Titel:
Gesellschafterliste, Antragsgegner, Gesellschafterversammlung, Sofortige Beschwerde, Geschäftsanteil, Gesellschafter-Geschäftsführer, Geschäftsführer-Gesellschafter, Gesellschafterbeschluss, Rechtsmißbrauch, Keine Treuwidrigkeit, Einstweilige Verfügung, Handelsregisterauszug, Rechtsschutzbedürfnis, Wettbewerbstätigkeit, Widerspruchsverfahren, Einziehungsbeschluss, Antragstellers, Legitimationswirkung, Außergerichtliche Kosten, Wert des Beschwerdeverfahrens
Schlagworte:
Gesellschafterliste, Einziehungsbeschluss, Wettbewerbstätigkeit, Treuwidriges Verhalten, Beschlussfähigkeit, Verfügungsanspruch, Passivlegitimation
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 22.04.2025 – 10 HK O 4143/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13328
Tenor
- 1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 22.04.2025, Az. 10 HK O 4143/25, in Ziffer 1. seines Tenors wie folgt abgeändert.
„Der Antragsgegnerin zu 1) wird aufgegeben, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister des Amtsgerichts München (HRB …) einzureichen, welche die Antragstellerin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1) zu 50% mit 12.500 Geschäftsanteilen (lfd. Nrn. der Gesellschafterliste: 12.501 bis 25.000) im Nennbetrag von je EUR 1 ausweist.“
2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
3. Von den Gerichtskosten tragen die Antragstellerin zwei Drittel, die Antragsgegnerin zu 1) ein Drittel.
Von den außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin trägt die Antragsgegnerin zu 1) ein Drittel, im Übrigen trägt die Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 1) trägt diese selbst.
Die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 2) trägt die Antragstellerin.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 37.500,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Parteien streiten um die Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste.
2
Die Antragsgegnerin zu 1) ist eine GmbH mit Sitz in München, deren Geschäftszweck die Planung und Durchführung von Veranstaltungen ist. Als ihre Geschäftsanschrift war im Handelsregister bis 10.04.2025 …, … eingetragen (vgl. den Handelsregisterauszug laut Anl. LA 16). Jedenfalls bis zum 28.03.2025 war Herr … neben dem Antragsgegner zu 2) Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1 (vgl. den Handelsregisterauszug laut Anl. LA 1 sowie den Geschäftsführeranstellungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin zu 1) und Herrn …laut Anl. LA 6).
3
Die Satzung der Antragsgegnerin zu 1) laut Anl. LA 2 lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 8 Gesellschafterversammlung (…)
Zu den Gesellschafterversammlungen sind die Gesellschafter unter Angabe der Tagesordnung mit eingeschriebenem Brief mindestens eine Woche vorher zu laden. Jeder Gesellschafter kann sich bei der Beschlussfassung durch einen anderen Gesellschafter, durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Angehörigen der rechts-, steuer und wirtschaftsberatenden Berufe oder durch einen leitenden Angestellten vertreten lassen. Vertreter haben sich durch schriftliche Vollmacht auszuweisen.
Die Versammlung ist nur dann beschlussfähig, wenn mindestens 51% aller Stimmen vertreten sind. Fehlt es daran bei einer Versammlung, so ist eine Versammlung mit der gleichen Tagesordnung ohne Rücksicht auf die Zahl der vertretenen Stimmen beschlussfähig, wenn sie auf einen Zeitpunkt innerhalb von zwei Monaten nach der ersten Versammlung einberufen wird.
Beschlüsse der Gesellschafter werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, wenn das Gesetz oder diese Satzung nicht ausdrücklich eine höhere Mehrheit vorsieht.
1. Der Geschäftsanteil eines Gesellschafters kann mit dessen Zustimmung eingezogen werden.
2. Ohne Zustimmung des betroffenen Gesellschafters kann ein Geschäftsanteil eingezogen werden, wenn a) in der Person des Gesellschafters ein seine Ausschließung rechtfertigender Grund vorliegt,
4. Die Einziehung wird durch die Gesellschafterversammlung beschlossen. Dabei hat der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht.
6. Die Einziehung wird mit Mitteilung des Einziehungsbeschlusses an den Gesellschafter wirksam. In jedem Fall ruht das Stimmrecht des betroffenen Gesellschafters ab Mitteilung des Einziehungsbeschlusses.
4
Jedenfalls bis zum 13.03.2025 waren die Antragsstellerin und die … GmbH jeweils zu 50% an der Antragsgegnerin zu 1) beteiligt (vgl. die Gesellschafterliste laut Anl. LA 3).
5
Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Antragstellerin ist Herr … (vgl. die Gesellschafterliste laut Anl. LA 4 und den Handelsregisterauszug laut Anl. LA 5).
6
Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der … GmbH ist der Antragsgegner zu 2) (vgl. die Gesellschafterliste laut Anl. LA 7 und den Handelsregisterauszug laut Anl. LA 8).
7
Mit Schreiben der Antragsgegnerin zu 1), hierbei vertreten durch den Antragsgegner zu 2), vom 20.02.2025 laut Anl. AGG 1, das am selben Tag bei der Post als Einschreiben eingeliefert wurde (vgl. den Einlieferungsbeleg laut Anl. AGG 2), wurde die Antragstellerin unter der Anschrift …, … zu einer ordentlichen Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin zu 1) am 03.03.2025 eingeladen. Als TOP 3 war aufgeführt „Aussprache der Gesellschafter zu möglichen Wettbewerbstätigkeiten durch die Gesellschafter auf dem Gebiet der … GmbH“.
