Inhalt

FG Nürnberg, Urteil v. 11.03.2025 – 1 K 220/23
Titel:

Abgewiesene Klage im Streit um Kindergeld

Normenketten:
EStG § 1 Abs. 3, § 32 Abs. 1
FGO § 74
Schlagworte:
Anspruch auf Kindergeld, Differenzkindergeld, Familienleistungsausgleich, sachlicher Anwendungsbereich, Nachrangigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13332

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1
Streitig ist die Ablehnung des Antrags auf Kindergeld für das Kind A für die Monate April 2021 bis Juli 2021.
2
Der Kläger ist der Vater des Kindes A (geboren am ...2005). Das Kind lebt in Rumänien im gemeinsamen Haushalt der Kindseltern, zusammen mit der Ehefrau des Klägers und Kindsmutter, B, die dort nichtselbständig erwerbstätig ist.
3
Der Kläger war von 12.04.2021 bis 31.07.2021 (oder 16.07.2021 lt. Arbeitgeberbescheinigung) als aus Rumänien entsandter Arbeitnehmer in Deutschland nichtselbständig tätig. Laut Arbeitgeberbescheinigung zur Vorlage bei der Familienkasse der Firma C vom 17.03.2022 bestand ein Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nicht, weil „der entsandte AN [Arbeitnehmer] in Rumänien versichert wurde.“ Der Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2021 über den Zeitraum 12.04. – 31.07. weist keine Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung aus.
4
Der Kläger beantragte am 08.11.2021 Kindergeld ab März 2021.
5
Im Kindergeldantrag gab er an, für A Kindergeld in Rumänien zu beziehen.
6
Er legte u.a. einen Einkommensteuerbescheid 2021 des Finanzamts vom 24.10.2022 vor; das Finanzamt hatte eine Veranlagung nach § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) zur unbeschränkten Steuerpflicht durchgeführt.
7
Die beklagte Familienkasse lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10.01.2023 ab.
8
Der Kläger habe grundsätzlich Anspruch auf deutsches Kindergeld für sein Kind mit Wohnort in Rumänien. Gleichzeitig stünden jedoch seiner Ehegattin ausländische Familienleistungen in Rumänien zu. Diese Anspruchskonkurrenz sei anhand der Koordinierungsregelungen der Europäischen Union (EU) zu lösen.
9
Nach den vorliegenden Unterlagen unterliege er weder durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit noch durch den Bezug einer Rente den deutschen Rechtsvorschriften. Deswegen bestehe Anspruch auf Familienleistungen nur in dem Wohnsitzstaat des Kindes (Art. 68 Abs. 1, Buchst. b, Ziffer iii, Abs. 2 Satz 3 der Verordnung (VO) Nr. 883/2004). Eine Zahlung von deutschem Kindergeld sei damit ausgeschlossen.
10
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den die Familienkasse mit Entscheidung vom 21.02.2023 als unbegründet zurückwies.
11
Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei infolge der Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG kindergeldberechtigt; zugleich bestehe für das Kind im EU-Staat Rumänien ein Anspruch auf Kindergeld. Die Anspruchskonkurrenz sei nach den Regelungen der VO Nr. 883/2004 und der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 aufzulösen.
12
Die Kollisionsnormen der Art. 11 – 16 der VO Nr. 883/2004 bestimmten unter Verdrängung aller Kollisionsnormen nationalen Ursprungs, dass nur das Recht eines einzigen Staates auf den Betroffenen anwendbar ist (so die Grundregel des Art. 11 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004). Seien für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer EU-Staaten zu gewähren, so sei vorrangig der Staat zuständig, in dem eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit ausgeübt werde. Hierauf folgten die durch den Bezug einer Rente und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche (vgl. Art. 68 Abs. 1 Buchst. a) der VO Nr. 883/2004).
13
Für die Anwendung der Verordnung sei unerheblich, wer den Anspruch in Rumänien auslöse, da eine familienbezogene Betrachtung zu Grunde liege.
