Inhalt

VG München, Beschluss v. 08.05.2025 – M 10 S 25.1404
Titel:

Zweitwohnungsteuer, Innehaben einer Zweitwohnung, Vermietung durch Agentur:, Eigennutzungsmöglichkeit des Eigentümers

Normenketten:
KAG Art. 3 Abs. 1
(Zweitwohnungsteuersatzung – ZwStS) § 2 S. 1 Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer der Stadt Bad Reichenhall vom 8. Dezember 2020
ZwStS. § 2 S. 2
ZwStS. § 3 Abs. 1
GG Art. 105 Abs. 2a
GG Art. 14
VwGO § 80 Abs. 5
Schlagworte:
Zweitwohnungsteuer, Innehaben einer Zweitwohnung, Vermietung durch Agentur:, Eigennutzungsmöglichkeit des Eigentümers
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13742

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.683,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen ihre Veranlagung zur Zweitwohnungsteuer für die Kalenderjahre 2022, 2023 und 2024.
2
Die Antragstellerin hat ihren Hauptwohnsitz in …, Österreich. Sie ist seit Januar 2021 Eigentümerin einer Wohnung im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin und vermietet diese als Ferienwohnung.
3
Die Antragsgegnerin hat eine Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer (ZwStS) vom 8. Dezember 2020 erlassen. § 2 ZwStS regelt, dass Zweitwohnung jede Wohnung im Gemeindegebiet der Beklagten ist, die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat. Die vorübergehende Nutzung zu anderen Zwecken, insbesondere zur Überlassung an Dritte, steht der Zweitwohnungseigenschaft nicht entgegen. Nach § 3 Abs. 1 ZwStS ist steuerpflichtig, wer im Stadtgebiet eine Zweitwohnung im Sinne des § 2 ZwStS innehat.
4
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2023 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur Abgabe einer Erklärung zur Zweitwohnsteuer auf. Die Antragstellerin gab in ihrer Erklärung vom 12. Dezember 2023 an, die Wohnung als Ferienwohnung zu vermieten. An nicht vermieteten Tagen würde die Antragstellerin die Wohnung als Büro nutzen. Bis 31. März 2022 sei die Wohnung dauerhaft vermietet gewesen, seitdem werde sie befristet als Ferienwohnung an Gäste vermietet.
5
Mit Bescheid vom 16. Januar 2024 veranlagte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur Zweitwohnungsteuer und setzte diese für das Kalenderjahr 2022 auf 459,00 € und für die Kalenderjahre 2023 und 2024 auf jeweils 612,00 € fest. Insgesamt wurden 1.683,00 € Zweitwohnungsteuer festgesetzt.
6
Die Antragstellerin erhob mit Schreiben vom 1. Februar 2024, bei der Stadt eingegangen am 12. Februar 2024, Widerspruch gegen den Bescheid. Sie wies darauf hin, dass die Zweitwohnungsteuersatzung der Antragsgegnerin zu unbestimmt sei und sie bereits Fremdenverkehrsbeiträge sowie sonstige Steuern abführe. Die Wohnung werde jährlich in der Nebensaison von Wohnungsbetreuern bzw. Vermietungsagenturen und in der Hauptsaison tageweise über … vermietet. Die Antragstellerin habe keinen eigenen Schlüssel zur Wohnung. Die Wohnung werde aufgrund ihrer Größe von 30m² an Einzelpersonen oder Ehepaare vermietet. Für Familien und Kinder sei sie ungeeignet. Die Antragstellerin betrete die Wohnung nur aus geschäftlichen Gründen, um beispielsweise Check-In oder Check-Out von Tagesgästen und ähnliche Tätigkeiten zu übernehmen. Begriffe in der Zweitwohnungsteuersatzung wie „anderes Gebäude“ oder „innehaben“ seien zu weit formuliert und könnten deswegen unverhältnismäßig weit ausgelegt werden. Eine Eigennutzung der Ferienwohnung sei ausgeschlossen. Die Wohnung sei darauf ausgerichtet nach Möglichkeit 365 Tage im Jahr ausschließlich zur Vermietung zur Verfügung zu stehen.
