Titel:
Vorläufiger Rechtsschutz gegen die beabsichtigte Veröffentlichung von Hygienemängeln (schimmelartig verschmutzte Kistenwaschanlage) in einer Bäckerei.
Normenketten:
LFGB § 40 Abs. 1a S. 1 Nr. 3
LFGB § 12
LFGB § 40 Abs. 1a S. 3
LFGB § 40 Abs. 4 S. 2
LFGB § 40 Abs. 4a
Schlagwort:
Vorläufiger Rechtsschutz gegen die beabsichtigte Veröffentlichung von Hygienemängeln (schimmelartig verschmutzte Kistenwaschanlage) in einer Bäckerei.
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1298
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Verhinderung der Veröffentlichung eines Verstoßes gegen die Betriebshygiene in ihrem Betrieb auf der Homepage des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).
2
Die Antragstellerin betreibt eine Bäckerei/Konditorei mit mehreren Filialen. In ihrem Hauptbetrieb in X … führten am …2024 zwei Lebensmittelüberwachungsbeamte des Landratsamts E … eine planmäßige Routinekontrolle durch. Im dazu gefertigten Kontrollbericht, der der Antragstellerin mit Schreiben vom 19.9.2024 übermittelt wurde, sind insgesamt 41 Mängel aufgelistet (vgl. Bl. 5 ff. der Behördenakte).
3
Am 17.10.2024 teilte das Landratsamt/Veterinäramt der Antragstellerin schriftlich mit, dass die bei der Kontrolle festgestellten Verstöße nicht von unerheblichem Ausmaß und zum Teil sogar gravierend gewesen seien. Teilweise seien sie wiederholt aufgetreten. Bezüglich von 10 im Kontrollbericht gekennzeichneten Beanstandungen sei ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden. Die zu erwartende Bußgeldhöhe werde 350,00 EUR weit übersteigen. Zum Bußgeldverfahren werde die Antragstellerin demnächst ein gesondertes Anhörungsschreiben erhalten. Da die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) erfüllt seien, müsse das Landratsamt die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung des Lebensmittelunternehmers informieren. Die Veröffentlichung ergehe dabei in Form eines Eintrags auf der Internetseite des LGL. Die Veröffentlichung folgender Informationen sei geplant:
Verantwortliche Behörde
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Datum
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Lebensmittel-/Futtermittelunternehmen
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Betroffenes Lebensmittel/Futtermittel
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Landratsamt E …
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Bäckerei …, …, X …
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Einstelldatum:
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Kategorie:
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Verstoß:
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Datum
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Bäckereien, Konditoreien
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Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel
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Verstoß festgestellt:
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Produkt:
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…2024
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-
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Verstoß beseitigt:
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Charge:
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…2024
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Mit E-Mail vom 28.10.2024 nahm die Antragstellerin dazu innerhalb der ihr eingeräumten Frist Stellung. Sämtliche bei der Kontrolle festgestellten Mängel seien unverzüglich und innerhalb der gesetzten Fristen beseitigt worden. Dem zuständigen Lebensmittelkontrolleur sei dies bereits mitgeteilt worden. Es seien darüber hinaus Maßnahmen getroffen worden, damit derartige Dinge nicht mehr vorkommen könnten. Unter anderem sei ein Dokument erstellt worden, in dem die Grundreinigung der Kistenwaschanlage – offensichtlich der schwerwiegendste Punkt der Beanstandungen – festgelegt worden sei und in Zukunft auch dokumentiert werde. Bei der Kistenwaschanlage seien gravierende Hygienemängel festgestellt worden, was antragstellerseits zutiefst bedauert werde. Der bei der Kontrolle vorgefundene Zustand der Kistenwaschanlage sei mit dem Bestreben des Betriebs, hochqualitative Lebensmittel herzustellen und in den Verkehr zu bringen, nicht vereinbar. Man müsse aber auch sehen, dass kein Betrieb perfekt sein könne. Der Grund für den Zustand der Waschanlage habe daran gelegen, dass vor der Kontrolle ein Mitarbeiterwechsel bei den Reinigungskräften stattgefunden habe. Anstatt vier seien in diesem Bereich nur noch zwei Mitarbeiter in Vollzeit beschäftigt gewesen. Der Hausmeister, dem die Reinigung dann übertragen worden sei, habe den Betrieb auch verlassen. Zwischenzeitlich habe man einen neuen Hausmeister, der die Grundreinigung der Kistenwaschanlage übernehme und diese Arbeit hervorragend erledige. Zum Zeitpunkt der Kontrolle sei dies leider nicht gewährleistet gewesen. Nunmehr habe man jedoch Maßnahmen ergriffen, die gewährleisten würden, dass derartige Dinge nicht mehr vorkämen. Es werde daher darum gebeten, den Mangel nicht zu veröffentlichen.