8
Mit Schreiben der Antragsgegnerin zu 1), hierbei vertreten durch den Antragsgegner zu 2), vom 27.02.2025 laut Anl. AGG 4, das am selben Tag bei der Post als Einschreiben eingeliefert wurde (vgl. Anl. AGG 5), wurde die Tagesordnung der Gesellschafterversammlung vom 03.03.2025 um einen TOP 4 ergänzt. Dieser lautete.
„4. Ausschluss der Gesellschafterin … GmbH aus wichtigem Grund a) Sachverhalt:
Wettbewerbstätigkeit der … GmbH, die denselben Geschäftszweck wie die … GmbH verfolgt Kontrolle der … durch Herrn …, der auch die … GmbH kontrolliert Verstoß gegen § 14 des Gesellschaftsvertrages, welcher Wettbewerbstätigkeiten ausschließt (da die Gesellschaft in Deutschland mehr als EUR 1,0 Mio. netto an Umsatz erzielt).
b) Beschlussfassung über den Ausschluss der … GmbH Abstimmung über den Ausschluss der Gesellschafterin … GmbH aus der … GmbH gemäß §§ 1 Abs. 2, 14 des Gesellschaftsvertrages aus wichtigem Grund (Wettbewerbstätigkeit)
Einziehung der Geschäftsanteile der Gesellschafterin … GmbH mit den laufenden Nummern 12.501 bis 25.000“
9
Zur Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin zu 1) am 03.03.2025 erschien die Antragstellerin nicht. Vertreten war nur die … GmbH. Der Antragsgegner zu 2) stellte daraufhin als Versammlungsleiter die Beschlussunfähigkeit der Gesellschafterversammlung fest (vgl. das Protokoll der Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin zu 1) vom 03.03.2025 laut Anl. AGG 6). TOP 4 der in dem Schreiben vom 03.03.2025 aufgeführten Tagesordnung entsprach dem im Schreiben der Antragsgegnerin zu 1) vom 27.02.2025 laut Anl. AGG 4 aufgeführten TOP 4.
10
Mit Schreiben der Antragsgegnerin zu 1), hierbei vertreten durch den Antragsgegner zu 2), vom 03.03.2025 laut Anl. AGG 7, das am selben Tag bei der Post als Einschreiben eingeliefert wurde (vgl. Anl. AGG 8), wurde die Antragstellerin unter der Anschrift …, … zur „2. Gesellschafterversammlung“ der Antragsgegnerin zu 1) am 13.03.2025 eingeladen.
11
Zur Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin zu 1) am 13.03.2025 erschien die Antragstellerin nicht. Vertreten war wiederum nur die … GmbH. Der Antragsgegner zu 2), der einstimmig zum Versammlungsleiter bestellt wurde und auch das Protokoll führte, stellte die ordnungsgemäße Einladung der Gesellschafter sowie die Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung fest. Sodann wurde folgender Beschluss zur Abstimmung gestellt:
„Die … GmbH wird aus der … GmbH aus wichtigem Grund gemäß §§ 11 Abs. 2 und 14 des Gesellschaftsvertrages (Wettbewerbstätigkeit) ausgeschlossen.
Die Geschäftsanteile der Gesellschafterin … GmbH mit den laufenden Nummern 12.501 bis 25.000 werden eingezogen.
Der Anteil Nr. 1 der Gesellschafterin … GmbH wird um EUR 12.500 auf einen Nennbetrag in Höhe von EUR 12.501 erhöht.“
12
Die … GmbH stimmte für den Beschlussvorschlag, woraufhin der Antragsgegner zu 2) als Versammlungsleiter feststellte, dass damit die Antragstellerin aus wichtigem Grund aus der Antragsgegnerin zu 1) ausgeschlossen sei und ihre Anteile eingezogen seien (vgl. das Protokoll der Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin zu 1) vom 13.03.2025 laut Anl. AGG 9), das am selben Tag bei der Post als Einschreiben eingeliefert wurde (vgl. Anl. AGG 10 und 11).
13
Unter dem 24.03.2025 reichte der Antragsgegner zu 2) beim Handelsregister die Gesellschafterliste laut Anl. LA 10 ein, die als alleinige Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1) die … GmbH auswies.
14
Die Antragstellerin behauptete, dass der am 13.03.2025 gefasste Beschluss der Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin zu 1) formell wie materiell rechtswidrig und deshalb nichtig sei.