7
Herr … S. … bestätigte mit Schreiben vom 5. April 2024, dass er von Februar bis einschließlich Oktober 2022 die Ferienwohnung für Feriengäste vermietet bzw. betreut habe. Eine Eigennutzung der Antragstellerin sei in dieser Zeit nicht möglich gewesen. Ausweislich einer Zusatzvereinbarung vom 8. April 2024 zum Geschäftsbesorgungsvertrag vom 27. Oktober 2022 zwischen der Firma … Immobilien und der Antragstellerin sei die Ferienwohnung von 1. November 2022 bis 31. Mai 2023 und vom 10. Oktober 2023 bis 25. Mai 2024 auf Basis von befristeten Mietverhältnissen vermietet worden und in diesem Zeitraum jede Eigennutzung ausgeschlossen. In einem von der Antragstellerin ausgefüllten Stammdatenblatt der Firma … … über die Vermietung der Wohnung im Zeitraum 1. Juni 2024 bis 30. September 2024 wurde unter anderem vereinbart, dass Eigentümersperren bis zu drei Wochen in der Hauptsaison und bis zu 12 Wochen in der Nebensaison gesetzt werden können. Sonstige Regelungen zur Eigennutzung enthielt der Vertrag nicht.
8
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2025, zugestellt am 16. Mai 2025, wies das Landratsamt den Widerspruch der Antragstellerin zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei der veranlagten Wohnung um eine Zweitwohnung im Sinne von § 2 Satz 1 ZwStS handele. Die Zweitwohnungsteuersatzung sei hinreichend bestimmt, da sie von Rechtsprechung und Verwaltung ausgelegt werden könne. Die Antragstellerin habe die Wohnung zu Ihrer persönlichen Lebensführung inne, weil die Möglichkeit der Eigennutzung tatsächlich und rechtlich bestehe. Die vorübergehende Nutzung zu anderen Zwecken, insbesondere zur Überlassung an Dritte, stehe der Zweitwohnungseigenschaft gem. § 2 Abs. 2 ZwStS nicht entgegen. Die Vermutung, dass die Zweitwohnung zur persönlichen Lebensführung der Antragstellerin vorgehalten werde, sei nicht erschüttert. Für die Wohnung sei kein Dauermietvertrag abgeschlossen worden, sie werde stattdessen nach Angaben und Unterlagen der Antragstellerin in der Nebensaison (circa November bis Mai) monatsweise und in der Hauptsaison tageweise vermietet. Eine monatsweise Vermietung in der Nebensaison sei jedoch keine Dauervermietung und lasse die Möglichkeit einer kurzfristigen Zweckänderung grundsätzlich offen. Zudem sei die Zusatzvereinbarung vom 8. April 2024 nachträglich zum Geschäftsbesorgungsvertrag vom 27. Oktober 2022 geschlossen worden. Zwar ergebe sich im Zeitraum 1. Juni 2023 bis 9. Oktober 2023 eine Auslastung von 90,84 Prozent. Allerdings könne der Nachweis einer „guten Auslastung“ nicht in jedem Fall eine reine Kapitalanlageabsicht belegen. Eine tageweise Eigenvermietung in der Hauptsaison über … schließe die Annahme einer Kapitalanlage aus, weil diese Art der Vermietung gerade die Möglichkeit der kurzfristigen Zweckänderung offenlässt und zudem nicht geeignet sei, objektiv die Inanspruchnahme zu eigenen Zwecken auszuschließen. Auch die schriftliche Bestätigung von Herrn S. … vom 5. April 2024 ändere nichts an dieser Möglichkeit. Die Antragstellerin habe die Möglichkeit, für die Zeiten der Vermietung die Zweitwohnungsteuer anteilig kalkulatorisch auf die Mieter abzuwälzen. Die Vermietung sei nicht an eine überregionale Agentur unter Ausschluss der Eigennutzung übertragen worden. Ob die Antragstellerin oder ihre Familienangehörigen die Wohnung zu den nicht vermieteten Zeiten tatsächlich selbst nutzen, sei für die Frage der