Titel:
Wohnungseigentümergemeinschaft, Rechtsmißbrauch, Streitwertfestsetzung, Grobe Unbilligkeit, Beschlüsse der Wohnungseigentümer, Beschlussanfechtung, Änderung des Kostenverteilungsschlüssels, Gleichbehandlungsgrundsatz, Ordnungsmäßige Verwaltung, Eigentümerversammlung, Außergerichtliche Kosten, Sonderumlagenbeschluß, Gemeinschaftsordnung, Kostenschuldner, Aufteilungsplan, Abweichende Kostenverteilung, Miteigentumsanteil, Gemeinschaftseigentum, Einzelner Wohnungseigentümer, Alle Sondereigentumseinheiten
Schlagworte:
Beschlussanfechtung, Wohnungseigentümergemeinschaft, Tiefgaragensanierung, Kostenverteilung, Majorisierung, Gleichbehandlungsgrundsatz, Maßstabskontinuität
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 27.06.2023 – 1294 C 17565/22 WEG
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1358
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 27.06.2023, Az. 1294 C 17565/22 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die in der Eigentümerversammlung vom 16.11.2022 zu TOP 1.3, 1.4.1. und 1.4.2. gefassten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat 97 %, die Klägerin zu 11) 3 % der Gerichtskosten beider Instanzen zu tragen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1) bis 10) sowie 2/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 11). Die Klägerin zu 11) trägt 3 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Amtsgerichts ist, soweit es nicht abgeändert wurde, im Kostenpunkt ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i. H. von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 420.000,00 € festgesetzt.
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird abgeändert und auf 420.000,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten im Beschlussanfechtungsverfahren über die Gültigkeit von vier Beschlüssen aus der Eigentümerversammlung vom 16.11.2022, mit denen über die Neuregelung der Kostenverteilung bzgl. der Kosten einer anstehenden Tiefgaragensanierung beschlossen wurde.
2
Nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, des wechselseitigen Parteivorbringens sowie der Antragstellungen erster Instanz zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts München vom 26.07.2023 (Bl. 82/91 d.A.) Bezug genommen. Teils ergänzend, teils zum Zweck der Klarstellung ist auszuführen:
3
Die Kläger sind als Teileigentümer von Garagenstellplätzen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft … M., die Teil des sog. Olympischen Dorfs in M. ist. Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft wird durch Hausverwaltung Diplomkaufmann ... verwaltet.
4
In der Gemeinschaft gibt es 63 Wohnungen (Nr. 1 – 63) und insgesamt 105 Stellplätze in der Tiefgarage (Nr. 64 – 115) mit einem MEA von je 0,671/1.000stel, die einzelnen Wohnungs- oder Garageneigentümern zugeordnet sind. Von 63 Wohnungseigentümern sind 33 auch Eigentümer eines oder mehrerer Stellplätze; knapp die Hälfte der Tiefgarageneigentümer ist nicht zugleich auch Wohnungseigentümer. Insgesamt verfügen die Tiefgarageneigentümer über einen Anteil von 55,178/1.000stel der MEA. Eine Untergemeinschaft ist nicht gebildet.
5
Die Kläger zu 1) und 2) sind Teileigentümer zweier Tiefgaragenstellplätze mit den SP-Nr. 281/ 282, die Kläger zu 3) und 4) des Stellplatzes SP-Nr. 206, die Klägerin zu 5) des Stellplatzes SP-Nr. 246, die Klägerin zu 6) des Stellplatzes SP-Nr. 250, die Klägerin zu 7) des Stellplatzes SP-Nr. 235, die Kläger zu 8 der beiden Stellplätze SP-Nr. 230 / 231, der Kläger zu 9) des Stellplatzes SP-Nr. 303, der Kläger zu 10) der vier Stellplätze mit den SP-Nr. 284/ 285/ 286/ 290 und die Klägerin zu 11) des Stellplatzes SP-Nr. 272.
6
Die zweigeschossige Tiefgarage der Gemeinschaft liegt teils unter den Häusern … (vgl. S. 1 der Gutachterlichen Stellungnahme vom 18.12.2017, Anlage K5, sowie Anlage K10). Die Tiefgarage wurde im Jahr 1972 fertiggestellt, erstreckt sich über zwei Ebenen (U1 und U 2) und grenzt am westlichen Ende an eine andere Tiefgarage. Sie wird durch Privatstraßen erschlossen, die sich überdacht auf einer Fahrbahnebene unterhalb der Fußgängerebene befinden. Die allgemein befahrbare Tiefgarageneinfahrt zweigt von der öffentlichen S.straße ab (Anlage K10); es gibt keine Zufahrtsbeschränkungen für Fremdparker oder Durchgangsverkehr. Die Tiefgarage kann auch zur Durchfahrt in eine weitere Tiefgarage einer anderen Gemeinschaft befahren werden. Im Bereich der Tiefgaragenzufahrt auf der öffentlichen S.straße befinden sich Hinweisschilder zu den Nummern der jeweiligen Wohnungen der Gemeinschaft. In der Parkebene befinden sich Durchgänge zu den Wohnbereichen (Schleusen). Die Durchgangsstraße durch die Tiefgarage erschließt die … straße und die Anbindung an die U-Bahn. Von Dritten kann die Tiefgarage durchfahren werden, um Stellplätze auch außerhalb des gemeinschaftlichen Grundstücks zu erreichen. Freiflächen werden tagsüber bei Bedarf von Handwerkern und auch zum Be- und Entladen von den Anwohnern im Umfeld der Hausnummern … straße 95 bis 103 genutzt.
7
Die Gemeinschaft vermietet Teile der Gemeinschaftsfläche in der Tiefgarage als Stellplätze; die Einnahmen betragen jährlich einen niedrigen vierstelligen Bereich, etwa im Jahr 2019 ca. 3.500 €. Die Einnahmen werden auf sämtliche Wohnungs- und Teileigentümer entsprechend deren MEA umverteilt.
8
Die Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung (TE/GemO) der Gemeinschaft URNr. … vom 22.10.1975 sieht in Teil B § 9 Ziff. 2 c. eine Verteilung aller Betriebs- und Instandhaltungskosten (mit Ausnahme der Kosten für die Fahrstuhlanlagen) nach Miteigentumsanteilen aller Wohnungseigentümer vor. § 9 Ziff. 2. f. der GemO bestimmt weiter, dass sich ein Eigentümer weder ganz noch teilweise von den Kosten für einzelne oder alle Gemeinschaftseinrichtungen ausschließen kann, auch wenn er sie nicht benutzt. § 10 Ziff. 1. d. der GemO regelt, dass die Beschlussfassung über gesetzlich zulässige Änderungen der Gemeinschaftsordnung einer Mehrheit von mehr als ¾ aller Stimmenanteile bedarf (Anlage K3).
9
Bereits im Jahr 2017 hatte die Beklagte durch die Verwalterin die Erstellung eines Gutachtens zur Betoninstandsetzung der Tiefgarage beauftragt. Die gutachterliche Stellungnahme mit Instandsetzungskonzept wurde von einem beratenden Ingenieurbüro für Bauwesen am 18.12.2017 vorgelegt und dabei u.a. folgende Feststellungen zu Schäden und Schadensbehebung getroffen:
„4. Augenscheinliche Auffälligkeiten: Obere Ebene – U1: Geschädigter Verbundestrich [Ris se, Abplatzungen, Ausbesserungen, Hohllagen]; undichte Dehnfugen mit Sinterspuren unterseitig der Decke; Betonabplatzung über korrodierter Bewehrung am Stützenfuß. Untere Ebene – U2: Unterseitig der Zwischendecke Risse mit Sinterspuren Wasserablaufspuren an Konsole und korrodierte Auflagerplatte, Betonabplatzung Wandkopf; früher lokal instand gesetzte Konsole.
5. Instandsetzungskonzept: Betoninstandsetzung an den Stützen- und Wandfüßen […]; […] An der Stahlbetonplatte ist oberseitig im Stützbereich mit statisch erforderlicher Bewehrung eine Betoninstandsetzung nach Instandsetzungsprinzip … durchzuführen.
Im Bereich der Gebäudedehnfugen sind überfahrbare Fugenprofile aus Edelstahl einzubauen. […] Durch die Instandsetzung wird zukünftig eine ausreichende Dauerhaftigkeit und Tragsicherheit der Tiefgarage gewährleistet.“
10
Weiterhin wird im Gutachten der Bausachverständigen festgestellt, dass die Betondecken nicht den heutigen DIN-Vorschriften entsprechen und zur Wahrung der Tragsicherheit der Betondecken die Betoninstandsetzung notwendig ist. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die gutachterliche Stellungnahme, Instandsetzungskonzept vom 18.12.2017 (Anlage K 5) verwiesen.
11
Entsprechend den Vorgaben der Gemeinschaftsordnung wurden seit Begründung der GdWE vor ca. 50 Jahren alle gemeinschaftlichen Kosten bis auf die Heizkosten nach Miteigentumsanteilen auf die Wohnungs- und die Tiefgarageneigentümer verteilt.
12
Im Jahr 2021, also nach Änderung der Regelung des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG durch das WEMoG, wurden angefallene Sanierungskosten für die Terrassen (der Wohnungen) auf alle Miteigentümer verteilt und die Tiefgarageneigentümer dabei nicht ausgenommen.
13
Mit Einladungsschreiben vom 17.10.2022 lud die Verwalterin zur ordentlichen Eigentümerversammlung am 16.11.2022 ein (Anlage K1), in der mehrheitlich u.a. die folgenden, hier streitgegenständlichen Beschlüsse gefasst wurden (Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2023, zu Bl. 68/69 d.A.), mit denen die Kostenverteilung einer anstehenden und im Wege eines Grundlagenbeschlusses beschlossenen Betonsanierung der Tiefgarage abweichend von der in der Gemeinschaftsordnung § 9 Ziff. 2. c) festgelegten Kostenverteilung nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile geregelt wurde:
„TOP 1 Besprechung und Beschlussfassung Betonsanierung Tiefgarage
[… Erläuterung zur rechtlichen Situation und zum Sanierungsbedarf der Tiefgarage; für die Einzelheiten wird auf das Versammlungsprotokoll Bezug genommen.]
1.2 Beschlussantrag – Grundsatzbeschluss:
Die Eigentümer beschließen die Durchführung der Betonsanierung der Tiefgarage. Die Durchführung kann erst erfolgen, wenn eine ausreichende Liquidität für die Sanierung vorliegt.
Es soll im Zuge der Betonsanierung der Tiefgarage auch eine Überprüfung der vorhandenen Lüftungsanlage sowie der vorhandenen Brandschutzeinrichtungen stattfinden. Falls er forderlich sollen diese im Rahmen der Betonsanierung der Tiefgarage gemäß den rechtli chen Vorgaben ertüchtigt werden.
1.3 Beschlussfassung – Änderung Kostenverteilerschlüssel
Auf der Grundlage von § 16 Abs. 2 S. 2 WEG wird der Verteilerschlüssel für die unter TOP 1.2 beschlossene Tiefgaragensanierung abweichend dahingehend festgelegt, dass die Kosten der Tiefgaragensanierung nicht gemäß § 9 Ziff. 2 lit. c) der GemO auf alle Sondereigentumseinheiten nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile verteilt werden, sondern zu 80 % auf die Stellplatzeinheiten mit den Nr. 64 bis 115 laut Aufteilungsplan und zu 20 % auf alle Sondereigentumseinheiten mit den Nr. 1 bis 115 laut Aufteilungsplan.
Soweit auf die Stellplatzeinheiten 80 % der Kosten entfallen, werden diese auf die Stell platzeinheiten mit der Nr. 64 bis 115 nach dem Verhältnis der auf die Stellplatzeinheiten entfallenden Miteigentumsanteile auf der Basis von 55,178/55,178 verteilt.
Soweit auf alle Sondereigentumseinheiten 20 % der Kosten entfallen, werden diese auf die Sondereigentumseinheiten mit den Nr. 1 bis 115 nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile auf der Basis von 1.000/1.000 verteilt.