14
Für die Beschäftigung im Rahmen der Entsendung fänden die Rechtsvorschriften des Entsendungslandes Anwendung, sodass die Erwerbstätigkeit des Klägers dem Entsendungsland Rumänien zugerechnet und mithin in Deutschland keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Der Anspruch in Deutschland könnte daher allein durch einen Wohnsitz des Klägers in Deutschland ausgelöst werden. Der Wohnsitz werde im fraglichen Zeitraum durch die steuerliche Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG fingiert.
15
Seien die Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer EU-Staaten zu gewähren – wie hier durch die Kindergeldberechtigung in Deutschland und den Kindergeldbezug in Rumänien – und werde dies in beiden Staaten durch den Wohnsitz ausgelöst – in Deutschland über § 1 Abs. 3 EStG und in Rumänien durch den Wohnsitz der Kindsmutter (unter Nichtbeachtung der Berufstätigkeit der Kindsmutter) –, sei der Wohnsitz des Kindes für die Vorrangfrage maßgeblich. Da sich dieser in Rumänien befinde, sei dieser Staat vorrangig für die Gewährung von Familienleistungen zuständig; Deutschland sei nachrangig zuständig.
16
Aufgrund von Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 komme für Kinder mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat keine Gewährung von Unterschiedsbeträgen in Betracht, wenn der Anspruch in Deutschland lediglich durch den Wohnort ausgelöst werde, unabhängig davon, ob im anderen Mitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit ausgeübt oder eine Rente bezogen werde. Im Streitfall komme die Zahlung von Unterschiedsbeträgen nicht in Betracht, da deutsches Kindergeldrecht nicht anwendbar sei.
17
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vor:
18
Zunächst bemängelt er, Feststellungen zur Dauer der Entsendung habe die Beklagte nicht getroffen. Nach Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 gelte die Sonderregelung nur, wenn der Arbeitnehmer voraussichtlich weniger als 24 Monate entsandt werde.
19
Der Kläger legt eine Bescheinigung vom 24.08.2021 vor, in der für die Zeit von 31.05.2021 bis 17.12.2021 bescheinigt wird, dass der Kläger dem rumänischen Sozialversicherungssystem unterliegt. Diese ist nicht explizit als A1-Bescheinigung bezeichnet, enthält aber die Daten des Klägers, des Arbeitgebers und der Beschäftigung nach dem Muster und der Struktur einer A1-Bescheinigung. Zuletzt legt er Lohnabrechnungen für die Monate April 2021 bis Juli 2021 vor, aus denen sich ergibt, dass keine deutschen Sozialversicherungsbeiträge für den Kläger abgeführt worden waren. Soweit keine A1-Bescheinigung für die Monate April 2021 und Mai 2021 vorliegt, stellt der Kläger nunmehr unstreitig, dass er im Streitzeitraum von seinem Arbeitgeber nach Deutschland entsandt war.
20
Ferner stellt er mit einer Arbeitgeberbescheinigung vom 26.08.2024 klar, dass die Kindsmutter im Streitzeitraum in Rumänien erwerbstätig war.
21
Der Kindergeldanspruch in Rumänien stehe nicht den Eltern, sondern dem jeweiligen Kind zu. Die Eltern des Kindes selbst hätten im Heimatland keinen eigenen Kindergeldanspruch.
22
Im Streitfall seien die Vorschriften der VO Nr. 883/2004 unzutreffend ausgelegt worden, auch wenn sich dies auf die jüngeren Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) in Entsendungsfällen stützen lasse.
23
Der EuGH habe sich u.a. mit dem Kindergeldanspruch entsandter Wanderarbeitnehmer aus der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (im Folgenden: VO Nr. 1408/71) befasst (vgl. EuGH-Urteil vom 12.06.2010 C-611/10 und C-612/10 – Hudzinski und Wawrzyniak, DStRE 2012, 999). Diese Normen seien nahezu wortgleich in Art. 12 der VO Nr. 883/2004 enthalten.
