Inhalt

VGH München, Beschluss v. 12.06.2025 – 9 NE 25.512
Titel:

Entscheidung über Normenkontrolleilantrag nach Baugenehmigungserteilung, Rechtsschutzbedürfnis, Schnellerer und einfacherer Weg zur Zielerreichung, Anforderungen an die Darlegung

Normenkette:
VwGO § 47 Abs. 6
Schlagworte:
Entscheidung über Normenkontrolleilantrag nach Baugenehmigungserteilung, Rechtsschutzbedürfnis, Schnellerer und einfacherer Weg zur Zielerreichung, Anforderungen an die Darlegung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13896

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens zu je einem Sechstel.
III. Der Streitwert wird auf 45.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bebauungsplan „… …“. Dieser wurde am 19. Dezember 2024 ausgefertigt und am 21. Februar 2025 im Mitteilungsblatt der Antragsgegnerin veröffentlicht.
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Der Antragsteller zu 1) ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, der Antragsteller zu 2) des Grundstücks FlNr. …, die jeweils direkt an der … Landstraße in … … in einem festgesetzten Mischgebiet liegen. Der Antragsteller zu 3) ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, der Antragsteller zu 4) Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, der Antragsteller zu 5) Eigentümer des Grundstücks FlNr. … und der Antragsteller zu 6) Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Diese Grundstücke liegen in einem festgesetzten allgemeinen Wohngebiet.
3
Das Plangebiet war ursprünglich unbeplant und wurde überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Es umfasst die Grundstücke FlNrn. 1778/1, 1779/1, 1780/1, 1782/1, 1783/1, 1784/1, 1786, 1787, 1788, 1789, 1790, 1791, 1792, 1793, 1794, 1880/2 und einen Teil der FlNr. 2445, … Die Größe des Geltungsbereichs beträgt in etwa 0,99 ha. Nördlich des Plangebiets liegt ein Feuerwehrgebäude, südlich ein mit Einfamilien- und kleineren Mehrfamilienhäusern bebautes Wohngebiet und im Westen des Plangebiets grenzt die … Landstraße an, an der gemischt genutzte Bebauung mit Wohnen und Gewerbe liegt. Der Bebauungsplan setzt als Art der baulichen Nutzung Sondergebiet Lebensmittelmarkt (§ 11 BauNVO) fest.
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Anlass der Planung war laut Begründung des Bebauungsplans, die Befürchtung, dass die Lebensmittel-Grundversorgung vor Ort in naher Zukunft nicht mehr gesichert sein werde. Aktuell liege der Antragsgegnerin die Anfrage zur Errichtung eines Lebensmittelmarktes vor. Vorgeschlagen werde auf der bisher unbebauten Fläche ein Vollsortimenter mit angeschlossenem Bäckereicafé und einer Verkaufsfläche inklusive Gastronomiefläche von max. 1.600,00 m² sowie einer vorgelagerten Parkplatzfläche. Dadurch solle die derzeit lückenhafte Nahversorgung erheblich verbessert werden. Erschlossen werden soll das Sondergebiet über die … Landstraße.
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Im Zuge des Aufstellungsverfahrens holte die Antragsgegnerin unter anderem eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (Gutachten von Dezember 2024), eine Auswirkungsanalyse zur Neuansiedlung eines …-Lebemsmittelmarktes in der Gemeinde der Antragsgegnerin (Gutachten vom 5.3.2024), eine schalltechnische Immissionsprognose (Gutachten vom 18.4.2024), eine Stellungnahme zum Lokalklima (Stellungnahme vom 23.8.2024) sowie ein Verkehrsgutachten (Stand Oktober 2024) ein.
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Die Antragsteller machten im Planaufstellungsverfahren Einwendungen geltend.
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In der Abwägungstabelle, der der Stadtrat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 18. Dezember 2024 zustimmte, wurden die Einwendungen behandelt.
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Nach Eingang des Normenkontrolleilantrags bei Gericht am 11. März 2025 wurde am 16. April 2025 für den „Neubau eines Lebensmittelmarktes mit Stellplätzen“ eine Baugenehmigung erteilt. Zugleich wurde der Baubeginn für die Erdarbeiten für den 22. April 2025 und für die Rohbauarbeiten am 26.Mai 2025 angezeigt.
