Titel:
Gesundheitsschaden, Feststellungsinteresse, Klagepartei, Schmerzensgeldansprüche, Tatbestandswirkung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, Nutzen-Risiko-Verhältnis, Auskunftserteilung, Zulassungsentscheidung, Pharmazeutische Unternehmer, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Rechtswirksamkeit, Ausgleichsanspruch, Kostenentscheidung, Unvertretbarkeit, Arzneimittelgesetz, Bedenkliche Arzneimittel, Informatorische Anhörung, Außergerichtliche Rechtsverfolgung
Schlagworte:
Feststellungsinteresse, Nutzen-Risiko-Abwägung, Schmerzensgeldanspruch, Tatbestandswirkung, Produkthaftung, Instruktionsfehler, Deliktische Haftung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13075
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger macht als Alleinerbe seiner am ... 03.2022 verstorbenen Ehefrau ... Ansprüche im Zusammenhang mit deren Impfung mit dem Impfstoff Comirnaty geltend. Die Beklagte ist ein deutsches Biotechnologieunternehmen. Sie entwickelte zur Bekämpfung der im Jahr 2020 ausgebrochenen Covid-19-Pandemie den Impfstoff Comirnaty. Die Klägerin erhielt am ... 05.2021 eine erste Schutzimpfung und am ... 06.2021 eine zweite Schutzimpfung mit dem Impfstoff Comirnaty.
2
Der Kläger behauptet, dass seine Frau aufgrund dieser Impfungen an Krebs erkrankt sei, eine Thrombose erlitten habe und in der Folge daran verstorben sei.
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch EUR 50.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2023 zu zahlen.
- 2.
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei sämtliche sonstigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die künftig noch aus der Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten resultieren werden und derzeit noch nicht bezifferbar sind, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.002,41 nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2023 zu zahlen.
- 4.
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Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei Auskunft zu erteilen über die ihr im Zeitraum vom 21.12.2020 bis zur letzten mündlichen Verhandlung bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen sowie über sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen des Impfstoffs „Comirnaty“ von Bedeutung sein können, soweit diese die dargelegten Beschwerden Krebs, Thrombose, Unerwarteter Tod betreffen. Insbesondere sind dazu die folgenden Auskünfte zu erteilen:
a. Auskunft über Art und Schwere der Toxizität der verwendeten Lipidnanopartikel ALC-0159 und ALC-0315 für den Menschen sowie über deren immunologische Auswirkungen auf den menschlichen Organismus.
b. den pharmazeutischen Reinheitsgrad von ALC-0159 und ALC-0315 und darüber, wie diese bestimmt werden und welche Auswirkungen ein abweichender Reinheitsgrad auf die vorstehenden gesundheitlichen Schäden hat.
c. Auskunft darüber, welcher Lieferant für die Lieferung der hier streitgegenständlichen Impf-Charge zuständig war und welche Technologie dieser für die Herstellung nutzte.
d. Auskunft über die Funktion der im Spike-Protein „Wuhan 1“ verbauten Furin-Schnittstelle zur Trennung des S1-Proteins vom S2-Protein und zu den gesundheitlichen Folgen, bezogen auf die streitgegenständlichen Gesundheitsschäden der Klagepartei.
e. Auskunft über den verwendeten P2-Lock und die Auswirkung auf den S1-Teil des Spike-Proteins, bezogen auf ein Lösen des S1-Teils und ein Andocken an den menschlichen ACE2-Rezeptor.
f. Auskunft darüber, ob es Biarcore-Messungen (Oberflächenplasmonenresonanzspektroskopie) gibt die belegen, dass das Spike-Protein nicht an den ACE2-Rezeptor andockt.
g. Auskunft zu erteilen, welche Cluster von HIV-Sequenzen und GP-120 im Spike-Protein verbaut sind und welche Auswirkungen dies auf das Immunsystem der Klagepartei sowie die weiteren gesundheitlichen Schäden hat.