24
Demnach unterliege der entsandte Kläger gemäß Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 weiterhin den Rechtsvorschriften seines Heimatlandes. Für den Fall, dass der entsandte Wanderarbeitnehmer den Kindergeldantrag in Deutschland gestellt habe, habe der EuGH entschieden, dass die frühere Antikumulierungsregelung keine Anwendung finde. Dies gelte ebenso für die heutige Vorschrift des Art. 68 der VO 883/2004.
25
Ein entsandter Arbeitnehmer könne gemäß Art. 11 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterliegen. Nach Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 unterliege der von seinem Arbeitgeber entsandte Kläger den Rechtsvorschriften des Entsendestaats, also Rumänien. Sein Anspruch im Sinne des Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 werde daher einzig durch die Beschäftigung ausgelöst. Im Sinne des Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 könne der Kläger daher keinen konkurrierenden Anspruch auf Kindergeld in Deutschland haben, der im Sinne der genannten Verordnung zu koordinieren wäre.
26
In die Koordinierung der Ansprüche auf Familienleistungen in verschiedenen Mitgliedstaaten nach Art. 68 der VO Nr. 883/2004 seien nur die Ansprüche in Mitgliedstaaten, deren Rechtsvorschriften die Eltern nach Art. 11 bis 16 der VO Nr. 883/2004 unterlägen, einbezogen. Ansprüche auf Familienleistungen auf Grund von Wohnortvoraussetzungen in einem Mitgliedstaat, in dem die Berechtigten wohnten, ohne europarechtlich dessen Rechtsvorschriften zu unterliegen, könnten nach den nationalen Rechtsvorschriften bestehen, würden aber nicht in die Koordinierung nach Art. 68 der VO Nr. 883/2004 einbezogen (unter Verweis auf die Kommentierung bei Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Fach D, Werkstand März 2023 zu Art. 68 VO (EG) 883/2004, Rn. 5 ff.).
27
Denn die Frage, ob ein nach nationalen Rechtsvorschriften bestehender Anspruch auf Grund von Wohnortvoraussetzungen daneben weiterbestehen könne, sei allein nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu beurteilen. Der nationale Anspruch auf Kindergeld in Deutschland bestehe in der vorliegenden Konstellation trotzdem und werde auch nicht durch § 65 EStG verdrängt. Dies sei gefestigte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – EuGH (Hinweis auf Urteil vom 11.07.2018 C-356/15, ZESAR 2019, 225, insbes. Rn. 79 ff.).
28
Wenn die Beklagte zu einer anderen Rechtsaufassung gelange, deute sie die BFH-Entscheidungen III R 10/17 – diese betreffe keinen Entsendungsfall – und III R 22/19 falsch. Der BFH gehe in seinen Entscheidungen III R 34/18, III R 22/19 und III R 4/20 nicht auf die Vorgaben des EuGH ein, wonach die EuGH-Rechtsprechung zur Verordnung Nr. 1408/71 weiterhin analog anzuwenden sei.
29
Der BFH habe mit Urteil vom 26.07.2017 III R 18/16, BStBl II 2017, 1237, ausgeführt, dass für die im Rahmen der Konkurrenzregelung des Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 zu prüfende Frage, was die Ansprüche auslöst, nicht auf die nationalen Regelungen nach §§ 62 ff. EStG, sondern auf die Vorschriften der Art. 11 bis 16 der VO Nr. 883/2004 abzustellen ist. Hiervon scheine er in seiner Entscheidung vom 20.04.2023 III R 4/20, BFH/NV 2023, 953, abzuweichen und setze sich in Widerspruch zum EuGH.
30
Im Streitfall seien der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 für den Kläger eröffnet. Nach obigen Ausführungen unterliege der Kläger aber nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats (Art. 11 Abs. 1), aufgrund ebenfalls unstreitiger Entsendung also dem Entsendestaat Rumänien (vgl. Art. 12 Abs. 1). Der Kläger könne also nicht gleichzeitig einen Anspruch auf Kindergeld aus Beschäftigung (= Rumänien) und Wohnort (= Deutschland) im Sinne der Verordnung haben, die zu koordinieren wären.
31
Die Rechtsausführungen der Beklagten hinsichtlich § 65 EStG verfingen in der Sache nicht. Dies sei bereits in den verbundenen Rechtsachen des EuGH C-611/10 und C-612/110 hinreichend thematisiert worden.
