Titel:
Betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines als Flüchtlingsunterkunft vermieteten Gebäudes
Normenketten:
ESTG § 7 Abs. 4
AO § 164 Abs. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2a
FGO § 40 Abs. 2
Leitsatz:
Für die Einschätzung, ob die Nutzungsdauer eines Gebäudes bei wirtschaftlich sinnvoller Modernisierung verlängert werden kann, reicht eine lediglich modelltheoretische Betrachtung nach der Immobilienwertverordnung nicht aus.
Schlagwort:
Absetzung
Fundstellen:
StEd 2025, 293
BeckRS 2025, 13884
LSK 2025, 13884
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
1
Die Beteiligten streiten über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von zwei als sog. Flüchtlingsunterkünfte gewerblich vermieteten Gebäuden in den Jahren […].
2
Die Klägerin ist eine Offene Handelsgesellschaft (OHG), an der die beiden Gesellschafter A und B zu je 1/2 beteiligt sind. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb einer gewerblichen Vermietung.
3
Mit Gesellschaftsvertrag vom […] gründeten A und B mit Wirkung ab dem 1. September 2013 die A und B Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zum gemeinschaftlichen Betrieb einer gewerblichen Vermietung. Im Jahr […] wechselte die A und B GbR ihre Rechtsform in eine OHG. Im Betriebsvermögen der Klägerin befinden sich unter anderem zwei in 2013 und 2015 erworbene Gebäude in […] (aus den 1960er oder 1970er Jahren stammend) und in […] (aus den späten 1970er Jahren stammend), die in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb langfristig an die jeweiligen Bezirksregierungen zum Zwecke der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vermietet werden – nämlich mit Mietvertrag vom […] 2013 und einem weiteren undatierten Mietvertrag, auf die hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird.
4
Am […] 2015 erließ der Beklagte (das Finanzamt – FA –) einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2013, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. ./. […] € festgestellt wurden, einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Gewerbesteuermessbescheid 2013, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde und der Gewerbesteuermessbetrag i.H.v. […] € festgesetzt wurde, und einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2013, mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben und der vortragsfähige Gewerbeverlust i.H.v. […] € festgestellt wurde. Dabei wurde die Abschreibung für Abnutzung (AfA) mit 2% jährlich angesetzt.
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Mit Schreiben vom […] 2015 legte die Klägerin hiergegen Einspruch ein.
6
In der Zeit vom […] 2019 bis […] 2020 führte die Betriebsprüfungsstelle des FA bei der Klägerin eine Außenprüfung betreffend die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der Jahre […], Gewerbesteuermessbetrag der Jahre […] sowie gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember […] bis 31. Dezember […] durch. Ausweislich des Prüfungsberichts vom […] 2020 stellte der Prüfer in streitgegenständlicher Hinsicht fest, dass die beiden Gebäude von der Klägerin zu Unrecht mit 10% pro Jahr anstatt mit 2% pro Jahr abgeschrieben worden seien, da keine geeigneten Belege bzw. Nachweise vorgelegt worden seien, die eine Abweichung von der Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) rechtfertigen würden.
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Am […] 2020 erließ das FA auf Grundlage des Prüfungsberichts gegenüber der Klägerin nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide, mit denen der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde:
8
Mit Schreiben vom […] 2020 legte die Klägerin hiergegen Einsprüche ein.
9
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens legte die Klägerin eine gutachterliche Stellungnahme des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken […] vor, in der die Restnutzungsdauer zum Qualitätsstichtag 1. Juni 2016 auf 10 Jahre geschätzt wurde.
10
Mit Einspruchsentscheidung vom […] 2021 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück.
11
Mit Schriftsatz vom […] 2021erhob die Klägerin hiergegen Klage, die im Wesentlichen wie folgt begründet wird:
12
Die im Jahr 2013 erworbene Immobilie IB und die im Jahr 2015 erworbene Immobilie IW seien von der Klägerin im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb an die jeweilige Bezirksregierung als sog. Asylbewerberheime langfristig vermietet, wobei die beiden Mietverträge fest auf die Dauer von 10 Jahren abgeschlossen worden seien. Die Vermietungen seien als gewerbliche Vermietungen im Rahmen des Betriebsvermögens der Klägerin erfolgt. Bei der AfA für die beiden Objekte sei von der Klägerin dem Umstand Rechnung getragen worden, dass beide Objekte aller Voraussicht nach einer erheblich verkürzten Nutzungsdauer unterliegen würden. Die AfA sei daher auf der Grundlage einer 10-jährigen Nutzungsdauer nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG bemessen worden. Von der Klägerin sei hierzu im Rahmen des Einspruchsverfahrens ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Gebäude IW vorgelegt worden. Der Gutachter habe dabei die Restnutzungsdauer zum Qualitätsstichtag 1. Juni 2016 auf 10 Jahre geschätzt. Nach der Begründung des Gutachtens sei erkennbar davon auszugehen, dass die Nutzungsdauer für das zweite Objekt IB in gleicher Weise nicht länger als 10 Jahre betragen könne. Unter Kostenaspekten sei bislang von der Beauftragung eines weiteren Gutachtens abgesehen worden, die Klägerin biete jedoch bei einer entsprechenden Relevanz an, auf ihre Kosten ein entsprechendes Gutachten in Auftrag zu geben. Die entsprechende Relevanz sei dann gegeben, wenn die Nutzungsdauer von zehn Jahren für das begutachtete Objekt IW akzeptiert werde.
13
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO für die Jahre […], die Gewerbesteuermessbescheide […] sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember […] jeweils dahingehend abzuändern, dass im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Abschreibung der vermieteten Objekte in […] eine tatsächliche Nutzungsdauer von 10 Jahren zugrunde gelegt wird und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Gewerbesteuermessbetrag entsprechend herabgesetzt und der vortragsfähige Gewerbeverlust entsprechend heraufgesetzt wird.
15
Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Sachverständigengutachten der Klägerin dem Bausachverständigen des Bayerischen Landesamtes für Steuern zur Begutachtung vorgelegt worden sei. Nach dessen Einschätzung könne ein Nachweis einer verkürzten Nutzungsdauer von 5 Jahren ab Gutachtenserstellung nicht anerkannt werden.
16
Mit Beschluss des Gerichts vom 21. März 2023 hat das Gericht Beweis erhoben über die tatsächliche Nutzungsdauer i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG der beiden an die jeweilige Bezirksregierung als sog. Flüchtlingsunterkünfte vermieteten Gebäude IB und IW durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
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Am 30. Dezember 2024 hat der Sachverständige betreffend das an die jeweilige Bezirksregierung als Flüchtlingsunterkunft vermietete Gebäude IB ein Gutachten erstellt, auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird. Zusammenfassend hat er zur wirtschaftlichen Nutzungsdauer (Seite 24 des Gutachtens) folgende Überlegungen angestellt:
1. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer der bewertungsgegenständlichen Immobilie beträgt aufgrund des bestehenden Mietverhältnisses mindestens 10 Jahre.
2. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer der bewertungsgegenständlichen Immobilie hängt ausschließlich davon ab, wie lange eine Nachfrage vom Freistaat Bayern zur Anmietung bzw. Nutzung der Immobilie für die Verwendung als Unterkunftsgebäude für Asylbewerber besteht.
