundeliegenden Verkehrszahlen seien auf dem Stand von 2017 und berücksichtigten nicht die Zunahme des Kraftverkehrs seither und die deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen bei etwa 90% der Fahrzeuge. Die tatsächlichen Belastungen durch Lärm, Erschütterungen, Abgase und PM 10 Massenkonzentrationen, dürften daher wesentlich höher liegen. In den Jahren 2017 bis 2019 hätten nur zweimal für sechs Monate Daten ermittelt werden können. Wegen Zählerdefekten fehlten die Daten für die restliche Zeit. Seit Sperrung des Lkw-Verkehrs ab 7,5 t im Mai 2019 auf österreichischer Seite nehme der Transitverkehr auf der B 20 immer mehr zu. Täglich seien über 3.000 Lkws und die gleiche Anzahl an Kleintransportern zu verzeichnen; von 4:00 Uhr morgens an seien bereits stündlich über 120 Lkw, zur Nachtzeit mehr als 100 Lkw in zwei Stunden unterwegs. Die Bundesstraße sei zudem Hauptroute für Stauumfahrer der Autobahn 8. Der durchschnittliche Lärmpegel liege 24 Stunden täglich bei 80 dB(A). Die B 20 sei beidseitig ausschließlich mit Wohnhäusern bebaut. Einen Gehweg gebe es nur auf einer Seite. Die Fahrbahn sei an der engsten Stelle lediglich 6,13 m breit, der Gehweg nur zwischen 40 und 80 cm, so dass er als Schulweg und Gehweg höchst gefährlich sei. Zudem gingen vom Verkehr massive Erschütterungen aus, die zu Rissen in den Häusern führten und deren Standfestigkeit gefährdeten. Auch die Verkehrszählung aus dem Jahr 2022 erfasse nicht die Mehrbelastung. Die Immissionsbelastung gehe von 30 km/h aus. Tatsächlich würden die Kfz üblicherweise 60 km/h oder mehr fahren. Der Verkehr sei nicht mehr ortsüblich und damit unzumutbar.
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Nach einer mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2024 und entsprechender gerichtlicher Aufforderung legte der Antragsgegner mit Schreiben vom 31. Oktober 2024 eine schalltechnische Untersuchung des Staatlichen Bauamts vom 7. August 2024 mit aktuellen Lärmberechnungen anhand aktueller Verkehrszahlen für das Anwesen des Antragstellers vor. Den Berechnungen seien die aktuellen Verkehrszahlen aus dem Jahr 2023, eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und die im Juli 2024 neu aufgebrachte Straßendeckschicht zugrunde gelegt worden. Das Anwesen des Antragstellers sei an der zur B 20 ausgerichteten Gebäudefront mit maximal 65,6 dB(A) tags und 59,2 dB(A) nachts belastet. An den Seitenfassaden würden Werte erreicht, die nachts mit 55,9 bis 56,8 dB(A) deutlich unter dem Grenzwert lägen. Die von der Stadt L. vom 30. Juli bis 5. August 2024 rund um die Uhr durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen hätten lediglich in 2,6% der Fälle Geschwindigkeitsüberschreitungen ergeben. Bei einer nochmaligen Betrachtung verschiedener Maßnahmen habe sich gezeigt, dass es keine geeignete Umleitungsstrecke für den Lkw-Verkehr, z.B. zur Durchsetzung eines Nachtfahrverbots, gebe. Aufgrund des notwendigen Ziel- und Quellverkehrs innerhalb der Stadt L. würde es ohnehin nur zu einer geringen Entlastung kommen. Eine mögliche Dosierampel werde von der Stadt L. , der Polizei und dem Straßenbaulastträger als nicht zielführend abgelehnt. Diese Maßnahme sei in dem kritischen Straßenabschnitt kürzlich ergriffen worden, was zu massiven Rückstauungen in der gesamten Ortsdurchfahrt und negativen Auswirkungen auf einen Großteil des Stadtgebiets sowie den grenzüberschreitenden Verkehr und einer Blockade der Rettungsgasse geführt habe. Zudem würde eine Dosierampel die Feinstaubbelastung erhöhen, eine zusätzliche Lärmbelastung in den Wohngebieten und Erschwernisse im Rettungsverkehr mit sich bringen. Bereits die aktuell angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h führe nach Angaben der Stadt L. zu kolonnenartigem Verkehr im Bereich der Ortsdurchfahrt, wodurch ein Ausfahren aus Nebenstraße erkennbar schwerer geworden sei. Dieser Zustand würde durch eine Ampel noch weiter verschärft werden. Unter Betrachtung der Gesamtumstände und der entstehenden Problemverlagerung bestünden keine geeigneten Maßnahmen zur Abhilfe. Neben dem Einbau von Lärmschutzfenstern bleibe einzig die Lösung, die Ortsumfahrung möglichst schnell herbeizuführen.
