Inhalt

VGH München, Beschluss v. 18.06.2025 – 9 CS 25.763
Titel:

Beseitigungsanordnung eines Lagerplatzes im Außenbereich, Sofortvollzug, Zustandsstörer, Störerauswahl

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nrn. 1, 5, 6 und 7
BayBO Art. 76 S. 1
BayBO Art. 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 2
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung eines Lagerplatzes im Außenbereich, Sofortvollzug, Zustandsstörer, Störerauswahl
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 01.04.2025 – AN 3 S 23.1762
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13897

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die vom Antragsgegner angeordnete sofortige Vollziehung der Beseitigung eines Lagerplatzes im Außenbereich.
2
Das 16.490 m² große, umzäunte Grundstück … … … … … … …, auf dem ursprünglich eine Atemschutz- und Fernmeldewerkstatt für die Katastrophenschutzzentralwerkstatt betrieben wurde, weist neben mehreren Gebäuden eine geschotterte Fläche mit Ablagerung von Abfällen, insbesondere Bauschutt, Altholz, Dachpappen, asbesthaltigen Bauabfällen, Altmetall und Bodenaushub auf. Die Antragstellerin als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat das zum damaligen Zeitpunkt noch ungeteilte Grundstück FlNr. …2 im Jahr 2002 erworben; sie betreibt das Gewerbe „Vermietung und Verpachtung von Anlagevermögen“.
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In der Vergangenheit kam es aufgrund der Lagerung gefährlicher und nicht gefährlicher Abfälle wiederholt zu behördlichen Maßnahmen zur Beseitigung und Unterbindung von Ablagerungen mit nachfolgender Ersatzvornahme im Zeitraum 2018/19. Aufgrund Überlassungsvertrags vom 23. November 2012 wurde aus dem Grundstück FI.Nr. …2 eine Teilfläche, auf dem sich seinerzeit der Großteil der zur Entsorgung anstehenden Abfallfraktionen befand, herausgemessen und das Eigentum an dem hierbei neu gebildeten Flurstück …3 (1.434 m²) auf Herrn T., den Ehemann und Vater der Gesellschafterinnen der Antragstellerin sowie deren Generalbevollmächtigten, übertragen.
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Am 27. Mai 2020 wurde die Errichtung einer geschotterten Fläche zur Lagerung von Abfällen, insbesondere Bauschutt, Altholz, Dachpappen, asbesthaltigen Bauabfällen, Altmetall und Bodenaushub festgestellt; weiter wurden (Alt-)Fahrzeuge gelagert. Nach Mitteilung der Antragstellerin vom 21. Juli 2021 würden die vorhandenen Gebäude mit ihrem bisherigen Nutzungszweck als Kfz-Werkstatt, Büroräume, Lagerflächen und Wohnen im Rahmen des ursprünglich genehmigten Zwecks genutzt. Mit Schreiben des Landratsamtes vom 1. März 2022 wurde die Antragstellerin zu einer beabsichtigten Nutzungseinschränkung angehört; die bei der Ortsbesichtigung vorgefundenen Nutzungen entsprächen nicht dem ursprünglich genehmigten Zweck und bedürften einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung. Mit weiterem Schreiben vom 23. März 2022 wurde um Offenlegung der Mieter gebeten, damit diese unmittelbar durch das Landratsamt zur Herstellung ordnungsgemäßer Zustände aufgefordert werden könnten; eine Zuordnung einzelner Flächen zu den jeweiligen Nutzern war trotz Vorlage eines Lageplans und Auswertung von Gewerbeanmeldungen nicht möglich. Bei einem weiteren Ortstermin am 30. August 2022 wurde festgestellt, dass nicht baurechtlich genehmigte Flächen weiterhin durch verschiedene Nutzer als Lagerplatz für Kraftfahrzeuge, sonstige Gegenstände und Abfälle genutzt wurden. Seitens des Wasserwirtschaftsamtes wurden im Rahmen einer Ortseinsicht vom 8. Dezember 2022 massive Bodenverunreinigungen, insbesondere flächendeckend Ölverunreinigungen, die ungesicherte Lagerung von Autowracks, drei PVC-Heizöltanks mit Restinhalt und Asbestplatten, Müllberge von Mischabfällen (insbesondere sehr viele Ölfilter, Öldosen und -kanister sowie Farbdosen), die gezielte Ableitung von wassergefährdenden Stoffen in den Untergrund und insgesamt katastrophale Verhältnisse aus wasserwirtschaftlicher Sicht bescheinigt.