3. Eine anderweitige wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmöglichkeit kann für die bewertungsgegenständliche Immobilie ausgeschlossen werden.
4. Es bestehen zum Zeitpunkt […] 2014 mit Sicherheit Erwartungen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, dass die Nachfrage vom Freistaat Bayern zur Anmietung bzw. Nutzung der Immobilie für die Verwendung als Unterkunftsgebäude für Asylbewerber über die 10-jährige Mindestvertragslaufzeit des bestehenden Mietvertrags hinausgeht.
5. Es ist für einen Immobiliensachverständigen nicht möglich, ausgehend vom Zeitpunkt […] 2014 einen Zeitraum zu schätzen oder sogar exakt zu bestimmen, indem mit einer Nachfrage vom Freistaat Bayern (oder einer anderen für die Unterbringung von Asylbewerbern zukünftig zuständigen Gebietskörperschaft) zur Anmietung bzw. Nutzung der Immobilie für die Verwendung als Unterkunftsgebäude für Asylbewerber bestehen wird.
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Er hat weiter ausgeführt: Gehe man davon aus, dass dauerhaft eine Nachfrage nach Asylbewerberunterkünften besteht, wäre es aus sachverständiger Sicht, selbst wenn man zugrunde legte, dass nach Ablauf des bestehenden Mietvertrages bei einer etwaigen Fortsetzung des Mietverhältnisses nur noch Mieten in Höhe von […] €/Monat erzielbar sein werden (dies entspricht weniger als 50% der in den ersten 5 Mietjahren tatsächlich erzielten Mieten), am gegenständlichen Standort mit Sicherheit möglich, zumindest über die sich aus § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ergebende typisierte Nutzungsdauer eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Gebäudebestandes aufrecht zu erhalten, da die hierfür voraussichtlich anfallenden Instandhaltungs-/Instandsetzungs- und Modernisierungskosten für den Gebäudebestand in Summe sicherlich deutlich geringer ausfallen würden als die Summe der vereinnahmten Mieten. Die hieraus resultierenden jährlichen Einnahmeüberschüsse würden auch mit Sicherheit über einer marktüblich angemessenen Bodenwertverzinsung liegen, so dass im Ergebnis eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung gegeben wäre. Das Besondere an dem Nutzungszweck „Unterkunft für Asylbewerber“ bestehe aber darin, dass der einzige Nachfrager nach derartigen Nutzungen die Gebietskörperschaft sei, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen für die Unterbringung von Asylbewerbern verantwortlich sei. Ob und wenn ja, wie lange und in welchem Umfang eine derartige Nachfrage nach Immobilien zur Unterbringung von Asylbewerberunterkünften bestehe, leite sich aber nicht aus immobilienmarktspezifischen Gegebenheiten oder Erfahrungswerten ab, sondern werde einerseits durch das Asylbewerberaufkommen und andererseits natürlich auch durch den politischen Willen beeinflusst, in welchem Umfang man in der Bundesrepublik Deutschland zukünftig Asylbewerber aufnehmen wolle.
19
Hierzu hat die Klägerin im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen: Aus Sicht des Vermietungszeitpunktes im Jahre 2014 seien keine stichhaltigen Argumente verwertbar gewesen, mit Hilfe derer man mit einer gewissen Sicherheit von einer längeren Nutzungsdauer hätte ausgehen können. Dies entspreche auch den wirtschaftlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Hierbei habe aufgrund des einzig möglichen Nachfragers nach Flüchtlingsunterkünften die Miete und die Vermietungsdauer in der Weise kalkuliert und vereinbart werden müssen, dass innerhalb der Festmietzeit von zehn Jahren die kompletten Anschaffungs- und Herstellungskosten abbezahlt und zusätzlich eine angemessene Rendite unter Berücksichtigung aller weiteren Kosten von Zinsen, Kosten für Instandhaltung und Verwaltung erwirtschaftet werden hätten können. Dabei habe davon ausgegangen werden müssen – wie der Gutachter bestätige –, dass eine Weiternutzung nach Ablauf des Mietvertrags unsicher und damit unwahrscheinlich sein werde.
20
Das FA hat hinsichtlich des Gutachtens vorgetragen, der Sachverständige komme zu dem Schluss, dass – soweit eine dauerhafte Nachfrage nach Asylbewerberunterkünften bestehe – weiterhin eine sinnvolle wirtschaftliche Nutzung des Gebäudes vorliege. Eine auf zehn Jahre verminderte Nutzungsdauer, welche mittlerweile bereits überschritten sei, werde für unschlüssig gehalten. Die Darlegungs- und Feststellungslast für eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer trage der Steuerpflichtige.
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Am 31. Januar 2025 hat der Sachverständige betreffend das an die jeweilige Bezirksregierung als Flüchtlingsunterkunft vermietete Gebäude IW ein Gutachten erstellt, auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird. Er hat im Ergebnis zur wirtschaftlichen Nutzungsdauer im Wesentlichen Folgendes festgestellt (Bl. 25 des Gutachtens):
1. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer der bewertungsgegenständlichen Immobilie beträgt aufgrund des bestehenden Mietverhältnisses mindestens 10 Jahre.
2. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer der bewertungsgegenständlichen Immobilie hängt nicht ausschließlich davon ab, wie lange die Nachfrage vom Landkreis F bzw. anderweitigen Gebietskörperschaften zur Anmietung bzw. Nutzung der Immobilie für die Verwendung als Unterkunftsgebäude für Asylbewerber besteht.
3. Eine anderweitige wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmöglichkeit, insbesondere in Form der anschließenden Repositionierung des Bewertungsobjekts als Hotel Garni nach Auslauf des bestehenden Mietverhältnisses, kann für die bewertungsgegenständliche Immobilie als sehr wahrscheinlich erachtet werden.
4. Es bestehen zum Zeitpunkt […] 2016 mit hoher Sicherheit Erwartungen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, dass falls eine anhaltende Nachfrage zur Anmietung bzw. Nutzung der Immobilie für die Verwendung als Unterkunftsgebäude für Asylbewerber über die 10-jährige Mindestvertragslaufzeit des bestehenden Mietvertrags hinaus nicht zustande kommen sollte, eine erneute Umnutzung in den ursprünglichen Betrieb als Gästeunterkunft (bzw. Hotel Garni) für professionelle Marktteilnehmer durchaus attraktiv erscheinen würde.
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Zur möglichen Weiternutzung als Asylbewerberunterkunft hat der Gutachter erläutert: Gehe man davon aus, dass dauerhaft eine Nachfrage nach Asylbewerberunterkünften bestehe, wäre es aus sachverständiger Sicht selbst bei eventuellen Anschlussmieten lediglich in Höhe von […] € (mithin 50% der tatsächlich erzielten Miete) am gegenständlichen Standort mit Sicherheit möglich, zumindest über die sich aus § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ergebende typisierte Nutzungsdauer eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Gebäudebestandes aufrecht zu erhalten, da die hierfür voraussichtlich anfallenden Instandhaltungs-/Instandsetzungs- und Modernisierungskosten für den Gebäudebestand in Summe sicherlich deutlich geringer ausfallen würden als die Summe der vereinnahmten Mieten. Die jährlichen Einnahmeüberschüsse würden auch mit Sicherheit über einer marktüblich angemessenen Bodenwertverzinsung liegen. Ob und wenn ja, wie lange und in welchem Umfang eine derartige Nachfrage nach Immobilien zur Unterbringung von Asylbewerbern bestehe, leite sich aber nicht aus immobilienmarktspezifischen Gegebenheiten oder Erfahrungswerten ab.