15
Der Antragsgegner zu 2) habe die Antragstellerin zur Gesellschafterversammlung vom 13.03.2025 treuwidrig nicht ordnungsgemäß geladen. Die Antragstellerin habe nämlich zuletzt unter der in der Einladung vom 03.03.2025 angegebenen Anschrift … in … kein Büro mehr unterhalten. Der Antragsgegner zu 2) habe nach Versendung der Einladung vom 20.02.2025 zur Gesellschafterversammlung vom 03.03.2025 laut Anl. AGG 1 an die Antragstellerin unter der Anschrift … in … festgestellt, dass die Einladung, in der unter TOP 3 eine bloße Aussprache ohne Beschlussfassung aufgeführt gewesen sei, der Antragstellerin unter der Anschrift … in … nicht habe zugestellt werden können. Die Unzustellbarkeit an die Geschäftsadresse der Antragstellerin habe der Antragsgegner zu 2) gezielt genutzt, um den Ausschluss der Antragstellerin im Alleingang umzusetzen, indem er mit Schreiben der Antragsgegnerin zu 1) vom 27.02.2025 laut Anl. AGG 4 die Tagesordnung der Gesellschafterversammlung vom 03.03.2025 um die Einziehung der Geschäftsanteile der Antragstellerin erweitert habe. Sowohl das Schreiben vom 27.02.2025 mit der ergänzten Tagesordnung der Gesellschafterversammlung vom 03.03.2025, das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 03.03.2025 als auch die Einladung zur Gesellschafterversammlung vom 13.03.2025 habe er an die – wie er wusste – inaktive Geschäftsadresse der Antragstellerin … in … zustellen lassen. Damit habe er im Alleingang die Einziehung der Geschäftsanteile der Antragstellerin beschließen lassen können. Dies geschah, obwohl es dem Antragsgegner zu 2) ein Leichtes gewesen wäre, sich entsprechend dem in der Vergangenheit üblichen Vorgehen mit Herrn … per Email oder persönlich über die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung abzustimmen. Herr … sei im Januar und Februar 2025 regelmäßig in den Geschäftsräumen der Antragsgegnerin zu 1) anwesend gewesen. Am 27.02.2025 hätten sowohl der Antragsgegner zu 2) als auch Herr … noch an einer Kick-Off-Veranstaltung der Antragsgegnerin zu 1) mit den Mitarbeitern teilgenommen. Sowohl am 03.03.2025 als auch am 13.03.2025 sei Herr …jedoch – wie der Antragsgegner zu 2) gewusst habe – geschäftsbedingt ortsabwesend gewesen.
16
Der Ausschließungs- und Einziehungsbeschluss vom 13.03.2025 sei aber auch schon deshalb formell unwirksam und nichtig, da die Ergänzung der Tagesordnung der Gesellschafterversammlung vom 03.03.2025 mit der Einladung vom 27.02.2025 nicht innerhalb der Wochenfrist des § 8 Abs. 2 der Satzung erfolgt sei. Damit habe es sich bei der Gesellschafterversammlung vom 13.03.2025 hinsichtlich des TOP 4 der Tagesordnung nicht um eine zweite, sondern um eine erste Gesellschafterversammlung gehandelt. In einer ersten Gesellschafterversammlung seien aber 51% aller Stimmen für die Annahme eines Beschlusses erforderlich. Dieses Quorum sei jedoch aufgrund der Nichtteilnahme der Antragstellerin nicht erreicht worden, sodass der Ausschließungs- und Einziehungsbeschluss nicht wirksam gefasst worden sei.
17
Schließlich sei der Ausschließungs- und Einziehungsbeschluss aber auch materiell rechtswidrig, da ein wichtiger Grund nicht vorläge. Weder habe Herr … Mitarbeiter der Antragsgegnerin zu 1) veranlasst, für andere Firmen zu arbeiten, noch sei die Antragstellerin über die Firma … GmbH in Wettbewerb zur Antragsgegnerin zu 1) getreten. Dies sei schon deshalb ausgeschlossen, da die … GmbH gar nicht operativ am Markt tätig gewesen sei. Das Konstruieren tatsächlich nicht bestehender Ausschließungs- und Einziehungsgründe belege das treuwidrige Vorgehen der Antragsgegner.
18
Die Antragstellerin beantragte daher:
Den Antragsgegnern wird es aufgegeben, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister des Amtsgerichts München einzureichen, die die Antragstellerin als Gesellschafter zu 50% des Stammkapitals der … GmbH mit Sitz in … (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts …unter HRB …) ausweist.
Den Antragsgegnern wird es bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache über die Wirksamkeit eines angeblich am 13.03.2025 gefassten Gesellschafterbeschlusses über die Einziehung der Geschäftsanteile der Antragsstellerin an der Antragsgegnerin zu 1) aufgegeben, die Antragsstellerin als Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1) zu 50% mit sämtlichen Rechten und Pflichten zu behandeln.
19
Für den Fall, dass das Gericht Zweifel an der Bestimmtheit des Antrags zu I. hat, beantragt die Antragstellerin hilfsweise:
20
Den Antragsgegnern wird aufgegeben, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister des Amtsgerichts München (HRB …) einzureichen, welche die Antragstellerin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1) zu 50% mit 12.500 Geschäftsanteilen (lfd. Nrn. der Gesellschafterliste: 12.501 bis 25.000) im Nennbetrag von je EUR 1 ausweist.
21
Die Antragsgegner beantragten, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
22
Die Antragsgegner erwiderten, dass der Antrag unzulässig sei. Er sei unklar, zu unbestimmt und nicht vollstreckungsfähig. Auch fehle ihm das Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragsgegner hätten auch nicht treuwidrig gehandelt.
23
Mit Beschluss vom 22.04.2025, Az. 10 HK O 4143/25, der dem Antragstellervertreter am 22.04.2025 zugestellt wurde, ordnete das Landgericht München I der Gesellschafterliste der Antragstellerin vom 24.03.2024 einen Widerspruch betreffend 50% der Geschäftsanteile – (vormals) Geschäftsanteile lfd. Nrn. der Gesellschafterliste: 12.501 bis 25.000 – zu. Darüber hinaus verpflichtete das Landgericht die Antragsgegnerin zu 1), die Antragstellerin bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache über die Wirksamkeit des am 13.03.2025 gefassten Gesellschafterbeschlusses über die Einziehung der Geschäftsanteile der Antragsstellerin an der Antragsgegnerin zu 1) als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1) zu 50% mit sämtlichen Rechten und Pflichten zu behandeln. Im Übrigen wies das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.