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Mit Nrn. 1, 2, 3, 6, 7.1, 7.2 und 7.3 des Bescheids vom 28. Februar 2023 wurde die Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung von Zwangsgeldern verpflichtet, den Lager- und Abstellplatz auf den in der Anlage markierten Flächen der Grundstücke FlNrn. 361/2 und 361/3 einschließlich aller Lagergüter, sonstiger abgestellter Gegenstände wie z.B. Kraftfahrzeuge, Container etc., sämtlicher Abfälle sowie die dem Lagerplatz dienenden, mit Beton, Asphaltaufbruch und Schotter befestigten Flächen sowie eines angebauten Gebäudeteils zu beseitigen; gegenüber den Nutzern wurde per Allgemeinverfügung mit Bekanntmachung im Amtsblatt eine Duldungsverfügung und eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen.
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Den Eilantrag der Antragstellerin, mit dem sie eine falsche Adressatenauswahl geltend machte, da sie nicht Eigentümerin der Fläche …3 sei, und auf einen gestellten Antrag auf Nutzungsänderung verwies, hat das Verwaltungsgericht nach Abtrennung der (abfallrechtlichen) Regelungen Nrn. 4, 5, 7.4 und 7.5 des Bescheides mit der Begründung abgelehnt, die Anordnung des Sofortvollzugs sei formell rechtmäßig und im Rahmen der summarischen Prüfung seien keine Erfolgsaussichten der Hauptsache gegeben. Die Freiflächen stellten – unabhängig davon, ob sie befestigt seien oder nicht – einen Lager- bzw. Abstellplatz und damit eine (bauliche) Anlage im Sinne von Art. 76 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO dar, da sie für das Lagern, Abstellen und Ausstellen von Gegenständen genutzt würden. Die Nutzung sei formell baurechtswidrig und mangels Privilegierung im Außenbereich sowie Beeinträchtigung der öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 5, 6 und 7 BauGB nicht genehmigungsfähig. Die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Zustandsstörerin kraft tatsächlicher Sachherrschaft sei nicht zu beanstanden; die Übereignung des Grundstücks FlNr. …3 sei wohl wegen Sittenwidrigkeit nichtig, da die Herausmessung und Veräußerung des vollständig vom Grundstück FlNr. …2 umschlossenen Grundstücks FlNr. …3 nur erfolgt sein dürfte, um die öffentliche Hand zu schädigen, da das neue Grundstück FlNr. …3 weitgehend identisch sei mit dem Bereich, auf dem sich der Großteil der zur Entsorgung anstehenden Abfallfraktionen befunden hätten. Ermessensfehler lägen nicht vor.
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Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen diese Ablehnung. Die Antragstellerin nutze keine Flächen für das Lagern, Abstellen oder Ausstellen von Gegenständen, es liege kein Abstellen über einen beachtlichen Zeitraum vor. Es liege auch keine Anlage im Sinne Art. 76 Satz 1 BayBO vor, weil keine in bestimmter, ästhetisch bedeutsamer Weise störende Grundstücksnutzung vorliege. Die Zustände hinsichtlich der abgestellten Fahrzeuge entspreche einem Zustand wohl aus dem Jahr 2020, nicht den nachfolgenden Jahren (unter Verweis auf Luftbilder Bl. 28 bis 30 der Akte). Es handele sich auf den Fotografien um mobile Fahrzeuge, die aus Sicht der Antragstellerin von den Mietern hätten jederzeit bewegt werden können. Bei den baulichen Anlagen habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass der Baubestand älteren Datums bestandsgeschützt sei. Ein Widerspruch mit den Darstellungen des Flächennutzungsplans liege nicht vor, weil im aktuellen Flächennutzungsplan der Gebäudebestand auf den Flurstücken …2 und …3 eingezeichnet und die Fläche mit dem Kennzeichen für Altlast markiert sei. Daher könne nicht von einer landwirtschaftlichen Nutzung ausgegangen werden. Die Flurstücke seien eingezäunt, weswegen keine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und des Orts- und Landschaftsbildes vorliege und eine Verfestigung einer Splittersiedlung nicht zu befürchten sei. Auch § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BauGB greife nicht ein, weil es an erforderlichen Feststellungen fehle, ob es sich bei den vom Landratsamt kritisierten Umständen um unmittelbare Auswirkungen der baulichen Anlagen auf das Grundwasser handele oder lediglich um mittelbare Auswirkungen. Es lägen keine Nachweise von wasserwirtschaftlichen und technischen Erkenntnissen vor, dass aufgrund der geologischen oder hydrologischen Verhältnisse, etwa der Geländegestaltung, des Grundwasserstandes und der Grundwasserfließrichtung oder der Wasserdurchlässigkeit des Bodens davon auszugehen sei, dass ein Bauvorhaben geeignet sei, eine vorhandene Trinkwassergewinnungsanlage in ihrer Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen oder die künftige Wasserversorgung zu beeinflussen (unter Verweis auf BVerwG, U.v. 12.04.2001 – 4 C 5.00). Im Übrigen werde von der Antragstellerin das Flurstück …2 in dem Maße genutzt, das auch der vorherigen Nutzung zugrunde gelegen habe. Es sei folglich entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtes von einer Privilegierung gemäß § 35 Abs. 4 BauGB auszugehen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts unter Nr. 2.2.2.4.1 nutze die Antragstellerin das Grundstück nicht zum Abstellen oder Lagern von Gegenständen. Die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Zustandsstörerin