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Zur möglichen Umnutzung als Hotel bzw. Hotel Garni hat der Sachverständige weiter ausgeführt: Ausgehend vom baulichen Zustand des Gebäudes in 2016 werde für eine eventuelle Umnutzung des Gebäudes als Gästeunterkunft bzw. Hotel Garni eine vorsichtig angesetzte Gesamtinvestitionssumme für einen potenziellen Investor von 2 Millionen € veranschlagt. Bei überschlägiger Berechnung könne von einer jährlichen Pachteinnahme von rund 135.000 € ausgegangen werden, mithin – bezogen auf die Investitionssumme – von einer Brutto-Anfangsrendite von 6,75% bzw. einer Netto-Anfangsrendite von rund 5,50%. Im Ergebnis entspreche daher die Nutzungsdauer des Gebäudes der sich aus § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ergebenden typisierten Nutzungsdauer.
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Hierzu hat die Klägerin im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen: Es bestünden vielfältige Fragestellungen, die im Ergebnis darauf hindeuten könnten, dass eventuell unzureichend begutachtet worden sei. Insbesondere bestehe die Auffassung, dass unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Umnutzung des Anwesens zurück zu einem Hotelbetrieb aus Sicht eines professionell agierenden Marktteilnehmers im gewöhnlichen Geschäftsverkehr endgültig entfallen sei und keine wirtschaftliche Alternative darstelle.
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Für das gegenständliche Verfahren sei vom Gutachter die Sicht zum Zeitpunkt […] 2016 als maßgeblich beurteilt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Vermietung als Asylbewerberunterkunft erfolgt. Abschreibungsbeginn des Objekts sei jedoch im Monat […] 2015, da mit der Kaufpreiszahlung zum […] 2015 der Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten der Immobilie erfolgt sei. Die für die Bewertung der für die Abschreibungsdauer maßgeblichen Grundlagen seien jedoch bereits vor dem Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums begründet, da die Grundlagen bereits mit Abschluss des Kaufvertrags im […] 2015 unveränderbar fixiert worden seien und nicht mehr beeinflussbar gewesen seien. Dies sei aus dem Grunde relevant, da die Flüchtlingszahlen erst im Herbst 2015 gestiegen seien, die komplette Kalkulation des Objekts zu diesem Zeitpunkt aber bereits abgeschlossen gewesen sei. Vorweg sei die Nutzungsänderung zur Sammelunterkunft gegen den Widerstand der politischen Mandatsträger mit gerichtlicher Hilfe genehmigt worden. Der wirtschaftliche Beweggrund für die Nutzungsänderung sei gerade die mangelnde wirtschaftliche Möglichkeit gewesen, das Objekt als Hotelbetrieb wirtschaftlich nutzen zu können. Sowohl die ursprünglichen Betreiber als auch die Erben und auch der anschließende Zwischeneigentümer hätten keine Möglichkeit gesehen, den Hotelbetrieb wirtschaftlich führen zu können. Unter Berücksichtigung der damaligen wirtschaftlichen Begebenheiten seien demzufolge die Nutzungsänderung beantragt und die entsprechenden Umbauarbeiten vollzogen worden. Damit sei auch zusätzlich die Nutzung als Hotelbetrieb endgültig unmöglich gemacht. Mit dieser Entscheidung sei fixiert worden, dass eine Hotelnutzung nicht mehr erfolgen solle; das Gebäude sei für diesen Zweck unbrauchbar gemacht worden. Es wäre auch nach der zehnjährigen Mietvertragslaufzeit als Asylbewerberunterkunft eine sinnvolle Hotelnutzung gerade nicht möglich gewesen, da hierfür die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen gar nicht mehr vorgelegen hätten. Eine Wiedererlangung einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung wäre zu diesem Zeitpunkt auch unkalkulierbar gewesen, da genau damit gerechnet hätte werden müssen, dass nach Ablauf von zehn Jahren die Bauordnungen nennenswert höhere Auflagen machen würden. Es wäre auch unter wirtschaftlichen Aspekten nicht möglich gewesen, die Schaffung der öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für eine Hotelnutzung nach einer zehnjährigen Zwischennutzung als Asylbewerberunterkunft auf dem Verwaltungswege wieder zu erhalten; dies wäre lediglich allenfalls unter Umständen mit politischer Fürsprache (und damit ohne Gewähr) möglich. Damit hätte gerade nicht gerechnet werden können. Auch wäre bei einem Betrieb unter Risiko- und Wahrscheinlichkeitsaspekten nicht mit positiven Einkünften zu rechnen, da sich eine Investition nicht amortisiert hätte.
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Unter ex-tunc-Aspekten spreche u.a. dagegen:
- Die Führung des Hotelbetriebs könnte keiner der beiden Gesellschafter weder unter Aspekten ihrer Tätigkeitsqualifikationen noch unter zeitlichen Aspekten übernehmen, da beide Gesellschafter einer anderen Betätigung nachgingen. Hierfür wäre ein Fremd-Geschäftsführer, der das Vertrauen der beiden genieße, einzusetzen. Eine solche Person sei aus Sicht des Jahres 2016 (oder 2015) nicht erkennbar gewesen.
- Eine Gesamtinvestition von 2 Millionen € würde zum einen die finanziellen Möglichkeiten der Gesellschaft sprengen und zum anderen ein Investitionsrisiko mit sich bringen, das unter wirtschaftlichen Aspekten bewertet werden müsse. Aus Sicht der Klägerin sei das Investitionsrisiko außergewöhnlich hoch, sodass sich das Risiko nicht rechnen würde. Gerade die fehlende Möglichkeit, einen Hotelbetrieb wirtschaftlich zu führen, habe dazu geführt, dass das Objekt zu einem vergleichsweise günstigen Preis verkauft worden sei. Die Alternative wäre ja gerade gewesen, die Investition gerade auch zum damaligen Zeitpunkt zu tätigen.
- Die Vermarktungs- und Auslastungsmöglichkeiten würden angezweifelt. Gerade hier lägen anderslautende Informationen vor, die darauf hindeuteten, dass eine wirtschaftliche Nutzung als Hotel nicht möglich sei. Eine steigende Tourismusnachfrage sei lediglich insgesamt, aber nicht bezogen auf das Anwesen untersucht worden. Nicht ohne Grund habe das Objekt fünf Jahre leer gestanden. Die einzige Möglichkeit, das Objekt nach Ablauf der Mietvertragsdauer weiter zu nutzen, bestehe in einem vollständigen Abriss verbunden mit einem Neubau. Dies entspreche auch der branchenüblichen Nutzung von Asylbewerberheimen nach Ablauf von etwa zehn bis fünfzehn Jahren.
27
Das FA hat hinsichtlich des Gutachtens vorgetragen, eine tatsächlich geringere Nutzungsdauer habe nicht belegt werden können.
28
Die Klage ist teilweise unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet.
29
1. Das Gericht legt den wörtlichen Antrag der Klägerin rechtsschutzgewährend dahingehend aus, dass sie neben der Änderung der streitgegenständlichen Bescheide auch beantragt, diese jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom […] 2021 zu ändern. Maßgebend ist nicht nur die Wortwahl des Steuerpflichtigen, sondern der gesamte Inhalt seiner Willenserklärung (z.B. Bundesfinanzhof -BFH-Urteil vom 18. September 2014 VI R 80/13, BStBl II 2015, 115 m.w.N.).