TOP 1.4: Korrektur der bisher erhobenen Sonderumlagen
Soweit in den Versammlungen vom 09.05.2018, 15.05.2019 und 27.09.2021 zum Zweck der Bildung einer Ansparrücklage Sonderumlagen i.H.v. jeweils EUR 250.000,00 beschlossen wurden, sind diese nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile erhoben worden, je doch unter dem Vorbehalt einer späteren Korrektur durch eine nachträgliche Änderung des Kostenverteilerschlüssels. [Einzelheiten zur Korrektur durch Gutschrift und anschließende Belastung nach neuem Kostenverteilungsschlüssel].
Die Beschlüsse über die Erhebung je einer Sonderumlage in Höhe von jeweils 250.000 € aus den Versammlungen vom 09.05.2018 mit einer Fälligkeit zum 15.11.2018, vom 15.05.2019 mit einer Fälligkeit zum 15.10.2019 und vom 27.09.2021 mit einer Fälligkeit zum 01.03.2022, jeweils nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile aller Sondereigentümer auf Basis 1000/1000 werden dahingehend geändert, dass diese drei Sonderumlagen nicht nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile aller Sondereigentümer verteilt werden, sondern entsprechend des soeben unter TOP 1.3 gefassten Beschlusses zu 80 % auf die Stellplatzeinheiten mit den Nrn. 64 bis 115 laut Aufteilungsplan und zu 20 % auf alle Sondereigentumseinheiten mit den Nrn. 1 bis 115 laut Aufteilungsplan. […].“
1.4.2. Beschlussantrag weitere Sonderumlagen für die Sanierung der Tiefgarage
Die Eigentümer beschließen eine weitere Sonderumlage zur Finanzierung der Sanierung der Tiefgarage in Höhe von 250.000 € zur Zahlung fällig am 01.02.2023 nach der Maßgabe der neu beschlossenen Kostenverteilung, wonach 80 % der Sonderumlage auf die Stellplatzeinheiten mit den Nrn. 64 bis 115 laut Aufteilungsplan und 20 % auf alle Sondereigentumseinheiten mit den Nrn. 1 bis 115 laut Aufteilungsplan entfallen. Soweit auf die Stellplatzeinheiten 80 % der Sonderumlage entfallen, werden diese auf die Stellplatzeinheit Nummer 64 bis 115 nach dem Verhältnis der auf die Stellplatzeinheiten entfallenden MEA auf der Basis von 55,178/55,178 verteilt. Soweit auf alle Sondereigentumseinheiten 20 % der Sonderumlage entfallen, werden diese auf die Sondereigentumseinheiten Nummer 1 bis 115 nach dem Verhältnis der auf alle Sondereigentumseinheiten entfallenden Miteigentumsanteile auf der Basis 1000/1000 verteilt.
14
Die Kläger zu 1) bis 10) haben die unter TOP 1 Beschluss 1.3, Beschluss 1.4.1. und Beschluss 1.4.2. in der Eigentümerversammlung vom 16.11.2022 gefassten Beschlüsse, die Klägerin zu 11) darüber hinaus auch den TOP 1 Beschluss 1.2 (Grundsatzbeschluss Betonsanierung Tiefgarage) jeweils fristgerecht angefochten. Das Protokoll der Eigentümerversammlung ist von der Verwaltung erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist in der mündlichen Verhandlung des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegt worden. Mit Beschluss vom 14.01.2023 hat das Amtsgericht die beiden Klagen verbunden.
15
Die Kläger zu 1) -10) haben in erster Instanz fristgerecht geltend gemacht, dass die angefochtenen Beschlüsse zu TOP 1 Pkt. 1.3, 1.4.1 und 1.4.2 aufgrund der dort beschlossenen, von der § 9 der TE/GemO abweichenden, unverhältnismäßigen Kostenverteilung grob unbillig seien und ei- nen Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, darstellten. Die beschlossene Kostenmehrbelastung der Kläger als Garageneigentümer sei mit der prozentualen Verteilung von 80 % zu 20 % unverhältnismäßig und widerspreche insoweit ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Kostenbelastung der Tiefgarageneigentümer erhöhe sich dadurch um etwa das 7-fache.
16
Weder das Einladungsschreiben noch das Versammlungsprotokoll enthielten Ausführungen dazu, aus welchem sachlichen Grund die Wohnungseigentümer den Kostenverteilungsschlüssel abändern wollten.
17
Die Gemeinschaftsordnung der WEG sehe keine Bildung von Untergemeinschaften vor, auch nicht für die Tiefgarage. Eine gesonderte Erhaltungsrücklage für die Wohnungen und Tiefgarage gebe es nicht. Alle Tiefgaragenstellplätze hätten insgesamt einen MEA von 55,178/1.000stel, sodass sie immer von den Wohnungseigentümern überstimmt würden.
18
Im Bereich der Parkebene befänden sich Durchgänge zu den Wohnbereichen, zudem erschließe die S.straße die Anbindung an die U-Bahn. Im Sanierungskonzept seien auch Erhaltungsmaßnahmen an den konstruktiven Teilen des Gebäudes vorgesehen, deren Kosten dann auch zu 80 % allein auf die Tiefgarageneigentümer abgewälzt werden sollten.
19
Die Gemeinschaft vermiete seit Jahren Gemeinschaftsfläche in der Tiefgarage als Garagenstellplätze und erziele hieraus jährliche Einnahmen in 4-stelliger Höhe.
20
In den 50 Jahren seit Begründung der WEG seien die „N.platz-Eigentümer“ auch immer an den Kosten der Gemeinschaft entsprechend ihren Anteilen beteiligt worden, so bspw. der Kläger zu 2) in der letzten Jahresabrechnung für die Jahre 2019 und 2021 an den Kosten der Instandsetzung der Waschgeräte, der Sanierung der Terrassen, der Instandsetzung der Heizung und der Gefährdungsanalyse gemäß Trinkwasserverordnung. Generell beträfen die von den Tiefgarageneigentümern erhobenen Kosten nur zu einem kleinsten Anteil, nämlich 0,61 %, direkt die Tiefgaragen. Dagegen würden die Stellplatzeinnahmen auch lediglich mit dem jeweiligen Miteigentumsanteile gutgeschrieben; das sei unbillig.
21
Das von der Gemeinschaft bereits im Jahr 2017 beauftragte Gutachten zu einem Konzept für die Betoninstandsetzung der Tiefgarage habe bereits damals Feststellungen zu Schäden und zur Schadensbehebung getroffen und weiter festgestellt, dass die Betondecke nicht den heutigen DIN-Vorschriften entsprechen und zur Wahrung der Tragsicherheit der Betondecken die Betoninstandsetzung notwendig sei. Die Sanierung diene daher dem Erhalt des Gesamtgebäudes.
22
Die Klägerin zu 11) meint darüber hinaus, dass der Grundsatzbeschluss unter TOP 1.2 schon unbestimmt sei, weil er über den Umfang der Tiefgaragensanierung eine Verknüpfung zum geänderten Kostenverteilerschlüssel enthalte. Zudem bleibe völlig offen, welche Gesamtkosten für die Tiefgarageneigentümer mit der Sanierung verbunden sein werden, und dabei auch, ob auch diese Kosten zu 80 % nur von den Tiefgarageneigentümern getragen werden sollen.
23
Die Klägerin zu 11) rügt innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist weiter auch, dass die angefochtenen Beschlüsse die Klägerin ohne sachlichen Grund, also willkürlich unbillig benachteiligen. Sie werde gegenüber dem früheren Rechtszustand – Verteilung nach MEA – schlechter gestellt; die Beschlüsse führten zu einer fast 14-fachen Kostenerhöhung für die Klägerin.
24
Da hier nicht ein gesetzlicher, sondern ein vereinbarter Verteilungsmaßstab geändert werden solle, sei das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Änderung erforderlich.
25
Das Gemeinschaftseigentum in der Tiefgarage diene allen Eigentümern. Die Besonderheiten der Anlage als olympisches Dorf seien zu beachten. Die überdeckte Fahrstraße biete Notgehwege, dadurch notwendige Entlüftung und zusätzliche Beleuchtung sowie Brandschutz- und Feuerlöscheinrichtungen und könne deshalb von der Tiefgaragenanlage nicht konkret getrennt werden. Für das olympische Dorf, in dem sich die Anlage befinde, gelten insbesondere auch hinsichtlich der Kostenverteilung Besonderheiten, die den Charakter eines Gemeinschaftsdorfs widerspiegelten. Zwischen den Parteien gelte die nicht von allen Eigentümern unterzeichnete Grundlagenvereinbarung aus dem Jahr 1975 als sog. faktisches Vertragsverhältnis (Anlage K4); das olympische Dorf sei eine Art „Supra-WEG“ mit einem ausgeprägten Gemeinschaftsverständnis.
26
Die Tiefgarageneigentümer seien zuvor immer an den Kosten der Gesamtgemeinschaft für das Wohngebäude beteiligt worden. Getrennte Instandhaltungsrücklagen seien gerade nicht angelegt. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Maßstabskontinuität vor. Da es nur um die Tiefgaragensanierung gehe, sei eine Einzelfallregelung gegeben. Sollten in der Zukunft vergleichbare Maßnahmen am Gemeinschaftseigentums, die mehrheitlich den Wohnungseigentümern zuzuordnen sind (z.B. Fassade, Dachsanierung, Austausch von Fenstern/Türen, Treppenhausanstrichen etc.) erforderlich sein, müssten diese auch mit einem Anteil von 80 % den Wohnungseigentümer allein zugeordnet und nur auf diese verteilt werden. Dass der Grundsatz der Maßstabskontinuität und der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht eingehalten seien, zeige sich darin, dass die ebenfalls in der Eigentümerversammlung vom 15.05.2019 zu TOP 6.02 beschlossene Erhöhung der Rücklagenzuführung anders als die unter TOP 1 beschlossene Sonderumlage zur Finanzierung der Tiefgaragensanierung – nicht in einem vergleichbaren Verhältnis umverteilt und eine Ausschüttung gegenüber den (dann proportional weniger zu beteiligenden) Garageneigentümern vorgenommen worden sei.
27
Zudem sei im Hinblick auf die Miteigentumsanteile der Tiefgarageneigentümer von einer unbilligen Majorisierung der Tiefgaragen-Eigentümer durch die Mehrheit auszugehen. Die Mehrheit dürfte sich in Angelegenheiten der Kostentragung nicht über schutzwürdige Belange der Minderheit hinwegsetzen. Die Wohnungseigentümer mit ihrem Anteil von 944,822/1.000stel MEA dürften bei sämtlichen Beschlüssen über die Sanierung der Tiefgarage mitstimmen, also u.a. deren Umfang mitbestimmen, diese dann aber zum größten Anteil von den TG-Eigentümern bezahlen lassen.
28
Es werde bestritten, dass die gemäß § 10 Ziff. 1. d. der TE/GemO erforderliche qualifizierte Mehrheit für die Beschlussfassung vorgelegen habe. Diese vom Gesetz abweichende Altvereinbarung sei unter Berücksichtigung von § 47 WEG auch weiter zu beachten.
