Titel:
Herkunftsland: Afghanistan, Unzulässigkeitsentscheidung wegen vorheriger Zuerkennung internationalen Schutzes in Griechenland, Ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (verneint)
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5 und 7
AsylG § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
GRCh Art. 4
EMRK Art. 3
Schlagworte:
Herkunftsland: Afghanistan, Unzulässigkeitsentscheidung wegen vorheriger Zuerkennung internationalen Schutzes in Griechenland, Ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13747
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger ist Staatsangehöriger Afghanistans, Zugehöriger der Volksgruppe der Usbeken und sunnitischen Glaubens. Ihm wurde in Griechenland internationaler Schutz gewährt. Von dort reiste er am 27. Februar 2024 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 2. April 2024 einen Asylantrag.
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Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 23. Mai 2024 führte der Kläger im Wesentlichen aus, die Lebensbedingungen in Griechenland seien schlecht gewesen. Er habe die Sprache nicht erlernt und habe keine Arbeit gefunden. Er sei obdachlos gewesen und keine Versorgung erhalten.
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Mit Bescheid vom 9. Juli 2024, lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2) und drohte dem Kläger mit einer Ausreisefrist von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids die Abschiebung nach Griechenland oder einen anderen aufnahmebereiten oder aufnahmeverpflichteten Staat an, wobei eine Abschiebung nach Afghanistan ausgeschlossen wurde. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf aufschiebende Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Nr. 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei unzulässig. Der Kläger könne auf Grund des in Griechenland gewährten internationalen Schutzes keine weitere Schutzgewährung verlangen. Sein Asylantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz (AsylG) als unzulässig abzulehnen, eine materielle Prüfung erfolge in diesem Falle nicht. Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG lägen nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Griechenland führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorläge. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte oder Grundfreiheiten der EMRK komme nicht in Betracht. Dem Kläger drohe keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß §§ 34, 35 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen, wobei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Beschluss vom 15.02.2023 – Rs. C-484/22) nicht entgegenstehe. Im Falle des Klägers lägen keine überwiegend schutzwürdigen familiären Belange vor, die wegen der möglicherweise aus der Asylentscheidung folgenden (räumlichen) Trennung von Teilen der Kernfamilie einer künftigen Abschiebung entgegenstünden.
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Hiergegen erhob der Kläger am 15. Juli 2024 Klage zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte sinngemäß,
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den Bescheid vom 9. Juli 2024 aufzuheben, ein Asylverfahren durchzuführen und Abschiebungsverbote hinsichtlich Griechendlands festzustellen.
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Gleichzeitig wurde einstweiliger Rechtsschutz beantragt (M 6 S 24.32165). Zur Begründung wurde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt verwiesen.
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Die Beklagte beantragte,
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Zur Begründung bezog sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
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Mit Beschluss vom 23. Oktober 2024 wurde der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.
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Mit Beschluss vom 11. April 2025 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Am 9. Mai 2025 fand die mündliche Verhandlung statt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte in diesem sowie im Verfahren M 6 S 24.32165, auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung trotz Ausbleibens der Beklagtenseite entschieden werden. Denn in der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Der streitgegenständliche Bescheid ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) rechtmäßig. Der Asylantrag des Klägers ist aufgrund des bereits in Griechenland zuerkannten internationalen Schutzes zu Recht als unzulässig abgelehnt worden. Der Kläger hat ferner keinen (hilfsweisen) Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung sowie das auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot sind ebenfalls rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid sowie den Beschluss vom 23. Oktober 2024 im einstweiligen Rechtsschutz Bezug und macht sich diese zur Begründung der vorliegenden Entscheidung zu eigen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Ergänzend wird ausgeführt:
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1. Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist rechtmäßig.
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Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Flüchtlingsschutz oder subsidiärer Schutz) gewährt hat. Diese (geschriebenen) Tatbestandsvoraussetzungen für eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erfüllt der Kläger, da Griechenland diesem unstreitig internationalen Schutz gewährt hat.
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2. Die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist vorliegend auch nicht aus Gründen vorrangigen Unionsrechts ausgeschlossen.
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Dies ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) der Fall, wenn die Lebensverhältnisse, die einen Kläger als anerkannten Schutzberechtigten in dem anderen Mitgliedstaat erwarten, ihn der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechtscharta (GRCh) bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) aussetzen würden (vgl. EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540/17 (Hamed) – juris, Rn. 43).