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Mit Beschluss vom 5. Februar 2025 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Er sei, auch bei sachdienlicher Auslegung dahin, dass der Erlass straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen in erster Linie zum Schutz vor Lärmimmissionen begehrt werde, unzulässig. Der Antragsteller, der als Anlieger an der streitbefangenen Bundesstraße eine durch den Verkehr verursachte, unzumutbar empfundene Lärmbeeinträchtigung geltend mache, sei zwar antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Es sei anerkannt, dass der Einzelne einen – zumindest auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten – Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten haben könne. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 45 Abs. 1 StVO, insbesondere soweit § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen bezwecke, umfasse Grundrechte wie die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum. Insoweit könne ein öffentlich-rechtlicher Individualanspruch gegeben sein. Das Gericht teile jedoch die Bedenken des Antragsgegners hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses, lasse diese Frage aber im Ergebnis offen, weil der Eilantrag unbegründet sei. Da sich der Antragsteller mit seinem Anliegen erneut ohne vorherige Befassung der zuständigen, lediglich aus früheren gerichtlichen Verfahren mit der Sache vertrauten Straßenverkehrsbehörde unmittelbar an das Gericht gewandt habe, könnte ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Dieses setze in der Regel voraus, dass vor Antragstellung gemäß § 123 VwGO ein Rechtsverhältnis zur Behörde hergestellt sei, das es ihr abhängig von der Dringlichkeit der Angelegenheit ermögliche, außerhalb und im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens auf ein konkretes (neuerliches) Begehren reagieren zu können und hiervon nicht überrascht zu werden. Es sei keine derartige Unaufschiebbarkeit erkennbar, die es dem Antragsteller erlaube, unmittelbar das Gericht zu befassen. In der Sache fehle es bereits an der hinreichenden Glaubhaftmachung von Tatsachen, die einen Anordnungsanspruch begründeten. Der Antragsteller habe keinen gebundenen Anspruch aus § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 9 StVO auf straßenverkehrsrechtliches Einschreiten. Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) sei durch die konkludente Ablehnung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ermessensgerecht erfüllt. Die Kammer gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Werten unterhalb von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts in Wohngebieten kein Anspruch auf straßenverkehrsbehördliches Einschreiten bestehe, dass bei darüber liegenden Werten, die 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts nicht überschritten, ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung und ein gebundener Anspruch auf straßenverkehrsbehördliches Einschreiten bei Werten von mehr als 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts bestehe. Demnach dürfte der Antragsteller einen Anspruch auf (nochmalige) ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein straßenverkehrsrechtliches Einschreiten haben. Die Entscheidung des Antragsgegners, die in Form von dessen Einlassungen im gerichtlichen Verfahren vorliege, werde den im Rahmen des § 114 VwGO überprüfbaren Anforderungen nach Aktenlage gerecht. Auch wenn das Gebiet im Umgriff des Anwesens des Antragstellers als ein mit dem Schutzniveau eines Wohngebiets vergleichbares Gebiet einzustufen sei, sei die Lage an der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße und die damit gegebene Vorbelastung zu berücksichtigen. Nach den vom Antragsgegner vorgelegten schalltechnischen Untersuchungen, die eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h sowie einen mit dem Asphaltbeton AC 11 vergleichbaren, zwischenzeitlich aufgebrachten Straßenbelag zugrunde legten, ergäben sich am Grundstück des Antragstellers maximale Lärmwerte von 66,5 dB(A) tags bzw. 59,8 dB(A) nachts. Der Berechnung liege eine aktuelle Verkehrszählung aus dem Jahre 2023 zugrunde. Der Vortrag des Antragstellers, die Berechnungen seien nicht korrekt erfolgt, bleibe