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Am 12. Mai 2025 erhoben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht … Klage gegen die Baugenehmigung.
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Zur Zulässigkeit des Normenkontrolleilantrags trotz Vorliegens und Beklagens der aufgrund des strittigen Bebauungsplans ergangenen Baugenehmigung für den Neubau eines Lebensmittelmarktes tragen die Antragsteller vor, dass dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof durch Erteilung der Baugenehmigung nicht nachträglich die Prüfungskompetenz in Bezug auf den vorläufigen Rechtsschutz entzogen werde könne. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO sei nämlich nicht von vornherein nachrangig gegenüber dem vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO. Wer seine Rechte durch die Festsetzungen eines Bebauungsplans als verletzt ansehe, könne vorläufigen Rechtsschutz auch mit dem unmittelbar gegen den Bebauungsplan gerichteten Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO zu erreichen suchen.
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Zur Begründung ihres Normenkontrolleilantrags tragen die Antragsteller im Wesentlichen vor, zur Entlastung der … Landstraße sei vor einigen Jahren eine Umgehungsstraße (Staatsstraße …*) geplant und hergestellt worden, die dazu geführt habe, dass unter anderem die Antragsteller eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität erfahren hätten und bei Weitem nicht mehr dem die Gesundheit gefährdenden Lärm und den Fahrzeugabgasen wie zuvor ausgesetzt seien. Der durch die Umgehungstraße entlastete Teil der … Landstraße, an welchem die Anwesen der Antragsteller unmittelbar benachbart oder in nächster Nähe lägen, sei zu einer Ortsstraße herabgestuft worden. Nunmehr würde durch das geplante Vorhaben die Situation der Grundstücke, die im Bereich der … Landstraße und des Lebensmittelmarktes lägen, entgegen den für den Bau der Umgehungstraße maßgeblichen Gründen in diametraler Weise wieder verschlechtert werden. Der Verkehr auf der … Landstraße würde nämlich in direktem Zusammenhang mit dem Betrieb des Marktes erheblich zunehmen und wohl auch die frühere Verkehrsbelastung übertreffen. Die städtebauliche Planung stelle daher ein „venire contra factum proprium“ dar und sei „treuewidrig“.
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Es sei davon auszugehen, dass durch die Ansiedlung des Marktes die zulässigen Lärmgrenzwerte gegenüber der Nachbarschaft überschritten würden. Das eingeholte Gutachten habe sich nämlich mit der Zurückholung des Verkehrs nicht beschäftigt. Das sei fehlerhaft, denn schon eine Lärmzunahme, die für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar sei, könne zum Abwägungsmaterial gehören (unter Bezugnahme auf BVerwG, B.v.16.6.2020, 4 BN 53/19). Das Grundstück des Antragstellers zu 1) liege im Übrigen in nächster Nähe zur geplanten Einfahrt zum Markt. Es werde extra starken und belästigenden Immissionen ausgesetzt sein, da sich besonders dort die den Parkplatz des Einkaufszentrums aus Richtung … und aus Richtung … anfahrenden und abfahrenden Fahrzeuge aufaddierten.
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Die Antragsteller hätten auch überzeugende Argumente zur Hitzebelastung vorgetragen, die in völlig unverständlicher Art und Weise abgehandelt worden seien. Die Rechtmäßigkeit der Luftverschmutzung sei abwegig begründet worden. Die Behandlung der Abfallproblematik sei unverständlich. Durch die Entsorgung des Privatmülls der Kunden in den Müllbehältnissen, die unter anderem auf den Parkplätzen zur Verfügung stünden, würde Ungeziefer angelockt. Die Antragsteller hätten einen gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch.
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Im Übrigen bekäme das Vorhaben eine ortsübergreifende, zentrale Funktion, welche für Karlstein nach dem Landesentwicklungsplan nicht vorgesehen sei.