Zweitwohnungsteuerpflicht ebenso unerheblich wie die Tatsache, dass die Antragstellerin nicht über einen eigenen Schlüssel verfüge. Die Voraussetzungen für eine Zweitwohnungsteuerermäßigung gem. § 5 Abs. 2 ZwStS lägen nicht vor. Darüber hinaus bestehe die Verpflichtung zur Zahlung von Zweitwohnungsteuer unabhängig von einer Verpflichtung Fremdenverkehrsbeiträge bzw. Fremdenverkehrsabgaben zu bezahlen. Die Erhebung von Zweitwohnungsteuer und Fremdenverkehrsbeitrag oder Fremdenverkehrsabgabe/Kurtaxe habe unterschiedliche rechtliche Hintergründe. Sie können nebeneinander erhoben werden. Die Zweitwohnungsteuer sei als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG, Art. 3 Abs. 1 KAG eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit die in der Verwendung des Vermögens oder Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf sichtbar wird. Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung sei ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Ziel der Zweitwohnungssteuer ist es unter anderem auch, die durch Zweitwohnungen bedingten erhöhten Infrastrukturaufwendungen der Kommunen (z. B. für Kanalisation, Straßennetz) auszugleichen. Der Fremdenverkehrsbeitrag schöpft Vorteile ab, die den Beitragspflichtigen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet erwachsen. Das Aufkommen aus diesen Beiträgen dient ausschließlich der Deckung des gemeindlichen Aufwands für die Fremdenverkehrsförderung (Art. 6 Abs. 1 KAG). Die Kurtaxe wird für die Bereitstellung von Einrichtungen, die zu Kur- oder Erholungszwecken unterhalten werden, erhoben.
9
Die Antragstellerin hat mit am 11. Juni 2024 eingegangen Schriftsatz Klage (Az. M 10 K 24.3245) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2024 erhoben. Sie beantragt mit Schriftsatz vom 7. März 2025 zudem,
10
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 16. Januar 2024 anzuordnen.
11
Zur Begründung wird zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass die Wohnungen in … und … … aufgrund ihrer geringen Entfernung und der überregionalen Bedeutung der Stadt … dieselbe Ferienregion darstellen würde. Die Antragstellerin habe die Wohnung in … … bewusst gekauft, um sich um die Vermietung bzw. Mieteinnahmen persönlich kümmern zu können, falls der Ferienwohnungsbetreuer nicht alle Termine wahrnehmen könne. Durch die tageweise Vermietung werde die Maximierung von Einnahmen angestrebt. Dem stünde eine Eigennutzung diametral entgegen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Eigentümer einer Ferienwohnung seine Mieteinahmen nicht durch Tagesvermietung über einen regionalen Betreuer maximieren dürfe, sondern die Einschaltung einer überregionalen Agentur, die für geringere Auslastungen sorge, erforderlich sei. Die Antragstellerin habe kein eigenes Interesse an der nicht kinderfreundlich ausgestatteten Wohnung. Ein mehrere Jahre laufendes Verfahren im Verwaltungsrecht sei mit dem Recht auf faires Verfahren und dem allgemeinen Rechtsschutz unvereinbar. Zudem sei das Recht auf Eigentum verletzt.
12
Die Antragsgegnerin beantragt,
13
den Antrag abzulehnen.
14
Zur Begründung wird auf den Widerspruchsbescheid des Landratsamts B. L. vom 6. Mai 2024 verwiesen.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren (Az. M 10 K 24.3245) sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
16
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat in der Sache keinen Erfolg.