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2.1. Im Rahmen des gemeinsamen europäischen Asylsystems gilt dabei zunächst der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens bzw. die Vermutung, dass die Behandlung der Betroffenen im Einklang mit den Erfordernissen der Genfer Flüchtlingskonvention, der GRCh und der EMRK steht (EuGH, U.v. 19.3. 2019 – C-297/17 (Ibrahim) – juris, Rn. 83; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 (Jawo) – juris, Rn. 80). Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem Mitgliedstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko („real risk“) besteht, dass Personen bei einer Überstellung dorthin in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris, Rn. 82 f.).
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Eine solche auf Grund der Lebensumstände drohende konventionswidrige Behandlung ist jedoch nur anzunehmen, wenn eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht wird, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Diese Schwelle wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris, Rn. 89 ff.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17- juris, Rn. 91 ff.). Diese Schwelle ist selbst bei durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund derer die betreffende Person sich in solch einer schwerwiegenden Situation befindet, dass dies einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (BVerwG, B.v. 7.3.2022 – 1 B 21/22 – NVwZ 2022, 1473; U.v. 21.4.2020 – 1 C 4719 – juris, Rn. 37; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris, Rn. 89 ff.; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris, Rn. 91 ff.). In Bezug auf vulnerable Personen kann die Schwelle der Erheblichkeit dabei schneller erreicht sein, als in Bezug auf gesunde und erwerbsfähige erwachsene Personen, hinsichtlich derer die Feststellung, sie seien vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängig und befänden sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not, im Lichte des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens grundsätzlich gesteigerten Anforderungen an die Entkräftung der Vermutung der Vereinbarkeit der Behandlung solcher Personen in dem betreffenden Mitgliedstaat mit den Erfordernissen der GRCh und der EMRK unterliegt (vgl. BVerwG, B.v. 28.3.2022 – 1 B 9.22 – juris, Rn. 13; U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris, Rn. 20 und 23; EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris, Rn. 93).
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Der bloße Umstand, dass in dem anderen Mitgliedstaat die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse ungünstiger sind als in der Bundesrepublik, kann für sich gesehen angesichts der fundamentalen Bedeutung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens ebenso wie der fehlende Rückgriff auf familiäre Solidarität keine ausreichende Grundlage für die Feststellung einer Situation extremer materieller Not darstellen (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris, Rn. 93 ff., BVerwG, U.v. 21.4.2020 – 1 C 4/19 – juris, Rn. 38). Auch Mängel bei der Durchführung von Programmen zur Integration von Schutzberechtigten reichen für einen Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK nicht aus (vgl. EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540 und C-541/17 – juris, Rn. 39; U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris, Rn. 93 f. und 96 f).
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Für die Erfüllung der vorbezeichneten Grundbedürfnisse gelten nur an dem Erfordernis der Wahrung der Menschenwürde orientierte Mindestanforderungen. So kann etwa der Umstand, dass der betreffenden Person bezogen auf die Unterkunft ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ zur Verfügung steht, genügen (BVerwG, B.v. 28.3.2022 – 1 B 9.22 – juris, Rn. 14).
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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem geklärt, dass das wirtschaftliche Existenzminimum immer dann gesichert ist, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite (seien es private Dritte, seien es nichtstaatliche Hilfsorganisationen) jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können. Zumutbar sind dabei auch Arbeiten und Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Tourismussaison, ausgeübt werden können. Dies gilt selbst dann, wenn diese Tätigkeiten im Bereich der sog. Schatten- oder Nischenwirtschaft angesiedelt sind (BVerwG, B.v. 28.3.2022- 1 B 9.22 – juris Rn. 14; U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris, Rn. 23).
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Bei der Gefahrenprognose ist auf den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit abzustellen (ständige Rspr., vgl. BVerwG, B.v. 28.3.2022 – 1 B 9.22 – juris, Rn. 12 a.E.; U.v. 20.5.2020 – 1 C 34/19 – juris, Rn. 15; U.v. 17.6.2020 – 1 C 35.19 – juris, Rn. 27). Ein ernsthaftes Risiko eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK besteht nicht bereits dann, wenn nicht sicher festzustellen ist, ob im Falle einer Rücküberstellung die Befriedigung der bezeichneten Grundbedürfnisse sichergestellt ist, sondern nur für den Fall, dass die Befriedigung der bezeichneten Grundbedürfnisse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist und der Drittstaatsangehörige dadurch Gefahr läuft, erheblich in seiner Gesundheit beeinträchtigt oder in einen menschenunwürdigen Zustand der Verelendung versetzt zu werden.