5
Daraufhin teilte das Landratsamt/Veterinäramt der Antragstellerin mit am 25.11.2024 zugestellten Schreiben vom 22.11.2024 mit, dass die Überprüfung der Stellungnahme ergeben habe, dass eine Veröffentlichung der Information gemäß § 40 Abs. 1a LFGB erforderlich sei. Die Antragstellerin habe die Verstöße in ihrer Stellungnahme selbst eingeräumt. Seitens des Landratsamts sei ein Ordnungswidrigkeitenverfahren mit einem zu erwartendem Bußgeld von mehr als 350,00 EUR eingeleitet worden. Die in der Stellungnahme der Antragstellerin geschilderten personellen Herausforderungen (mehrmalige Mitarbeiterwechsel im Bereich Reinigung/Hausmeister) könnten bei der Bußgeldbemessung leider nicht berücksichtigt werden, da es sich insbesondere bei den Mängeln bezüglich der Kistenwaschanlage um Altverschmutzungen gehandelt habe. Man habe allerdings beschlossen, in der zur Veröffentlichung vorgesehenen Tabelle unter der Rubrik „Produkt“ noch das Wort „S …“ einzutragen, da hier der für die Veröffentlichung signifikanteste Verstoß festgestellt worden sei. Die Veröffentlichung werde nach einer Wartefrist von sieben Tagen ab Zustellung dieses Schreibens auf der Internetseite des LGL erfolgen, wenn bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt sei.
6
Am 2.12.2024 ließ die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht einen Eilrechtschutzantrag stellen. Nach Aktenlage bestehe kein hinreichend begründeter Verdacht, dass die Antragstellerin in nicht unerheblichem Ausmaß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften verstoßen habe. Der Antragsgegner habe zwar mitgeteilt, dass ein Ordnungswidrigkeitenverfahren bezüglich einiger näher bezeichneter Punkte im Kontrollbericht eingeleitet worden sei, eine diesbezügliche Anhörung habe jedoch bislang nicht stattgefunden. Auch wenn die Kistenwaschanlage im Innenbereich tatsächlich geringe Verunreinigungen aufgewiesen habe, sei doch zu berücksichtigen, dass die betroffenen Teile der Anlage nicht mit Lebensmitteln in Kontakt kommen würden. Die Kisten würden mit sehr hohen Temperaturen gewaschen und kämen sauber aus der Waschanlage heraus. Der der Verunreinigung zugrundeliegende Missstand (Personalmangel) sei zwischenzeitlich behoben. § 40 Abs. 1a LFGB erfordere einen Hygieneverstoß, der bei der Herstellung oder Behandlung eines Lebensmittels aufgetreten sei, oder, dass ein Lebensmittel unter derartigen Bedingungen in den Verkehr gebracht worden sei. Die Behörde sei aber nicht ermächtigt, eine allgemeine Information dahingehend herauszugeben, dass in einem Betrieb ein allgemeiner unhygienischer Zustand angetroffen worden sei. Im vorliegenden Fall sei die Verunreinigung in einer Ecke im Innenbereich der Kistenwaschanlage aufgetreten. Dieser Bereich komme mit den Kisten nicht in Kontakt, die in der Anlage gewaschen würden. Es könne auch keine Rede davon sein, dass der Verstoß von erheblichem Ausmaß gewesen sei. Auch sei nicht zu erkennen, dass ein wiederholter Verstoß vorgelegen habe. Ein gleichartiger vorhergehender Verstoß sei nicht aktenkundig. Zu berücksichtigen sei auch, dass kein schuldhaftes Verhalten der Antragstellerin vorliege. Eine Information der Öffentlichkeit sei erst zulässig, wenn Vorsatz oder Fahrlässigkeit festgestellt werden könne.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, die mit Schreiben vom 22.11.2024 mitgeteilten Informationen gemäß § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB zu veröffentlichen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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Es sei richtig, dass bislang ein Anhörungsschreiben zu einem Ordnungswidrigkeitenverfahren noch nicht versendet worden sei. Das Landratsamt habe prioritär das Veröffentlichungsverfahren nach § 41 Abs. 1a LFGB vorangetrieben, da eine Veröffentlichung nach Satz 1 Nr. 3 der genannten Vorschrift unverzüglich erfolgen müsse. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren bestehe kein derartiger Zeitdruck. Hier sei lediglich erforderlich, dass ein Bußgeld von mindestens 350,00 EUR zu erwarten sei. Die mit dem Fall betrauten Lebensmittelüberwachungsbeamten würden hierzu regelmäßig die Verstöße, die bußgeldbewehrt seien und zu denen ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden solle, zusammenstellen. Sie würden dann einen Vorschlag für die Bußgeldhöhe machen. Die Bußgeldsachbearbeiter würden dann den Fall mit anderen, ähnlich gelagerten Fällen vergleichen. Wenn die Antragstellerin meine, die Veröffentlichung beziehe sich ausschließlich auf Verunreinigungen bei der Kistenwaschanlage, so sei dies nicht richtig. Im Anhörungsschreiben seien die einzelnen Beanstandungen im Kontrollbericht, auf die sich Veröffentlichung beziehen solle, konkret aufgelistet. Diese seien für die Veröffentlichung maßgeblich, was sich daraus ersehen lasse, dass in der zur Veröffentlichung vorgesehenen Tabelle beim Punkt „Verstoß“ der Eintrag „Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel“ vorgesehen sei. Nach Aussage des zuständigen Lebensmittelüberwachungsbeamten seien die Verschmutzungen der Kistenwaschanlage so gravierend gewesen, dass allein diese mit einer Geldbuße von weit mehr als 350,00 EUR geahndet werden sollten. Die weiteren Hygienemängel seien im Vergleich dazu weniger gravierend ausgefallen. Deshalb und weil die Waschanlage noch am Tag der Kontrolle wieder in einen vertretbaren Zustand versetzt worden sei, habe das Landratsamt als reines Entgegenkommen gegenüber dem Betrieb festgelegt, dass in die Spalte „Produkt“ das Wort „S …“ aufgenommen werden solle, um einem Betrachter der Tabelle kenntlich zu machen, dass der Fokus bezüglich der Mängel auf diesem Gerät gelegen habe (räumliche Eingrenzung). Gleichzeitig sei als Tag der Mängelbeseitigung noch der Tag der Kontrolle festgelegt worden, obwohl manche der festgestellten Mängel erst einige Tage später beseitigt worden seien. Die Aufnahme des Wortes „S …“ erfolge ausschließlich zu Gunsten der Antragstellerin.
10
Die Veröffentlichungsverpflichtung gelte unabhängig davon, ob die Verstöße bereits beseitigt worden seien. Die Veröffentlichung sei zwar an der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zu messen, sie sei aber gerechtfertigt, da sie letztlich dazu diene, den allgemeinen Zweck des Lebensmittelrechts durchzusetzen, der darin liege, Gesundheitsgefahren vorzubeugen und abzuwehren.
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Die festgestellten Verstöße seien auch nicht nur unerheblich gewesen. Bei Verstößen gegen hygienische Anforderungen sei insoweit ein Bezug zu einem bestimmten Lebensmittel nicht erforderlich. Auch eine Gesundheitsgefahr für den Verbraucher werde nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht tatbestandlich vorausgesetzt. Bereits der Schutz der Verbraucher vor Nichteinhaltung hygienischer Vorschriften rechtfertige eine Veröffentlichung. „Nicht unerheblich“ seien Verstöße jedenfalls immer dann, wenn sie mit einer Gesundheitsgefahr für den Verbraucher einhergingen oder aus Sicht des Verbrauchers ekelerregend seien. Insofern werde auf eine Stellungnahme des zuständigen Lebensmittelüberwachungsbeamten verwiesen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass das Vier-Augen-Prinzip gelte, d.h. die Kontrolle sei von zwei Beamten des Landratsamts vorgenommen worden.