24
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht u.a. aus, dass in Richtung der Antragsgegnerin zu 1) dem Grunde nach ein Verfügungsanspruch bestehe. Der Einziehungsbeschluss vom 13.03.2025 sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anfechtbar, da das dafür notwendige Quorum von 51% aller Stimmen nicht erreicht worden sei. Bei der Gesellschafterversammlung vom 13.03.2025 handle es sich nämlich nicht um eine zweite, sondern um eine erste Gesellschafterversammlung. Eine zweite Gesellschafterversammlung setzte nämlich die Abhaltung einer ersten Gesellschafterversammlung voraus, an der es aber fehle. Denn die Tagesordnung der Gesellschafterversammlung vom 13.03.2025 sei nicht mit der nötigen Mindestfrist von einer Woche angekündigt worden. Diese Mindestfrist sei auch bei einer Änderung oder Ergänzung der Tagesordnung einzuhalten. Im Übrigen sei auch der für eine Einziehung erforderliche wichtige Grund nicht glaubhaft gemacht.
25
Grundsätzlich bestehe auch ein Verfügungsgrund, da die einzig verbleibende Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1) (i.e. die … GmbH) ansonsten während der Dauer des Rechtsstreits die Antragsgegnerin zu 1) nach ihrem Belieben umgestalten könne, nachdem die von der Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin zu 1) in dieser Zeit gefassten Beschlüsse aufgrund der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbH auch dann wirksam blieben, wenn die Antragstellerin mit ihrer Klage gegen den Einziehungsbeschluss vom 13.03.2025 Erfolg haben sollte.
26
Bezüglich des Verfügungsantrags zu 1. sei es für einen hinreichenden Schutz eines Gesellschafters, dessen Anteil eingezogen werden soll, allerdings ausreichend, wenn die Gesellschaft verpflichtet werde, ihn weiterhin als Gesellschafter zu behandeln und gleichzeitig der Gesellschafterliste ein Widerspruch zugeordnet werde. Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 1), eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, sei daher nicht erforderlich. Für eine Ausnahme sei kein Raum, da das nach der obergerichtlichen Rechtsprechung hierfür erforderliche zielgerichtete, treuwidrige Vorgehen im Zusammenhang mit den Ladungen nicht glaubhaft gemacht sei.
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In Richtung des Antragsgegners zu 2) sei der Verfügungsantrag zur Gänze zurückzuweisen gewesen, da dieser nicht passivlegitimiert sei. Die Passivlegitimation im Verfahren der einstweiligen Verfügung folge der Passivlegitimation im Hauptsacheverfahren, in dem über die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses vom 13.03.2025 zu entscheiden sei. Richtiger Beklagter im Nichtigkeits- und Anfechtungsverfahren sei aber ausschließlich die Gesellschaft und damit die Antragsgegnerin zu 1). Da der Antragsgegner zu 2) auch nicht Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1) sei, läge auch nicht der in der Entscheidung des BGH vom 08.11.2022 – Az II ZR 91/21 behandelte Ausnahmefall vor. Dass der Antragsgegner zu 2) auf eine der Gesellschafterinnen (i.e. die … GmbH) beherrschenden Einfluss nehmen könne, ändere aus Gründen der Rechtssicherheit daran nichts. Im Übrigen habe die Antragstellerin schon kein treuwidriges Verhalten des Antragsgegners zu 2) glaubhaft gemacht.
28
Im Übrigen wird auf den Beschluss des Landgerichts vom 22.04.2025 Bezug genommen.
29
Mit Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 06.05.2025, Bl. 77/87 d.A., eingegangen beim Landgericht am selben Tag, legte die Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 22.04.2025 unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags insoweit sofortige Beschwerde ein, als das Landgericht dem Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht entsprach.
30
Die Antragstellerin beantragt daher:
Der Tenor des Beschlusses des Landgerichts München I vom 22.04.2025 (Az.: 10 HK O 4143/25) wird wie folgt insgesamt neu gefasst:
I. Den Antragsgegnern wird aufgegeben, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister des Amtsgerichts … (HRB …) einzureichen, welche die Antragstellerin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1) zu 50% mit 12.500 Geschäftsanteilen (lfd. Nrn. der Gesellschafterliste 12.501 bis 25.000) im Nennwert von je EUR 1,00 ausweist.
II. Den Antragsgegnern wird es bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache über die Wirksamkeit eines angeblich am 13.03.2025 gefassten Gesellschafterbeschlusses über die Einziehung der Geschäftsanteile der Antragstellerin an der Antragsgegnerin zu 1) aufgegeben, die Antragstellerin als Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1) zu 50% mit sämtlichen Rechten und Pflichten zu behandeln.
31
Die Antragsgegner beantragen,
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
32
Die Antragsgegner verteidigen die Entscheidung des Landgerichts, soweit dieses den Antrag der Antragstellerin zurückwies.
33
Der Antragsgegnervertreter zu 1) trägt vor, dass die sofortige Beschwerde unzulässig sei. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragstellerin mittlerweile beim Handelsregister mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24.04.2025 laut Anl. AGG 22a die Eintragung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste vom 24.03.2024 beantragt habe. Dadurch habe sich die einstweilige Verfügung in Ziffer 1 ihres Tenors erledigt.