widerspreche dem Grundsatz der Nachranghaftung. Ansprüche gegenüber Mietern seien ohne gerichtliche Maßnahmen nicht durchsetzbar; es habe Veränderungen in den Mietverhältnissen gegeben. Die Antragstellerin habe schon vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids auf die Mieter so eingewirkt, wie es für sie möglich gewesen sei. Folglich sei es unangemessen, die Zustandsstörerin, die ihre verfügbaren Mittel einsetze, in Anspruch zu nehmen. Es werde bestritten, dass die Übereignung des Grundstücks FlNr. …3 wegen Sittenwidrigkeit unzulässig sei. Die Übertragung an Herrn T. als Generalbevollmächtigten der Antragstellerin habe dazu gedient, die abfallrechtlichen Probleme zu beseitigen, um Schäden von der GbR abzuwenden. Hierzu seien die maßgeblichen, mit den Schäden behafteten Flächen übertragen worden. Herr T. habe selbst Mietverträge abgeschlossen und gegenüber dem Landratsamt bzw. den mit den Entsorgungsarbeiten Beauftragten in der Vergangenheit angezeigt, dass er die tatsächliche Gewalt über das Flurstück …3 als Eigentümer ausübe. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht im Rahmen der summarischen Prüfung festgestellt, dass die Antragstellerin zumindest Inhaberin der tatsächlichen Gewalt sei und ausreichende Einwirkungsmöglichkeit auf das Flurstück …3 besitze.
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Die Antragstellerin beantragt,
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unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach die Vollstreckung des Bescheids vom 28. Februar 2023 auszusetzen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Die Beschwerde entspreche bereits nicht § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, da sie sich im Wesentlichen darauf beschränke, erstinstanzlichen Vortrag zu wiederholen, die Rechtsauffassung der Antragstellerin darzustellen und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts pauschal als falsch zu erachten; trotz des richterlichen Hinweises, dass der Eilantrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu interpretieren sei, sei der Antrag unverändert geblieben. Es sei schlicht unzutreffend, dass die Antragstellerin keine Flächen für das Lagern, Abstellen oder Ausstellen von Gegenständen nutze und kein Abstellen über einen beachtlichen Zeitraum vorliege. Die Lagerung stehe unzweifelhaft fest und ergebe sich aus den in den Akten ersichtlichen Bildern; der Zustand halte bereits seit Jahren an. Dass eine bauliche Anlage im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BayBO vorliege, stehe außer Frage. Ein etwaiger Bestandsschutz des Wohnhauses sei nicht Gegenstand der streitgegenständlichen Anordnung. In dem von der Anordnung erfassten Bereich gebe es für die tatsächlichen Nutzungen keine Genehmigungen und diese seien auch nicht genehmigungsfähig. Die Antragstellerin schließe fehlerhaft aus der Darstellung des Gebäudebestands darauf, dass die zur Beseitigung angeordneten baulichen Anlagen keinen Verstoß gegen den Flächennutzungsplan darstellten; Lagerplätze seien im Flächennutzungsplan nicht eingezeichnet. Eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft komme bei baulichen Außenbereichsanlagen ausnahmsweise nur dann nicht in Betracht, wenn sich das betroffene Baugrundstück wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die naturgegebene – also insbesondere landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche – Bodennutzung noch für Erholungszwecke eigne oder es seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt habe (unter Verweis auf BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 15 ZB 18.255 – juris Rn. 16), was hier nicht der Fall sei. Nicht nachvollziehbar sei, warum eine Umzäunung die Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung nicht befürchten lasse. Hinsichtlich § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB liege es auf der Hand und sei durch die fachliche Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts bestätigt, dass die Lagerung von wassergefährdenden Stoffen, wie etwa Ölgebinden unter freiem Himmel bzw. von Altfahrzeugen, aus denen entsprechende Stoffe jederzeit austreten könnten, grundsätzlich geeignet sei, die Wasserwirtschaft zu gefährden. Hinsichtlich der Heranziehung der Antragstellerin als Zustandsstörerin wiederhole sie letztlich nur erstinstanzlichen Vortrag. Soweit das Verwaltungsgericht aus dem von der Antragstellerin gestellten Bauantrag, der beide Grundstücke betreffe, eine tatsächliche Verfügungsgewalt und ein Auftreten als Ansprechpartner für den Antragsgegner ableite, stünden die Behauptungen der Beschwerde dem nicht entgegen. Der Abschluss von Mietverträgen durch Herrn T. bedeute nicht zwingend, dass die Antragstellerin nicht über das Grundstück verfügen könne, zumal die Antragstellerin Herrn H. T. bevollmächtigt habe, in ihrem Namen zu handeln.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Beschwerde, deren Antrag in sachdienlicher Auslegung auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nrn. 1, 2 und 3 des Bescheides vom 28. Februar 2023 und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nrn. 7.1, 7.2 und 7.3 gerichtet ist, ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben oder abzuändern wäre.