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Die Antragsteller beantragen,
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den Bebauungsplan „…“ bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragsteller außer Vollzug zu setzen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags. Zum einen fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragsteller im Individualrechtsschutz nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO ihr offensichtliches Ziel, die Einstellung bzw. Unterbindung der Bauarbeiten zu erreichen, bei Begründetheit der geltend gemachten Belange sachgerechter erreichen könnten. Auch sei die Antragsbefugnis nicht gegeben, da eine Rechtsverletzung offensichtlich ausscheide. Die Antragsteller hätten nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass ein abwägungsrelevanter eigener Belang im Bebauungsplanverfahren möglicherweise fehlerhaft behandelt worden sei. Zwar gehöre eine planbedingte Zunahme des (Verkehrs-)Lärms auch unterhalb der Grenzwerte grundsätzlich zum Abwägungsmaterial und könne damit die Antragsbefugnis des Betroffenen begründen. Anderes gelte aber dann, wenn der Lärmzuwachs nur geringfügig sei, d. h. über die Bagatellgrenze nicht hinausgehe oder sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirke.
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Laut dem Verkehrsgutachten, Stand: 10/2024, sei durch den geplanten …-Markt mit einem zusätzlichen Verkehrsaufkommen von ca. 1.200 Fahrten pro Tag zu rechnen. Hieraus resultiere ein Lärmzuwachs von 1,14 dB (A). Dieser liege knapp über der Bagatellgrenze von 1 dB (A) (unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 07.02.2023 – 1 N 21.22). Zwar liege die Verkehrslärmerhöhung knapp über der Bagatellgrenze und möge abwägungsrelevant sein. Eine Rechtsverletzung in Bezug auf die Verkehrslärmerhöhung sei aber offensichtlich ausgeschlossen, so dass sich hieraus keine Antragsbefugnis ergeben könne. Der Vortrag der Antragsteller, dass der Verkehr auf der … Landstraße mit dem Betrieb des …-Marktes erheblich zunehmen und die frühere Verkehrsbelastung übertreffen würde, sei unsubstantiiert und so auch nicht richtig. Auch aus dem resultierenden Gewerbelärm könnten die Antragsteller keine Antragsbefugnis herleiten. Die schalltechnische Immissionsprognose vom 18. April 2024 habe ergeben, dass die Lärmgrenzwerte in den angrenzenden Wohn- und Mischgebieten eindeutig eingehalten würden. Diesbezüglich könnten die Belange der Antragsteller nicht abwägungsfehlerhaft behandelt worden sein, eine Rechtsverletzung scheide offensichtlich aus.
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Die von den Antragstellern vorgetragene Hitzebelastung könne ebenso wenig die Antragsbefugnis begründen. Die Antragsgegnerin habe diesbezüglich eine lokalklimatische Stellungnahme eingeholt. Diese komme zu dem Ergebnis, dass allenfalls an der Randbebauung entlang der … Landstraße eine leichte Temperaturerhöhung an windschwachen Sommertagen durch die geplante Bebauung nicht ganz auszuschließen sei, in den weiteren umliegenden Wohngebieten aber keine messbaren Änderungen der Lufttemperaturen durch die Planung zu erwarten seien.
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Der Normenkontrolleilantrag sei zudem unbegründet. Der Bebauungsplan weise keine Fehler auf, die zu seiner Unwirksamkeit führten, insbesondere entspreche er einer gerechten Abwägung. In der schalltechnischen Immissionsprognose vom 18. April 2024 werde nachvollziehbar dargelegt, dass die Immissionswerte der TA-Lärm durch die gewerbliche Nutzung an sämtlichen maßgebenden Immissionsorten eingehalten würden. Auch die Ausführungen der Antragsteller, das Vorhaben gefährde die bestehende Nahversorgung und diene letztlich nicht der Nahversorgung, sei falsch. Die von der Antragsgegnerin eingeholte Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung eines …-Lebensmittelmarktes in der Gemeinde … … (Auswirkungsanalyse v. 05.03.2024) komme zu dem Ergebnis, dass sich das Einzugsgebiet des Vorhabens auf die Standortkommune … beschränke und rund 90% der Umsatzerwartung aus … selbst stamme. Weiter stelle die Analyse fest, dass mit der geplanten Neuansiedlung des Lebensmittelmarktes … die verbrauchernahe Versorgung im Einzugsgebiet gesichert und nachhaltig gestärkt werde. Auch in Bezug auf die Lichtverschmutzung sei der Bebauungsplan nicht abwägungsfehlerhaft. Wie die Antragsgegnerin in ihrer Abwägung vom 18. Dezember 2024 zutreffend ausführe, seien Lichtverschmutzungen im Bebauungsplanverfahren berücksichtigt und in Nr. 1.9.2 entsprechende Festsetzungen zur Reduzierung der Lichtverschmutzung (Farbtemperatur, Beleuchtungsstärke, nächtliche Abschaltung) getroffen worden. Der Bebauungsplan sei auch nicht in Bezug auf die Abfallproblematik abwägungsfehlerhaft.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Normaufstellungsakte verwiesen.