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Der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG steht nicht etwa Art. 4 der Grundrechtscharta (GRCh) i.V.m Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) (vgl. Art. 52 Abs. 3 GRCh) entgegen (vgl. hierzu EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540/17 u.a. – juris). Eine ernsthafte Gefahr, eine gegen Art. 4 GRCh verstoßende, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Griechenland zu erfahren, besteht für den Kläger als jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann zur Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel nicht (mehr). Um weitere Wiederholungen zu vermeiden, verweist das Gericht auf die rechtliche Bewertung der aktuellen Erkenntnismittel durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. August 2024 – 2 A 1131/24.A, welche jüngst vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurden (vgl. https://www.bverwg.de/pm/2025/30) und macht sich diese zu eigen.
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Zwar sprechen die Erkenntnisquellen übereinstimmend von Schwierigkeiten, denen anerkannte Flüchtlinge in Griechenland begegnen, wenn sie Wohnung, Arbeit, Zugang zu medizinischen Leistungen oder weitere Hilfe erhalten wollen, doch hat sich insbesondere die Arbeitsmarktlage in Griechenland in letzter Zeit merklich verbessert. Es besteht für die griechische Wirtschaft ein erheblicher Mangel an Arbeitskräften. Dies hat auch die griechische Regierung erkannt und mit einer Änderung des Arbeitsgesetzes reagiert. Dies kommt auch den anerkannten Schutzberechtigten zugute, die auf Arbeitssuche sind. Soweit die obergerichtliche Rechtsprechung aus den Jahren 2021 und 2022 entgegen der hiesigen Einschätzung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass in Griechenland unmenschliche Lebensverhältnisse selbst für nicht vulnerable rückkehrende Schutzberechtigte – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles – bestehen (vgl. etwa OVG Saarl., U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 – juris; OVG Sachsen, U.v. 27.4.2022 – 5 A 492.21 A – juris; VGH BW, U.v. 27.1.2022 – A 4 S 2443/21 – juris; OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.11.2021 – OVG 3 B 53.19 – juris; OVG Bremen, U.v. 16.11.2021 – 1 LB 371/21 – juris; OVG NW, U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris; B.v. 5.4.2022 – 11 A 314/22.A – juris; NdsOVG, U.v. 19.4.2021 – 10 LB 244/20 – juris), darf hierbei nicht verkannt werden, dass diese obergerichtliche Rechtsprechung auf älteren Erkenntnismitteln beruht und insofern nicht mehr die aktuell in Griechenland herrschende Lage, insbesondere die seither deutlich verbesserte Situation auf dem griechischen Arbeitsmarkt, berücksichtigt.
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Jedenfalls bei jungen, gesunden, arbeitsfähigen und alleinstehenden Männern – wie dem Kläger – besteht vorbehaltlich außergewöhnlicher Umstände keine beachtliche Wahrscheinlichkeit mehr, dass sie in Griechenland bei entsprechender Eigeninitiative ihre elementarsten Bedürfnisse nicht werden befriedigen können (so auch: VG Würzburg, B.v. 26.8.2024 – W 4 S 24.31508, VG Hamburg, U.v. 28.6.2024 – 12 A 4023/22 – juris Rn. 60 ff.; VG Cottbus, U.v. 16.5.2024 – 5 K 22/19.A – juris Rn. 31 ff.; VG Frankfurt (Oder), U.v. 28.2.2024 – 8 K 727/23.A – juris; VG Ansbach, B.v. 23.2.2024 – AN 17 S 23.50064 – juris Rn. 39 ff.; VG Bayreuth, U.v. 6.11.2023 – B 7 K 23.30771 – juris Rn. 36 ff.).