29
Das Amtsgericht hat alle angefochtenen Beschlüsse für ungültig erklärt (Bl. 83/94 d.A.). Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, der unter TOP 1.3 gefasste Beschluss über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nach § 16 Abs. 2 WEG verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz und den Grundsatz der Maßstabskontinuität. Im Urteil vom 18.06.2010 habe der BGH entschieden, dass es nicht mehr ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche, wenn die für den Einzelfall beschlossene Änderung einen Anspruch der betroffenen Wohnungseigentümer auf Gleichbehandlung in künftigen Fällen auslöse und so den allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel unterlaufe. So liege es aber hier, da der Beschluss in künftigen Fällen einer gleichgelagerten Tiefgaragensanierung einen Anspruch der betroffenen Wohnungseigentümer auf Gleichbehandlung auslösen werde. Zudem fehle auch eine Regelung für künftige Fälle der Sanierung von Wohnungseigentum ohne Tiefgarage. Es entspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn im Gegenzug bei der Sanierung von Wohnungseigentum die Wohnungseigentümer die überwiegenden Kosten der Sanierung zu tragen hätten. Dass dieser Grundsatz nicht eingehalten würde, zeige der Beschluss zu TOP 6.02 zur Rücklagenzuführung, die gerade nicht umverteilt worden sei. Es sei unbillig, wenn die Tiefgarageneigentümer in Zukunft bei Erhaltungsmaßnahmen betreffend das Wohngebäude entsprechend ihrer MEA beteiligt würden. Der Umgang mit der Instandhaltungsrücklage zeige gerade, dass die Beklagte insoweit keine Anpassung beabsichtige.
30
Zudem sei die beschlossene Kostenverteilung willkürlich, da der vorhandene Reparaturstau nicht berücksichtigt worden sei; dies habe die Klagepartei durch ihre Ausführungen zum Gutachten zur Betoninstandsetzung im Kern innerhalb der Klagebegründungsfrist vorgetragen. Es wäre darauf abzustellen gewesen, welche Kosten bis zur Beschlussfassung, mindestens aber bis zur Gesetzesänderung für welche Wohnungseigentümer angefallen wären; sofern eine beabsichtigte Neuregelung hiervon massiv abweichen wolle, hätten sachliche Gründe vorliegen müssen. Die Betonsanierung der Tiefgarage sei ausweislich des Instandsetzungskonzepts vom 18.12.2017 bereits im Jahr 2017 erforderlich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt wäre aber eine Beschlussfassung über eine abweichende Kostenverteilung noch nicht möglich gewesen. Daher sei die getroffene Regelung, die gerade keine Kostensplittung diesbezüglich enthalte, offensichtlich ermessensfehlerhaft.
31
Weil der unter TOP 1.3 gefasste Beschluss für ungültig zu erklären gewesen sei, bedürfe es auch keiner Beschlussfassung über die Finanzierung. Zudem greife auch die Regel des § 139 BGB, die von Amts wegen auf den Sachverhalt anzuwenden sei, da nicht angenommen werden könne, dass ohne den Sanierungsbeschluss über die Finanzierung beschlossen worden wären. Der unter TOP 1.2. gefasste Beschluss sei aus diesen Gründen analog § 139 BGB ebenfalls für ungültig zu erklären, da die Vermutung bestehe, dass dieser Beschluss ohne die übrigen nicht gefasst worden wäre. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Wohnungseigentümer ohne Abänderung des Kostenverteilungsschlüssels die Sanierung der Tiefgarage noch hintangestellt hätten. Auch wenn es sich um einen Grundsatzbeschluss handle, erfolge wegen des Hinweises auf die ausreichende Liquidität eine Verknüpfung mit der Finanzierung des Beschlusses.
32
Gegen das der Beklagten am 27.07.2023 zugestellte Urteil des Amtsgerichts München (zu Bl. 82/91 d.A.) hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.08.2023, bei Gericht eingegangen am selben Tag, (Bl. 1 eIP), Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.10.2023 (Bl. 10 eIP) mit Schriftsatz vom 25.10.2023, bei Gericht eingegangen am selben Tag (Bl. 13/26 eIP), begründet.
33
Die Beklagte / Berufungsklägerin hält das Urteil, in dem darüber hinaus ihre Ausführungen nicht berücksichtigt worden seien, für rechtlich unzutreffend. Sie wendet ein, dass die angefochtenen Beschlüsse schon deshalb weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen die Maßstabskontinuität verstoßen würden, weil bisher noch nie von § 16 Abs. 2 S. 2 WEG Gebrauch gemacht worden sei. Bei der erstmaligen Anwendung könne ein Verstoß schlicht nicht vorliegen. Der vormalige Grundsatz der Maßstabskontinuität habe im Hinblick auf die gesetzliche Neuregelung ohnehin seine Bedeutung verloren und behalte allenfalls als Gleichbehandlungsgebot für künftige gleichgelagerte Fälle Bedeutung. Die Beteiligung der Tiefgarageneigentümer an den Kosten des Wohngebäudes sei bei einem MEA eines Stellplatzes von nur 0,671/1.000stel ohnehin verschwindend gering. Eine Regelung zukünftiger Fälle sei in einem Beschluss gerade nicht erforderlich, wie sich auch aus der Rechtsprechung im Urteil des LG Frankfurt am Main vom 30.03.2023 sowie nunmehr des BGH ergebe.
34
Die Beschlussfassung zur Rücklagenzuführung unter TOP 6.02 habe hierauf keinen Einfluss und könne nicht als Begründung herangezogen werden, zum einen, weil zum damaligen Zeitpunkt überhaupt keine Beschlusskompetenz für eine Änderung des Schlüssels für die Rücklagenzuführung bestanden habe, zum anderen, weil zu diesem Zeitpunkt die Änderung des Verteilerschlüssels für die Betonsanierung der Tiefgarage ja noch gar nicht festgestanden habe.
35
Die Kostenverteilung sei auch nicht willkürlich. Ein sachlicher Grund müsse nicht vorliegen. An eine ermessensfehlerfreie Auswahl im bestehenden weiten Ermessens- und Beurteilungsspielraum dürften keine strengen Anforderungen gestellt werden. Die beabsichtigte Kostenverteilung trage dem Gebrauch bzw. der Möglichkeit des Gebrauchs der Tiefgarage Rechnung und sei daher angemessen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Sanierungsbedürftigkeit in untrennbaren Zusammenhang mit der Nutzung durch die Stellplatzeigentümer stehe, da die vorhandenen Schäden überwiegend aus dem beim Befahren der Tiefgarage eingebrachten Natriumchlorid resultiere. Die gerichtliche Kontrolle sei auf Missbrauchsfälle beschränkt. Unerheblich sei auch, dass sich bei einzelnen Stellplatzeigentümern die anteilige Kostenlast deutlich erhöhe, das sei solchen Beschlüssen immanent. Allgemein werde es als zulässig angesehen, eine Tiefgarage wie ein selbstständiges Gebäude zu behandeln, und eine Kostentrennung sei nach der Rechtsprechung auch dann zulässig, wenn getrennte Baukörper statisch aufeinander aufbauten.
36
Auch sei zu berücksichtigen, dass seit Bestehen der WEG d.h. nunmehr 50 Jahren die auf die Tiefgarage entfallenden Kosten zu fast 95 % von den Wohnungseigentümern getragen worden seien.
37
Der vom Amtsgericht überraschend herangezogene angebliche Reparaturstau führe auch nicht zur Annahme von Willkür. Der Vortrag zum Reparaturstau sei erstmals in der mündlichen Verhandlung erfolgt und von der Beklagten bestritten, nicht aber im Kern in der Anfechtungsbegründung gerügt worden. Das Amtsgericht hätte daher rechtliches Gehör gewähren müssen, weshalb ein Verfahrensfehler gerügt werde. Im Übrigen bestehe auch gar kein (vorsätzlicher) Reparaturstau. Die lange Verfahrensdauer seit 2017 resultiere zum einen aus der erforderlichen engen Abstimmung mit den Nachbargemeinschaften, da es sich um die Zentrumsgarage im Olympischen Dorf handle. Zum anderen konnten wegen der Corona-Pandemie in den Jahren 2019 und 2020 nur eingeschränkt Eigentümerversammlung abgehalten werden.
38
Die Ausführungen des Amtsgerichts zum Grundsatzbeschluss zu TOP 1.2. seien ebenfalls fehlerhaft, denn der Grundsatzbeschluss wäre auch ohne die nachfolgenden Beschlüsse – wie schon aus der zeitlichen Abfolge der Beschlussfassung ersichtlich – gefasst worden. § 139 BGB sei fehlerhaft angewendet, auch, weil es sich hier um vier selbstständige Beschlüsse handle.
39
In der Berufungsinstanz beantragt die Beklagte:
I. Das Urteil des AG München vom 27.06.2023 (Az. 1294 C 17565/22 WEG) wird aufgehoben.
II. Die Klagen werden abgewiesen.
40
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
41
Die Kläger verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Unzutreffend sei der Einwand der Beklagten, dass bei erstmaliger Anwendung des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG die Maßstabskontinuität nicht zu beachten sei. Der BGH habe im Urteil Az. V ZR 87/2023 gerade nicht zu klären gehabt, ob bei zeitgleicher, also in derselben Versammlung geschehener Verletzung der Maßstabskontinuität ein Anfechtungsgrund bestehe, weil die in einer Versammlung zu Tage getretene Ungleichbehandlung auf ganz konkrete Fälle bezogen sei; richtigerweise müsste die Kostenumverteilung einer rechtlichen Überprüfung zugeführt werden können. Dass gerade keine Gleichbehandlung vorliege, zeige die Beschlussfassung zu einer einheitlichen Erhaltungsrücklage unter TOP 6 aus der Eigentümerversammlung vom 15.05.2019 und auch die Tatsache, dass die Einnahmen aus der Vermietung der Tiefgaragenstellplätze weiterhin zugunsten der gesamten Gemeinschaft verteilt würden. Zudem seien die angefallenen Sanierungskosten für die Terrassen der Wohnungen auf alle Miteigentümer verteilt worden, ohne die Tiefgarageneigentümer hiervon auszunehmen. Ein sachlicher Grund für diese Handhabung fehle. Die Ausführungen zur unbedeutenden Größe des MEA eines Tiefgarageneigentümers seien rechtlich unerheblich; auf die Quantität der Kostenverschiebung komme es für den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht an. Auch die anderen GdWEs des Olympiadorfes würden die Kosten für die Tiefgaragensanierung nach Kenntnis der Kläger ohne Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nach MEA umlegen.
42
Da auch eine Nutzung durch die Wohnungseigentümer und durch Dritte stattfinde und im Hinblick auf TOP 1.2. noch nicht einmal feststehe, in welchem Umfang auch die Sanierung von tragenden Bauteilen bzw. der Lüftungsanlage und Brandschutzeinrichtungen durchgeführt werden solle, sei der gewählte Verteilerschlüssel im Hinblick auf eine der Höhe nach noch nicht abschätzbare Maßnahme willkürlich. Dies gelte auch deshalb, weil auch Kosten der erstmaligen ordnungsgemäßen Herstellung enthalten seien, soweit das Gutachten vom 18.12.2017 feststelle, dass die Betondecke nicht den heutigen DIN-Vorschriften entspreche. Das lange Zuwarten der Beklagten mit der Sanierung habe zu weiteren Korrodierungen der Bewehrung und Betonabplatzungen geführt, was bei der Kostenverteilung hätte berücksichtigt werden müssen. Mit der Kostenumverteilung werde die Schwelle des § 10 Abs. 2 WEG der unangemessenen Mehrbelastung überschritten.
43
Ungeachtet einer streitigen Anwendbarkeit von § 139 BGB auf den Beschluss zu TOP 1 sei dieser jedenfalls unbestimmt.
44
Die Klägerin 1) -10) wenden weiter ein, dass aus dem erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Versammlungsprotokoll festzustellen sei, dass jeweils nur eine einfache Mehrheit für die Beschlüsse gestimmt habe, nach der Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung sei für die Änderung der Kostenverteilungsschlüssel jedoch eine Mehrheit von ¾ der MEA erforderlich.
45
Die Kammer hat am 21.11.2024 mündlich verhandelt und den Parteien Hinweise erteilt.
46
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2024 Bezug genommen.
47
Die zulässige Berufung der Beklagten ist überwiegend unbegründet.
48
A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft. Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt, §§ 517, 519 ZPO, und begründet, § 520 ZPO. Der Wert des Beschwerdegegenstands überschreitet 600,00 €, § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
49
B. Die Berufung ist in der Sache nur hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 1 zu 1.2 begründet und bleibt im Übrigen ohne Erfolg, da das angefochtene Urteil hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 1 zu 1.3, 1.4.1 und 1.4.2. weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 Abs. 1 ZPO. Die zulässigen Klagen der Kläger zu 1) – 10) und der Klägerin zu 11) sind hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 1.3, 1.4.1 und 1.4.2 auch begründet.