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2. Die Klage ist unzulässig, soweit sie die Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge betrifft.
31
Die Klägerin ist durch die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre […] auf Null nicht i.S. des § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) beschwert.
32
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH fehlt für die Anfechtung eines auf Null lautenden Einkommensteuerbescheids regelmäßig die Beschwer; von diesem Grundsatz sind lediglich dann Ausnahmen zu machen, wenn sich die Steuerfestsetzung nicht in der Konkretisierung des Steuerschuldverhältnisses erschöpft (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. September 2010 IV R 38/08, BFH/NV 2011, 423 m.w.N.). Der Grundsatz, dass ein auf Null lautender Steuerbescheid keine Beschwer enthält, gilt auch für einen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag. Nur ausnahmsweise ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines solchen Bescheids zu bejahen, z.B. wenn der Steuerpflichtige seine Gewerbesteuerpflicht schlechthin bestreitet und deshalb die ersatzlose Aufhebung des angegriffenen Bescheids erstrebt (vgl. BFH-Urteil vom 25. September 2008 IV R 80/05, BStBl II 2009, 266, m.w.N.). Im Streitfall ist eine solche Ausnahme indes nicht ersichtlich.
33
Selbst wenn der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags auf Null im Streitfall ein nach Ansicht der Klägerin zu hoher Gewinn aus Gewerbebetrieb zugrunde liegt, so ergeben sich hieraus für die Klägerin keine negativen Folgen. Der dort angesetzte Gewinn bildet keine verbindliche Entscheidungsgrundlage für andere Steuerbescheide, insbesondere nicht für die gesonderte Feststellung nach § 10a Gewerbesteuergesetz.
34
3. Die Klage ist im Übrigen unbegründet.
35
Die Klägerin hat eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer als 50 Jahre betreffend die Objekte IB und IW nicht als größtmöglich wahrscheinlich darlegen können.
36
a) aa) Bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (AfA in gleichen Jahresbeträgen). Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 EStG bemisst sich die Absetzung hierbei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts. Bei Gebäuden sind nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG abweichend von § 7 Abs. 1 EStG als AfA die folgenden Beträge bis zur vollen Absetzung abzuziehen: 1. bei Gebäuden, soweit sie zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht Wohnzwecken dienen und für die der Bauantrag nach dem 31. März 1985 gestellt worden ist, jährlich 3%, 2. bei Gebäuden, soweit sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht erfüllen und die a) nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden sind, jährlich 2%, b) vor dem 1. Januar 1925 fertiggestellt worden sind, jährlich 2,5% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Beträgt die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes in den Fällen des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG weniger als 33 Jahre, in den Fällen des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG weniger als 50 Jahre und in den Fällen des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst b EStG weniger als 40 Jahre, so kann nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG anstelle der Absetzungen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechende AfA vorgenommen werden.
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bb) Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist gemäß § 11c Abs. 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen. Ob den AfA eine die gesetzlich (§ 7 Abs. 4 Satz 1 EStG) vorgesehenen, typisierten Zeiträume unterschreitende verkürzte Nutzungsdauer i.S. des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zugrunde gelegt werden kann, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls (BFH-Urteile vom 4. März 2008 IX R 16/07, BFH/NV 2008, 1310; vom 28. Juli 2021 IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108 m.w.N.).
38
Die technische Nutzungsdauer richtet sich nach dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Eine – im Vergleich zum technischen Verschleiß kürzere – wirtschaftliche Abnutzung kommt nur in Betracht, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf der technischen Nutzungsmöglichkeit objektiv wirtschaftlich verbraucht ist, mithin eine wirtschaftlich sinnvolle (anderweitige) Nutzung oder Verwertung entfallen ist (z.B. Pfirrmann in Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, Stand 2025 § 7 EStG Rz. 89).
39
cc) Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint; erforderlich ist insoweit, dass aufgrund der Darlegungen des Steuerpflichtigen der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann, mit hinreichender Sicherheit geschätzt werden kann. Die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens ist dabei nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer. Im Rahmen der Schätzung des Steuerpflichtigen kann nicht Gewissheit über die kürzere tatsächliche Nutzungsdauer, sondern allenfalls größtmögliche Wahrscheinlichkeit verlangt werden. Daher ist die Schätzung nur dann zu verwerfen, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liegt (BFH-Urteil vom 28. Juli 2021 IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108).
40
dd) Die Feststellungslast für eine kürzere Nutzungsdauer i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG trägt der Steuerpflichtige (BFH-Urteil vom 11. August 1993 X R 82/90, BFH/NV 1994, 169; BFH-Beschluss vom 22. April 2013 IX B 181/12, BFH/NV 2013, 1267). Er muss Umstände glaubhaft machen, die im Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts zur AfA nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG die Prognose einer kürzeren Nutzungsdauer begründen (BFH-Urteil vom 28. September 1971 VIII R 73/68, BStBl II 1972, 176; BFH-Beschluss vom 11. August 2014 IX B 27/14, BFH/NV 2014, 1772), indem er greifbare Anhaltspunkte benennt, die im Einzelfall für eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer sprechen. Die Würdigung der Umstände obliegt im Klageverfahren dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz (BFH-Urteil vom 28. Juli 2021 IX R 25/19, BFH/NV 2022, 108).
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b) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall betreffend das (in den 1960er Jahren erbaute, in den 1970er Jahren erweiterte) Objekt IB ist eine kürzere Nutzungsdauer als 50 Jahre nicht mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
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aa) Das Gericht folgt dabei den Feststellungen des gerichtlich bestellten Gutachters. Insbesondere hält das Gericht sein methodisches Vorgehen aus den von ihm dargestellten Gründen für korrekt. Das Gutachten ist im Übrigen sorgfältig ausgearbeitet und fundiert und nachvollziehbar in seinen Ergebnissen. Die ergänzenden Erläuterungen des Gutachters in der mündlichen Verhandlung haben dem Gericht weiter die Möglichkeit gegeben, sich eine sichere Überzeugung über die im Einzelfall anzuwendenden Schätzungsgrundlagen zu bilden.
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Der Gutachter hat festgestellt (Seite 23 des Gutachtens), dass ausgehend von der im Gutachten unter Abschnitt 5.4 dargestellten Angebots- und Nachfragesituation nach Asylbewerberunterkünften nicht auszuschließen ist, dass zum Zeitpunkt […] 2014 im gewöhnlichen Geschäftsverkehr auch Erwartungen bestanden hätten, dass von Seiten des Freistaates Bayern auch über den insgesamt möglichen 6-jährigen Verlängerungszeitraum des bestehenden Mietvertrages hinaus ein Interesse an einer weiteren langjährigen Anmietung bestehen werde und dass eine solche Anmietung aus Sicht des Immobilieneigentümers auch zu wirtschaftlich sinnvollen Bedingungen erfolgen könne. Er hat dies nachvollziehbar begründet.