17
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage oder eines Widerspruchs im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung anordnen.
18
1. Bereits fraglich ist, ob der Antrag zulässig ist. Der Antragstellerin fehlt das im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO gesondert zu prüfende Rechtsschutzbedürfnis, da sie wohl keinen vorherigen Antrag gem. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO an die Antragsgegnerin gestellt hat.
19
In Abgaben- und Kostensachen ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, ob ein entsprechendes Verfahren durchgeführt wurde.
20
2. Darüber hinaus ist der Antrag aber auch unbegründet.
21
In entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Anordnung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheids bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Gründe dafür, dass die Vollziehung des streitgegenständlichen Zweitwohnungsteuerbescheids in Höhe von 1.683,00 Euro eine für die Antragstellerin unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, sind nicht ersichtlich. Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. BVerfG, B.v. 11.10.2010 – 2 BvR 1710/10 – juris Rn. 20 m.w.N.). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich und auch nicht von der Antragstellerin vorgetragen worden. Der pauschale Hinweis auf ein langes verwaltungsgerichtliches Verfahren in der Hauptsache und einer damit potentiell einhergehenden Verletzung des Gebots effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG oder auf eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist insoweit nicht ausreichend oder substantiiert genug. Somit ist ausschließlich darauf abzustellen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen.
22
Nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Zweitwohnungsteuerbescheids. Ernstliche Zweifel in diesem Sinn liegen vor, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2018 – 6 CS 18.1569 – juris Rn. 8).
23
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der die Kammer folgt, ist in einem Eilverfahren, in dem nur eine überschlägige Überprüfung der Sach- und Rechtslage stattfinden kann, grundsätzlich von der Gültigkeit einer Norm auszugehen, wenn nicht ausnahmsweise Gründe, die die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen, offen zu Tage treten (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2006 – 23 CS 06.1879 – juris Rn. 26 m.w.N.; s. etwa für einen solchen Fall: VG München, B.v. 18.1.2022 - M 10 S 21.5527 – juris Rn. 22 ff.). Derartige Gründe sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Zweitwohnungsteuersatzung der Antragsgegnerin nicht zu unbestimmt oder weit formuliert. Die in der Satzung verwendeten Rechtsbegriffe „Innehaben einer Zweitwohnung“ sind auslegungsfähig und genügen den rechtstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Justitiabilität (vgl. BVerwG, U.v. 26.7.1979 – VIII C 53.77 – juris Rn. 47). Eine Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer gesetzlichen Regelung noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit (vgl. BVerfGE 21, 209 (215); ferner 49, 343 (362)).
24
b) Der streitgegenständliche Bescheid begegnet nach summarischer Prüfung keinen durchgreifenden Rechtsanwendungsfehlern. Die Antragsgegnerin ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin im Sinn des § 3 Abs. 1 ZwStS zweitwohnungsteuerpflichtig ist.
25
aa) Die Antragstellerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum die Wohnung im Gemeindegebiet der Beklagten zu ihrer persönlichen Lebensführung innegehabt (§ 2 Satz 1 und 2 ZwStS).
26
Innehaben einer Zweitwohnung als besonderer Aufwand knüpft an die Einkommensverwendung und die darin zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit an (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 5.13 – juris Rn. 12; VG München, U.v. 24.11.2022 – M 10 K 20.6523 – juris Rn. 29 m.w.N.) Ausschlaggebendes Merkmal ist der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustands, für den finanzielle Mittel aufgewendet werden. Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf neben der Erstwohnung ist ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung finanzieller Mittel erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Die Festlegung der Nutzung zur persönlichen Lebensführung kann nur derjenige treffen, der über eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über die Wohnung verfügen kann. Er muss entsprechend seinen Vorstellungen zur persönlichen Lebensführung selbst bestimmen können, ob, wann und wie er die Wohnung nutzt, ob und wann er sich selbst darin aufhalten will oder ob er sie anderen zur Verfügung stellt. Diese Entscheidungsfreiheit ist Kennzeichen einer Aufwandsteuer. Folgerichtig darf sie nicht für weitere Wohnungen neben der Erstwohnung erhoben werden, die nicht der Einkommensverwendung (dem privaten Aufwand), sondern allein der Einkommenserzielung dienen. Es ist daher maßgeblich darauf abzustellen, ob die Wohnung dem persönlichen Lebensbedarf dient oder als reine Kapital-, Geld- oder Vermögensanlage eingesetzt wird (vgl. BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 4 BV 16.2343, Rn. 15 juris m.w.N.).