II.
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Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO bleiben ohne Erfolg.
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Nach Erteilung der Baugenehmigung für den …-Markt besteht für eine vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Eine vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans kann die Rechtsposition der Antragsteller nicht entscheidend verbessern (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2002 – 4 CN 3.01 – juris hierzu 1.). Darüber hinaus haben die Antragsteller nicht ausreichend und substantiiert dargelegt, dass der Bebauungsplan unwirksam ist (2.).
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1. Unabhängig von der Antragsbefugnis ist ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht von vorneherein nachrangig gegenüber dem vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO. Es besteht wegen des unterschiedlichen Streitgegenstands und des sich daraus ergebenden unterschiedlichen gerichtlichen Prüfungsumfangs grundsätzlich kein Konkurrenzverhältnis und daher auch keine allgemeine Subsidiarität zwischen beiden Verfahrensarten. Wer seine Rechte (auch) durch die Festsetzungen des Bebauungsplans verletzt sieht, kann vorläufigen Rechtsschutz prinzipiell auch mit dem unmittelbar gegen den Bebauungsplan gerichteten Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO zu erreichen suchen (vgl. BayVGH, B.v. 6.5.2021 – 9 NE 21.628 – juris Rn. 14; B.v. 26.6.2017 – 1 NE 17.716 – juris Rn. 7; B.v. 3.1.2013 – 1 NE 12.2151 – juris Rn. 3).
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Dies bedeutet allerdings nicht, dass beide Rechtsschutzmöglichkeiten auch im Einzelfall ohne jede Einschränkung nebeneinander in Anspruch genommen werden können; das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist dann nicht gegeben, wenn der Antragsteller sein Ziel auf anderem Weg schneller und einfacher erreichen kann oder ein Erfolg seine Rechtsstellung nicht verbessern würde (vgl. BVerwG, U.v. 10.3.1998 – 4 CN 6.97 – 17; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, vor § 40 Rn. 11). Es ist nicht ersichtlich, dass die vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans den Antragstellern nach der bereits erfolgten Erteilung der Baugenehmigung am 16. April 2025, womit der Bebauungsplan im Wesentlichen umgesetzt ist, noch einen irgendwie gearteten Vorteil bringen könnte, erst Recht nicht, dass die Dringlichkeitsvoraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO erfüllt sein könnten (vgl. BayVGH, B.v. 6.5.2021 – 9 NE 21.628 – juris Rn. 14). Mit der begehrten Anordnung könnte nur die künftige Anwendung des Bebauungsplans durch die Genehmigungsbehörde verhindert werden, er würde jedoch nicht – auch nicht vorläufig – für unwirksam erklärt. Die Antragsteller können auf diese Weise nicht erreichen, dass dem Bauherrn verboten wird, von der Baugenehmigung Gebrauch zu machen. Hierzu sind sie vielmehr gezwungen, die Baugenehmigung mit Rechtsmitteln des Individualrechtsschutzes anzugreifen. Mit denen von ihnen dementsprechend angestrengten Verfahren können die Antragsteller auch die Wirksamkeit des Bebauungsplans inzident prüfen lassen, soweit dies zu (vorläufigen) Wahrung ihrer Rechte erforderlich ist.