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1. Das Verwaltungsgericht hat die Beachtung des formalen Begründungserfordernisses der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung im Bescheid vom 28. Februar 2023 zu Recht bejaht.
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Die Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst war, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Hierzu müssen grundsätzlich die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2021 – 15 CS 21.2407 – juris Rn. 35). An dieses Begründungserfordernis sind jedoch inhaltlich keine allzu hohen Anforderungen zu stellen; es genügt vielmehr jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 16).
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Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Antragsgegner auf die Verhinderung gesetzwidriger Bauarbeiten und ihrer Fortsetzung, die Schaffung eines bauordnungswidrigen Zustandes oder die Verfestigung eines bereits bestehenden bauordnungswidrigen Zustandes sowie die Vorbildwirkung Bezug genommen hat.
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2. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Beseitigungsanordnung überwiegt das Suspensivinteresse der Antragstellerin.
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Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vom Gericht zu treffenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 11.3.2024 – 15 CS 24.116 – juris Rn. 17).
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Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, wird die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben, da sich die angefochtene Beseitigungsanordnung als rechtmäßig erweist; die Interessenabwägung fällt damit zu Lasten der Antragstellerin aus.
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Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Das Beschwerdevorbringen zieht die tatbestandlichen Voraussetzungen der angefochtenen Beseitigungsanordnung nicht in Zweifel, weder im Hinblick auf die Eigenschaft des Lagerplatzes als bauliche Anlage und dessen Genehmigungsfähigkeit noch im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Zustandsstörerin.
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a) Bei den Ablagerungen handelt es sich unabhängig von einer Befestigung um eine bauliche Anlage nach Art. 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BayBO. Es geht dabei ersichtlich nicht nur um lediglich vorübergehend geparkte, fahrtüchtige Fahrzeuge etwaiger Mieter oder Nutzer. Entgegen dem Beschwerdevorbringen lag dem streitgegenständlichen Bescheid nicht ein Zustand von 2020 zugrunde, sondern belegen umfangreiche Lichtbildaufnahmen von den Ortseinsichten vom 3. Februar 2022 (Seite 405 ff. der Akte), vom 30. August 2022 (Seite 516 ff.), vom 8. Dezember 2022 (Seite 569 ff.) und vom 9. Februar 2023 (Seite 583 ff.) die jeweiligen aktuellen Zustände auf dem Areal.
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b) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Lagerplatz wegen entgegenstehender öffentlicher Belange im Außenbereich nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 5, 6 und 7 BauGB nicht genehmigungsfähig ist. Dass der Flächennutzungsplan den baulichen Bestand wiedergibt, steht einer Darstellung als landwirtschaftliche Fläche im Bereich des Lagerplatzes nicht entgegen; eine Nutzung als Lagerplatz widerspricht dieser Darstellung. Die Umzäunung des Areals verhindert weder eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft noch steht dies einer Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung entgegen. Der Zweck von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB ist es, unabhängig von wasserrechtlichen Normierungen und Planungen ein Mindestmaß an Gewässerschutz zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 12.4.2001 – 4 C 5.00 – juris). Dass durch den Lagerplatz und die dort gelagerten Materialien eine Gefährdung der Wasserwirtschaft besteht, wurde durch das Wasserwirtschaftsamt als Fachbehörde deutlich bestätigt; auch wurden bereits massive Bodenverunreinigungen festgestellt. Mit dieser fachlichen Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes setzt sich das Beschwerdevorbringen nicht auseinander.