12
Es sei auch nicht richtig, dass die Antragstellerin kein Verschulden treffe. Sie habe zumindest fahrlässig gehandelt, da sie die lebensmittelrechtlich und -fachlich objektiv erforderliche Sorgfalt offensichtlich außer Acht gelassen habe. Personelle Engpässe seien nicht geeignet, als Rechtfertigungsgrund zu dienen.
13
Mit der Erstzustellung des Antrags hat das Gericht den Antragsgegner gebeten, von Vollzugsmaßnahmen einstweilen abzusehen.
14
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Behördenakte, die dem Gericht vorgelegen hat, Bezug genommen.
15
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Er ist insbesondere statthaft, da es in der Hauptsache um die Unterbindung einer geplanten Veröffentlichung eines lebensmittelrechtlichen Verstoßes nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFBG geht, der mit der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen wäre. In der Hauptsache geht es daher nicht um die Anfechtung eines Verwaltungsakts, sodass einstweiliger Rechtsschutz gemäß § 123 Abs. 5 VwGO im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung und nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren ist (vgl. nur BayVGH, B.v. 18.3.2013 – 9 CE 12.2755 – juris Rn. 14; VGH BW, B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn. 4; VG Frankfurt, B.v. 2.11.2021 – 5 L 2444/21.F – Rn. 15).
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2. Der Antrag ist nicht begründet, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind darüber hinaus nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
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Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) als auch eines Anordnungsanspruchs.
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Die begehrte einstweilige Anordnung würde zudem die Hauptsache vorwegnehmen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kann sich daraus ergeben, dass infolge der zu erwartenden Verfahrensdauer in der Hauptsache eine Rückgängigmachung der Folgen der einstweiligen Anordnung nicht mehr möglich ist. Auch eine solche eingeschränkte Vorwegnahme der Hauptsache ist im Hinblick auf den Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 1 VwGO nur dann zulässig, wenn eine bestimmte Regelung zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn sonst die zu erwartenden Nachteile unzumutbar wären und eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen in der Hauptsache besteht. Soweit eine umfassende Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache geboten ist, weil das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes faktisch an die Stelle des Hauptsacheverfahrens tritt und dem Antragsteller ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung ein irreparabler Rechtsverlust droht, muss bei Bestehen des zu sichernden Anspruchs eine einstweilige Anordnung ergehen, wobei es ausreichen kann, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache aussichtsreich ist (Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 123 Rn. 13 f. und 26). Da die Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB unverzüglich zu erfolgen hat und diese nach § 40 Abs. 4a LFGB nach sechs Monaten wieder zu löschen ist, findet ein Hauptsacheverfahren, in dem die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung umfassend geprüft wird, regelmäßig nicht statt, so dass der gerichtliche Rechtsschutz nahezu ausschließlich in das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlagert wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2019 – 20 CE 19.1634 – juris, VG Würzburg, B.v. 20.1.2020 – W 8 E 19.1661 – juris, Rn. 16).
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a) Einen Anordnungsgrund hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht. Es liegt auf der Hand, dass die geplante Veröffentlichung im Internet für die Antragstellerin ganz erhebliche negative Konsequenzen haben kann, die auch bei einem späteren Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Das Verwaltungshandeln durch amtliche Informationen ist irreversibel. Bei Fehlinformationen ändern daran auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts, da die faktischen Wirkungen von Informationen regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden können. Eine Verbraucherinformation zu angeblichen Rechtsverstößen eines Unternehmens kann für dieses existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend sein. Einem betroffenen Unternehmen kann daher nicht zugemutet werden, eine Veröffentlichung hinzunehmen und erst im Hauptsacheverfahren abklären zu lassen, ob die Veröffentlichung rechtmäßig war (VGH BW, B.v. 28.1.2013 – 9 S 2423/12 – juris Rn. 6 VGH BW, B.v. 13.9.2010 – 10 S 2/10 – juris Rn. 25; HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – juris Rn. 18).
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b) Die Antragstellerin hat jedoch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können, da die geplante Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB nach der im Eilrechtschutzverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtmäßig ist und das Hauptsacheverfahren somit keine Aussicht auf Erfolg bietet.