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2. Unabhängig von der Zulässigkeit der Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung können diese auch deshalb keinen Erfolg haben, weil die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO nicht gegeben sind. Die Aussetzung des Vollzugs des Bebauungsplans ist nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Mit diesen Voraussetzungen stellt § 47 Abs. 6 VwGO an die Aussetzung des Vollzugs einer (untergesetzlichen) Norm erheblich strengere Anforderungen, als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (BVerwG, B.v. 18.5.1998 – 4 VR 2/98 – juris Rn. 3). Wegen der weitreichenden Folgen, die die Aussetzung des Vollzugs von Rechtsvorschriften hat, ist dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, B.v. 5.7.1995 – 1 BvR 2226/94 – BVerfGE 93, 181; BayVGH, B.v. 3.1.2013 – 1 NE 12.2151 – BayVBl 2013, 406; B.v. 16.5.2011 – 1 NE 10.2657 – juris Rn. 29).
29
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten anhand der Darlegungen in der Antragsbegründung wird der Antrag voraussichtlich erfolglos bleiben. Insbesondere die schalltechnische Immissionsprognose vom 18. April 2024 können die Antragsteller mit ihrem pauschalen Vorbringen nicht infrage stellen.
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a) Nach der schalltechnischen Immissionsprognose vom 18. April 2024 werden die Immissionsrichtwerte nach der TA-Lärm, 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts für ein allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO) bzw. 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts für ein Mischgebiet (§ 6 BauNVO) eingehalten. Im Falle einer Nachtanlieferung mit einem Lkw wurde eine Überschreitung um bis zu 10,5 dB(A) festgestellt. Dies wurde in die „Hinweise“ zum Bebauungsplan aufgenommen und kann im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens umgesetzt werden. In die bereits erteilte baurechtliche Genehmigung wurde in Nummer 16 der Nebenbestimmungen festgesetzt: „In den Nachtstunden (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) dürfen keine LKW-Anlieferungen und Entladungen erfolgen“. Soweit die Antragsteller vortragen, es sei davon auszugehen, dass die zulässigen Lärmgrenzwerte überschritten würden, das Gutachten sich mit der Zurückholung des Verkehrs nicht beschäftigt habe und der sich in nächster Nähe zur geplanten Einfahrt liegende Antragsteller extra starken und belästigenden Immissionen ausgesetzt sehe, ist dieses pauschale Vorbringen unzureichend, die Ergebnisse des Gutachtens in Frage zu stellen. Etwaige Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens müssen in konkreter Auseinandersetzung beispielsweise mit den gewählten Methoden oder den konkreten Berechnungen substantiiert dargelegt werden. Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Antragsteller nicht gerecht. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO ist es nicht Aufgabe des Senats, ohne substantiierten Einwand in der Antragsbegründung von Amts wegen die Richtigkeit eines Schallschutzgutachten zu prüfen oder überprüfen zu lassen.
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b) Auf einen gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch können sich die Antragsteller nicht berufen. Ein Nachbar, dessen Grundstück nicht im Plangebiet liegt, hat grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im Plangebiet (BayVGH, B.v. 27.2.2023 – 2 N 21.1797 – juris Rn. 25; B.v. 10.10.2019 – 9 CS 19.1468 – juris Rn. 18).
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c) Die Einwendungen der Antragsteller zu den Lichtverschmutzungen wurden bei der Abwägung berücksichtigt, ebenso wie die vorgetragene Hitzebelastung. Die Beeinträchtigungen sind danach gering und entsprechend hinzunehmen. Gleiches gilt für die vorgetragene Abfallproblematik. Im Hinblick auf Starkregenereignisse sind in den Bebauungsplan Flächen zur Versickerung von Niederschlagswasser festgesetzt worden.
33
d) Nach summarischer Prüfung weist der Bebauungsplan auch im Übrigen keine so gravierenden Mängel auf, dass er aus anderen, die Belange der Antragsteller nicht unmittelbar berührenden wichtigen Gründen außer Vollzug gesetzt werden müsste.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG i.V.m. Nrn. 9.8.1, 1.1.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die Antragsteller bilden keine Rechtsgemeinschaft.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).