32
Der Kläger beantragt unter Aufhebung des Bescheids vom 10.01.2023 und der Einspruchsentscheidung hierzu vom 21.02.2023, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Kindergeld für das Kind A für die Monate April 2021 bis Juli 2021 zu bewilligen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
33
Zum hilfsweise gestellten Antrag auf Zulassung der Revision trägt der Kläger vor, das Recht der Europäischen Union gehöre zum revisibelen Bundesrecht i. S. d. § 118 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO. Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung sei bereits dann geboten, wenn die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass der BFH ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH stellen müsse. Komme es für die Entscheidung des Streitfalls auf die Auslegung einer Norm des Rechts der Europäischen Union an, so habe der BFH von Amts wegen zu prüfen, ob nach Art. 267 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV eine Pflicht zur Vorlage der Sache an den EuGH bestehe. Für die Zulassung der Revision genüge es, wenn dargetan werde, dass zu einer Vorlage an den EuGH führende Zweifel an der Gültigkeit einer entscheidungserheblichen Norm des Unionsrechts bestehen könnten. Auf der Ebene der Prioritätsregeln, die in Teil III der VO Nr. 883/2004 geregelt seien, habe sich der EuGH bislang nicht zu Entsendungsfällen und insbesondere nicht zu Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 geäußert. In der Entscheidung vom 25.04.2024 (vgl. EuGH-Urteil vom 25.04.2024 C-36/23, DStR 2024, 1237 – Familienkasse Sachsen, Rz. 41) habe der EuGH zwar die Vorlagefragen 2 und 3 nicht beantwortet, aber nochmals auf den 35. Erwägungsgrund der VO Nr. 883/2004 hingewiesen. Dort sei niedergelegt, dass die Prioritätsregeln der Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen dienten, für den Fall, dass es zum Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats mit Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats komme. Ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung des Art. 68 der VO Nr. 883/2004 sei demnach, dass ein Auseinanderfallen von zuständigem Mitgliedstaat und Wohnmitgliedstaat der Familienangehörigen vorliege und allein aus diesem Grund die national bestehenden Ansprüche zu koordinieren seien. Der EuGH weise in Rn. 44 seines Urteils explizit darauf hin, dass er an seiner Rechtsprechung zu Art. 76 der VO Nr. 1408/71 festhalte.
34
Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 sei im Lichte des Zwecks des Art. 48 AEUV auszulegen, so dass einem nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer der Anspruch auf Differenzkindergeld nicht versagt werden könne. Im EuGH-Urteil vom 18.09.2019 C-32/18 – Moser – führe der EuGH in Rz. 42 aus, dass solche Antikumulierungsvorschriften dem Empfänger der von mehreren Mitgliedstaaten gezahlten Leistungen einen Gesamtbetrag an Leistungen garantieren sollen, der gleich dem Betrag der günstigsten Leistung ist, die ihm nach dem Recht nur eines dieser Staaten zusteht. Eine Schlechterstellung entsandter Arbeitnehmer sei sicher nicht mit Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO 883/2004 beabsichtigt gewesen.
35
Alternativ komme eine Vorlage des Finanzgerichts an den EuGH in Betracht.
36
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
37
Zur Begründung verweist sie auf die Einspruchsentscheidung vom 21.02.2023 und bekräftigt, aufgrund der Entsendung unterliege der Kläger im Streitzeitraum den Rechtsvorschriften des Entsendestaats Rumänien; es bestehe dort ein vorrangiger Anspruch auf Familienleistungen. Der nachrangige Anspruch auf Kindergeld gem. § 62 Abs. 1 EStG beruhe nur auf der fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gem. § 1 Absatz 3 EStG des Klägers und werde somit europarechtlich ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst.
38
Da vorliegend keine den deutschen Rechtsvorschriften unterfallende Beschäftigung vorliege und auch keine Rente bezogen werde, könne für die Beurteilung des Vor- und Nachrangs nur auf den Wohnsitz in Deutschland abgestellt werden.