unsubstantiiert. Insoweit sei nach § 3 Abs. 1 der 16. BImSchV i.V.m. Nr. 3.3.1 RLS-19 nicht der Abstand des Hauses zum Fahrbahnrand, sondern der Abstand zwischen der Straßenmitte und – als maßgebendem Immissionsort – dem nächstgelegenen schutzbedürftigen Aufenthaltsraum zugrunde zu legen. Dem Vortrag des Antragstellers, die nunmehr geltende Höchstgeschwindigkeit werde vielfach nicht eingehalten, widerspreche sein Vortrag zu den Radarmessungen durch die Stadt L. . Im Übrigen sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Berechnung an die jeweils geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit anknüpfe, auch wenn Geschwindigkeitsbegrenzungen häufig nicht eingehalten würden. Ergänzende Schallmessungen seien nicht angezeigt, da sich die hieraus ergebenden Messwerte nur auf die zum Zeitpunkt der Messungen vorhandenen Schallemissions- und -ausbreitungsbedingungen beziehen könnten. Ein der gerichtlichen Kontrolle zugänglicher Ermessensfehler sei nicht ersichtlich. Der Antragsgegner habe sich mit den ermittelten Lärmwerten am Anwesen des Antragstellers auseinandergesetzt und über die bereits angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h hinaus weitere lärm- und belästigungsmindernde Maßnahmen geprüft. Die Ermessenserwägungen seien nicht zu beanstanden. Auch an einer Bundesstraße, die von überörtlichem Verkehr frequentiert werde, kämen lärmschützende Maßnahmen gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO zugunsten der Wohnnutzung in Betracht. Dabei seien auch die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer sowie die Verkehrsbedeutung der Straße zu würdigen, mithin die Leichtigkeit des Verkehrs in die Abwägung einzubeziehen. Für die Bewertung der Zumutbarkeit des Lärms sei u.a. von Bedeutung, ob der ihn auslösende Verkehr die betroffenen Straßen funktionsgerecht oder funktionswidrig in Anspruch nehme. Anliegern einer Bundesfern straße sei damit wegen ihrer der Widmung entsprechenden Verkehrsbedeutung eine höhere Lärmbelastung zuzumuten. Hier seien bereits Maßnahmen, wie eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h und die Aufbringung eines lärmmindernden Straßenbelags, getroffen worden, um den Zustand für die Anlieger der B 20 bis zur Fertigstellung der Ortsumfahrung einstweilen zu verbessern. Weitere Maßnahmen habe der Antragsgegner ermessensgerecht und fehlerfrei abgelehnt. Es sei nachvollziehbar, dass ein (nächtliches) Durchfahrverbot für Fahrzeuge über 3,5 t bzw. 7,5 t eine massive Belastung von Anliegern an den Umgehungsstrecken mit sich bringe. Entsprechendes gelte für verkehrliche Auswirkungen eines nächtlichen Lkw-Durchfahrtverbots für die Ziel- und Quellverkehre für die Stadt L. selbst und den Lastfall der (Nicht-)Zulassung eines Ziel- und Quellverkehrs von Lkws für die Stadt L. . Weiter zeige der Antragsgegner nachvollziehbar auf, wie sich die Gesamtsituation infolge einer Ampelschaltung (sog. Dosierampel) durch Rückstau, Kolonnenbildung etc. verschlechtert würde. Er habe ferner berücksichtigen dürfen, dass die Belastungen des Antragstellers ggf. durch passiven Lärmschutz, für den u.U. eine entsprechende Fördermöglichkeit bestehe, weiter abgemildert werden könnten. Langfristig werde sich die Lärmbelastung in der Innenstadt von Laufen durch den geplanten Bau einer Umgehungs straße verbessern.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der der Antragsgegner entgegentritt. Zur Begründung wird vorgetragen, der Antragsteller sei mit 63 Jahren hochbetagt und gesundheitlich angeschlagen. Die ständigen Umbaumaßnahmen beeinträchtigten ihn finanziell. Die historischen Gebäude entlang der Ortsdurchfahrt seien bis zu 500 Jahre alt und stünden im Wesentlichen unter Denkmalschutz. Kein Haus habe an den Hangleiten eine stabile Begründung, wenn überhaupt ein Fundament vorhanden sei, das diesen Belastungen auf Dauer standhalten könnte. Viele Häuser seien in Holzblockbauweise errichtet und somit schwingungsanfällig. Bis Oktober 2022 habe das Straßenbauamt auf der Fahrbahn Kanaldeckel wieder angebracht, damit die donnerartigen Einschläge aufhörten. Im Mai 2023 seien diese bereits erneut um 6 cm abgesackt, was Erschütterung und Überbelastung indiziere. Das Gewicht der Lastkraftwagen in der Ortsdurchfahrt drücke die