27
Die Abgrenzung zwischen zweitwohnungsteuerfreier reiner Kapitalanlage und zweitwohnungsteuerpflichtiger Vorhaltung (auch) für die persönliche Lebensführung erfordert im Hinblick auf die Zweckbestimmung eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls. Maßgeblich ist nicht die subjektive Zweckbestimmung des Wohnungsinhabers. Die unüberprüfbare innere Absicht muss auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender und nachprüfbarer Umstände beurteilt werden (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 5.13, Rn. 12 juris). In den Fällen, in denen die Wohnung teilweise selbst genutzt werden kann und teilweise vermietet wird (sog. Mischnutzung), unterliegt der Wohnungsinhaber der Zweitwohnungsteuerpflicht in der Regel, wenn er sich eine rechtlich gesicherte Möglichkeit zur Selbstnutzung vorbehalten hat. Die bloße objektive Möglichkeit der Eigennutzung durch den Zweitwohnungsinhaber schließt die Annahme einer zweitwohnungsteuerfreien reinen Kapitalanlage jedoch nicht aus (vgl. BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 4 BV 16.2343, Rn. 16 juris). Auch steht der fehlende vertragliche Ausschluss einer objektiven Eigennutzungsmöglichkeit der Annahme einer reinen Kapitalanlage nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 4 BV 16.2343, Rn. 16 juris). Hält sich der Inhaber die Möglichkeit zur Eigennutzung jedoch offen, kommt es für die Entstehung der Steuerpflicht andererseits nicht darauf an, ob die Wohnung im maßgeblichen Erhebungszeitraum auch tatsächlich zur persönlichen Lebensführung genutzt wurde (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.1995 – 8 C 40.93 – Rn. 10 juris).
28
Bei der Überprüfung des gesamten objektiven Sachverhalts auf die subjektive Zweckbestimmung der Zweitwohnung kann die steuererhebende Gemeinde zur Aufrechterhaltung einer nur durch Typisierung und Pauschalierung gewährleistbaren Praktikabilität von der tatsächlichen Vermutung der Vorhaltung der Zweitwohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung ausgehen, solange der Zweitwohnungsinhaber keine Umstände vorträgt, die diese tatsächliche Vermutung erschüttern (vgl. BayVGH, U.v. 27.6.2013 – 4 B 13.592, Rn. 20 juris und BayVGH, B.v. 21.3.2017 – 4 ZB 17.154, Rn. 11 juris).
29
Dem Wohnungsinhaber muss auf der anderen Seite aber der Nachweis gestattet sein, dass seine Wohnung entgegen einer möglicherweise zunächst begründeten Vermutung nicht der persönlichen Lebensführung dient, sondern ausschließlich zur Kapitalanlage verwendet wird (vgl. BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 4 BV 16.2343, Rn. 16 juris). Die Gemeinde darf an das Innehaben einer Zweitwohnung bei bestehendem Nutzungsrecht und der offen gehaltenen Nutzungsmöglichkeit grundsätzlich jedoch zunächst die Vermutung knüpfen, dass die Wohnung zumindest auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung vorgehalten wird (vgl. BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 6/13 – Rn. 13 juris).