h. Auskunft über die Neuropilin-Schnittstelle im Spike-Protein und darüber, ob das Spike-Protein auch auf Nervenzellen und Gehirnzellen exponiert sowie über die Folgen einer solchen Exposition auf die Nervenzellen, bezogen auf die konkreten gesundheitlichen Schäden der Klagepartei.
i. Auskunft über alle von der Beklagten im Rahmen der Pharmakovigilanz erfassten gesundheitlichen Schäden am Menschen, soweit diese mit den konkreten gesundheitlichen Schäden der Klagepartei übereinstimmen, sowie Vorlage der entsprechenden Auswertungen.
j. Auskunft dazu wie die Beklagte sicherstellte, dass das Spike-Protein im Impfstoff von der Zellwand gehalten werden konnte (Membrananker) und nicht stattdessen frei im Körper verfügbar wurde, sowie Auskunft darüber, ob ein freies, im Blut verfügbares Spike-Protein die konkreten gesundheitlichen Schäden der Klagepartei hätte bewirken können.
k. Auskunft über die Auswertungen und Feststellungen der Beklagten auf den ACE-Rezeptor menschlicher Zellen und der Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron-System am menschlichen Organismus, bezogen auf die gesundheitlichen Schäden der Klagepartei.
l. Auskunft über die festgestellte Genotoxizität beim Menschen durch den Impfstoff BNT162b2.
m. Auskunft über Unterschiede zwischen der Faltung des Proteins zwischen BNT162b2.8 und BNT162b2.9 und welche der beiden Varianten die Klagepartei verimpft bekommen hat.
n. eigene Feststellungen der Beklagten zur Feststellung von Prof. M. von der T. University of S. zur Verwendung von Plasmid-DANN in dem Impfstoff BNT162b2, insbesondere zum SV40-Promotor/Enhencer, bezogen auf die streitgegenständlichen Schäden. Ergänzend: Seit wann wird der SV40-Promotor/Enhencer von der Beklagten genutzt? Welche Funktion übt die Plasmid-DNA nach der Vorstellung der Beklagten in dem Vakzin aus und welche gesundheitlichen Schäden stellte die Beklagte in „Process 2“ in ihrer Versuchsgruppe fest?
o. Auskunft über die von der Beklagten unternommenen Maßnahmen gegen negative Auswirkungen des Vakzins in Bezug auf die Fruchtbarkeit von geimpften Personen im Hinblick auf die Feststellungen im Abschlussgutachten zur Prä-Klinik vom 21.01.2021.
p. Auskunft über den Inhalt des Zwischenberichts C4591022 zu Fehl- und Totgeburten (Pflichtbestandteil des EPAR-Riskmanagement der EMA) zur Eruierung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses.
q. Auskunft zu den Maßnahmen die die Beklagte unternahm, nachdem sie gemäß folgender Gutachten (peer-reviewed) feststellte, dass ihr Vakzin BNT162b2 die Blockade/Zerstörung des P53-Protein an menschlichen Körperzellen die Krebszellenerkennung verhindert:
- Zeitliche metabolische Reaktion auf mRNA-Impfungen bei Onkologiepatienten, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34463888/
- Koordinierung und Optimierung von FDG-PET/CT und Impfung; Erfahrungen aus der Anfangsphase der Massenimpfung, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34029956/ – Lymphadenopathie nach Impfung: Bericht über zytologische Befunde aus einer Feinnadelaspirationsbiopsie, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34432391/
- Axilläre Lymphadenopathie nach Impfung bei einer Frau mit Brustkrebs, Quelle:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34940788/
- Feinnadelaspiration bei einer impfassoziierten Lymphadenopathie, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34286849/
- Hypermetabolische Lymphadenopathie nach Pfizer-Impfung, Inzidenz bewertet durch FDG PET-CT und Bedeutung für die Interpretation der Studie, eine Überprüfung von 728 geimpften Patienten, Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33774684/ Ergänzung: In welchem Zusammenhang steht diesbezüglich die Zulassung im Jahr 2022 von 23 neuen Krebsmedikamenten des Pfizer-Konzerns?
r. Auskunft über etwaige Feststellungen zu Oncomiren – d.h. mit Krebs assoziierte miRNA – in dem streitgegenständlichen Impfstoff Comirnaty und welche Feststellungen der Beklagten zu den gesundheitlichen Schäden der Beklagten vorliegen.