34
Mit Beschluss vom 19.05.2025, Bl. 113/115 d.A., half das Landgericht der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin nicht ab und ordnete die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München an.
35
Dem Gericht seien die Entscheidung des OLG Hamm vom 20.06.2024 – 8 W 10/24 und des Kammergerichts vom 17.05.2023 – 23 U 14/23 bekannt. Die dort aufgestellten Voraussetzungen für einen Anspruch gegen den Antragsgegner zu 2) seien nicht erfüllt. Denn die Antragstellerin habe ein in hohem Maß treuwidriges Verhalten des Antragsgegners zu 2) bzw. ein Nichteinhalten des gebotenen Weges bei der Übermittlung des Protokolls der Gesellschafterversammlung nicht glaubhaft gemacht.
36
Auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
37
Gegenstand des Beschwerdeverfahren ist ausschließlich die teilweise Zurückweisung des von der Antragstellerin gestellten Verfügungsantrags durch das Landgericht. Nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind dagegen die von den Antragsgegnern gegen den teilweisen Erlass der einstweiligen Verfügung durch das Landgericht erhobenen Einwände. Über diese wäre – falls die Antragsgegner Widerspruch gegen die erlassene einstweilige Verfügung erheben – gemäß §§ 936, 924, 925 ZPO durch Endurteil im Widerspruchsverfahren vor dem Landgericht zu entscheiden. Im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist der Senat daher an die landgerichtliche Annahme der Unwirksamkeit des Einziehungsbeschlusses vom 13.03.2025 gebunden.
38
Das Landgericht ist in einem (etwaigen) Widerspruchsverfahren nicht gehindert, falls es die Einwände der Antragsgegner gegen den Erlass der einstweiligen Verfügung für durchgreifend erachten sollte, seine einstweilige Verfügung aufzuheben und zwar auch insoweit, als der Senat auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hin diese erweitert hat.
39
Insoweit als der Senat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückweist, ist ein Widerspruch hingegen nicht statthaft und hat es im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens mit der Entscheidung des Senats sein Bewenden.
40
Dies vorausgeschickt, ist die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zulässig, aber nur im Hinblick auf die Antragsgegnerin zu 1) begründet. Bezüglich des Antragsgegners zu 2) ist sie unbegründet.
41
Die sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt.
42
Ihr fehlt entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 1) im Hinblick auf die beantragte Listenkorrektur auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Dieses würde beispielsweise fehlen, wenn über den Anspruch bereits ein Urteil (res iudicata) oder ein sonstiger Vollstreckungstitel vorliegen würde (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 35. Auflage, Köln 2024, Rdnr. 18a zu Vor § 253 ZPO). Dies ist aber auch aufgrund Ziffer 1 des Tenors des landgerichtlichen Beschlusses nicht der Fall. Denn die dort ausgesprochene Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste der Antragsgegnerin zu 1) ist etwas anderes als die von der Antragstellerin geltend gemachte Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste, wobei dabei unerheblich ist, ob es sich dabei um ein bloßes Minus oder ein Aliud handelt. Ein anderer Grund, warum der sofortigen Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis fehlen sollte, ist nicht ersichtlich.
43
Die sofortige Beschwerde ist nur insoweit begründet, als die Antragsgegnerin zu 1) zur Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste zu verpflichten war (1.). Ansonsten ist sie unbegründet (2.).
44
1. a. Wie der Senat bereits entschieden hat, geht der Anspruch eines Gesellschafters, der die Unwirksamkeit des Beschlusses der Gesellschafterversammlung, mit dem seine Gesellschaftsanteile eingezogen werden sollen, glaubhaft gemacht hat, und deshalb für die Zwecke des einstweiligen Verfügungsverfahrens Gesellschafter geblieben und als solcher zu behandeln ist, grundsätzlich sowohl auf die Anordnung, ihn bis zur Entscheidung in der Hauptsache als Gesellschafter zu behandeln als auch auf die Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste zum Handelsregister (Senat, Beschluss vom 18.05.2021 – 7 W 718/21, Rdnr. 56).
45
b. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist aber nicht nur das Bestehen eines Verfügungsanspruchs, sondern gleichzeitig auch eines Verfügungsgrunds sowohl hinsichtlich der Weiterbehandlung als Gesellschafter als auch bezüglich der Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste.
46
Bezüglich der Weiterbehandlung der Antragstellerin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1) bejahte das Landgericht einen Verfügungsgrund. Das Landgericht erachtete es nämlich unter wörtlicher Wiedergabe der diesbezüglichen Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17, Rdnr. 38) als glaubhaft gemacht, dass während des Rechtsstreits die … GmbH als nunmehrige Alleingesellschafterin das Unternehmen der Antragsgegnerin zu 1) nach ihrem Belieben umgestalten könne. Denn aufgrund der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG blieben die vom verbleibenden Gesellschafter gefassten Beschlüsse auch dann wirksam, wenn der Gesellschafter mit seiner (Hauptsache) Klage gegen den Einziehungsbeschluss Erfolg haben sollte. Insbesondere wenn – wie vorliegend – bei einer zweigliedrigen Gesellschaft der Anteil der einzigen Mitgesellschafterin eingezogen und diese aus der Gesellschafterliste entfernt werde, komme es zu einem unmittelbaren Kontrollwechsel. Die veränderten Machtverhältnisse ermöglichte weitreichende Geschäftsführungsentscheidungen sowie die Fassung und Umsetzung satzungs- und strukturändernder Beschlüsse, die nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens entweder überhaupt nicht mehr oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand rückgängig gemacht werden könnten (LGB S. 3 letzter Absatz, Bl. 72 d.A.).