39
Bestehe wie im Streitfall neben dem durch den Wohnort ausgelösten Anspruch eines Entsandten auf deutsches Kindergeld für dasselbe Kind und denselben Zeitraum Anspruch auf Familienleistungen in einem anderen Mitgliedstaat, der zugleich der Wohnsitzstaat des Kindes sei – hier Rumänien –, so werde gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 der Anspruch auf deutsches Differenzkindergeld ausgeschlossen. Da eine familienbezogene Betrachtung zu Grunde liege und es somit nur darauf ankomme, dass ein Anspruch bestehe, sei es unerheblich, welche Person anspruchsberechtigt sei.
40
Ergänzend verweist die Beklagte auf das BFH-Urteil III R 34/18; hiernach könne ein konkurrierender Anspruch durch eine Person ausgelöst werden.
41
Bei einer Nichtanwendbarkeit des Art. 68 der VO Nr. 883/2004 wäre stattdessen § 65 Satz 1 Nr. 1 EStG anzuwenden. Im Anwendungsbereich von Art. 68 der VO Nr. 883/2004 werde § 65 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts verdrängt. Im Umkehrschluss bedeute eine Nichtanwendbarkeit von Art. 68 der VO Nr. 883/2004 aber, dass einer Anwendung von § 65 Abs. 1 Nr. 1 EStG nichts entgegenstehe. Dieser würde wiederum einen Anspruch des Klägers ausschließen, da in Rumänien dem Kindergeld vergleichbare Leistungen gewährt werden.
42
Wegen der Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie den Akteninhalt verwiesen.
43
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

44
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
45
Der Bescheid vom 10.01.2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
46
Die Familienkasse hat zu Recht den Antrag auf Kindergeld für das Kind A für die Monate April 2021 bis Juli 2021 abgelehnt.
47
1. Der Senat kann in der Sache entscheiden; das Verfahren ist nicht gemäß § 74 FGO i.V.m. Art. 267 AEUV zwecks Vorlage an den EuGH im Hinblick auf die vom Kläger gerügte gemeinschaftsrechtswidrige Rechtsprechung des BFH auszusetzen.
48
Eine Vorlageverpflichtung besteht nur für einzelstaatliche Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit innerstaatlichen Rechtsmitteln angefochten werden können.
49
Als Instanzgericht, gegen dessen Urteil mit Nichtzulassung der Revision das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde gegeben ist, ist das Finanzgericht gemäß Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV zur Vorlage an den EuGH berechtigt, aber nicht verpflichtet (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 02.12.2014 2 BvR 655/14, WM 2015, 122, Rz. 18).
50
Eine Vorlage an den EuGH ist zudem im Hinblick darauf, dass nach der Überzeugung des Senats der Auslegung der europäischen Rechtsvorschriften durch den BFH zu folgen ist, auch nicht geboten.
51
Im Urteil vom 25.04.2024 C-36/23, DStR 2024, 1237 – Familienkasse Sachsen hat der EuGH u.a. festgestellt, dass Art. 68 der VO Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass er es dem Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nachrangig sind, nicht gestattet ist, von der betroffenen Person in diesem Mitgliedstaat gezahlte Familienleistungen aufgrund dessen teilweise zurückzuverlangen, dass nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats ein Anspruch auf solche Leistungen besteht, sofern in diesem anderen Mitgliedstaat eine Familienleistung weder festgesetzt noch ausgezahlt wurde. Der hiesige Streitfall betrifft jedoch keine Rückforderung, sondern die Ablehnung eines Antrags auf Kindergeld. Zu den vorliegenden rechtlichen Fragestellungen, insbesondere im Zusammenhang mit Entsendungen, hat sich der EuGH nicht geäußert.
52
2. Der Kläger kann nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b) EStG Kindergeld beanspruchen.
53
Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 EStG setzt der Anspruch auf Kindergeld u.a. voraus, dass der Anspruchsteller im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Diese Voraussetzungen lagen nach Aktenlage vor. Nach dem Einkommensteuerbescheid 2021 hatte das Finanzamt für den Kläger eine Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG zur unbeschränkten Steuerpflicht durchgeführt.