Häuser seitlich weg. Deshalb seien die Kanalrohre in der Straße nicht gebrochen, sondern auseinandergezogen worden. Alle Häuser in der Ortsdurchfahrt stünden an einer Hangleite, die westlichen Häuser vor einem großen rückwärtigen Hangwall, der den Erschütterungen abwärts zur B 20 nachgebe. Im Jahr 2012 habe ein Hangrutsch südlich fast ein Haus begraben. Der Antragsteller habe Rauchmelder in seinem Gebäude anbringen lassen, die aufgrund des Smog-Alarms an der Straße ständig auslösten. Er habe zuletzt im Jahr 2022 sein Gebäude vollständig saniert, das schon wieder große Risse aufweise. Zwei Fenster und eine Türe hätten wieder ersetzt werden müssen. Die Fenster und Türen klemmten immer mehr. Das Haus rutsche südlich und östlich (Hanglage 3 m tiefer) ab, wie auch die Nachbargebäude dieselbe Richtung einnähmen und gleichermaßen bedenkliche Risse aufwiesen. Der Antragsteller fürchte auch einen „Supergau“, wenn ein Gefahrguttransporter auf der engen Straße verunfallen sollte, gleichermaßen für querende Fußgänger, zumal Zebrastreifen und Ampeln gänzlich fehlten. Die Fußgänger müssten einen Spießrutenlauf durch die sperrigen Lastkraftwagen und deren überhöhten Geschwindigkeiten auf sich nehmen. Die Geschwindigkeitsbeschränkung werde nicht überwacht. Die Stadt verhindere trotz 300 Unterschriften einen stationären Blitzer. Dem Vernehmen nach werde die örtliche Polizeiinspektion die Geschwindigkeit aufgrund Unterbesetzung nicht überwachen. Das Verwaltungsgericht hege letztlich offen gelassene Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags und verkenne dabei, dass die Lärmproblematik entlang der Wohnadresse des Antragstellers zumindest behördenbekannt sei. Es verneine zu Unrecht einen Anspruch auf Erlass weiterer straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen, indem es die Geräusch- und Geruchsvorbelastung überbetone und die Anforderungen an einen substantiierten Vortrag übersteigere. Es möge zwar zutreffen, dass der Abstand zwischen der Straßenmitte und dem nächst gelegenen schutzbedürftigen Aufenthaltsraum zugrunde zu legen sei. Allerdings werde der vielfache Hinweis des Antragstellers auf stetige Geschwindigkeitsüberschreitungen und dem Begehren nach weiteren Schallmessungen übergangen. Die schalltechnische Untersuchung des Staatlichen Bauamts sei unterdessen überholt und eine erneute Verkehrslärmmessung dringend angezeigt. Zuletzt sei der Verkehrslärm im Jahr 2023 gemessen worden. Die Situation habe sich durch den Mautausweichverkehr infolge der Sperrung einer österreichischen Parallel straße nennenswert verschlechtert. Der Antragsgegner weigere sich bislang, die komplette B 20 in das Bundesfernstraßenmautgesetz aufzunehmen. Die Ermessensausübung könne gerichtlich kontrolliert werden. Dabei habe das Verwaltungsgericht die Belange der Wohnnutzung gegenüber den Belangen des Straßenverkehrs unterbewertet und ein nächtliches Durchfahrverbot für Fahrzeuge über 3,5 t und eine Ampelschaltung abgelehnt. Hier wäre eine erneute Verkehrslärmmessung mit einer Probeampel dringend angezeigt. Ebenso sollten passive Lärmschutzmaßnahmen angeordnet und nicht dem Antragsteller unter Hinweis auf einen letztlich nicht absehbaren Bau einer Umgehungs straße auferlegt werden. In einem historischen Haus könnten Lärmschutzfenster und eine elektrische Belüftung nicht umgesetzt werden, was auch hinsichtlich der finanziellen Belastung unzumutbar sei. Der Antragsteller könne auch nicht auf die „architektonische Selbsthilfe“ verwiesen werden, weil die Wohnsituation in seinem Haus überaus begrenzt und eine Flucht in die hinteren Räume hinsichtlich der Erschütterungen und des Lärms unzumutbar sei. Er könne im rückwärtigen Garten kein vernünftiges Gespräch mehr führen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
9
Aus den in den Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die den Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile, Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund und -anspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ist der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten (BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – NVwZ-RR 2014, 558 Rn. 5 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 123 Rn. 14 m.w.N.).