50
I. Die Fristen des § 45 WEG sind bzgl. beider Klagen gewahrt; formelle Mängel wurde innerhalb der Frist des § 45 S. 1 HS 2 WEG nicht gerügt.
51
II. In materiell-rechtlicher Hinsicht widersprechen die angefochtenen Beschlüsse zu TOP 1.3, 1.4.1. und 1.4.2. ordnungsgemäßer Verwaltung; die von den Klägern innerhalb der Frist des § 45 S. 1 HS 2 WEG vorgebrachten Rügen tragen die Ungültigerklärung dieser Beschlüsse. Insoweit ist die Entscheidung des Amtsgerichts München im Ergebnis zutreffend, die Kammer legt aber andere rechtliche Erwägungen zu Grunde. Den Grundlagenbeschluss zu TOP 1.2 hält die Kammer dagegen, anders als das Amtsgericht, für ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend.
52
III. Der angefochtene Grundlagenbeschluss zu TOP 1.2 ist nicht zu beanstanden und insb. nicht unbestimmt.
53
1. Ein Beschluss ist ausreichend bestimmt, wenn er aus sich heraus genau erkennen lässt, was gelten soll. Der Inhalt eines Beschlusses muss, insbesondere, weil ein Sonderrechtsnachfolger gem. § 10 Abs. 3 WEG gebunden ist, klar und bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (Bärmann-Merle, WEG, § 23 Rn. 54). Nach der Rechtsprechung des BGH sind Beschlüsse der Wohnungseigentümer dabei stets objektiv-normativ wie Grundbucheintragungen auszulegen. Maßgebend sind der sich aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung ergebende Wortlaut des Beschlusses sowie der sonstige Protokollinhalt und der Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Wortlauts ergibt; Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind (vgl. Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 23 Rn. 26, m.w.N.), sich also etwa aus dem übrigen Protokoll ergeben (Bärmann, 15. Aufl. 2023, WEG, § 10 Rn. 187). Auf die subjektiven Vorstellungen der Abstimmenden kommt es dabei nicht an (Bärmann, WEG, § 23 Rn. 62; zum Ganzen Bärmann-Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 23 Rn. 93 mwN; Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 23 Rn. 26).
54
2. Die Klägerin zu 11) rügt im Wesentlichen innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist, dass der Beschluss zu TOP 1.2 unbestimmt sei, da unklar sei, ob die grundsätzlich beschlossene Überprüfung der vorhandenen Lüftungsanlagen und Brandschutzeinrichtungen und deren erforderliche Ertüchtigung begrifflich zur Betonsanierung der Tiefgarage zählen sollten, welche Gesamtkosten mit dieser für die Garageneigentümer verbunden sein werden und ob auch erstere Kosten zu 80 % nur von den Tiefgarageneigentümern getragen werden sollen.
55
Dieses Vorbringen führt jedoch nicht dazu, den Beschluss als unbestimmt anzusehen. Der Beschluss stellt einen Vorbereitungs- oder Grundlagenbeschluss bzgl. der beabsichtigten Sanierung dar. Inhalt eines Grundlagenbeschlusses als 1. Stufe ist lediglich die Entscheidung über das „Ob“, also ein einfaches „ja“ zu einer Sanierung der Tiefgarage in Form der mehrheitlichen Entscheidung per Beschluss (vgl. MüKoBGB/Rüscher, 8. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 53, 54), wobei nach dem Beschlusswortlaut eine Ertüchtigung der Lüftungsanlage und der Brandschutzeinrichtungen nur erfolgen soll, soweit erforderlich, und insgesamt erst die erforderliche Liquidität für die Sanierung sichergestellt werden soll. Im Rahmen eines zweiten Beschlusses wäre anhand konkreter Angebote über das „Wie“ der konkreten baulichen Umsetzung zu entscheiden und gesondert über die Finanzierung Beschluss zu fassen – wie unter TOP 1.3. geschehen.
56
Welche Gesamtkosten anfallen und wie diese Kosten finanziert und auf die einzelnen Eigentümer verteilt werden, regelt der Beschluss zu TOP 1.2. gerade nicht. Die Frage des Kostenvolumens hat auch keine Auswirkung auf die Bestimmtheit des Beschlusses. Soweit die Klägerin zu 11) rügt, dass der Beschluss zu TOP 1.2. wegen der begrifflichen Verknüpfung mit dem Beschluss zu TOP 1.3. Auswirkungen auf die Kostenverteilung haben könnte, trägt dieses Argument ebenfalls nicht, sondern spielt bei der Auslegung des Beschlusses zu TOP 1.3 eine Rolle (s.u.). Dass unklar sei, ob der Begriff „Betonsanierung“ auch die Ertüchtigung der Lüftungs- und Brandschutzanlagen umfasse, kann nicht festgestellt werden: Der Beschluss zu TOP 1.2 stellt bereits seinem Wortlaut nach klar, dass eine Betonsanierung der Tiefgarage und darüber hinaus – soweit erforderlich – die Ertüchtigung der letztgenannten Anlagen erfolgen soll.
57
Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze, wonach die Wohnungseigentümer im Zweifel eine wirksame und rechtmäßige Regelung treffen wollen (BGH, ZMR 2012, 284, 285; Abramenko, ZfIR 2014, 725, 727). Der Grundlagenbeschluss entspricht nach alldem den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
58
3. Eine Anwendung des § 139 BGB im Hinblick auf die Ungültigkeit der Beschlüsse zu TOP 1.3 und 1.4.1 und 1.4.2. (sogleich) kommt hier, anders als das Amtsgericht angenommen hat, nicht in Betracht.
59
Wie die Beklagte zutreffend einwendet, handelt es sich um eine gesonderte Beschlussfassung, so dass § 139 BGB nicht anwendbar ist. Nur bei Teilnichtigkeit eines einheitlichen Rechtsgeschäfts sieht § 139 BGB im Zweifel die Nichtigkeit des gesamten Geschäfts vor. Wenn eine Beschlussfassung in zwei getrennten Beschlüssen erfolgt, stellt sich die Frage der Teilbarkeit nicht, da die getrennte Beschlussfassung nach § 23 Abs. 4 WEG dazu führt, dass die Beschlüsse eigenständig zu behandeln sind und in ihrem Bestand von dem Schicksal des jeweils anderen nicht berührt werden (BGH NZM 2020, 240, 245; MHdB WEG-R/Bergerhoff, 8. Aufl. 2023, § 24, Rn. 92, beck-online). Anhaltspunkte dafür, dass der Grundlagenbeschluss – bei unstreitig bestehendem und durch Gutachten eines Ingenieurbüros festgestellten Sanierungsbedarf – ohne die Folgebeschlüsse nicht gefasst worden wäre, bestehen ebenfalls nicht.
60
IV. Der Beschluss über die Änderung der Kostenverteilung zu TOP 1.3 widerspricht dagegen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung und war daher für ungültig zu erklären.
61
1. Zu prüfen sind von der Kammer dabei – mit Ausnahme von Nichtigkeitsgründen – lediglich diejenigen Rügen, die fristgerecht gem. § 45 S. 1 HS 2 WEG vorgebracht wurden, d.h. deren tatsächlicher Lebenssachverhalt innerhalb der Begründungsfrist in seinem wesentlichen Kern bezeichnet worden ist. Wegen § 45 S. 1 WEG ist das Nachschieben von Anfechtungsgründen ausgeschlossen.
62
Vorauszuschicken ist dabei, dass die klägerische Rüge, dass ein Reparaturstau bestand, weil über den Sanierungsbedarf bereits im Jahr 2017 ein Gutachten erholt worden war, – anders als es die Beklagte, aber wie es auch das Amtsgericht meint – im Kern mit der Anfechtungsbegründungsschrift innerhalb der Frist des § 45 WEG S. 1 vorgetragen worden sind (S. 3/4 d. Anfechtungsbegründungsschriftsatzes d. RAin K. vom 16.01.2023, Bl. 10 m. RS d.A.). Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich der wesentliche tatsächliche Lebenssachverhalt für die Gründe, auf die die Anfechtungsklage gestützt wird, zumindest in seinem wesentlichen Kern aus den innerhalb der Frist eingegangenen Schriftsätzen selbst ergibt (BGH NJW 2009, 3655; MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl. 2023, WEG § 45 Rn. 11, beck-online). Das ist hier im Hinblick auf die ausführliche Darlegung der Feststellungen in der gutachterlichen Stellungnahme zum Instandsetzungskonzept vom 18.12.2017 (vorgelegt als Anlage K5) in der Klagebegründung der Fall. Dass das Wort „Reparaturstau“ selbst nicht verwendet worden ist, ist unschädlich.
63
2. Sicher besteht eine entsprechende Beschlusskompetenz für eine Abänderung der Kostenverteilung für eine einzelne Erhaltungsmaßnahme wie hier geschehen; so sehen das auch zutreffend die Parteien und das Amtsgericht.
64
a. Einzelne Kosten sind konkret bestimmbare, einmalig anfallende Positionen. Die Wohnungseigentümer können demnach – wie hier geschehen – über die Verteilung der Kosten einer konkreten Erhaltungsmaßnahme, hier der anstehenden Tiefgaragensanierung, im Wege des Mehrheitsbeschlusses auf der Grundlage des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG beschließen (s.o.); der Anwendungsbereich der Norm ist eröffnet.
65
b. Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG beinhaltet die vom WEMoG neu geschaffene – weite – Kompetenz der Wohnungseigentümer, für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft eine von dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG erfasst nunmehr – mit Ausnahme der Kosten baulicher Veränderungen (§ 16 Abs. 3 WEG) – sämtliche Kosten und schließt lediglich eine generelle Änderung des Kostenverteilungsschlüssels aus (BGH, Urt. v. 22.3.2024 – V ZR 81/23 ZWE 2024, 269 Rn. 8, beck-online). Die Wohnungseigentümer können also für sämtliche gemeinsame Kosten – soweit sie nicht für bauliche Veränderungen anfallen – mit einfacher Mehrheit einen abweichenden Verteilungsschlüssel beschließen. Das gilt nach der Rspr. des BGH zum neuen Recht auch dann, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem Eigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit, wie hier die Wohnungseigentümer der Einheiten Nr. 1 – 63, oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden (nunmehr geklärt durch BGH, Urt. v. 22.03.2024, V ZR 81/23, 1. Leitsatz und Rn. 8 ff., beck-online).
66
Für das weite Verständnis der Beschlusskompetenz streitet nach den Ausführungen des BGH auch das Argument der Rechtssicherheit, da ansonsten noch Jahre nach Beschlussfassung Mängel geltend gemacht werden könnten (BGH, a.a.O., Rn. 11 beck-online) mit der Folge der Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse.
67
Jedenfalls an dieser Stelle greift also das klägerische Argument, dass die „N.platz-Eigentümer“ in den 50 Jahren seit Begründung der WEG auch immer an den Kosten der Gemeinschaft entsprechend ihren Anteilen beteiligt worden seien, nicht, da § 16 Abs. 2 S. 2 WEG eine erstmalige Änderung grds. gerade ermöglicht.