30
Nach Maßgabe dieser in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin die streitgegenständliche Wohnung in … … im Zeitraum vom 1. April 2022 bis 31. Dezember 2024 nicht lediglich als reine Kapitalanlage, sondern – jedenfalls auch – zur persönlichen Lebensgestaltung innehatte. Die Antragstellerin verfügte in diesem Zeitraum sowohl über die tatsächliche als auch über die rechtliche Möglichkeit zur Nutzung der Wohnung.
31
Für das Jahr 2022 hat die Antragstellerin nach eigenen Angaben vorgetragen, dass von März 2022 bis Oktober 2022 Herr … S. … mit seiner Firma die Ferienwohnung im Rahmen der Tagesvermietung betreut hat. Bei der Tagesvermietung handelt es sich gerade nicht um einen Dauermietvertrag oder einem dem Dauermietvertrag hinsichtlich Rechtsbindung ähnlichem Vertrag. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass für diesen Zeitraum die Möglichkeit der Eigennutzung rechtlich verbindlich ausgeschlossen wurde. Aufgrund der Kurzfristigkeit im Bereich der Tagesvermietung hätte die Antragstellerin – nach Überzeugung der Kammer – jederzeit von ihrem inneren Entschluss die Wohnung täglich vermieten zu wollen abweichen und die Wohnung stattdessen selbst nutzen können. Eine entgegenstehende vertragliche Klausel, die dies untersagt, ist nicht ersichtlich. Auch das Schreiben vom 5. April 2024 vermag diese Vermutung nicht zu erschüttern. Darin bestätigte Herr S. … lediglich, dass eine Eigennutzung der Antragstellerin in dieser Zeit, wohl wegen der umfangreich erfolgten Vermietung, nicht möglich gewesen sei. Nicht bestätigt wurde dagegen, dass die Eigennutzung rechtlich verbindlich und vertraglich ausgeschlossen wurde.
32
In der Nebensaison 2022/2023 (1. November 2022 bis 31. Mai 2023) und 2023/2024 (10. Oktober 2024 bis 25. Mai 2024) wurde die Ferienwohnung nach Angaben der Antragstellerin monatsweise von der Firma … Immobilien betreut. Im Rahmen eines Zusatzvertrags vom 8. April 2024 wurde unter anderem die Eigennutzung für die Antragstellerin ausgeschlossen. Dieser Zusatzvertrag kann die Eigennutzung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit ausschließen. Beim Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 Abs. 1 BGB, der wie hier dienstvertragliche Elemente enthält, handelt es sich grundsätzlich um ein Dauerschuldverhältnis. Änderungen bzw. Vertragsanpassungen im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses können grundsätzlich nur ex nunc und damit mit Wirkung in die Zukunft Rechtswirkung entfalten (Rechtsgedanke der §§ 313, 314 BGB). So kann allenfalls ab 8. April 2024, nicht aber rückwirkend ab 27. Oktober 2022 – dem ursprünglichen Vertragsabschluss – von einem wirksamen Ausschluss der Eigennutzung ausgegangen werden. Dieser Ausschluss fällt aufgrund des nur marginalen Zeitraums (8. April bis 25. Mai 2024) vorliegend nicht ins Gewicht.
33
In der Hauptsaison 2023 (Juni 2023 bis September 2023) hat, nach Angaben der Antragstellerin, die Firma … Immobilien die Ferienwohnung für die Tagesvermietung betreut. Die Vermietung erfolgte über … Ein Ausschluss der Eigennutzung wurde von der Antragstellerin weder vorgetragen, noch ist er ersichtlich. Die Antragstellerin hätte in der Hauptsaison 2023 jederzeit auf die Ferienwohnung zugreifen können. Die Art der Vermietung über b.com lässt gerade eine kurzfristige Zweckänderung zu.