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Der Gutachter hat jedoch im Ergebnis einschränkend formuliert, dass es ihm als Immobiliensachverständigen nicht möglich sei zu beurteilen, ob aus Sicht des Zeitpunktes […] 2014 für das Objekt vor Ablauf der in § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG festgelegten typisierten Nutzungsdauer die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung endgültig entfallen wird, weil die Nachfrage nach Asylbewerberunterkünften sich nicht aus immobilienmarktspezifischen Gegebenheiten oder Erfahrungswerten ableite, sondern einerseits durch das Asylbewerberaufkommen und andererseits durch den politischen Willen beeinflusst werde, in welchem Umfang man in der Bundesrepublik Deutschland zukünftig Asylbewerber aufnehmen wolle.
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bb) Vor diesem Hintergrund ist nach Ansicht des Gerichts im Streitfall betreffend das Objekt IB eine kürzere Nutzungsdauer als 50 Jahre nicht mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
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Denn die Unaufklärbarkeit der künftigen Entwicklung zum einen der Asylbewerberzahlen und zum anderen der inländischen oder europäischen Asylpolitik als entscheidungserhebliche Tatsachen geht zu Lasten der Klägerin, die die Feststellungslast für eine kürzere Nutzungsdauer ihrer Immobilie trägt.
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cc) Soweit der Klägerinvertreter insoweit ausführt, das Gutachten bestätige seine Meinung, weil der Gutachter davon ausgehe, dass eine Weiternutzung nach Ablauf des Mietvertrags unsicher und damit unwahrscheinlich werde, bewertet er den Inhalt des Gutachtens unzutreffend. Vielmehr hat der Gutachter ausgeführt, dass nicht auszuschließen sei, dass zu Nutzungsbeginn Erwartungen bestanden hätten, dass über den insgesamt möglichen 6-jährigen Verlängerungszeitraum hinaus ein Interesse an einer weiteren langjährigen Anmietung bestehen werde und diese Anmietung aus Sicht des Immobilieneigentümers auch zu wirtschaftlich sinnvollen Bedingungen erfolgen könne. Soweit der Gutachter weiter darlegt, ob und wenn ja, wie lange und in welchem Umfang eine Nachfrage nach Immobilien zur Unterbringung in Asylbewerberunterkünften bestehe, leite sich nicht aus immobilienmarktspezifischen Gegebenheiten oder Erfahrungswerten ab, sondern werde einerseits durch das Asylbewerberaufkommen und andererseits durch den politischen Willen beeinflusst, in welchem Umfang die Bundesrepublik Deutschland zukünftig Asylbewerber aufnehmen wolle, revidiert er damit nicht seine Einschätzung über weitere wirtschaftliche Nutzbarkeit. Dies hat der Gutachter im Übrigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
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Diese Fragen – nämlich das künftige Asylbewerberaufkommen und die künftige Asylpolitik – können nicht durch ein Immobiliengutachten bewertet werden, sondern sind als künftige ungewisse Entwicklung im Rahmen der Feststellungslast für nichterweisliche Tatsachen zu würdigen. Diese trägt im Streitfall die Klägerin.
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dd) Der Einwand des Klägerinvertreters, dass die Flüchtlingswelle im Wesentlichen erst in 2015 angestiegen sei, greift nicht durch. Denn – wie auf Seite 20 des Gutachtens abgebildet – ist bereits in 2013 eine Vervielfachung der Asylbewerberzahlen im Vergleich zu 2008 zu verzeichnen.
50
ee) Die Frage des Klägerinvertreters an den Sachverständigen, wie er als Investor sein Investment kalkuliert hätte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn auch wenn ein Investor ebenfalls nur mit einer Nutzung von nicht mehr als 10 Jahre kalkuliert und dafür Sorge getragen hätte, dass in 10 Jahren alle Investitionskosten amortisiert wären und eine ausreichende Verzinsung vorgelegen hätte, kommt es für die streitgegenständliche Beurteilung darauf an, ob i.S.d. § 7 Abs. 4 EStG eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmöglichkeit entfallen ist, was vorliegend gerade nicht mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist.
51
ff) Auch wenn der Klägerinvertreter auf das Vorsichtsprinzip des Handelsgesetzbuchs (HGB) verweist und daraus den Anspruch auf eine kürzere Nutzungsdauer herleiten will, so regelt doch § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG die jährliche Abschreibung ausdrücklich für Betriebsvermögen.
52
Damit lässt das Einkommensteuergesetz durch die Vorgabe typisierter Prozentsätze für Gebäude in § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG keinen Spielraum für die Festlegung von Nutzungsdauern. Vielmehr werden diese indirekt mittels der typisierten Prozentsätze vom Gesetzgeber festgelegt (vgl. auch Heinstein in: Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschlusses 85. Lieferung, 5/2024, 2. Planmäßige Abschreibungen, Rz. 137 f m.w.N.).
53
Auch der Gutachter erläutert hierzu (lediglich), er erachte es als wahrscheinlich, dass ein Wirtschaftsprüfer bei einer Nutzungsdauer von 50 Jahren in der Bilanz möglicherweise eine Risikorückstellung vornehmen würde.
54
gg) Im Übrigen hat die Klägerin – wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – das Objekt IB tatsächlich für weitere 10 Jahre als Flüchtlingsunterkunft vermietet.
55
c) Bei Übertragung der oben dargestellten Grundsätze auf den Streitfall betreffend das (in den späten 1970er Jahren errichtete) Objekt IW ist eine kürzere Nutzungsdauer als 50 Jahre ebenfalls nicht mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
56
aa) Das Gericht folgt dabei den Feststellungen des gerichtlich bestellten Gutachters. Insbesondere hält das Gericht sein methodisches Vorgehen aus den von ihm dargestellten Gründen für korrekt. Das Gutachten ist im Übrigen sorgfältig ausgearbeitet und fundiert und nachvollziehbar in seinen Ergebnissen. Die ergänzenden Erläuterungen des Gutachters in der mündlichen Verhandlung haben dem Gericht weiter die Möglichkeit gegeben, sich eine sichere Überzeugung über die im Einzelfall anzuwendenden Schätzungsgrundlagen zu bilden.
57
(1) So ist nach gutachterlicher Einschätzung zum einen bereits eine weitere Nutzung des Objekts als Asylbewerberunterkunft wirtschaftlich möglich.
58
(a) Der Gutachter hat festgestellt (Seite 23 des Gutachtens), dass ausgehend von der im Gutachten unter Abschnitt 5.4 dargestellten Angebots- und Nachfragesituation nach Asylbewerberunterkünften nicht auszuschließen sei, dass zum Zeitpunkt 1. Juni 2016 im gewöhnlichen Geschäftsverkehr davon auszugehen gewesen sei, dass von Seiten des Landkreises […] auch über den bestehenden Mietvertrag hinaus ein Interesse an einer weiteren langjährigen Anmietung bestehen werde und dass eine solche Anmietung aus Sicht des Immobilieneigentümers auch zu wirtschaftlich sinnvollen Bedingungen erfolgen könne. Der Gutachter hat diese Einschätzung nachvollziehbar begründet.
59
Der Gutachter hat auch hierzu einschränkend formuliert, dass es ihm als Immobiliensachverständigen nicht möglich sei, sich zur Nachfrage nach Asylbewerberunterkünften in der Zukunft zu äußern.