54
Das Kind des Klägers kann nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG berücksichtigt werden, weil es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
55
3. Der Anspruch des Klägers wird jedoch durch vorrangige Ansprüche für das Kind A in einem anderen Mitgliedstaat – hier Rumänien – ausgeschlossen.
56
Dies bestimmt sich nach den Prioritätsregeln des Art. 68 der VO Nr. 883/2004, die daran anknüpfen, ob der jeweilige Anspruch durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit, durch den Bezug einer Rente oder durch den Wohnort ausgelöst wird.
57
a) Der Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 ist eröffnet. Der Kläger fällt als Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der EU – Rumänien – nach Art. 2 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung. Das Kindergeld nach dem EStG ist eine Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. z) der VO Nr. 883/2004, weshalb auch deren sachlicher Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j) der VO Nr. 883/2004 eröffnet ist (vgl. BFH-Urteil vom 26.07.2017 III R 18/16, BStBl II 2017, 1237).
58
b) Im Streitfall handelt es sich bei dem Kläger in den Streitmonaten um einen von Rumänien nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer.
59
aa) Für die Zeit von 31.05.2021 bis zum Ende des Streitzeitraums Juli 2021 lag für den Kläger eine Bescheinigung seines Arbeitgebers C vor, die die Daten des Klägers, des Arbeitgebers und der Beschäftigung nach dem Muster und der Struktur einer A1-Bescheinigung enthält.
60
Mit der „Bescheinigung über die Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit, die auf den/die Inhaber/in anzuwenden sind A1“ wird für einen einzelnen Arbeitnehmer dokumentiert, welches Recht welchen Staats während seiner Tätigkeit auf ihn anwendbar ist. Der entsendende Mitgliedstaat bzw. Ansässigkeitsstaat erteilt gemäß Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 2 der VO Nr. 987/2009 eine Bescheinigung über die weitere Anwendung seiner Rechtsvorschriften. Gelten die Rechtsvorschriften des Entsendestaates weiter, wird der Vordruck A1 verwendet.
61
Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der Angaben in der Bescheinigung, die inhaltlich denen einer A1-Bescheinigung entsprechen, zu zweifeln und geht für den o.g. Zeitraum von einer Entsendung des Klägers durch seinen rumänischen Arbeitgeber nach Deutschland aus.
62
bb) Für den Zeitraum 12.04.2021 bis 30.05.2021 liegt keine A1-Bescheinigung vor. Der Senat geht jedoch mit den Beteiligten davon aus, dass der Kläger auch in diesem Zeitraum entsandt ist.
63
Dies ergibt sich zum einen aus der Arbeitgeberbescheinigung zur Vorlage bei der Familienkasse der Firma C vom 17.03.2022: Hier bescheinigt der Arbeitgeber, dass der Kläger von 12.04.2021 bis 16.07.2021 beschäftigt war und ein Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nicht bestand, weil „der entsandte AN in Rumänien versichert wurde.“ Zum anderen weist der Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2021 über den Zeitraum 12.04. – 31.07. keine Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung aus. Entsprechendes ist auch aus den zuletzt vorgelegten Lohnabrechnungen für die Monate April 2021 bis Juli 2021 ersichtlich, aus denen sich ergibt, dass keine Sozialversicherungsbeiträge für den Kläger abgeführt worden waren. Soweit keine A1-Bescheinigung für die Monate April 2021 und Mai 2021 vorliegt, stellt der Kläger nunmehr unstreitig, dass er im Streitzeitraum von seinem Arbeitgeber nach Deutschland entsandt war. Die Familienkasse ging im bisherigen Verfahren stets von einer Entsendung aus.
64
cc) Als entsandter Arbeitnehmer unterlag der Kläger nach Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 weiterhin den Rechtsvorschriften des Entsendestaats Rumänien.