68
3. Die in der § 10 TE/GemO der beklagten Gemeinschaft getroffene Vereinbarung, wonach die Beschlussfassung über Änderungen der Gemeinschaftsordnung einer Mehrheit von mehr als ¾ aller Stimmenanteile bedarf, ändert an dieser nach der neuen Gesetzeslage erforderlichen Mehrheit (einfacher Mehrheitsbeschluss) nichts. Soweit § 10 Ziff. 1. d. de) der TE/GemO (Anlage K2 S. 29) eine vereinbarte Öffnungsklauseln vorsieht, gilt folgendes: Vereinbarungen, die vor dem 01.12.2020 getroffen wurden und von solchen WEG-Vorschriften abweichen, die durch das WEMoG geändert wurden, sind für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nur ausnahmsweise und zwar dann beachtlich, wenn sich ein entsprechender Wille aus der Vereinbarung mit hinreichender Deutlichkeit ergibt. Dieser „Versteinerungswille“ muss sich nach einer Auslegung aus der Vereinbarung selbst ergeben; nach § 47 S. 2 ist dieser Wille in der Regel allerdings nicht anzunehmen (LG Hamburg ZWE 2024, 226 Rn. 19; LG München I, BeckRS 2022, 49897 Rn. 41; BR-Drs. 168/20, 95; BeckOK WEG/Elzer, 58. Ed. 18.10.2024, WEG § 47 Rn. 17).
69
Anhaltspunkte, aus denen sich ergeben könnte, dass die in § 10 der GemO getroffene Regelung nicht nur dem § 16 Abs. 3, Abs. 4 WEG a.F., sondern auch der neuen Regelung des § 16 Abs. 2 WEG vorgehen soll, bestehen nicht. Die Regelung erleichtert vielmehr die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels im Vergleich zu der bei ihrer Beurkundung und Eintragung ins Grundbuch geltenden gesetzlichen Regelung, die die Möglichkeit einer Änderung des Kostenverteilungsschlüssels durch Beschluss gar nicht vorsah. Das spricht dafür, dass sie einer nun durch das Gesetz vorgesehenen weitergehenden Erleichterung der Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nicht entgegensteht (vgl. zur Prüfung i.E. Zschieschack/Orthmann in BeckOK BGB, 71. Ed. 01.08.2024, § 47 Rn. 14).
70
Die von den Klägern zu 1) – 10) in der Berufungsinstanz (nach Vorlage des Versammlungsprotokolls erst in der mündlichen Verhandlung 1. Instanz) vorgebrachten Zweifel am Zustandekommen der angefochtenen Beschlüsse mangels entsprechender Mehrheit tragen daher nicht.
71
4. Der unter TOP 1.3. gefasste Beschluss widerspricht jedoch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
72
Die Änderung des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG durch das WEMoG und die mit ihm eingeführte neue, weit gefasste gesetzliche Öffnungsklausel hat zu einer weitreichenden Änderung gegenüber der alten Rechtslage geführt. Die Grenzen dieser neuen Vorschrift sind trotz der Urteile des BGH vom 22.03.2024 (V ZR 81/23 und V ZR 87/23) höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt.
73
Ein Beschluss nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG muss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wobei das Gesetz für die Ordnungsgemäßheit des zu bestimmenden Umlageschlüssels, d.h. hinsichtlich der materiellen Anforderungen an einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss keine inhaltlichen Vorgaben macht (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 61; MüKoBGB/Scheller, WEG, § 16 Rn. 44). Da der angefochtene Beschluss den tatsächlichen Gebrauch bzw. die Möglichkeit des Gebrauchs jedoch nicht sachgerecht berücksichtigt, widerspricht er nach Auffassung der Kammer den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
74
a. Einigkeit besteht dahingehend, dass die Zulässigkeit der Änderung des Umlageschlüssels im Sinne eines Anlasses für die Änderung nicht an das Vorliegen eines sachlichen Grundes als eigene, von der ordnungsmäßigen Verwaltung unabhängige Voraussetzung geknüpft ist (so zum neuen Recht BGH, Urt. v. 22.03.2024 – V ZR 81/23, in ZWE 2024, 269 Rn. 13, beck-online; das entsprach bereits der Rspr. des BGH unter Geltung des alten Rechts, vgl. BGH, ZWE 2011, 323; ZWE 2021, 90 Rn. 12 ff., und gilt nach dem BGH erst Recht für einen auf der Grundlage von § 16 Abs. 2 WEG gefassten Beschluss, BGH a.a.O.; so auch BeckOGK/Falkner WEG, § 16, Rn. 206; Hogenschurz/Bartholome, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 120). Die Abänderung setzt weder schwerwiegende Gründe noch eine bestehende Unbilligkeit voraus. Wenn die Kläger daher einwenden, dass weder das Einladungsschreiben noch das Versammlungsprotokoll Ausführungen dazu enthalten haben, aus welchem sachlichen Grund die Wohnungseigentümer den Kostenverteilungsschlüssel abändern wollten, so ist das unbeachtlich. Auch die Annahme der Klägerin zu 11), dass ein sachlicher Grund für die Abänderung erforderlich sei, weil ein vereinbarter Verteilungsmaßstab abgeändert werde – der hier im Übrigen dem gesetzlichen Verteilungsmaßstab nach MEA entspricht –, trägt nicht.
75
b. Weiterhin besteht darüber Einigkeit, dass den Wohnungseigentümern bei der Änderung eines Verteilerschlüssels gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 WEG im Rahmen ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Ermessensspielraum zusteht (BGH, Urteile vom 22.03.2024, V ZR 81/23 und V ZR 87/23; Hügel/Elzer, WEG, § 16 Rn. 68; Hogenschurz/Bartholome, WEG, § 16, Rn. 150 ff.; Bärmann/Becker, WEG, § 16 Rn. 140; LG Bremen, a.a.O.), wobei lediglich die Grenzen der Ermessensausübung richterlich überprüft werden können (Hogenschurz/Bartholome, WEG, § 16 Rn. 154). Die Wohnungseigentümer dürfen daher im Wege des Mehrheitsbeschlusses nach billigem Ermessen frei entscheiden (Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 16 Rn. 126), also jeden Umlageschlüssel wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und den (objektbezogenen) Interessen der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist (BGH, Urt. v. 22.03.2024 – V ZR 81/23, 2. Leitsatz, beck-online). Dabei dürfen grds. an die Auswahl eines angemessenen Kostenverteilungsschlüssels, bei dem als Maßstäbe insbesondere die Verteilungsgerechtigkeit sowie Anreize zur Kostensenkung in Betracht kommen, nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden, weil sich jede Änderung des Verteilerschlüssels – wie auch die Beklagte im Ausgangspunkt völlig zutreffend meint – zwangsläufig auf die Kostenlast des einen oder anderen Eigentümers auswirkt (BGH, Urt. v. 22.03.2024 – V ZR 81/23; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 11.07.2024 – 2-13 S 19/24, ZMR 2024, 1054, und Urt. v. 04.07.2024, ZMR 2024, 1056 – 2-13 S 15/24; Bärmann/Becker, WEG, § 16, Rn. 140; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 7 Rn. 66).
76
Aus diesem Grund ist es zunächst im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass einzelne Eigentümer (Wohnungseigentümer) erstmals von der Kostentragung befreit und andere (Teileigentümer) über ihre in der TE/GemO festgelegte Beteiligung hinaus belastet werden.
77
Auch aus diesem Grund dürften Pauschalierungen wie hier deshalb grds. nicht zu beanstanden sein (so auch LG Karlsruhe, Urt. v. 01.09.2023 – 11 S 96/22, NZM 2023, 939). Dass hier eine „glatte“ Aufteilung von 80% – 20% vorgenommen werden soll, ist daher nicht von vorneherein unzulässig; das gilt auch im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel, eine flexiblere und sinnvolle Verteilung der Kosten zu ermöglichen.
78
c. Im Einzelnen sind die rechtlichen Grenzen indes noch nicht abschließend geklärt.
79
Aus der Gesetzesbegründung lässt sich zum neuen § 16 Abs. 2 S. 2 WEG folgendes entnehmen: Die alte Regelung in § 16 „führt dazu, dass in der Praxis eine sinnvolle und gerechte Kostenverteilung häufig unterbleibt, zumal das Kriterium des „Einzelfalls“ in der Praxis schwer zu beantwortende Folgefra gen auslöst. Der Entwurf sieht deshalb vor, dass die Wohnungseigentümer mit einfacher Stimmenmehrheit über die Verteilung einzelner Kosten oder bestimmter Arten von Kosten entscheiden können (§ 16 Absatz 2 Satz 2 WEG-E). “ (BT-Drs. 19/18971, S. 27 Ziff. 3). Dadurch soll es den Wohnungseigentümern erleichtert werden, über eine nach den Umständen des Einzelfalls angemessene Kostenverteilung zu entscheiden“ (BT-Drs. 19/18791, S. 56).
80
Der BGH hat am 22.03.2024 unter den Az. V ZR 81/23 und V ZR 87/23 zwei Urteile erlassen, aus denen deutlich ersichtlich wird, dass nicht nur die vom Gesetz ausdrücklich eingeräumte Beschlusskompetenz, sondern auch der Ermessensspielraum der Eigentümer i.R.d. ordnungsgemäßen Verwaltung weit zu verstehen sind. In den zu entscheidenden Fällen ging es dabei um Doppelparker und Dachflächenfenster, also jeweils Gebäudeteile, die einer ausschließlichen Nutzung einzelner Sondereigentümer und damit dem ausschließlichen Gebrauch des Kostenbelasteten unterliegen, was der BGH bei der Prüfung der ordnungsgemäßen Verwaltung auch jeweils ausdrücklich herausgestellt hat (BGH, Urt. v. 22.03.2024, V ZR 81/23, Rn. 12, beck-online, und Urt. v. 22.03.2024, V ZR 87/23, Rn. 10, beck-online).
81
Der BGH stellt dabei klar, dass es Hintergrund dieses Verständnisses der Norm ist, dass der gesetzlich vorgegebene Verteilungsschlüssel nach Miteigentumsanteilen (§ 16 Abs. 2 S. 1 WEG) zwar ein hohes Maß an Rechtssicherheit gewährleistet, ihm aber keine besondere Verteilungsgerechtigkeit immanent ist (vgl. Staudinger/Lehmann-Richter WEG § 16 Rn. 121), dass aber wiederum die Erhöhung der Verteilungsgerechtigkeit Zweck der Norm des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG ist (so BGH, Urt. v. 21.03.2024 – V ZR 81/23, NJW 2024, 1587 Rn. 10, beck-online).
82
d. Es gelten nach alldem bei der Prüfung dieses Falls die folgenden Grundsätze: Den Wohnungseigentümern ist bei Änderungen des Umlageschlüssels – wie auch nach § 16 Abs. 3, Abs. 4 WEG a.F. – aufgrund des Selbstorganisationsrechts der Gemeinschaft ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Beschluss über eine Kostenverteilung muss, wie dies grundsätzlich in § 19 Abs. 1 WEG zum Ausdruck gebracht wird und für alle Beschlüsse der GdWE gilt, (lediglich) ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen (vgl. BGH, NJW 2023, 63 Rn. 38; BT-Drs. 19/18791, 56). Das ist aber von der Frage nach der (äußerst weiten) Beschlusskompetenz zu trennen und nach Auffassung der Kammer engeren Grenzen unterworfen.
83
Die Prüfung der Frage, ob ein auf Grundlage des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG gefasster Mehrheitsbeschluss materiell rechtmäßig ist, bedingt eine Prüfung anhand der Umstände des Einzelfalls und hat also insbesondere die Kriterien einer Kostengerechtigkeit im Blick zu halten (weiter bzw. a.A.: LG Frankfurt a.M., Urt. v. 11.07.2024 – 2-13 S 19/24, ZMR 2024, 1054, und Urt. v. 04.07.2024, ZMR 2024, 1056 – 2-13 S 15/24). Welche durch Mehrheitsbeschluss eingeführten Kostenverteilungsschlüssel den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, lässt sich nicht pauschal, sondern nur einzelfallbezogen klären (MüKoBGB/Scheller, a.a.O., § 16 Rn. 45).