60
(b) Vor diesem Hintergrund ist nach Ansicht des Gerichts im Streitfall betreffend das Objekt IW eine kürzere Nutzungsdauer als 50 Jahre nicht mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
61
Denn die Unaufklärbarkeit der künftigen Entwicklung zum einen der Asylbewerberzahlen und zum anderen der inländischen oder europäischen Asylpolitik als entscheidungserhebliche Tatsachen geht zu Lasten der Klägerin, die die Feststellungslast für eine kürzere Nutzungsdauer ihrer Immobilie trägt.
62
(c) Soweit die Einwendungen des Klägerinvertreters betreffend die Weiternutzung als Flüchtlingsunterkunft bei dem Objekt IB sinngemäß auch für die Weiternutzung des Objekts IW als Flüchtlingsunterkunft gelten, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
63
Der ergänzende Einwand des Klägerinvertreters, im Gutachten sei der Zeitpunkt […] 2016 mit dem Beginn der Vermietung als Asylbewerberunterkunft als maßgeblich beurteilt worden, während der Abschreibungsbeginn mit dem Monat […] 2015 erfolgt sei und der Kaufvertrag im […] 2015 geschlossen worden sei, die Flüchtlingszahlen jedoch erst im Herbst 2015 gestiegen seien, als die komplette Kalkulation des Objekts bereits abgeschlossen gewesen sei, greift nicht durch. Denn – wie auf Seite 19 des Gutachtens abgebildet – kam es bereits in 2013 zu einer Vervielfachung der Asylbewerberzahlen im Vergleich zu 2008 und in 2014 ist nochmal ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen.
64
(2) Zum anderen ist nach gutachterlicher Einschätzung – zusätzlich zur möglichen Weiternutzung als Flüchtlingsunterkunft – eine weitere Nutzung des Objekts als Hotel Garni wirtschaftlich möglich.
65
(a) Hierzu hat der Gutachter nachvollziehbare Erwägungen angestellt. Zum einen hat er formuliert, dass der frühere Hotelbetrieb vermutlich wegen des Todes der langjährigen Betreiber und eines sich daran anschließenden Insolvenzverfahrens eines Erben eingestellt worden sei. Zudem habe in 2016 im regionalen touristischen Umfeld eine stabile, leicht zunehmende Nachfrage nach Hotelbetten und in der Region […] eine regional deutlich überdurchschnittliche Auslastungsquote von über 60% bestanden. Eine Rückumwandlung in ein Hotel Garni (Beherbergungsbetrieb mit beschränktem Gastronomieangebot) erscheine bei überschlägiger Bedarfsanalyse als am ehesten umsetzbar.
66
(b) Das Gericht hält die fundiert begründeten Ausführungen – insbesondere vor dem Hintergrund sorgfältiger Recherchearbeit – für überzeugend. Vor allem ist auch die Rentabilität einer solchen Umnutzung mit einer Gesamtinvestitionssumme von 2 Millionen € nachvollziehbar.
67
(c) Das von der Klägerin im Einspruchsverfahren vorgelegte Gutachten spricht nicht gegen das gefundene Ergebnis. Denn darin ist – wie zu Recht vom Landesamt für Steuern bemängelt – das endgültige Entfallen jedweder wirtschaftlich sinnvollen Nutzung nicht gewürdigt worden, so z.B. die Möglichkeit der Vermietung von Fremdenzimmern oder Ferienwohnungen oder die Nutzung als Jugendherberge. Vielmehr hat der Gutachter der Klägerin hierzu keine substantiierten Überlegungen angestellt und insbesondere auch nicht die Weiternutzungsmöglichkeiten nach einer eventuellen Modernisierung betrachtet.
68
bb) Die Einwendungen der Klägerin im Schriftsatz vom 17. März 2025 (und in der mündlichen Verhandlung) greifen nicht durch.
69
(1) Soweit die Klägerin meint, dass unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Umnutzung des Anwesens zurück zu einem Hotelbetrieb aus Sicht eines professionell agierenden Marktteilnehmers im gewöhnlichen Geschäftsverkehr endgültig entfallen sei und keine wirtschaftliche Alternative darstelle, vertritt sie eine vom Gutachten abweichende Meinung, ohne dass dieser ein höherer Stellenwert als dem Sachverständigengutachten zukäme.
70
(2) Dass der wirtschaftliche Beweggrund für die Nutzungsänderung gerade die mangelnde wirtschaftliche Möglichkeit gewesen sei, das Objekt als Hotelbetrieb wirtschaftlich nutzen zu können, wird von der Klägerin nicht mit Begründungen untermauert. Vielmehr stellt der Gutachter die Hintergründe anders dar und das Gericht hält diese – insbesondere vor dem Hintergrund der dargestellten Kennzahlen des Marktes – für nachvollziehbar:
71
So hat der Sachverständige recherchiert, dass die Nachfrageentwicklung nach Hotels im […] ein Marktsegment dargestellt habe, bei dem ein Investor zusätzliche Bettenzahlen hätte wirtschaftlich betreiben können. Denn 2016 sei die durchschnittliche Auslastung für Betten im gesamten [Bereich …] bei 38%, in der gegenständlichen Region dagegen bei 63% gelegen. Das Hotel sei auch erst in den 90er Jahren erheblich erweitert worden und es seien Zimmer hergestellt worden, die ein normaler Tourist dort nachgefragt habe. Der dortige Tourismusverband habe auch gesagt, dass normale Garni-Hotels damals im Durchschnitt sogar älter gewesen seien als die streitgegenständliche Immobilie und ebenfalls nachgefragt worden seien.
72
Baulich hätten jedenfalls alle Voraussetzungen für eine Weiternutzung vorgelegen. Auch die voraussichtliche überdurchschnittliche Abnutzung sei von ihm einkalkuliert worden, was zu einer geschätzten Investitionssumme von 2 Millionen € geführt habe. Dies seien etwa 55% der Kosten für einen Neubau eines Hotels, so dass er es für unwahrscheinlich halte, dass sich eine Weiternutzung wirtschaftlich nicht rentieren würde.
73
Der Gutachter hat ergänzt, die Stilllegung des vorhandenen Hotelbetriebs habe wohl daran gelegen, dass das Betreiberehepaar kurz hintereinander verstorben sei und die Erbengemeinschaft zerstritten gewesen sei. Warum der Zwischenkäufer des Objekts keinen Käufer gefunden habe, der einen Hotelbetrieb weiter hätte führen wollen, sei nicht eindeutig zu beantworten. Jedenfalls von den Kennzahlen des Marktes her könne ein durchschnittlich be-gabter Betreiber die vorhin genannte Auslastung wieder erreichen.
74
(3) Die Meinung des Klägerinvertreters, mit den Umbauten in ein Asylbewerberheim sei eine Nutzung als Hotelbetrieb endgültig unmöglich gemacht worden und das Gebäude sei für diesen Zweck unbrauchbar gemacht worden, weiter sei die Wiedererlangung einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung zu diesem Zeitpunkt unkalkulierbar gewesen, da damit gerechnet hätte werden müssen, dass nach Ablauf von zehn Jahren die Bauordnungen nennenswert höhere Auflagen machen würden, sowie dass es auch unter wirtschaftlichen Aspekten nicht möglich gewesen sei, die Schaffung der öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für eine Hotelnutzung nach einer zehnjährigen Zwischennutzung als Asylbewerberunterkunft auf dem Verwaltungswege wieder zu erhalten (allenfalls unter Umständen mit politischer Fürsprache), überzeugt das Gericht nicht.