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Mit seinem Beschwerdevortrag wendet sich der Antragsteller weder gegen die Auslegung seines Antrags dahin, er sei auf die Vornahme weiterer straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen gerichtet, noch gegen die der rechtlichen Würdigung durch das Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Maßstäbe, sondern allein gegen dessen rechtliche Schlussfolgerung, das Landratsamt habe seinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über derartige Maßnahmen (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) ohne Ermessensfehler erfüllt.
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Anders als vorgetragen ist jedoch nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht die Geräusch- und Geruchsvorbelastung an der Ortsdurchfahrt überbetont und die Anforderungen an einen substantiierten Vortrag des Beteiligten übersteigert hätte. Zur Berücksichtigung der Vorbelastung findet sich in dem angegriffenen Beschluss lediglich die Feststellung, dass die Lage des Wohnanwesens in einer Ortsdurchfahrt und an einer Bundesstraße zu berücksichtigen sei, auch wenn es ansonsten in einem einem Wohngebiet vergleichbaren Gebiet liege (vgl. Beschluss, S. 12 Rn. 26). Den vom Antragsteller vorgetragenen Bedenken gegen die Lärmberechnung hat das Gericht unter Bezugnahme auf die obergerichtliche Rechtsprechung die normativen Vorgaben des Berechnungs- und Beurteilungsverfahrens nach der Verkehrslärmschutzverordnung (§ 3 Abs. 1 der 16. BImSchV) und den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (Nr. 3.3.1 RLS-19) entgegengehalten und seinen Hinweisen auf häufige Geschwindigkeitsüberschreitungen (von 90%), dass diese in einer einwöchigen Dauermessung der Stadt L. nur 2,6% betragen hätten (vgl. dazu auch die Antragserwiderung vom 22.1.2024, S. 7 f.). Damit hat es seine Einwände im Ergebnis für ungeeignet erachtet, aber keine übersteigerten Anforderungen an den Vortrag eines nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten gestellt. Diesen gerichtlichen Erwägungen ist der Antragsteller in seiner Beschwerde nicht konkret entgegengetreten.