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2.2. Für den Kläger gelangt der erkennende Einzelrichter in Anbetracht der aktuellen Bedingungen in Griechenland sowie dessen persönlichen Umstände zu dem Ergebnis, dass ihm im Falle einer Rückkehr nach Griechenland eine unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh iVm. Art. 3 EMRK nicht beachtlich wahrscheinlich droht. Es ist nicht ersichtlich, dass es diesem beachtlich wahrscheinlich nicht möglich wäre, seine existentiellen Lebensbedürfnisse in Griechenland zu befriedigen.
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Nach dem gewonnenen Gesamteindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung handelt es sich beim Kläger um einen gesunden, arbeitsfähigen jungen Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen. Das Gericht ist der Überzeugung, dass dieser in Griechenland – etwa in der Landwirtschaft – eine Arbeit finden wird, um seinen Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften, zumal der Kläger selbst angegeben hat, fit und arbeitswillig zu sein. Der Vortrag, es wäre ihm während seines Aufenthaltes nicht möglich gewesen, in Griechenland nachhaltig Fuß zu fassen, ist nicht nachvollziehbar und mag dem Umstand geschuldet sein, dass der Kläger von Anfang an nach Deutschland wollte. Konkrete und belastbare Informationen, an welche Stellen sich der Kläger in Griechenland erfolglos gewandt hat, liegen nicht vor. Der Kläger hat angegeben, nur in Deutschland Arbeitsanweisungen ausführen zu können. Auch wenn er hier schon ein höheres Sprachniveau erreicht haben mag, ist der Kläger darauf zu verweisen, dass er sich das Land seiner Schutzgewährung nicht frei aussuchen kann. Warum ein Existenzaufbau nur in Deutschland und nicht in Griechenland möglich sein sollte, ist für das Gericht nicht ergründlich, zumal der Kläger in Afghanistan bereits in der Landwirtschaft gearbeitet hat. Auch die in der mündlichen Verhandlung etwa vorgetragene Analphabetisierung konnte nicht nachgewiesen werden, weitere Schritte wurden offenbar nicht unternommen. Selbst bei jedenfalls in der Anfangszeit möglicherweise drohender Obdachlosigkeit geht das Gericht davon aus, dass der Kläger bei Ausschöpfung der Möglichkeiten in Griechenland ohne weiteres (wieder) in der Lage sein wird, ein Leben so zu führen, welches keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erwarten lässt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger wenige Tage nach Erhalt des Schutzstatus ausgereist ist und in Griechenland gar nicht versucht hat, Fuß zu fassen.
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Hinderungsgründe, Arbeit in Griechenland zu finden oder weitergehende Leistungen – auch nach Beendigung des HELIOS-Programms – zu erhalten, können dadurch minimiert werden, dass von staatlichen, nichtstaatlichen sowie privaten Integrations- und Sprachförderungsangeboten Gebrauch gemacht wird. Auch das weitere Erlernen der Sprache mittels Büchern oder einem Smartphone kann dem Kläger zugemutet werden. Nach einer umfassenden Gesamtwürdigung und bei Berücksichtigung der von der Klagepartei angeführten Umstände des Klägers wird es diesem möglich sein, eine Arbeit zu finden sowie eine ausreichende medizinische Versorgung und eine – wenn auch bescheidene – Grundversorgung sicher zu stellen; dies jedenfalls nach der Überwindung gewisser Anfangsschwierigkeiten.
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3. Nach alledem liegen auch die begehrten Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht vor. Eine Verelendung des Klägers ist aus genannten Gründen nicht zu erwarten.
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4. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Anhaltspunkte hierfür sind weder ersichtlich noch konkret vorgetragen.
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5. Die in Ziffer 3 des Bescheides enthaltene Abschiebungsandrohung genügt ferner den Anforderungen von §§ 35, 36 AsylG und ist insoweit auch nicht unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung aufzuheben.
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Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Beschluss vom 15.02.2023 – Rs. C-484/22). Im Fall des Klägers liegen keine überwiegenden schutzwürdigen familiären Belange – aufgrund der möglicherweise aus der Asylentscheidung folgenden (räumlichen) Trennung von Teilen der Kernfamilie – vor, die einer künftigen Abschiebung entgegenstünden.
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6. Schließlich bestehen keine Bedenken gegen die mit dem Bescheid auch verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbote. Gründe, die eine Verkürzung der Einreise- und Aufenthaltsverbote nahelegen könnten, hat der Kläger nicht dargelegt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.