84
Bei der Ermessensausübung ist das Ziel einer möglichst gerechten Kostenverteilung abzuwägen, wobei insbesondere im Rahmen von Erhaltungsmaßnahmen für einen sachgerechten Umlageschlüssel darauf abzustellen sein wird, dass der Schlüssel dem Gebrauch oder der Gebrauchsmöglichkeit Rechnung trägt (BeckOGK/Falkner, 01.04.2024, WEG § 16 Rn. 218, 219 ff.; Hogenschurz/Bartholome, WEG, § 16 Rn. 153; Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 16 Rn. 126, 127; vgl. zur Verteilung nach Abrechnungskreisen BeckOK WEG/Bartholome, WEG, § 16 Rn. 148. Weiter bzw. a.A. LG Frankfurt a.M., Urt. v. 11.07.2024 – 2-13 S 19/24, ZMR 2024, 1054, und Urt. v. 04.07.2024, ZMR 2024, 1056 – 2-13 S 15/24, wonach Aufgabe der gerichtlichen Prüfung nicht die Ermittlung des gerechtesten Maßstabes ist). Durch die Abänderung des Verteilerschüssels darf keine unangemessene, sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer entstehen; bei der Änderung der Kostenverteilung dürfen dabei sowohl das „Ob“ einer Änderung als auch das „Wie“ der geänderten Kostenverteilung nicht gegen das Willkürverbot verstoßen, worauf der BGH schon zur alten Rechtslage abgestellt hat (Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG, § 16 Rn. 127, 143 ff., 145; Jennißen/Jennißen, WEG, § 16 Rn. 73 ff., 75; Hügel/Elzer, WEG, § 16 Rn. 62; Hogenschurz/Bartholome, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 120; BeckOK WEG/Bartholome § 16 Rn. 120, 121; LG Bremen, ZWE 2023, 90 ff.). Nach dem Urteil des BGH vom 22.03.2024, Az. V ZR 81/23, kann für die Frage, ob ein Beschluss über die Kostenverteilung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, im Ausgangspunkt auf die bisherige Rechtsprechung des Senats zu § 16 Abs. 3 WEG a.F. zurückgegriffen werden.
85
Als willkürlich und damit ermessensfehlerhaft ist eine Änderung des Verteilerschlüssels insbesondere dann anzusehen, wenn sie aus sachfremden Erwägungen erfolgt und nur dem Interesse einzelner Wohnungseigentümer dient, die sich besserstellen wollen, ohne dass eine höhere Verteilungsgerechtigkeit sichergestellt wird, also ohne dass für den geänderten Verteilerschlüssel inhaltliche, objektbezogene Gründe sprechen, wenn es sich um eine erhebliche Mehrbelastung handelt, die keine innere Rechtfertigung in sich trägt, insb., wenn die Änderung der Kostenverteilung erkennbar nur den Zweck verfolgt, die Mehrheit zum Nachteil der Minderheit von Kosten zu entlasten (LG Karlsruhe, Urt. v. 01.09.2023 – 11 S 96/22, ZWE 2024, 120, beck-online; BeckOGK/Falkner, WEG, § 16 Rn. 210; Jennißen/Jennißen, WEG, § 16 Rn. 75. Wobei das LG Karlsruhe ausführt, dass „dies erst zu bejahen ist, wenn die Änderung der Kostenverteilung nur den Zweck verfolgt, die Mehrheit zum Nachteil der Minderheit von den Kosten zu entlasten“ und dabei einen gesteigerten Kostenanteil von bisher 17 % auf nunmehr 25 % noch für ordnungsgemäß hält. Anders die 1. Kammer des LG München I, Urt. v. 20.09.2023, Az. 1 S 9372/22 WEG).
86
Werden Kosten, die nach dem zuvor geltenden Verteilungsschlüssel von allen Wohnungseigentümern zu tragen sind, durch Beschluss einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt, entspricht dies – wie im alten Recht gem. § 16 Abs. 4 WEG a.F. – jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die beschlossene Kostenverteilung dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs Rechnung trägt (so der BGH, Urt. v. 22.3.2024 – V ZR 81/23, ZWE 2024, 269 Rn. 14, beck-online, zu Erhaltungsmaßnahmen gem. § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG; vgl. BT-Drs. 19/18791, 56; Dötsch/Schultzky/Zschieschack WEG-Recht 2021 Kap. 7 Rn. 67 f.).
87
Für die Darlegungs- und Beweislast im Beschlussanfechtungsprozess bedeutet das, dass der Anfechtungskläger Tatsachen darlegen und beweisen muss, aus denen sich eine willkürliche, sachlich nicht gerechtfertigte Änderung des Verteilungsmaßstabs ergibt (Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 16 Rn. 144).
88
e. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Kammer der Auffassung, dass der angefochtene Beschluss zu TOP 1.3 aus den fristgerecht gerügten Gründen willkürlich ist und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht. Die Anfechtungskläger haben vorliegend substantiiert – und insoweit unbestritten – vorgetragen, dass der angefochtene Beschluss die Kriterien der Gebrauchsmöglichkeit und auch des tatsächlichen Gebrauchs nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt.
89
Dabei ist die Kontrolldichte für Beschlüsse nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG nach Auffassung der Kammer nicht nur auf echte Missbrauchsfälle beschränkt, wie die Beklagte meint. Für ein weites Verständnis spricht zwar der Gesetzeswortlaut; dennoch ist die Frage der weit zu verstehenden Beschlusskompetenz, für die auch das Argument der Rechtssicherheit von Bedeutung ist (nachträglich feststellbare Nichtigkeit), von der Frage nach einer die Kostengerechtigkeit berücksichtigenden ordnungsgemäßen Verwaltung zu unterscheiden. Der Verzicht auf gesetzliche Vorgaben beinhaltet, dass die Rechtsprechung Aspekte zu ordnungsgemäßen und ordnungswidrigen Kostenregelungen herausarbeiten und konturieren muss (so auch BeckOGK/Falkner, 01.12.2024, WEG § 16 Rn. 211, beck-online; insoweit in Abgrenzung zu LG Frankfurt a.M., Urt. v. 04.07.2024, ZMR 2024, 1056, 1057 – 2-13 S 15/24, wobei es dort um die wiederkehrende Abrechnung laufender Posten ging).
90
aa. Grundlage für ein sachgerechtes Ermessen ist hier die Frage nach dem Gebrauch bzw. der Gebrauchsmöglichkeit. Dieses Kriterium wurde bei der Beschlussfassung nicht ausreichend berücksichtigt.
91
Eine exklusive Gebrauchsmöglichkeit der Tiefgarage nur für die Tiefgarageneigentümer ist nach den Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen nicht gegeben, anders, als das etwa bei Fenstern oder Duplex-Parkern der Fall ist, die verstärkt dem Gebrauch und der Zugriffsmöglichkeit einzelner Sondereigentümer unterliegen. Im Ergebnis taugt das Kriterium des Gebrauchs bzw. der Gebrauchsmöglichkeit daher insbesondere für Regelungen der Kosten für Balkone, für Tiefgaragenstellplätze oder für Fenster im Bereich des Sondereigentums (so auch BeckOGK/Falkner, 01.03.2022, WEG, § 16 Rn. 220, die deshalb annimmt, dass die Berücksichtigung für das Dach, die Fassade oder die gemeinsame Heizungsanlage abzulehnen ist). In diesen Fällen kann sich eine objektbezogene Kostentrennung als sinnvoll erweisen mit der Folge, dass einzelne Kosten ausschließlich von bestimmten Wohnungseigentümern zu tragen sind, die einen besonderen Nutzen aus dem von der Kostentrennung erfassten gemeinschaftlichen Eigentum ziehen; hierdurch wird der Kreis der Kostenschuldner verkleinert (vgl. Staudinger/Lehmann-Richter BGB 2023 § 16 WEG Rn. 122). Eine größere Verteilungsgerechtigkeit kann auch dadurch erzielt werden, dass eine nicht sachgerechte Befreiung einzelner Wohnungseigentümer von der Tragung (bestimmter) Kosten beseitigt und damit der Kreis der Kostenschuldner vergrößert wird (vgl. MüKoBGB/Scheller 9. Aufl. § 16 WEG Rn. 47).
92
Vorliegend werden aber Kosten umverteilt, die auch für eine – zumindest mögliche und unstreitig auch stattfindende – Nutzung durch die Wohnungseigentümer anfallen. Es verhält sich damit gerade anders als im vom BGH zu entscheidenden Fall, der Duplex-Parker und Fenster betraf, die nur vom einzelnen Kostenschuldnern ausschließlich genutzt wurden und werden konnten. So haben die Kläger im hier vorliegenden Fall u.a. substantiiert und unbestritten vorgetragen, dass die Tiefgarage durch Privatstraßen erschlossen wird, die sich überdacht auf einer Fahrbahnebene unterhalb der Fußgängerebene befinden und die gemeinschaftlich über die ODBG betrieben, erhalten und erneuert werden. Ebenso ist unstreitig, dass sich im Bereich der Parkebene Durchgänge zu den Wohnbereichen befinden, was eine Nutzungsmöglichkeit für die Wohnungseigentümer nach sich zieht. Die Durchgangsstraße durch die Tiefgarage erschließt weiter die S.straße und die Anbindung an die U-Bahn und kann zu diesem Zweck ebenfalls von den Wohnungseigentümern genutzt werden. Unstreitig ist auch geblieben, dass die Tiefgarage von Dritten durchfahren werden kann bzw. wird, um Stellplätze auch außerhalb des gemeinschaftlichen Grundstücks zu erreichen; das ist ebenfalls eine Nutzung, die nicht nur den Tiefgarageneigentümern zuzuschreiben ist. Ebenfalls ist deshalb zu berücksichtigen, dass die Ursachen für die Schäden auch im Bereich des befahrbaren Teils der Tiefgarage (Korrodierungen durch Natriumchlorideintrag, vgl. Gutachterliche Stellungnahme vom 18.12.2017, Anlage K5) nicht ausschließlich auf die Tiefgarageneigentümer zurückzuführen sind. Die Tiefgaragenebene dient auch der Zufahrt bzw. Durchfahrt durch Besucher (auch für die Wohnungseigentümer) und durch externe Dritte sowie der Nutzung als Park- und Be- und Entladefläche durch Handwerker für alle Sondereigentümer sowie für die Gesamtanlage. Die im Beschluss enthaltenen Kostenpositionen betreffen damit auch die Wohnungseigentümer, da eine – wenn ggf. auch im Vergleich untergeordnete – Nutzung durch die Wohnungseigentümer stattfindet.
93
Das gilt auch im Hinblick auf die in der Tiefgarage befindlichen und gem. Beschluss zu TOP 1.2. ggf. ebenfalls zu sanierenden Brandschutzanlagen, wobei der Umfang bisher völlig offen ist. Bei der Beschlussfassung ist nicht berücksichtigt worden, inwieweit die Kosten der anstehenden Sanierung auch tragende Bauteile, den Brandschutz und die Belüftungstechnik betreffen werden, also gerade nicht den Gebrauch durch die Tiefgarageneigentümer, sondern das allen Miteigentümern dienende Gemeinschaftseigentum betreffen werden und welchen Bruchteil sie ggf. ausmachen werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden – weil bislang noch keine Überprüfung der Lüftungs- und Brandschutzanlagen und kein Kostenangebot für ein Gesamtsanierungskonzept vorliegt –, dass hierfür bereits Kosten mit einem höheren Anteil als 1/5 der Gesamtkosten anfallen werden. Die Gefahrenabwehr ist dabei nach der Gesetzeskonzeption der GdWE zugewiesen (vgl. auch BGH, Urt. v. 28.01.2022 – V ZR 86/21, BeckRS 2022, 5731, und BGH, Urt. v. 28.01.2022 – V ZR 106/21 NJW-RR 2022, 664 Rn. 16). Die alleinige Zuständigkeit der GdWE im Bereich des Brandschutzes ist nach der Rspr. des BGH sachgerecht, weil Brandgefahren regelmäßig die Anlage insgesamt betreffen und ein koordiniertes Vorgehen erforderlich machen (BGH, Urt. v. 28.01.2022 – V ZR 106/21 NJW-RR 2022, 664 Rn. 16, beck-online).