s. alle Feststellungen und Rohdaten der Beklagten, nach denen Frauen ein dreifach höheres Risiko besitzen, gesundheitliche Schäden infolge der Impfung mit BNT162b2 zu erleiden (PSUR #1) sowie Auskunft über die Erhöhung des Risikos bei Frauen, bezogen auf die gesundheitlichen Schäden der Klagepartei.
t. Auskunft darüber zu erteilen, ob sich Herr Uğur Şahin und sämtliche Mitarbeiter der Beklagten selbst mit Comirnaty haben impfen lassen und falls bejahend, welche Abweichung im Inhalt und in der Produktionsart bei den sog. Mitarbeiterchargen und den Sonderchargen bestand, die u.a. für das Personal der Bundesregierung vorgehalten wurden. Gibt es in der Erfassung gesundheitlicher Schäden Unterschiede zwischen den Mitarbeiterchargen und jenen Chargen, die für die übrige Bevölkerung produziert wurden?
u. Auskunft über das Patent US 2015/0086612 A1 und die dortige Feststellung „Bei der Immuntherapie auf RNA-Basis kann die Teerbildung in Lunge oder Leber nachteilig sein, da das Risiko einer Immunreaktion bei diesen Organen besteht. (engl.: For RNA based immunotherapy, lung or liver tar geting can be detrimental, because of the risk of an immune response against these organs.)“ zu erteilen, inwieweit Folgeschäden für die Klagepartei zu erwarten sind. Ergänzend: Welche Änderungen in der Kenntnis liegen der Beklagten vor, die diese Einschätzung zum streitgegenständlichen Vakzin widerlegen?
v. Auskunft über die Gesundheit der Klagepartei zu erteilen, wenn die Kombination von Salzen mit Nanolipiden vorgesehen ist (Patent US 10,485,884 B2)? Welche Erkenntnisse über das Ausflocken von Spike-Proteinen liegen der Beklagten vor und welche gesundheitlichen Schäden ließen sich dazu verzeichnen?
w. Auskunft der Beklagten über das Spike-Protein „Wuhan 1“ und die proteinbiochemischen Grundlagen wie:
Verhält sich bspw. ein im Fuß der Klagepartei auf 7 Grad heruntergekühltes Spike-Protein anders als bei 36,6 Grad (Kältedenaturierung)?
x. Auskunft über Art und Häufigkeit fehlgefalteter Proteine und die Prüfung, ob Einschlusskörperchen in den Zellen festgestellten wurden. Falls bejahend, mit welchen gesundheitlichen Folgen?
y. Auskunft über den Einbau von N1- Methylpseudouridin in der rRNA der Ribosomen der Mitochondrien und denen der Zelle, zellulärer mRNA und tRNA zu erteilen.
Falls der Einbau bejaht wird: Welche gesundheitlichen Schäden wurden bisher dazu festgestellt?
z. Auskunft über die Feststellungen der Quantifizierung zu erteilen, d.h. wieviel Spike-Protein durch einen Menschen mengenmäßig nach der Verabreichung von Comirnaty tatsächlich produziert wird. Um welchen Faktor erhöht dabei das N1-Methylpseudouridin die Produktion der Spike-Proteine im gesamten Körper?
aa. Für den Fall der Bejahung der vorausgegangenen Frage mag die Beklagte dazu Auskunft erteilen wie sie sicherstellte, dass die Spike-Proteine bei zu hoher Konzentration nicht thermodynamisch instabil werden (life on the edge of solubility).
bb. Auskunft über konkrete biologische/chemische/und oder physikalische Eigenschaften ihres Produktes zu erteilen, die nach Ansicht der Beklagten zu einem feststellbaren Nutzen führen sollen.
cc. Auskunft über den Verbleibt des N1-Methylpseudouridin als Nukleotid im Körper der Klagepartei zu erteilen, nachdem die modRNA in die menschliche Zelle transfiziert wurde, sowie darüber, ob das N1-Methylpseudouridin in der ribosomalen RNA der Mitochondrien verbaut.