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c) Für die Frage, was die Ansprüche i. S. des Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 auslöst, ist darauf abzustellen, aufgrund welchen Tatbestands die berechtigte Person den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats nach Art. 11 bis 16 der VO Nr. 883/2004 unterstellt ist (vgl. BFH-Urteile vom 26.07.2017 III R 18/16, BStBl II 2017, 1237, Rz. 25; jeweils vom 01.07.2020 III R 22/19, BFH/NV 2021, 134, Rz. 18; III R 39/18, BFH/NV 2021, 451, Rz. 18 und III R 13/19, BFH/NV 2021, 453, Rz. 19). Insoweit unterscheidet das EU-Recht in Art. 68 der VO Nr. 883/2004 nur zwischen den vier Anknüpfungspunkten Beschäftigung, selbständige Erwerbstätigkeit, Rente und Wohnsitz (vgl. BFH-Urteile vom 22.02.2018 III R 10/17, BStBl II 2018, 717, Rz. 30; vom 25.07.2019 III R 34/18, BStBl II 2021, 20, Rz. 21).
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Als in den Streitmonaten von Rumänien nach Deutschland entsandter Arbeitnehmer unterlag der Kläger nach Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 weiterhin den Rechtsvorschriften des Entsendestaats Rumänien, weshalb bei europarechtlicher Betrachtung der Kindergeldanspruch des Klägers in Deutschland nicht durch die Beschäftigung ausgelöst worden ist. Auch ein Rentenbezug in Deutschland ist nicht ersichtlich. In unionsrechtlicher Hinsicht kommt eine Anspruchsauslösung der deutschen Rechtsvorschriften nur durch den Wohnort in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 25.07.2019 III R 34/18, BStBl II 2021, 20, Rz. 22), so dass – der Rangfolge des Art. 68 Abs. 1 Buchst. a) der VO Nr. 883/2004 entsprechend – der Anspruch als durch den Wohnort ausgelöst angesehen wird (vgl. auch BFH-Urteile vom 01.07.2020 III R 13/19, BFH/NV 2021, 453, Rz. 19, und vom 20.04.2023 III R 4/20, BFH/NV 2023, 953; Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.09.2023 12 K 1355/23, juris).
67
d) Weiter ist zu prüfen, ob dem Kläger selbst oder der Kindsmutter in Rumänien oder einem anderen Mitgliedstaat für dasselbe Kind und denselben Zeitraum Ansprüche auf Familienleistungen zustehen.
68
Es bestand nach Angabe des Klägers Anspruch auf Familienleistungen in Rumänien für das Kind A in den Streitmonaten. Dass in Rumänien das Kind selbst den Anspruch auf Kindergeld hat, ändert an der Behandlung nichts. Nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 findet eine familienbezogene Betrachtung statt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 31.08.2021 III R 10/20, BStBl II 2022, 186, Rz. 15). Das rumänische Kindergeld (staatliche Kinderzulage „alocație de stat pentru copii“), das der Kläger nach seinen Angaben im rumänischen Verwaltungsverfahren bezogen hat, ist wie das deutsche Kindergeld Familienleistung im Sinn von Art. 1 z) der VO Nr. 883/2004.
69
e) Besteht ein solcher Anspruch in einem anderen Mitgliedstaat – wie im Streitfall in Rumänien –, ist der durch den Wohnort ausgelöste Kindergeldanspruch in Deutschland gemäß Art. 68 Abs. 1 Buchst. a) der VO Nr. 883/2004 nachrangig, wenn der Familienleistungsanspruch im anderen Mitgliedstaat durch eine Beschäftigung, eine Erwerbstätigkeit oder durch den Bezug einer Rente ausgelöst wird (vgl. BFH-Urteile jeweils vom 01.07.2020 III R 22/19, BFH/NV 2021, 143, Rz. 20; III R 39/18, BFH/NV 2021, 451, Rz. 20 und III R 13/19, BFH/NV 2021, 451, Rz. 21). Das ist vorliegend der Fall, da der Kläger und die Kindsmutter im Streitzeitraum in Rumänien erwerbstätig waren. Während seiner Entsendung werden die Kindergeldansprüche des Klägers in Rumänien durch die Beschäftigung ausgelöst.