94
Im Grundsatz war es daher nicht zu beanstanden, dass eine geänderte Kostenverteilung mit einer Mehrbeteiligung die Tiefgarageneigentümer in Betracht gezogen wurde. Denn auch die Verteilung nach Miteigentumsanteilen kann Gerechtigkeits-Defizite aufweisen und dem tatsächlichen Gebrauch bzw. der Nutzungsmöglichkeit nicht angemessen Rechnung tragen. Aber gerade weil der Anteil der Kosten an der Tiefgaragensanierung, die das von allen Eigentümern genutzte bzw. allen Eigentümern dienenden Gemeinschaftseigentum (Statik, Lüftung, Brandschutz) betrifft, noch in keiner Weise feststeht, ist die im angefochtenen Beschluss geregelte Kostenverteilung deshalb willkürlich. Da der Beschluss zu einer ganz erheblichen Vervielfachung der Kosten für die Kläger führt, widerspricht er dem Gleichbehandlungsgrundsatz und damit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
95
bb. Auch erschließt sich deshalb nicht, woraus die angenommene Quote (80/20) hergeleitet wurde, nachdem eben unklar ist, in welcher Höhe Kosten der anstehenden Sanierung auch tragende Bauteile, den Brandschutz und die Belüftung betreffen. Soweit die Statik tangiert ist, betrifft diese sämtliche Eigentümer.
96
Nach den oben dargelegten Grundsätzen und dem Anliegen des Gesetzgebers, Beschlussfassungen über eine sinnvolle Kostenverteilung zu erleichtern (BT-Drs. 19/16791, S. 27; i.E. s.o.), dürften Pauschalierungen wie „glatte“ Prozentsätze bei Beschlüssen nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG zwar nicht von vorneherein abzulehnen sein, sofern sie nur der erleichterten Berechnung dienen und eine an sachliche Kriterien gebundene, gerechte Kostenverteilung noch angemessen widerspiegeln. Hier ist aber nach den Gesamtumständen völlig offen, welche Kosten in welcher Höhe für welchen Teil der Sanierungsmaßnahmen (Betoninstandsetzung – dabei Anteil der Maßnahmen an tragenden Teilen; Lüftungsanlage; Brandschutzanlage) anfallen werden und inwieweit deshalb Teile betroffen sind, die dem ausschließlichen Gebrauch der Tiefgarageneigentümer unterliegen (Bereich der Stellplätze, ggf. befahrbarer Belag) bzw. die der Gemeinschaft dienen (Statik, Lüftung, Brandschutz).
97
Auch die Einlassung der Beklagten, dass in der Eigentümerversammlung verschiedene Quoten zur Abstimmung gestellt worden sind (50/50, 60/40, 70/30, 80/20), wobei sich die – damit von den Kosten entlastete – Mehrheit der Wohnungseigentümer für die für sie günstigste Quote von 80/20 ausgesprochen hat, führt zu nicht auszuräumenden Zweifeln an einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage bzw. Berücksichtigung der entscheidenden Kriterien für eine Verteilungsgerechtigkeit und auch deshalb zur Annahme einer willkürlichen Kostenverteilung.
98
cc. Unklar bleibt auch, warum Tiefgarageneigentümer doppelt an den Kosten beteiligt werden, nämlich mit ihrem MEA sowohl an 80 % der Gesamtkosten, wie auch nochmals an den verbleibenden 20 % der Gesamtkosten (“… Kosten der Tiefgaragensanierung nicht gemäß § 9 Ziff. 2 lit. c) der GemO auf alle Sondereigentumseinheiten nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile verteilt werden, sondern zu 80 % auf die Stellplatzeinheiten mit den Nr. 64 bis 115 laut Aufteilungsplan und zu 20 % auf alle Sondereigentumseinheiten mit den Nr. 1 bis 115 laut Aufteilungsplan“). Ein sachlicher Grund für diese Regelung, der zu einer erhöhten Verteilungsgerechtigkeit führen könnte, ist nicht ersichtlich.
99
dd. Die von der Beklagten für ihre Ansicht herangezogene, zum alten Recht ergangene Entscheidung des BGH vom 12.11.2021, Az. V ZR 204/20, die ebenfalls die Kostenverteilung für Sanierungsmaßnahmen an einer Tiefgarage betraf, die das Fundament der darüber befindlichen Wohnhäuser war, ist hier nicht einschlägig. Denn dort ging es i.R.d. Beschlussanfechtung des Sonderumlagebeschlusses nur um die Auslegung (und nicht die Änderung) einer Kostenverteilungsklausel in der Gemeinschaftsordnung. Für die Tiefgarage war dort in der TE/GemO eine weitgehend verselbständigte Untergemeinschaft gebildet und eine eigenständige Rücklagenbildung vorgesehen worden; der BGH hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass es als zulässig anzusehen ist, wenn eine Tiefgarage wie ein selbständiges Gebäude behandelt wird (BGH, a.a.O., Rn. 13) und die GemO – unter diesen Voraussetzungen – dahingehend ausgelegt, dass allein die Teileigentümer der Tiefgarage die Kosten der Tiefgaragensanierung zu tragen hatten (BGH, a.a.O., Rn. 16). Der Fall hier liegt jedoch anders, da die Kostenverteilung aus der GemO im Wege des Mehrheitsbeschlusses geändert werden sollte, keine geregelte Untergemeinschaft gebildet ist und keine gesonderte Rücklage zugeführt wird.
100
Ein entscheidender Unterschied ergibt sich auch deshalb, weil der Erwerber von Wohnungs-/Teileigentum die TE/GemO vor einer Kaufentscheidung einsehen und seine zukünftige Beteiligung an den Kosten prüfen kann, bei der Abänderung im Wege des Mehrheitsbeschlusses dagegen nicht.
101
ee. Ferner besteht ein Ungleichgewicht zur Verteilung der Einnahmen, die die Gemeinschaft unbestritten aus der Vermietung von Stellplätzen auf der Gemeinschaftsfläche in der Tiefgarage erzielt.
102
Die Beklagte hält die Einnahmen im Hinblick auf ihr Volumen für vernachlässigenswert. Ein Beschluss nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG könne ohnehin nur über die Verteilung der Kosten gefasst werden; es könne allenfalls ein Anspruch auf Änderung des Einnahmeschlüssels generiert werden. Diese Meinung teilt die Kammer nicht. Die Höhe der Einnahmen ist jedenfalls kein valides rechtliches Kriterium. Wieder im Hinblick auf die Herstellung von Kostengerechtigkeit ist es zu beanstanden, wenn die Kosten nur auf die Tiefgarageneigentümer umgelegt werden, die Einnahmen aber nicht.
103
ff. Ob auch das zeitliche Zuwarten der Beklagten weitere Kosten verursacht hat, indem die Sanierung nicht zeitnah nach Feststellung des erheblichen Sanierungsbedarfs im Jahr 2017 in die Wege geleitet worden ist, kann nach alldem dahinstehen. Ebenfalls kommt es nicht mehr darauf an, ob bei der Kostenverteilung Besonderheiten wegen der Eigenschaften des Olympischen Dorfes (Solidargemeinschaft) bestehen könnten.
104
f. Hinzu kommt im hier zu entscheidenden Fall der von den Klägern ebenfalls fristgerecht gerügte Gesichtspunkt einer Majorisierung.
105
aa. Ob ein Fall der unzulässigen Majorisierung vorliegt, der Fall also, dass ein Eigentümer (i.d.R. ein Mehrheitseigentümer bei Objektprinzip) seine Stimmmehrheit bei der Beschlussfassung zu seinen Gunsten einsetzt, ist im Rahmen der Frage zu prüfen, ob der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht (vgl. Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl. 2022, § 7 Rn. 119). Die Wohnungseigentümer der Gemeinschaft verfügen über rund 95 % der Stimmen und können mit dieser Mehrheit gegenüber den Tiefgarageneigentümern mit nur rund 5 % MEA Beschlüsse im eigenen Interesse bzw. zu ihrem eigenen Nutzen fassen.
106
Dem Beklagtenvertreter ist zunächst dabei Recht zu geben, dass es sich hier nicht um einen eigentlichen Fall der Majorisierung handelt, da die Stimmmehrheit nicht bei einem Mehrheitseigentümer liegt und ein Unterliegen der Minderheit bei demokratischen Entscheidungen auch notwendige Folge des Willens der Mehrheit sein kann. Dennoch kann ein Ausnutzen der Stimmmehrheit auch einer Gruppe von Eigentümern zu eigenen Gunsten ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen. Der BGH stellt in seiner Rechtsprechung auch bei einer festgefügten Gruppe von „Blockierenden“ auf den Gesichtspunkt der Majorisierung ab (BGH, Urt. v. 14.7.2017 – V ZR 290/16, NJW 2018, 552, Rn. 13, beck-online; so auch Elzer, Stichwortkommentar Wohnungseigentumsrecht, Majorisierung Rn. 4, beck-online).
107
Für die Annahme einer – den Minderheitenschutz gewährleistenden – Majorisierung, die stets anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen ist (BGH, Urt. v. 21.07.2023 – V ZR 215/21, NJW 2023, 2945, Rn. 11, 13, beck-online), bedarf es auf Seiten des/der Majorisierenden zum einen einer Mehrheit der Stimmen. Zum anderen müssen zum Stimmenübergewicht als weitergehendes rechtsmissbräuchliches Moment dann weitere Umstände hinzutreten, die sich als Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer und damit gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung darstellen, was bei einer unbilligen Benachteiligung Einzelner der Fall sein kann (BGH NJW 2018, 552 Rn. 12, 15, beck-online; BGH, NJW 2002, 3704; BayObLG ZWE 2002, 360; Hügel/Elzer, 4. Aufl. 2025, WEG § 25 Rn. 130; Bärmann/Merle, 15. Aufl. 2023, WEG § 25 Rn. 200 ff.; Elzer, StichwortKommentar Wohnungseigentumsrecht, Majorisierung Rn. 4, beck-online).
108
So ist es hier; der Auffassung der Kläger ist darin beizutreten, dass die Tiefgarageneigentümer durch die bestehenden Mehrheitsverhältnisse (insg. nur 55,178/1.000stel der MEA) im Ergebnis schlechter gestellt sind, als es bei einem Bestehen von selbständigen Untergemeinschaften der Fall wäre. Denn sie können weder unabhängig über ‚eigene‘, die Tiefgarage betreffende Belange entscheiden, noch können sie sich im Rahmen einer Beschlussfassung der Gesamtgemeinschaft gegen die Stimmmehrheit der Wohnungseigentümer durchsetzen. Durch die vorliegende Beschlussfassung verschaffen sich die Wohnungseigentümer mit ihrem beherrschenden Stimmübergewicht gegenüber den Tiefgarageneigentümern daher ohne sachliche Gründen einen finanziellen Vorteil (bei einer Mehrheitseigentümerin LG Karlsruhe, Hinweisbeschl. v. 08.03.2024 – 11 S 53/22, ZWE 2024, 422).
109
bb. Die Beklagte hat weiter eingewandt, dass auch der BGH bei seiner Entscheidung Az. V ZR 81/23 u. V ZR 87/23 den Gesichtspunkt einer Majorisierung nicht berücksichtigt habe, wobei doch auch Fenster einen gemeinschaftlichen Zweck hätten. Was die tatsächlichen Verhältnisse betreffe, gebe es hier durchaus auch Wohnungseigentümer, die Stellplätze hätten, also eine Schnittmenge, und auch keinen zwingenden Automatismus, dass ein (nur) Wohnungseigentümer immer zwangsläufig gegen (nur) Stellplatzeigentümer stimmen würde (Solidargemeinschaft).