75
Denn der Klägerinvertreter hat lediglich behauptet, es sei unwahrscheinlich, die Genehmigung einer Nutzungsänderung zu erreichen; er hat hierfür weder konkrete Anhaltspunkte benennen können noch wären solche Anhaltspunkte dem Gericht allgemein bekannt.
76
Im Übrigen hat die Klägerin bei Anschaffung des Objekts die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft ebenfalls „gegen den Widerstand der politischen Mandatsträger“ gerichtlich erstritten.
77
(4) Den Einwand des Klägerinvertreters, bei einem Betrieb als Hotel Garni wäre unter Risiko- und Wahrscheinlichkeitsaspekten nicht mit positiven Einkünften zu rechnen, da sich eine Investition nicht amortisiert hätte, hält das Gericht im Hinblick auf die Ausführungen des Gutachters im Gutachten und in der mündlichen Verhandlung, die das Gericht für überzeugend hält, nicht für durchgreifend.
78
Soweit mit diesem Einwand gerügt werden soll, dass eine Investitionssumme von 2 Millionen € zu niedrig kalkuliert sei, weist der Gutachter darauf hin, dass ein Neubau nicht wirtschaftlicher sei als ein Umbau oder eine Umnutzung, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Grundrisslösung marktgängig sei. Er habe ohnehin die komplette Raumausstattung und die komplette Gebäudetechnik (mit Ausnahme der Heizungszentrale) aus der Kalkulation ausgenommen. Auch wenn mit einer Ungenauigkeit der geschätzten Investitionssumme von +/- 15% zu rechnen sein könnte – wobei bei einem Abriss noch etwa 10% der Kosten dazukämen – sei dies immer noch weit billiger als ein Neubau. Denn die konstruktiven Bauteile seien vollständig verwertbar. Der Brandschutz sei bei Asylbewerberheimen sogar höher als bei einer Nutzung als Hotel Garni und Stellplätze stellten ebenfalls kein Problem dar.
79
Soweit der Gutachter einräumt, ein Problem könnte einzig darstellen, dass das Image eines Hotels, das 10 Jahre als Asylbewerberunterkunft gedient habe, für eine gewisse Gästeklientel problematisch sein könnte, hält das Gericht dies nicht für ausreichend, die Einschätzung einer möglichen Weiternutzung als Hotel Garni für unrichtig zu halten. Denn zum einen hat der Gutachter deswegen nicht seine Prognose geändert. Zum anderen hat der Gutachter (wie im Folgenden unter (5) dargestellt), mit einer Auslastung von (nur) 50% kalkuliert.
80
(5) Auf Frage des Klägerinvertreters, wie die Rentabilität bei einer Auslastung von 38% wäre, hat der Gutachter fundiert erläutert, er habe mit einer Auslastung von 50% kalkuliert und mit Zimmerpreisen nach einer Modernisierung mit […] € netto pro Tag; das liege 50% unter dem Durchschnitt der Region […], wobei natürlich mit ca. 3 Jahren zu rechnen sei, bis diese Auslastungsquote erreicht werden könne.
81
(6) Auf Frage des Klägerinvertreters, wie die dreizehn Referenzobjekte, auf die sich der Tourismusverband bezogen habe, qualitativ ausgestattet seien, hat der Gutachter zwar geantwortet, dass er die dreizehn Referenzobjekte nicht konkret recherchiert habe, dass jedoch ermittelt worden sei, dass das Baualter der angebotenen Garni Hotels im Umkreis im Durchschnitt älter gewesen sei als das des streitgegenständlichen Objekts. Er hat weiter darauf hingewiesen, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass das Objekt nach einer Investition mit einer Summe von 2 Millionen € über dem Durchschnitt von Vergleichsobjekten liegen würde. Das Gericht hält diese Argumentation für ausreichend und überzeugend.
82
(7) Der Hinweis des Klägerinvertreters, zum Zeitpunkt des Erwerbs der Immobilie durch die Klägerin habe eine Nachfrage nach einem Hotel nicht bestanden, weil der Betrieb eines Hotels als unwirtschaftlich (mangels Nachfrage) erachtet worden sei, führt ebenfalls zu keiner Unbeachtlichkeit der gutachterlichen Würdigung. Denn der Sachverständige erläutert hierauf mit Blick auf seine Unterlagen betreffend die Eintragungen im Grundbuch, zwischen dem Tod des Betreiberehepaars und dem Ankauf durch die Klägerin sei erkennbar keine Insolvenz erfolgt, die Erbengemeinschaft habe erkennbar nicht weiterbetreiben wollen und einer der Erben sei insolvent gewesen. Sollten fachbezogene Makler damals niemanden gefunden haben, der das Hotel hätte weiterbetreiben wollen, bilde sich das durch die von ihm recherchierten statistischen Kennzahlen nicht ab. Er erläutert weiter zur Überzeugung des Gerichts, dass der Erfolg bei allen Hotels auch stark vom Betreiber abhänge; falls später mehr Hotels in Flüchtlingsunterkünfte umgenutzt worden seien, liege dies daran, dass sich das angesichts der hohen Pachteinnahmen und der geringen Risiken mehr gerechnet habe.
83
Wenn der Kläger selbst einwendet, vor Ort hätte er in Gesprächen mit Handwerkern, Heizungsbauern und Schreinern diese Informationen nicht erhalten, vielmehr habe er von den Handwerkern die Informationen erhalten, der Betrieb eines Hotels hätte sich nicht rentiert, hält das Gericht diese Einschätzung der Handwerker betreffend die wirtschaftliche Rentabilität eines Hotelbetriebs nicht für entscheidungsrelevant.
84
(8) Soweit der Klägerinvertreter möglicherweise aus der Tatsache, dass die Zwischenverkäufer das Objekt für […] € gekauft und für [lediglich …] € an die Klägerin weiterverkauft hätten, eine Einschätzung des Marktes, die Weiterführung eines Hotels sei unrentabel, herleiten will, teilt das Gericht dies Meinung nicht. Denn diese Annahme wird – wie der Gutachter nachvollziehbar ausführt – durch die statistisch ermittelten Marktdaten nicht belegt. Im Übrigen kann nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen aus dem Ablauf nicht erklärt werden, wie es zu solchen Kaufpreisen gekommen ist. Möglicherweise hätten Zwischenfinanzierungskosten vorgelegen. Der Verlustverkauf deute darauf hin, dass die eigentliche Strategie nicht habe umgesetzt werden können. Der Gutachter hat darüber hinaus auch den Tourismusverband gefragt, wie vor 2016 die Situation hinsichtlich der Schließung von Hotels gewesen sei; danach sei die Bettenzahl stabil gewesen bzw. sogar gestiegen, sodass statistisch betrachtet ein guter Markt vorgelegen habe.
85
(9) Der Einwand des Klägerinvertreters, die Führung des Hotelbetriebs könnte keiner der beiden Gesellschafter weder unter Aspekten ihrer Tätigkeitsqualifikationen noch unter zeitlichen Aspekten übernehmen, da beide Gesellschafter einer anderen Betätigung nachgingen, und ein Fremd-Geschäftsführer, der das Vertrauen der beiden genieße, aus der Sicht des Jahres 2016 (oder 2015) nicht erkennbar gewesen sei, greift nicht durch. Bei der Prognose einer Weiternutzung ist nicht konkret auf den Steuerpflichtigen und seine Möglichkeiten, sondern auf das Gebäude und seine voraussichtliche Nutzung entsprechend der Zweckbestimmung abzustellen.