dd. Auskunft über den Herstellungsprozess „Process 2“ zu erteilen und welche konkreten DNA-Verunreinigungen die Beklagte vor der Chargenfreigabe bei den hier streitgegenständlichen Chargen feststellte (Messprotokolle und Sequenzierung für die streitgegenständliche(n) Charge(n)).
ee. Auskunft über die Menge der festgestellten Verunreinigung in Nanogramm an DANN (alle DANN-Schnipsel) zu erteilen, die sich in den streitgegenständlichen Chargen der Klagepartei befanden.
ff. Auskunft über das gesamte Konformitätsverfahren zum Produktionsprozess „Process 2“ zu erteilen und darüber, inwieweit das Produkt und die Qualität des Produkts verändert wurde.
gg. Auskunft über die üblichen Beschreibungen „Integrität, Reinheit und produzierte Wirkstoffmenge“ zu den streitgegenständlichen Chargen zu geben, da Comirnaty im Arzneimittelhandbuch nicht als Arzneimittel aufgenommen wurde und diese Daten daher nicht einsehbar sind.
hh. Auskunft über die Gefahrguteinstufung der Lipide ALC-0315 und ALC-0159 mit der Gefahrenklasse 3 – „gefährlich“ sowie über das Gesamtprodukt Comirnaty mit OEB 5 – „sehr hohes toxisches Potential ab 1 Mikrogramm“ zu erteilen.
4
Die Beklagte beantragt.
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Das Gericht hat am 17.04.2025 mündlich verhandelt und dabei den Kläger informatorisch angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen. Dem Gericht lag ein nachgelassener Schriftsatz der Beklagten vor. Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestand nicht.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, wobei eine Entscheidung über das Vorliegen eines Feststellungsinteresses für den Klageantrag Ziff. 2 dahinstehen kann, da die Klage bereits in der Sache abweisungsreif ist (Zöller/Greger, 32. Aufl., § 256 Rn. 7). Das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung (BAG, 10 AZR 299/02; BGH II ZR 3/53). Für die Abweisung einer Feststellungsklage ist ein Feststellungsinteresse jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn auch die in Betracht kommende Leistungsklage abzuweisen wäre (BAG, aaO. Rn. 48). Die Klage ist insgesamt nicht begründet. Eine Vorlage zur Übernahme an die Kammer war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 348 Abs. 3 ZPO nicht gegeben sind. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art § 348 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ZPO auf. Tatsächliche Schwierigkeiten werden nicht dadurch begründet, dass der Prozessstoff durch nicht einzelfallbezogene Ausführungen der Parteien über das gebotene Maß hinaus ausgedehnt wird. Besondere rechtliche Schwierigkeiten treten vor allem bei erstmals aufgeworfenen Rechtsfragen auf (Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 23. Auflage, § 348 Rn. 42). Vorliegend ist dies bei den entscheidungserheblichen Gesichtspunkten nicht der Fall. Die individuellen Erfahrungen des Einzelrichters sind bei der Beurteilung mit zu berücksichtigen. So kann eine für den speziellen Rechtsstreit noch nicht ausreichende Erfahrung eines Proberichters zu einer besonderen Schwierigkeit führen, die für einen erfahreneren Richter wie den hier zur Entscheidung berufenen nicht besteht (vgl. BeckOK ZPO, § 348, 53. Edition Stand: 01.07.2024 Rn. 44). Eine grundsätzliche Bedeutung nach § 348 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ZPO hat ein Rechtsstreit, wenn die Bedeutung des Urteils voraussichtlich über eine Einzelfallentscheidung hinausgehen wird (BeckOK a.a.O Rn. 46). Dies ist beim hiesigen angesichts des Verfahrenscharakters erkennbar nicht so. Ein übereinstimmender Antrag nach § 348 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 ZPO liegt nicht vor.
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1. Dem Kläger steht aufgrund des Todes seiner Frau unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein zivilrechtlicher Schmerzensgeldanspruch zu. Etwa anders zu beurteilende öffentlich-rechtliche Ausgleichsansprüche waren nicht Gegenstand der Klage.