34
Ab 1. Juni 2024 wurde die Vermietung der Ferienwohnung durch die Firma … übernommen. Im abgeschlossenen Vertrag zwischen der Antragstellerin und … ist explizit ein Sperrvermerk geregelt. Der Antragstellerin steht es frei Eigentümersperren bis zu drei Wochen in der Hauptsaison und bis zu 12 Wochen in der Nebensaison zu setzen. Damit verbleibt die rechtliche Verfügungsmöglichkeit für jedenfalls diesen, nicht unerheblichen Zeitraum bei der Antragstellerin. Die Eigennutzung wurde nicht ausgeschlossen, im Gegenteil, der Antragstellerin wird durch den Sperrvermerk eine rechtlich gesicherte Möglichkeit der Eigennutzung eingeräumt.
35
Insgesamt fehlt es für den gesamten entscheidungserheblichen Zeitraum an einer entsprechenden vertraglichen Bindung, die etwa eine Dauervermietung oder die dauerhafte Einschaltung einer Vermittlungsagentur bei gleichzeitigem Ausschluss der Selbstnutzung vorsieht. Es erscheint daher entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin nicht überzeugend von der eindeutigen Judikatur des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abzuweichen. Insbesondere handelt es sich bei der Zweitwohnungsteuer um eine Aufwandsteuer, die gerade im Bereich der Tagesvermietung auf den jeweiligen Mieter abgewälzt werden kann.
36
bb) Ausgehend von der bestehenden maßgeblichen Nutzungsmöglichkeit der Antragstellerin in tatsächlicher sowie rechtlicher Hinsicht, durfte die Antragsgegnerin zunächst ohne weitere Prüfung von der tatsächlichen Vermutung des Vorhaltens der Wohnung für Zwecke des persönlichen Bedarfs und nicht von einer Kapitalanlage ausgehen.
37
Der Antragstellerin ist ihrer Obliegenheit als Wohnungsinhaberin, objektive, nach außen in Erscheinung tretende, verfestigte und von Dritten nachprüfbare Umstände vorzutragen, die diese tatsächliche Vermutung widerlegen können und insbesondere den Nachweis dafür bieten, dass die Wohnung ausschließlich der zweitwohnungsteuerfreien Kapitalanlage dient, nicht ausreichend nachgekommen.
38
Zur Widerlegung dieser Vermutung genügt nach der ständigen Rechtsprechung gerade nicht die Behauptung, die Zweitwohnung nicht selbst zu nutzen und auch künftig nicht zum Wohnen nutzen zu wollen. Maßgeblich ist vielmehr eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls. Nur wenn der Antragstellerin die Widerlegung der Vermutung gelingt, muss die beklagte Gemeinde ihrerseits darlegen, aufgrund welcher Umstände die Annahme des Vorhaltens der Wohnung zu Zwecken der persönlichen Lebensführung gerechtfertigt sein soll. Die Antragstellerin trägt als Eigentümerin zudem die objektive Beweislast für die Annahme einer reinen Kapitalanlage (vgl. VGH BW, U.v. 27.4.1993 – 2 S 135/92, Rn. 19 juris und Kasper, DStR 2006, Die Zweitwohnungsteuer, S. 2005, 2008).
39
Zwar hat die Antragstellerin vorgetragen, dass die streitgegenständliche Wohnung allein der Kapitalanlage diene und als Ferienwohnung ausschließlich an Dritte vermietet werde. Eine Eigennutzung sei gerade nicht gewollt. Dabei handelt es sich allerdings nur um eine subjektive Zielrichtung der Antragstellerin. Diese individuelle Zielrichtung muss jedoch anhand objektiver, nach außen erkennbarer Umstände überprüfbar sein. Der fehlende vertragliche Ausschluss einer objektiven Eigennutzungsmöglichkeit allein steht – wie bereits ausgeführt – der Annahme einer reinen Kapitalanlage dabei nicht entgegen. Allerdings bleibt es der Antragstellerin verwehrt, die diesbezügliche Regelvermutung zugunsten der Beklagten mit dem Hinweis auf einen rechtsgeschäftlich verbindlichen Nutzungsverzicht zu entkräften (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2017 – 4 ZB 17.154 – Rn. 11 juris).