86
(10) Dies gilt auch für das Argument des Klägerinvertreters, eine Gesamtinvestition von 2 Millionen € würde zum einen die finanziellen Möglichkeiten der Gesellschaft sprengen und zum anderen ein Investitionsrisiko mit sich bringen, das unter wirtschaftlichen Aspekten bewertet werden müsse; aus Sicht der Klägerin sei das Investitionsrisiko außergewöhnlich hoch, sodass sich das Risiko nicht rechnen würde.
87
Denn die zu treffende Prognose hat – wie der Gutachter zutreffend anmerkt – nichts damit zu tun, ob die klägerseitige Gesellschaft in der Lage ist, diese Investition zu tätigen, sondern es geht darum, ob aus Marktsicht Erwartungen existiert hätten, eine Anschlussnutzung als Hotel für wirtschaftlich zu erachten. Im Streitfall – so der Gutachter – sei nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass Marktteilnehmer eine Erwartung, hier ein Hotel zu betreiben, kategorisch ausgeschlossen hätten.
88
(11) Soweit der Klägerinvertreter einwendet, eine steigende Tourismusnachfrage sei lediglich insgesamt, aber nicht bezogen auf das Anwesen untersucht worden, erachtet das Gericht den Einwand nicht als geeignet, die Einschätzung des Gutachters als außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens zu qualifizieren.
89
So trägt zum einen der Gutachter vor, hierzu seien aus seiner Sicht die BWAs des damaligen Hotelbetriebs erforderlich, auf die er nicht zugreifen könne. Zum anderen hat auch der Klägerinvertreter hierzu keine konkreten Anhaltspunkte oder gar wirtschaftlichen Kennzahlen genannt, die im Fall der streitgegenständlichen Immobilie für eine vom touristischen Umfeld […] abweichende Beurteilung sprechen könnten.
90
Der erneut vorgebrachte Hinweis, nicht ohne Grund habe das Objekt 5 Jahre lang leergestanden, beweist nicht zwingend, dass in den 5 Jahren intensiv – und erfolglosnach einem Hotelbetreiber gesucht worden ist.
91
Die Einschätzung des Klägerinvertreters, die einzige Möglichkeit, das Objekt nach Ablauf der Mietvertragsdauer weiter zu nutzen, bestehe in einem vollständigen Abriss, verbunden mit einem Neubau, was einer branchenüblichen Nutzung von Asylbewerberheimen nach Ablauf von etwa 10 bis 15 Jahren entspreche, teilt das Gericht nicht. Zwar hat das Gericht – wie auch der Gutachter – keine Kenntnis davon, ob Asylbewerberheime branchentypisch nach etwa 10 bis 15 Jahren abgerissen werden. Dass diese Behauptung in ihrer Allgemeinheit jedoch keine Gültigkeit haben kann, belegt bereits die Verlängerung des Mietvertrages betreffend das Objekt IB um weitere 10 Jahre.
92
Im Übrigen weist auch der Gutachter darauf hin, dass die Gesamtrendite unter Einbeziehung der Kosten bei Ankauf des Grundstücks in 2013 einschließlich Erwerbsnebenkosten zzgl. Umbaukosten für Flüchtlingsheime plus Investitionskosten 2026 für die Umnutzung – mithin die gesamte Investitionssumme – höher wäre als bei einem Abriss und Neubau.
93
(12) Soweit der Gutachter auf die entsprechende Frage des Klägerinvertreters bestätigt, dass sich bei einer Auslastung eines wieder aufgenommenen Hotelbetriebs von 38% eine Umnutzung in einen Hotelbetrieb voraussichtlich nicht gerechnet hätte, bestätigt dies nicht – wie der Klägerinvertreter meint – dass eine Weiternutzung des Objekts als Hotel Garni unrentabel ist. Denn dies ist nicht die Auslastungsquote, die der Gutachter bei seiner Einschätzung nach einer Betrachtung des Tourismusbereiches […] und Zugrundelegung der statistischen Daten des dortigen Tourismusverbandes von einer dort möglichen Auslastung zu Grunde gelegt hat.
94
(13) Auch die Sichtweise des Klägerinvertreters, das Gutachten sei nicht vollständig erfolgt, (wohl) weil der Gutachter keine Marktbeobachtungsanalyse im Bereich […] vorgenommen habe und die Qualität der Hotelzimmer und Anlagen im Wettbewerb nicht beurteilt habe, teilt das Gericht nicht.
95
Denn der Sachverständige hat seiner Einschätzung fundierte Recherchen zu Grunde gelegt. So hat der Sachverständige – wie bereits dargestellt – recherchiert, dass die Nachfrageentwicklung nach Hotels im […] ein Marktsegment dargestellt habe, bei dem ein Investor zusätzliche Bettenzahlen hätte wirtschaftlich betreiben können. Denn 2016 sei die durchschnittliche Auslastung für Betten im [Bereich …] bei 38%, in der gegenständlichen Region dagegen bei 63% gelegen. Das Hotel sei auch erst in den 90er Jahren erheblich erweitert worden und es seien Zimmer hergestellt worden, die ein normaler Tourist dort nachgefragt habe. Der dortige Tourismusverband habe auch gesagt, dass normale Garni-Hotels damals im Durchschnitt sogar älter gewesen seien als die streitgegenständliche Immobilie und ebenfalls nachgefragt worden seien.
96
Das Gericht erachtet daher auch diesen Einwand nicht als geeignet, die Einschätzung des Gutachters als außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens zu qualifizieren.
97
(14) Soweit der Klägerinvertreter die vom Gutachter seiner Begutachtung zu Grunde gelegte Auslastung für zu positiv hält und eine Auslastung von 38% für richtiger hält, bei der auch der Gutachter eine Umnutzung für nicht wirtschaftlich erachtet habe, erkennt das Gericht nicht, wieso die Auslastung, die der Gutachter für den Tourismus außerhalb der Lage des streitgegenständlichen Objekts ermittelt hat, entgegen der vom Gutachter für die Lage des streitgegenständlichen Objektes ermittelten Auslastung zutreffender sein soll. Der Klägerinvertreter hat dazu auch keine Begründung vorgebracht.
98
(15) Der Einwand einer fehlenden angemessenen Bodenwertverzinsung bei Fremdfinanzierung einer Umnutzung geht an den Anforderungen an eine Prognose nach § 7 Abs. 4 EStG vorbei. Nicht die konkreten Verhältnisse des Steuerpflichtigen, sondern die zu schätzende kürzere tatsächlich Nutzungsdauer der Immobilie durch wirtschaftliche Entwertung sind einzuschätzen.
99
(16) Anders als bei der Ermittlung der steuerrechtlichen Absetzungen für Abnutzungen kann handelsrechtlich im Einzelfall die tatsächliche Nutzungsdauer die steuerrechtlich typisierte übersteigen. Dies führt zwangsläufig zu einem Auseinanderfallen der Wertansätze in Handels- und Steuerbilanz (ggf. mit der Notwendigkeit der Bildung latenter Steuern nach § 274 HGB, vgl. auch Heinstein in: Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschlusses 85. Lieferung, 5/2024, 2. Planmäßige Abschreibungen, Rz. 119 m.w.N.).
100
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.