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a) Ein Schmerzensgeldanspruch ergibt sich nicht aus § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG. Nach § 84 Abs. 1 S. 1 AMG ist ein pharmazeutischer Unternehmer, der ein Arzneimittel in den Verkehr gebracht hat, dem Betroffenen zum Schadensersatz verpflichtet, wenn dieser infolge der Anwendung des Arzneimittels getötet oder nicht nur unerheblich in seiner Gesundheit verletzt wird und nach S. 2 Nr. 1 das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.
9
Die medizinische Unvertretbarkeit der schädlichen Wirkung ist anhand einer Nutzen-Risiko-Abwägung zu ermitteln, wobei die therapeutischen Wirkungen eines Arzneimittels mit den schädlichen Wirkungen desselben verglichen werden. Überwiegt der therapeutische Nutzen die Risiken, so sind die schädlichen Wirkungen als medizinisch vertretbar anzusehen. Bei der Prüfung der Unvertretbarkeit werden allerdings nicht nur die im konkreten Fall eingetretenen Schäden berücksichtigt, sondern es wird eine abstrakte Nutzen-Risiko-Abwägung vorgenommen, bei der sämtliche schädlichen Wirkungen erfasst werden (BeckOGK, Stand 01.11.2024, § 84 AMG Rn. 83). Die Beweislast für das Vorliegen eines negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses trägt der Anspruchsteller.
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Die Behauptung der Klagepartei, es würde ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis vorliegen, ist bereits aufgrund der Tatbestandswirkung der Zulassungsentscheidungen des Impfstoffs widerlegt, i.e. des Durchführungsbeschlusses der Europäischen Kommission vom 10. 10. 2022 zur unbedingten Zulassung des Impfstoffs (Anlage B16), der den Beschluss vom 21. 12. 2020 über die bedingte (außerordentliche) Zulassung bestätigt. Der Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsakten gestattet es insbesondere anderen europäischen und nationalen Behörden sowie Gerichten in nachfolgenden Verfahren von der Tatbestandswirkung dieses europäischen Rechtsakts auszugehen. Mit der Feststellung der rechtswirksamen Zulassung wird daher inzident das Vorliegen eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses festgestellt, da ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis Tatbestandsvoraussetzung der Zulassung eines Arzneimittels ist, gleichgültig, ob auf nationaler oder europäischer Ebene (näher z.B. OLG Koblenz 5 U 1375/23). Die am 10.10.2022 erteilte unbedingte Zulassung ist bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder geändert noch ausgesetzt oder widerrufen worden. Die Tatbestandswirkung von Zulassungsentscheidungen ist im Zivilprozess allenfalls in Frage zu stellen, wenn substantiiert dargelegt wird, dass nach der Zulassungsentscheidung neue Erkenntnisse aufgetreten sind, bei deren Berücksichtigung eine andere Zulassungsentscheidung gerechtfertigt gewesen wäre (OLG Bamberg, Beschluss vom 14.08.2023 – 4 U 15/23 e). Diesbezüglich trägt die Klagepartei nichts Ausreichendes vor.
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b) Die Klagepartei hat auch keinen Anspruch nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG. Danach würde eine Ersatzpflicht voraussetzten, dass ein Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist. Da der Schaden infolge der fehlerhaften Produkt- und Gebrauchsinformation eingetreten sein muss, würde es nicht genügen, dass ein Schaden durch das Arzneimittel verursacht wurde und die Arzneimittelinformation fehlerhaft war. Vielmehr müsste der Schaden gerade auf die fehlerhafte Arzneimittelinformation zurückgehen (doppelte Kausalität – OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 14.08.2023, Az. 4 U 15/23). Da es sich bei der Kausalität zwischen Rechtsgutbeeinträchtigung und unzureichender Arzneimittelinformation um einen Fall der psychisch vermittelten Kausalität handelt, genügt insoweit die Darlegung eines echten Entscheidungskonflikts (vgl. OLG Bamberg, aaO). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es hierfür, dass der Betroffene plausibel macht, dass ihn die Frage nach dem Für und Wider des ärztlichen Eingriffs aus ex-ante-Sicht ernsthaft vor die Entscheidung gestellt hätte, ob er zustimmen soll oder nicht (BGH VI ZR 55/05). Schriftsätzlich ist dies der Klagepartei nicht gelungen, sondern sie hat sich insoweit auf formelhafte, nicht auf den Einzelfall bezogene Behauptungen beschränkt (Bl. 19, 213 d.A.). Bei seiner informatorischen Anhörung hat der Kläger im Gegenteil angegeben, dass sich die Verstorbene bei der Aufklärung wenig gedacht habe und es im Wesentlichen darum gegangen sei, die mit der Impfung verbundenen Erleichterungen zu erlangen.