40
Der Vortrag der Antragstellerin, die Wohnung sei aufgrund ihrer Größe von 30m² nur an Einzelpersonen oder Ehepaare zu vermieten und für Familien mit Kindern völlig ungeeignet bildet nur einen unzureichenden subjektiven Umstand, der insbesondere keine hinreichende Prognose dahingehend zulässt, dass in Zukunft weiterhin so verfahren wird.
41
Zwar hatte die Wohnung beispielsweise im Zeitraum Juni bis September 2023 eine Auslastung von über 90 Prozent. Allerdings kann der Nachweis einer guten Auslastung alleine nicht in jedem Fall eine reine Kapitalanlage belegen und insbesondere nicht die Vermutung bezüglich des Vorhaltens zur persönlichen Lebensführung erschüttern. Eine tageweise Vermietung über … schließt die Annahme einer Kapitalanlage aus, weil diese Art der Vermietung gerade die Möglichkeit der kurzfristigen Zweckänderung offenlässt und nicht geeignet ist, objektiv die Inanspruchnahme zu eigenen Zwecken auszuschließen. Dies gilt erst Recht im Zeitraum ab Juni 2024 und der tageweisen Vermietung über die Firma … Ab diesem Zeitraum tritt neben der tageweisen Vermietung zusätzlich noch ein vertraglich eingeräumter Sperrvermerk, sodass der Antragstellerin jederzeit die Möglichkeit eingeräumt wird die Wohnung selbst zu nutzen.
42
Entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin liegen die Wohnungen in … und … … nicht in derselben Ferienregion. Die Vermutung kann insofern ebenfalls nicht entkräftet werden. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass etwa bei der Lage der Hautwohnung innerhalb desselben Feriengebietes die Vermutung des Vorhaltens für den eigenen Lebensbedarf erschüttert sein kann (vgl. BayVGH, U.v. 18.11.2009 – 4 B 08.1604 – Rn. 19 juris; BVerwG, U.v. 26.09.2001 – 9 C 1/01 – Rn. 28 juris). Für die Frage, ob eine Wohnung im selben Feriengebiet liegt, kann es nicht nur darauf ankommen, ob Haupt- und Zweitwohnung in überschaubarer Entfernung zueinander liegen. Eine schnelle Erreichbarkeit der Zweitwohnung kann die Nutzung durch den Eigentümer mit dem Wegfall einer langen Anreise bequemer machen und die Nutzungsintensität auch durch kurze Aufenthalte sogar erhöhen. … und … … liegen etwa 38 km Luftlinie voneinander entfernt, mit dem Auto muss man etwa 45 km zurücklegen. Dies erscheint bereits als nicht unerhebliche Entfernung. Entscheidend ist daneben, dass angesichts der geographischen und kulturellen Gegebenheiten vorliegend von einer Lage „im selben Feriengebiet“ nicht die Rede sein kann. Die Hauptwohnung der Antragstellerin befindet sich im österreichischen … und gehört zum österreichischen Kulturraum S. Die Landschaft ist vom Flusssystem der Traun mit insgesamt 76 größeren und kleineren Seen, den Salzkammergutbergen und den umliegenden Bergen geprägt. Kulturell ist … Oberösterreich zugeordnet. Demgegenüber liegt das Gemeindegebiet der Antragsgegnerin, … …, geographisch im B. L. Die Stadt wird von den Berchtesgadener Alpen und den Chiemgauer Alpen umrahmt. … … ist anerkannter Kurort und für sein Salz sowie die Naturheilmittel Sole, Latschenkiefer und Moor überregional bekannt. Das B. L. ist UNESCO-B. und eigenständiger Tourismusmagnet. Kulturell ist … … oberbayrisch geprägt. Die Behauptung … und … … werden alleine durch die Stadt und Metropolregion Salzburg verbunden, erscheint demgegenüber abwegig.
43
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 2013.