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Dem in der Antragsschrift enthaltenen Vorwurf, die Lärmberechnungen beruhten auf veralteten Verkehrszahlen, ist durch die schalltechnische Untersuchung des Staatlichen Bauamts vom 7. August 2024 Rechnung getragen worden, in die auch die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h und die erneuerte Straßendeckschicht eingeflossen sind. Entgegen der Meinung des Antragstellers hat das Gericht dieser Untersuchung, die die Auswirkungen auf die Immissionspegel bei Geschwindigkeiten von 50 km/h und 30 km/h und mit einem Nachtfahrverbot für Schwerverkehr ≥ 3,5 t bei einer Geschwindigkeit auf 50 km/h berechnet, nicht die Aussagekraft wegen mangelnder Aktualität abgesprochen. Es hat lediglich bei der Prüfung, ob ein nächtliches Durchfahrtsverbot für Lkw über 3,5 t bzw. 7,5 t in Betracht kommt, die bauamtliche Untersuchung für unzureichend erachtet, um dessen Eignung abzuschätzen. Darauf kam es jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht an, weil der Antragsgegner das Durchfahrtsverbot wegen seiner Auswirkungen auf die Umgehungsstrecken und das Stadtgebiet ermessensgerecht ausgeschieden habe. In der Antragserwiderung vom 22. Januar 2024 (S. 9) hat das Landratsamt im einzelnen ausgeführt, weshalb Umleitungen über die Kreisstraße BGL 12 und die Bundesstraße 304 (Betroffenheit zahlreicher Gemeinden) oder die Staatsstraßen 2105 und 2104 (Verdoppelung des Verkehrs für Freilassung durch ein Nachtfahrverbot) nicht in Betracht kommen. Damit hatte es gerade die Belange der Wohnnutzung im Auge, allerdings zu Recht aller Anwohner in dem betroffenen Gebiet. Eine Unterbewertung dieses Belangs kann nicht festgestellt werden. Ansonsten ist nicht ersichtlich, weshalb die schalltechnische Untersuchung vom August 2024 überholt sein sollte. Zur Untermauerung dieser Annahme hat der Antragsteller keine neuen Tatsachen vorgetragen, die erwarten ließen, dass erneute Lärmberechnungen zu einem für ihn günstigeren Ergebnis führen würden. Die Tonnagebeschränkungen für Lkw ab 7,5 t auf den österreichischen Bundesstraßen B156 (Lamprechtshausener Straße) und B147 sowie Landestraßen L505 und L101, die zu einer erheblichen Verlagerung des Schwerverkehrs u.a. auf die B 20 geführt haben, bestehen seit Juni 2020. Deren Folgen sind folglich auch in die Verkehrsmessungen im Jahr 2023 und damit auch in die Lärmberechnung vom August 2024 eingeflossen. Nicht schlüssig dargelegt ist auch, weshalb das Verlangen nach einer Ampelschaltung eine erneute Lärmmessung dringend anzeigen soll. Das Verwaltungsgericht ist insofern dem vom Antragsteller nicht angegriffenen Vortrag des Antragsgegners gefolgt, dass eine Dosierampel wegen der Verschlechterung der Gesamtsituation (Rückstau, Kolonnenbildung etc.) nicht in Betracht komme. Dies ist ebenso nachvollziehbar wie die Erwägung des Landratsamts (Antragserwiderung vom 22.1.2024, S. 6), dass durch eine Ampel keine Änderung der Verkehrsmengen erreicht werde und sich damit auch der mittlere Schallpegel nicht verändere.
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Soweit der Antragsteller den baulichen Zustand der historischen Gebäude an der streitgegenständlichen Strecke der Ortsdurchfahrt bzw. die Schäden in deren Bausubstanz mit der Verkehrsbelastung in Verbindung bringt, hat er einen solchen Zusammenhang nicht hinreichend dargelegt. Eine in kurzem Zeitabstand notwendige Erneuerung der sich in der Fahrbahn befindlichen Kanaldeckel kann nicht als Beleg für einen solchen Zusammenhang herangezogen werden, weil die Kanaldeckel nicht nur den verkehrsbedingten Erschütterungen, sondern unmittelbar der ständigen Last darüber hinwegfahrender Kraftfahrzeuge ausgesetzt sind. Der Gutachter, der das von der Stadt L. in Auftrag gegebene Gutachten vom 23. November 2022 über Erschütterungseinwirkungen aus Schwerlastverkehr gefertigt hat, konnte den geltend gemachten Zusammenhang nicht bestätigen, sondern sieht als wahrscheinliche Ursache der Gebäuderisse den Untergrund bzw. die Lage auf der Grenze zweier geologischer Gebiete an.
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Das angegriffene Ergebnis der Ermessensabwägung des Landratsamts im Rahmen seiner Entscheidung über straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen beruht letztlich darauf, dass keine geeigneten Maßnahmen zur Verfügung stehen, um die Verhältnisse am Wohnanwesen des Antragstellers zu verbessern, ohne an anderer Stelle neue Unzulänglichkeiten herbeizuführen (vgl. BVerwG, U.v. 4.6.1986 – 7 C 76.84 – BVerwGE 74, 234 = juris Rn. 13; Nr. 1.3 Lärmschutz-Richtlinien-StV). Geeignete Alternativen hat auch die Beschwerde nicht aufgezeigt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.15 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).