47
Unter dieser (im Übrigen auch nach Ansicht des Senats) zutreffenden und im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu Grunde zu legenden Annahme eines Verfügungsgrunds im Hinblick auf die Weiterbehandlung der Antragstellerin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1) kann jedoch ein Verfügungsgrund für die Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste nicht verneint werden.
48
Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 18.05.2021 – 7 W 718/21, Rdnrn 58 f.), folgt die Korrektur der geänderten Gesellschafterliste nämlich dem dogmatischen Ansatz des BGH, der der positiven und negativen Legitimationswirkung der Gesellschafterliste (§ 16 Abs. 1 GmbHG) einen hohen Stellenwert beimisst. Ein Auseinanderfallen der Anordnung der Mitwirkung der Antragstellerin als Gesellschafterin und der beim Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste gilt es daher zu vermeiden (insoweit zwischen der Anordnung zur Behandlung als Gesellschafter und der Anordnung zur Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste im Hinblick auf die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG und das Innenverhältnis keinen Unterschied sehend KG, Urteil vom 17.05.2023 – 23 U 14/23, Rdnr. 48).
49
Im Übrigen ist nicht einzusehen, einen Anspruch auf Korrektur der bereits eingereichten Gesellschafterliste zu versagen, wenn der BGH in seiner Entscheidung vom 02.07.2019 (II ZR 406/17, Rdnr. 39) den komplementären Anspruch auf einstweilige Untersagung der Eintragung der geänderten Gesellschafterliste anerkennt. Anderenfalls wäre es von zeitlichen Zufälligkeiten abhängig, ob aufgrund eines in der Hauptsache umstrittenen Gesellschafterbeschlusses eine diesem Beschluss folgende Gesellschafterliste im Handelsregister eingetragen wird bzw. in selbigem unkorrigiert verbleibt. Regelmäßig hätte es die Gesellschaft in der Hand, durch schnellen Vollzug ihr günstige Fakten zu schaffen.
50
Ein Verfügungsgrund für die Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste erfordert daher nicht notwendigerweise, dass das Vorgehen der Gesellschaft erkennbar darauf ausgerichtet ist, einen effektiven präventiven Rechtsschutz des Gesellschafters zu vereiteln (so aber KG, Urteil vom 17.05.2023 – 23 U 14/23, Rdnr. 50 und OLG Hamm, Beschluss vom 20.06.2024 – 8 W 10/24, Rdnr. 28).
51
c. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zu 1) ist der Verfügungsanspruch der Antragstellerin hinsichtlich der verlangten Listenkorrektur aber auch nicht durch die Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste der Antragsgegnerin zu 1) erfüllt und der Rechtsstreit damit erledigt. Denn wie bereits oben unter I ausgeführt ist die Zuordnung eines Widerspruchs etwas anderes als die Verpflichtung zur Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste.
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Demnach war der Beschluss des Landgerichts in Ziffer 1 seines Tenors aufzuheben und die Antragsgegnerin zu 1) auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hin zu verpflichten, eine korrigierte, die Antragstellerin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1) ausweisende Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Der Antrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ist auch hinreichend bestimmt.
53
2. Im Hinblick auf den Antragsgegner zu 2) ist die sofortige Beschwerde der Antragstellerin dagegen unbegründet, da das Landgericht zu Recht eine Passivlegitimation des Antragsgegners zu 2) sowohl hinsichtlich der verlangten Listenkorrektur als auch bezüglich der Weiterbehandlung der Antragstellerin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1) verneint hat.
54
a. Ein Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner zu 2) auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste besteht nicht.
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aa. Nach der Rechtsprechung des BGH hat ein Gesellschafter gegen einen Mitgesellschafter, der gleichzeitig Geschäftsführer der Gesellschaft ist, grundsätzlich keinen Anspruch auf Berichtigung einer ihn zu Unrecht nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste bzw. auf Unterlassung der Einreichung einer unrichtigen Gesellschafterliste (BGH, Beschluss vom 08.11.2022 – II ZR 91/21, Rdnrn 19 – 24). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht der BGH allerdings bei einer Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht durch den Gesellschaftergeschäftsführer gemäß § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB, wenn der Gesellschaftergeschäftsführer seine Stellung als Geschäftsführer dadurch missbraucht, dass er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreicht, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen (BGH, Beschluss vom 08.11.2022 – II ZR 91/21, Rdnr. 64). Die damit für einen Anspruch gegen den Gesellschaftergeschäftsführer auf Listenkorrektur erforderliche Treuepflichtverletzung ist bei bloßem unsorgfältigen Handeln des Gesellschaftergeschäftsführers regelmäßig noch nicht gegeben (BGH, aaO, Rdnr. 33 f.). Erforderlich ist vielmehr ein Missbrauch.
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Dass der Antragsgegner zu 2) kein Gesellschaftergeschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1) ist, da Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1) nicht er, sondern die … GmbH ist, und ob in Anbetracht der Tatsache, dass der Antragsgegner zu 2) Alleingesellschafter der … GmbH ist, der Antragsgegner zu 2) insoweit einem Gesellschaftergeschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1) gleichzustellen ist, kann an dieser Stelle dahinstehen. Denn die Antragstellerin hat einen solchen Missbrauch – wie das Landgericht zutreffend bemerkt – schon nicht glaubhaft gemacht.