70
Im Falle der Nachrangigkeit des Kindergeldanspruchs in Deutschland wird dieser nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 der VO Nr. 883/2004 bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt. Der an sich nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 der VO Nr. 883/2004 vorgesehene Differenzbetrag muss gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 allerdings nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird (vgl. BFH-Urteile vom 22.02.2018 III R 10/17, BStBl II 2018, 717, Rz. 28 f.; jeweils vom 01.07.2020 III R 22/19, BFH/NV 2021, 134; III R 39/18, BFH/NV 2021, 451, Rz. 21 und III R 13/19, BFH/NV 2021, 453, Rz. 22; vom 18.02.2021 III R 71/18, BFH/NV 2021, 884, Rz. 31; Wendl in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 324. Lieferung 3/2024, Vorbemerkungen vor §§ 62-78 EStG, Rz. 27; Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Fach D, 119. Lieferung Mai 2024, Art. 68 VO Nr. 883/2004, Rn. 6, 35 ff.).
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f) Nicht zuzustimmen ist der vom Kläger vorgetragenen Auffassung, dass ein Anspruch auf Familienleistungen nur dann allein durch den Wohnort ausgelöst ist im Sinn von Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004, wenn die anspruchsberechtigte Person weder auf Grund einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats unterliegt noch eine Rente aus diesem Mitgliedstaat bezieht, aber nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. e) der VO Nr. 883/2004 den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt (kritisch BeckOK EStG/Mutschler, 19. Ed. 15.3.2024, EStG § 65 Rn. 71.2; a.A. Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, 119. Lieferung Mai 2024, Artikel 68 VO Nr. 883/2004, Rn. 35).
72
Vielmehr sind, in Anwendung der BFH-Rechtsprechung, die Priorisierungs- und Kollisionsregeln aus der Verordnung heraus auszulegen und Auslösungsgründe der nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zusammentreffenden Ansprüche unter die Begriffe nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. a) der VO Nr. 883/2004 zu subsumieren. In den Entsendungsfällen wird der deutsche Kindergeldanspruch mangels Beschäftigung bzw. selbständiger Tätigkeit oder Rentenbezug in Deutschland regelmäßig durch den Wohnort als vierten möglichen Anknüpfungspunkt ausgelöst. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BFH an (vgl. BFH-Urteile vom 26.07.2017 III R 18/16, BStBl II 2017, 1237; vom 25.07.2019 III R 34/18, BStBl II 2021, 20, und vom 20.04.2023 III R 4/20, BFH/NV 2023, 953).
73
g) Zusammenfassend gilt, dass der Kläger nach Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 weiterhin den rumänischen Rechtsvorschriften unterliegt.
74
Der in Rumänien durch die Erwerbstätigkeit des Klägers und der Kindsmutter ausgelöste Anspruch auf Familienleistungen ist vorrangig, der in Deutschland durch den Wohnort des Klägers ausgelöste Kindergeldanspruch ist nachrangig gemäß Art. 68 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 Satz 1 der VO Nr. 883/2004.
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Das Kind A wohnt in Rumänien; für das Kind muss Differenzkindergeld (Art. 68 Abs. 2 Satz 2 der VO Nr. 883/2004) nicht gewährt werden, da der Anspruch auf deutsches Kindergeld ausschließlich durch den Wohnort des Klägers in Deutschland ausgelöst wird, Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004.
76
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
77
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung legt die Grundsätze der jüngeren BFH-Rechtsprechung in Entsendungsfällen zugrunde, in denen die Qualifikation der anspruchsauslösenden Gründe im Rahmen der Konkurrenzregel des Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 aus der Begrifflichkeit der VO selbst und ohne Rückgriff auf nationale Rechtsvorschriften erfolgt.
78
Insbesondere vermag der Senat angesichts der genannten BFH-Rechtsprechung nicht zum Vorhandensein von Auslegungszweifeln in Bezug auf das anzuwendende Unionsrecht und zu einer voraussichtlichen Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 AEUV durch den BFH (in einem Revisionsverfahren) kommen (vgl. BFH-Beschluss vom 03.12.2010 V B 29/10, BFH/NV 2011, 563).