110
Dieser Sichtweise ist entgegenzuhalten, dass sich die drei Fälle jedoch bei der Frage einer ausschließlichen Gebrauchsmöglichkeit unterscheiden. Im vom BGH entschiedenen Fall Az. V ZR 81/23 wurde eine Kostenverteilung auf die Teileigentümer der zu sanierenden Doppelparker beschlossen. An solchen Stellplätzen besteht ein alleiniges Gebrauchsrecht der jeweiligen Teileigentümer; eine (Mit-) Nutzung durch andere (Wohnungs-) Eigentümer ist nicht zulässig. Ebenso verhält es sich bei Fenstern im Bereich des Sondereigentums (Az. V ZR 87/23); auch wenn diese auch einem gemeinschaftlichen Zweck dienen (Gebäudehülle), ist die beschlossene Kostenverteilung unter dem Gesichtspunkt des tatsächlichen Gebrauchs von den Grenzen des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG gedeckt und enthält auch nicht das für eine unzulässige Majorisierung erforderliche Element einer rechtsmissbräuchlichen Benachteiligung, da alle anderen Eigentümer faktisch von einer Benutzung ausgeschlossen sind.
111
Auch die Tatsache, dass es im vorliegenden Fall eine Schnittmenge von Wohnungs- und Teileigentümern gibt (nach Auskunft der Verwaltung in der mündlichen Verhandlung gilt das für knapp die Hälfte der Stellplätze), ändert nichts an der Tatsache, dass sowohl reine Wohnungseigentümer als auch Wohnungseigentümer, die auch Teileigentümer eines Stellplatzes sind, durch die angefochtene Beschlussfassung von den anstehenden Kosten der Sanierung der Tiefgarage ganz oder aber jedenfalls zu einem großen Teil befreit werden, ohne dass sachliche Gründe in diesem Umfang (80-20) ersichtlich sind, worin das rechtsmissbräuchliche Element für eine unzulässige Majorisierung zu sehen ist.
112
cc. Auch wenn man vorliegend keinen Fall der Majorisierung annehmen wollte, bleibt es doch dabei, dass eine nicht durch ausreichende Gründe sachlich gerechtfertigte Benachteiligung einer Minderheit von Eigentümern vorliegt, was wie oben ausgeführt ohnehin bei der Frage nach einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu berücksichtigen ist.
113
g. Aus den vom BGH entwickelten Grundsätzen zur Maßstabskontinuität nach neuem Recht folgt, dass ein Verstoß nicht vorliegt. Nach der aktuellen Rechtsprechung muss im Erstbeschluss keine Regelung für zukünftige Fälle getroffen werden (BGH, Urt. v. 22.03.2024, V ZR 87/23, 2. Leitsatz und Rn. 16, beck-online).
114
aa. In der Entscheidung Az. V ZR 87/23, hat der BGH ausgeführt: Durch die Neufassung von § 16 Abs. 2 S. 2 WEG im Rahmen des WEMoG habe der Gesetzgeber bewusst auf Beschränkungen verzichtet, um den Eigentümern einen größeren Gestaltungsspielraum als bisher für eine nach den jeweiligen Umständen sinnvolle und gerechte Kostenverteilung zu ermöglichen. Dem widerspräche es, wenn bei einer Beschlussfassung über eine abweichende Verteilung der Kosten einer Einzelmaßnahme zugleich eine Regelung für alle künftigen gleich gelagerten Fälle getroffen werden müsste. Anderenfalls liefe es darauf hinaus, dass eine geänderte Kostenverteilung für Einzelfälle nur dann möglich wäre, wenn künftige, gleich gelagerte Fälle von vornherein ausgeschlossen wären. Zwar müsse auch der Beschluss über die Kostenverteilung dem Gleichbehandlungsgrundsatz der Eigentümer genügen. Dieser Grundsatz der sog. „Maßstabskontinuität“ habe jedoch erst bei späteren, gleich gelagerten Fällen Bedeutung und führe lediglich dazu, dass dann im jeweiligen konkreten Einzelfall dieselben Prinzipien angewendet werden müssen.
115
Der Wortlaut des Beschlusses, der eine Änderung der Kostenverteilung für eine einzelne Erhaltungsmaßnahme vorsieht, muss also keine entsprechende Regelung enthalten, dass in künftigen gleich gelagerten Fällen ein identischer Kostenverteilungsschlüssel angewandt werden wird (a.A. LG Stuttgart, Urt. v. 20.07.2022 -10 S 41/21, BeckRS 2022, 26661). Allein dies wird den Anforderungen der Praxis und der Intention des Gesetzgebers mit dem durch das Inkrafttreten des WEMoG neu gefassten § 16 Abs. 2 S. 2 WEG gerecht, der ausdrücklich eine Kompetenz der GdWE zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels für einzelne Kosten und für bestimmte Arten von Kosten im Einzelfall vorsieht.
116
Bei der nächsten konkreten Maßnahme (erneuter Fensteraustausch) haben die Wohnungseigentümer jedoch die vorherige Kostenverteilung zu würdigen („Maßstabskontinuität“).
117
bb. Bei der vorliegend beschlossenen Sanierung der Tiefgarage handelt es sich insoweit um einen echten Einzelfall, als eine weitere grundlegende Sanierung der Tiefgarage (ggf. unter Erstherstellung DIN-gerechter Bauteile) nicht stattfinden wird bzw. absehbar ist, künftige, gleich gelagerte Fälle also kaum denkbar sind. Die Frage ist daher ohnehin, welche „Vergleichsgruppe“ bzw. welche anderweitige Maßnahme für die Frage des Gleichbehandlungsgrundsatzes und einer Verteilungsgerechtigkeit heranzuziehen ist. Das ist nach der Rechtsprechung des BGH der Einzelfallprüfung bei etwaigen Folgebeschlüssen vorbehalten und war bei der vorliegenden Beschlussfassung daher (noch) nicht relevant.
118
cc. Die Klägerin zu 11) meint, dass im Hinblick auf den Grundsatz der Maßstabskontinuität jedenfalls als Annex über die entsprechende Verteilung der Einnahmen aus der Vermietung von Stellplätzen zu beschließen gewesen wäre. Auch diese Frage kann dahinstehen, da der Beschluss schon aus den oben dargelegten Gründen jedenfalls willkürlich ist und daher ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht.
119
Der Beschluss zu TOP 1.3 über die geänderte Kostenverteilung war nach alldem zu Recht für ungültig zu erklären.
120
V. Aus den gleichen Gründen – und damit aus anderen rechtlichen Erwägungen als die vom Amtsgericht angestellten – waren die Beschlüsse zu TOP 1.4.1 und 1.4.2. über die Finanzierung im Ergebnis zu Recht ebenfalls für ungültig zu erklären.
121
Zwar handelt es sich um getrennte Beschlussfassungen, so dass § 139 BGB, anders als das Amtsgericht angenommen hat, nicht anwendbar ist; auf die obenstehenden Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Daraus folgt aber nicht, dass die Ungültigkeit des TOP 1.3 ohne Auswirkung auf die Beschlüsse zu TOP 1.4.1 und 1.4.3 bleibt. Hier besteht die Besonderheit, dass unter TOP 1.4.1. eine Umschichtung der Finanzierung und eine Neuaufteilung der bereits bezahlten Sonderumlagen entsprechend und gleichlaufend der unter TOP 1.3 – fehlerhaft, s.o. – beschlossenen Kostenneuverteilung beschlossen worden ist. Auch der Beschluss über die Erhebung einer weiteren Sonderumlage unter TOP 1.4.2 berücksichtigt den unter TOP 1.3. geänderten Kostenverteilungsschlüssel.
122
Da die beiden Beschlüsse daher an dem gleichen Fehler leiden, waren die Beschlüsse daher auf fristgerechte Anfechtung hin aufgrund des fehlerhaften Kostenverteilungsschlüssels ebenfalls für ungültig zu erklären; auf die obenstehenden Darlegungen kann deshalb Bezug genommen werden.
123
Die Berufung war nach alldem nur bzgl. des Grundlagenbeschlusses zu TOP 1.2 erfolgreich.
124
1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1 S. 1, 97 ZPO. Für die Quotelung der Kosten nach Obsiegen und Unterliegen wurde ein fiktiver Streitwert gebildet.
125
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.
126
3. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtsfrage, welchen Ermessensspielraum die Norm des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG in der durch das WEMoG geänderten Fassung eröffnet bzw. inwieweit dieser durch eine ordnungsgemäße Verwaltung begrenzt ist, ist höchstrichterlich noch ungeklärt. Die Entscheidung dieser Rechtsfrage ist im Hinblick auf die durch das WEMoG getroffenen Neuregelung von grundlegender Bedeutung für die Rechtsfortbildung, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO. Die Beschränkung der Revisionszulassung wurde im Tenor nicht ausgesprochen, da sie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt (BGH, NJW 2004, 3264; NJW 2004, 1324).
127
4. Die Streitwertfestsetzung erfolgt im Verfahren gem. § 44 Abs. 1 WEG gemäß §§ 63 Abs. 2, 47, 49 GKG. Die Kammer hat gem. § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG auch den Streitwert für den Rechtsstreit erster Instanz, den das Amtsgericht auf 148.291,71 € bestimmt hat, abgeändert und den Gesamtstreitwert jeweils auf 420.000,00 € festgesetzt.
128
Der Streitwert ist gem. § 49 GKG in Verfahren nach § 44 Abs. 1 WEG auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht übersteigen.
129
Beschließen die Wohnungseigentümer eine Erhaltungsmaßnahme und wird der Beschluss angefochten, richtet sich das Gesamtinteresse nach den voraussichtlichen Gesamtkosten der Maßnahme; diese Grundsätze gelten auch für die Anfechtung eines Grundlagenbeschlusses über die Erhaltungsmaßnahme (BGH, Beschl. v. 15.6.2023 – V ZB 222/22; ZWE 2023, 336).
130
Im Grundsatz kann ähnlich wie vom Amtsgericht geschätzt für das Gesamtinteresse gem. § 49 S. 1 GKG auf vss. Sanierungskosten in Höhe von 1,5 Mio. € abgestellt werden; denn das Gutachten vom 18.12.2017 bemisst die grob geschätzte Kostenspanne für eine Instandsetzung auf rund 1.087.000 € bis 1.242.000 € (Anlage K5 S. 12), wobei von einer zwischenzeitlichen deutlichen Kostensteigerung auszugehen sein dürfte und auch etwaige Zusatzkosten für Entlüftungs- und Brandschutzanlagen in unbekanntem Umfang zu berücksichtigen sind.
131
Für das klägerische Einzelinteresse errechnet sich bei einer Kostentragung von 80 % durch 105 Stellplatzeigentümer (1.120.000,00 €) ein Kostenanteil von 11.428,57 € pro Stellplatz; im Hinblick darauf, dass die weiteren Kosten (weitere 20 % für die Sondereigentumseinheiten Nr. 1 – 115 laut Aufteilungsplan) dabei nicht einberechnet sind, wird der Anteil auf insg. 12.000 € aufgerundet bzw. geschätzt.
132
Die Kläger sind Eigentümer von 14 Stellplätzen (168.000,00 €). Die Einzelinteressen der Kläger sind zu addieren, wenn mehrere Wohnungseigentümer einen Beschluss anfechten (Elzer, StichwortKommentar Wohnungseigentumsrecht, Streitwerte im ABC, Rn. 13, beck-online, m.w.N. für die Rspr.). Das 7,5-fache klägerische Interesse gem. § 49 S. 2 1. HS GKG beträgt damit 1.260,000,00 €, so dass der Streitwert zunächst auf diese Summe begrenzt ist. Der Streitwert wird dabei aber weiter begrenzt durch die Höhe des Verkehrswerts, § 49 S. 2 HS. 2 GKG. Der Verkehrswert für einen Stellplatz kann dem Vortrag der Klägerin zu 11) entsprechend auf 30.000,00 € geschätzt werden. Bei 14 Stellplätzen ist der Streitwert daher auf 420.000,00 € begrenzt und war damit in dieser Höhe festzusetzen.
133
Die Beschlüsse sind dabei wirtschaftlich identisch, § 45 Abs. 1 GKG, so dass es bei der Anfechtung der vier Beschlüsse (Grundlagenbeschluss, Kostenverteilung und entsprechende Neuverteilung der bereits vereinnahmten und der einzuziehenden Sonderumlage) bei dieser Festsetzung verbleibt.