12
c) Ein Anspruch der Klagepartei besteht auch nicht aus einer deliktischen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Bei Instruktionsfehlern wie auch bei der Verletzung von Produktbeobachtungs- und daran geknüpften Warnpflichten hängt eine Haftung davon ab, ob der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln „mit Sicherheit“ vermieden worden wäre; die bloße Wahrscheinlichkeit, dass der Geschädigte die Warnung befolgt hätte, genügt nicht (MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, § 823 Rn. 1146 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 19. 02. 1975 – VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46-52, juris Rn. 14). Jedenfalls an diesem Kausalitätsnachweis scheitert vorliegend eine Haftung, da sich das Gericht weder aufgrund des schriftsätzlichen Vortrags noch aufgrund der Angaben des Klägers eine ausreichende Überzeugung zu bilden vermochte.
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d) Ebenso wenig hat der Kläger einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB.
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Ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm § 5 AMG erfordert das Vorliegen eines bedenklichen Arzneimittels. Entsprechend den obigen Ausführungen ist für die Annahme einer Bedenklichkeit im Sinne von § 5 AMG (ähnlich wie bei § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG) die wissenschaftliche Unvertretbarkeit der schädlichen Wirkungen des Arzneimittels maßgeblich, die durch eine Nutzen-Risiko-Abwägung zu ermitteln ist. Diese Abwägung fällt zugunsten des Nutzens des Impfstoffs aus (s.o.).
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Greifbare Anhaltspunkte für eine Erfüllung der Tatbestände des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224 und § 226 StGB, § 95 AMG sind nicht ansatzweise erkennbar.
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e) Eine Haftung aus § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG scheitert an § 15 Abs. 1 ProdHaftG, weil die Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes keine Anwendung finden, wenn infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt wird.
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f) Auch ein Anspruch aus § 826 BGB kommt nicht in Betracht. Nach § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet. Hierfür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten verletzt, gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss sich die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben (BGH, VI ZR 268/11). Die Entwicklung eines Impfstoffs mit einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis, dessen therapeutischer Nutzen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse seine etwaigen schädlichen Wirkungen überwiegt, kann schon nicht verwerflich sein.
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2. Mangels eines Schadensersatzanspruchs besteht auch kein Anspruch auf Feststellung.
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3. Der Kläger kann auch keine Auskunft nach § 84a Abs. 1 AMG verlangen, weil ein Schadensersatzanspruch nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AMG offensichtlich ausgeschlossen ist. Die Auskunft im Sinne des § 84a Abs. 1 S. 1 AMG ist erforderlich, wenn die Möglichkeit besteht, dass die begehrten Auskünfte der Feststellung eines Schadensersatzanspruchs nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 als auch nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG dienen können. Die Erforderlichkeit kann dann fehlen, wenn unabhängig von der Auskunft eine Haftung des pharmazeutischen Unternehmers nach § 84 AMG offensichtlich ausgeschlossen ist (BGH, VI ZR 328/11), z.B. weil die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 AMG eindeutig nicht vorliegen (vgl. BeckOGK, Stand 01.11.2024, § 84a AMG Rn. 15) . Dies ist hier der Fall.
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4. Damit besteht auch kein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
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5. Eine Vorlage des Rechtsstreits an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV war mangels Vorliegens der Vorlagevoraussetzungen nicht veranlasst.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.