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(1) Zwar trägt die Antragstellerin insoweit vor, dass der Antragsgegner zu 2) nach dem 20.02.2025 festgestellt habe, dass die Einladung zur Gesellschafterversammlung vom 03.03.2025, in der unter TOP 3 eine bloße Aussprache ohne Beschlussfassung aufgeführt war, der Antragstellerin unter der Anschrift … in … nicht habe zugestellt werden können. Die Unzustellbarkeit an die Geschäftsadresse der Antragstellerin habe der Antragsgegner zu 2) gezielt genutzt, um den Ausschluss der Antragstellerin im Alleingang umzusetzen. Er habe nämlich die Tagesordnung der Gesellschafterversammlung vom 03.03.2025 um die Einziehung der Geschäftsanteile der Antragstellerin erweitert. Sowohl die ergänzte Tagesordnung der Gesellschafterversammlung vom 03.03.2025, das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 03.03.2025 als auch die Einladung zur Gesellschafterversammlung vom 13.03.2025 habe er an die – wie er wusste – inaktive Geschäftsadresse der Antragstellerin … in … zustellen lassen. Damit habe er im Alleingang die Einziehung der Geschäftsanteile der Antragstellerin beschließen lassen können. Dies sei geschehen, obwohl es dem Antragsgegner zu 2) ein Leichtes gewesen wäre, sich entsprechend dem in der Vergangenheit üblichen Vorgehen mit Herrn … per Email oder persönlich über die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung abzustimmen. Herr … sei im Januar und Februar 2025 regelmäßig in den Geschäftsräumen der Antragsgegnerin zu 1) anwesend gewesen. Am 27.02.2025 hätten sowohl der Antragsgegner zu 2) als auch Herr … noch an einer Kick-Off-Veranstaltung der Antragsgegnerin zu 1) mit den Mitarbeitern teilgenommen. Sowohl am 03.03.2025 als auch am 13.03.2025 sei Herr … jedoch – wie der Antragsgegner zu 2) gewusst habe – geschäftsbedingt ortsabwesend gewesen.
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Dieser Vortrag würde zur Glaubhaftmachung eines Missbrauchs aber nur ausreichen, wenn die Antragstellerin glaubhaft gemacht hätte, dass sie zumindest nach dem 20.02.2025 kein Büro mehr unter Anschrift … in … unterhielt und auch nicht mehr unter dieser Anschrift erreichbar war – was die Antragsgegner in Abrede stellen (vgl. Schriftsatz des Antragsgegnervertreters zu 1) vom 21.04.2025, S. 2 letzter Absatz und S. 3 erster Absatz, Bl. 61 f. d.A.) –, sowie des Weiteren, dass der Antragsgegner zu 2) – was er bestreitet (vgl. Schriftsatz des Antragsgegnervertreters zu 1) vom 21.04.2025, S. 4 oben, Bl. 63 d.A.) – wusste, dass unter der Anschrift … in…, die zu diesem Zeitpunkt noch als Sitz der Antragstellerin im Handelsregister eingetragen war, nicht mehr an die Antragstellerin zugestellt werden konnte. Denn nur dann hätte der Antragsgegner zu 2) gewusst, dass die an diese Anschrift versandten Unterlagen die Antragstellerin aller Voraussicht nach nicht erreichen würden, und wäre die Einladung zur Gesellschafterversammlung am 13.03.2025 einer Nichtladung gleichgekommen (zu dieser Voraussetzung für einen Rechtsmissbrauch vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.04.2018 – 6 W 2/18, Rdnr. 23). Nur wenn die Antragstellerin glaubhaft gemacht hätte, dass der Antragsgegner zu 2) wusste, dass die von ihm an die im Handelsregister angegebene Anschrift der Antragstellerin … in … versandten Unterlagen die Antragstellerin tatsächlich nicht erreichen würden, hätte für den Antragsgegner zu 2) im Hinblick auf seine früheren Korrespondenzgewohnheiten mit Herrn … auch die Notwendigkeit bestanden, über andere Kommunikationswege zu versuchen, die Antragstellerin zu erreichen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.04.2018 – 6 W 2/18, Rdnr. 24 f.).
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Die von ihr behauptete (vgl. Schriftsatz der Antragstellervertreter vom 16.04.2025, S. 2, zweiter und dritter Absatz, Bl. 47 d.A. und S. 3 vorletzter Absatz, Bl. 48 d.A.) Auflösung ihres Büros am … und die Kenntnis des Antragsgegners zu 2) davon hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht und insoweit auch schon gar kein Glaubhaftmachungsmittel vorgelegt. Hinsichtlich der behaupteten Auflösung der Büroräumlichkeiten der Antragstellerin am Viktualienmarkt vor dem 20.02.2025 bestehen schon deshalb erhebliche Zweifel, da die Antragstellerin selbst noch in der Antragsschrift vom 07.04.2025 (Bl. 1 d.A.) im Rubrum … in … als ihre Anschrift angab und auch erst am 10.04.2025 eine neue Geschäftsanschrift im Handelsregister eingetragen wurde (vgl. den Handelsregisterauszug laut Anl. LA 16). Warum dem Antragsgegner zu 2) die Auflösung des zwischen der Antragstellerin und der … GmbH, der Betreiberin des C… am …, den sowohl die Antragstellerin als auch die … GmbH nutzten, bestehenden Mietvertrages bekannt sein soll, nur weil die … GmbH dort ebenfalls Mieterin war (so aber die Antragstellerin im Schriftsatz der Antragstellervertreter vom 16.04.2025, S. 3 vorletzter Absatz, Bl. 48 d.A.), erschließt sich nicht.