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c) Die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Inhaberin der tatsächlichen Sachherrschaft über das von ihr bewirtschaftete Gesamtareal ist voraussichtlich ebenso wenig wie die von der Behörde getroffene Störerauswahl zu beanstanden.
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Zustandsstörer ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder der Eigentümer einer Sache, deren Verhalten oder Zustand Grund für die Gefahr oder die Störung ist (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand: Januar 2025, Art. 76 Rn. 166). Gemäß Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG sind die Maßnahmen primär gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten. Das ist derjenige, der aufgrund eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses eine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache besitzt. Dabei spielt es keine Rolle, aufgrund welcher Rechtsgrundlage oder ob ggf. sogar ohne Rechtsgrundlage die tatsächliche Gewalt erlangt worden ist (vgl. Decker in Busse/Kraus, a.a.O., Art. 76 Rn. 171).
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Gemessen daran ist das Verwaltungsgericht zutreffend von der Sachherrschaft der Antragstellerin über die sich auf die FlNrn. …2 und …3 erstreckende Fläche ausgegangen. Durch den Abschluss von Mietverträgen bewirtschaftet die Antragstellerin die gesamte Liegenschaft. Der von ihr am 5. Mai 2022 vorgelegte Lageplan mit den gekennzeichneten Mietflächen differenziert nicht nach den Flurstücken, vielmehr erstrecken sich die Mietverhältnisse teilweise auf beide Flurstücke. Auch die im Beschwerdeverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung von Herrn T. bestätigt, dass dieser als Bevollmächtigter für die Tausend GbR Mietverträge abgeschlossen hat. Die Stellung des Bauantrags durch die Antragstellerin, der ebenfalls beide Flurstücke umfasst, unterstreicht eine einheitliche Bewirtschaftung und Ausübung der Sachherrschaft durch die Antragstellerin. Darüber hinaus spricht nach Auffassung des Senats die Tatsache der Ausmessung exakt der im Jahr 2012 mit Schutt und Ablagerungen bedeckten Fläche, die Gegenstand behördlicher Anordnungen war und vollständig vom Flurstück …2 umgeben ist, ebenso wie die Unentgeltlichkeit der Übertragung der Fläche mit einem Wert von 40.000 Euro, auf dem veranschlagte Entsorgungskosten in Höhe von 360.000 Euro lasten, auf den Generalbevollmächtigten der Antragstellerin bzw. Ehemann und Vater der Gesellschafterinnen unter Einräumung eines Rückübertragungsanspruchs für ein sittenwidriges Umgehungsgeschäft.
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Ob die Antragstellerin auch als Handlungsstörerin anzusehen ist, indem sie selbst Ablagerungen vorgenommen oder zumindest geduldet hat, braucht im Weiteren nicht entschieden zu werden.
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In Anbetracht der unübersichtlichen Situation der einzelnen Nutzer und der starken Fluktuation der Mietverhältnisse dürfte auch die Auswahl der Antragstellerin als in Anspruch zu nehmende Störerin im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr nicht zu beanstanden sein. Unbehelfliche Versuche der Antragstellerin, auf etwaige Verursacher einzuwirken, vermögen diese nicht von ihrer Pflichtigkeit zu entbinden. Die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Mietern erscheint dieser zumutbar. Die Wirksamkeit der Maßnahme gebietet es hier, die Zustandsstörerin vor einem schwer zu ermittelnden, wechselnden Kreis von Handlungsstörern in Anspruch zu nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2014 – 2 CS 14.1326 – juris Rn. 4).
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3. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Beseitigung des Lagerplatzes bejaht.
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Da eine baurechtliche Beseitigungsanordnung in aller Regel eine schwerwiegende, schwer revidierbare Maßnahme ist, ist ein besonderes Vollzugsinteresse erforderlich, das im Falle der Baubeseitigung grundsätzlich nicht mit dem Interesse am Erlass des Bescheids identisch ist und im Hinblick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 80 Abs. 1 und 2 VwGO einen strengen Maßstab fordert (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 23 m.w.N.). Unter Berücksichtigung der Lagerung von umwelt- und wassergefährdenden Stoffen im Außenbereich erscheint hier eine Anordnung des Sofortvollzugs für den Lagerplatz dringend geboten. Die Antragstellerin erleidet durch die Beseitigung der (Abfall-)Ablagerungen keinen Substanzverlust.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).