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(2) Die Bestimmung des Termins für die weitere Gesellschafterversammlung durch den Antragsgegner zu 2) auf den 13.03.2025 ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin (vgl. Schriftsatz der Antragstellervertreter vom 16.04.2025, S. 7 und 8, Bl. 52 f. d.A.) auch nicht deshalb treuwidrig, weil der Antragsgegner zu 2) Kenntnis von der Ortsabwesenheit des Herrn … hatte, da – wie das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 19.05.2025 (dort S. 2 unten, Bl. 114 d.A.) zutreffend feststellte – für diesen nach § 8 Abs. 2 S. 2 der Satzung der Antragsgegnerin zu 1) die Möglichkeit bestand, sich vertreten zu lassen.
61
(3) Die nicht fristgemäße Versendung der Ergänzung der Tagesordnung der Gesellschafterversammlung vom 03.03.2025 am 27.02.2025 mit der Folge, dass der Beschluss vom 13.03.2025 über die Einziehung der Geschäftsanteile der Antragstellerin nicht mit der notwendigen Mehrheit gefasst wurde, stellt sich nach dem durch die Antragstellerin glaubhaft gemachten Sachverhalt ebenfalls nicht als Rechtsmissbrauch dar, da es sich dabei auch um einen bloßen Rechtsirrtum hinsichtlich des zu erfüllenden Quorums infolge der Verkennung der Rechtsnatur der Gesellschafterversammlung vom 13.03.2025 als technisch erster Versammlung hinsichtlich des Einziehungsbeschlusses handeln kann.
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(4) Die Behauptung eines wichtigen Grundes für die Einziehung der Geschäftsanteile der Antragstellerin durch den Antragsgegner zu 2) wäre nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn der behauptete wichtige Grund zum einen tatsächlich nicht vorlag und der Antragsgegner zu 2) zum anderen dies auch gewusst hätte. Dazu hat die Antragstellerin nichts glaubhaft gemacht.
63
Nach alledem hat die Antragstellerin die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen für einen Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner zu 2) auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste nicht glaubhaft gemacht.
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bb. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat sie jedoch auch keinen Anspruch gegen den Antragsteller zu 2) aus § 823 Abs. 1 BGB auf Listenkorrektur wegen eines Eingriffs in das Mitgliedschaftsrecht der Antragstellerin.
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Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 08.11.2022 – II ZR 91/21 die parallele Frage, ob ein Anspruch eines Gesellschafters auf Unterlassung der Einreichung einer unrichtigen, ihn nicht als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste gegen einen Geschäftsführergesellschafter aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 2 S. 1 BGB besteht, ausdrücklich offengelassen (BGH, aaO, Rdnr. 12 aE). Die Frage der Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB muss aber auch im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Denn selbst wenn unter Berufung auf die Schärenkreuzerentscheidung des BGH (Urteil vom 12.03.1990 – II ZR 179/89) anzunehmen wäre, dass die Einreichung einer unrichtigen, einen Gesellschafter nicht mehr als solchen ausweisenden Gesellschafterliste zum Handelsregister durch einen Geschäftsführer einen Eingriff des Geschäftsführers in das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte absolute Mitgliedschaftsrecht des nicht mehr in der Liste aufgeführten Gesellschafters darstellt, so würde hinsichtlich des Geschäftsführers die vom BGH aufgestellte Haftungsausnahme greifen. Demnach kommt nämlich eine Haftung von Gesellschaftsorganen (hier des Antragsgegners zu 2) als Geschäftsführer) grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn sie bei der schädigenden Handlung nicht ausschließlich in Vollzug sie bindender Mehrheitsentscheidungen der Gesellschafterversammlung gehandelt haben (BGH, aaO, Rdnr. 20). Vorliegend reichte der Antragsgegner zu 2), der nicht Gesellschafter der Antragsgegnerin zu 1) war, die Gesellschafterliste aber aufgrund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin zu 1) ein, an den er gebunden ist.
66
Die Tatsache, dass der Antragsgegner zu 2) alleiniger Gesellschafter der … GmbH ist, ändert daran nichts. Anders könnte dies allenfalls sein, wenn die … GmbH bei der Beschlussfassung über die Einziehung der Geschäftsanteile der Antragstellerin treuwidrig rechtsmissbräuchlich gehandelt hätte. Dies ist jedoch – wie oben unter aa dargelegt – nicht glaubhaft gemacht.
67
cc. Mangels Rechtsmissbrauches besteht auch kein Anspruch der Antragstellerin auf Listenkorrektur gegen den Antragsgegner zu 2) nach § 826 BGB.
68
b. Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner zu 2) auch keinen Anspruch auf Weiterbehandlung als Gesellschafterin der Antragsgegnerin zu 1). Insoweit gelten die Ausführungen oben unter a entsprechend.
69
Nach alledem war der Antrag in Richtung des Antragsgegners zu 2) zurückzuweisen.
70
Der Ausspruch zu den Kosten beruht unter Anwendung der Baumbach´schen Kostenformel auf § 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 ZPO.