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Rechtsgrundlage für den von der Antragstellerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch ist der gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlich-rechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch, der seine Rechtsgrundlage in den Grundrechten der Antragstellerin findet. Diese stehen ihr als juristischer Person des Privatrechts gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ebenso zu wie einer natürlichen Person. Die Grundrechte schützen sie vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Infolgedessen kann die Antragstellerin, wenn ihr eine derartige Rechtsverletzung droht, unmittelbar gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen, sofern ihr das einfache Gesetzesrecht keinen solchen Anspruch vermittelt (so BVerwG, U.v. 25.1.2012 – 6 C 9.11 – juris, Rn. 22 m.w.N.). Mit der streitgegenständlichen Veröffentlichung im Internet wird ohne Zweifel in Grundrechte der Berufsausübungsfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung tritt dagegen hinter Art. 12 Abs. 1 GG zurück, weil der Schutz von Unternehmen im Wettbewerb von der sachlich spezielleren Grundrechtsnorm des Art. 12 Abs. 1 GG vollständig erfasst wird (vgl. VGH BW, B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – juris, Rn. 9).
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Der Anspruch setzt voraus, dass sich die Veröffentlichung als rechtswidriger Eingriff darstellt, der nicht durch eine Befugnisnorm – hier § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB – gerechtfertigt werden kann (BayVGH, B.v. 12.12.2019 – 20 CE 19.1634 – juris Rn. 22; VGH BW, B.v. 28.1.2013 – 9 S 2423/12 – juris Rn. 11).
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Nach der genannten Vorschrift informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen […] hinreichend begründete Verdacht besteht, dass […] gegen Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 EUR zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist. Nach § 40 Abs. 1a Satz 3 LFGB kann bei Verstößen gegen hygienische Anforderungen abweichend von Satz 1 in der Information der Name des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens sowie der Betrieb, in dem der Verstoß festgestellt wurde, genannt werden.
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aa) Ein hinreichend begründeter Verdacht eines Verstoßes gegen Vorschriften, die der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, lag vor.
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(1) Ausweislich des sich in den Akten befindlichen Kontrollberichts der Lebensmittelüberwachung vom 19.9.2024 wurden im Rahmen der durchgeführten Kontrolle insgesamt 41 Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften festgestellt. Im Anhörungsschreiben wurden die Gliederungspunkte, unter denen die Beanstandungen im Kontrollberichte zu finden sind, ausdrücklich benannt, sodass der Antragstellerin hinreichend deutlich mitgeteilt wurde, worauf die beabsichtigte Veröffentlichung gestützt werden soll. Aus der im Anhörungsschreiben mitgeteilten und beabsichtigten Art der Veröffentlichung auf der Homepage des LGL ergibt sich, dass die aufgelisteten Mängel die Betriebshygiene und Reinigungsmängel betreffen. Für die unter den Nrn. 10, 12, 15, 16, 17, 21, 28, 31 und 35 des Kontrollberichts aufgelisteten Mängel trifft dies auch zu. Der ebenfalls aufgelistete Mangel unter Nr. 40 des Kontrollberichts betraf dagegen den Umstand, dass Beschäftigte festgestellt wurden, die noch keine Erstbelehrung gemäß dem Infektionsschutzgesetz durch das Gesundheitsamt erhalten hatten. Diesbezüglich handelte es sich somit nicht um einen Hygienemangel. Gleichwohl war auch dieser Mangel im Anhörungsschreiben aufgelistet. Der Antragsgegner hat dies jedoch spätestens im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erkannt; denn auf Seite 3 seiner Antragserwiderung (Gerichtsakte S. 44) führt er aus, dass dieser Verstoß zunächst versehentlich miteingeschlossen worden sei. Er falle jedoch nicht unter die Kategorie „Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel“. Da jedoch auch ohne diesen Verstoß die in der Ermächtigungsnorm genannte Bußgeldschwelle von 350,00 EUR überschritten werde, spiele dies keine Rolle.
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Bei den neun verbleibenden Beanstandungen, die zum Teil fotografisch belegt sind, handelt es sich um Zuwiderhandlungen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften im Sinne des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB. Nach den Feststellungen der Lebensmittelüberwachungsbeamten lagen jeweils Verstöße gegen Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. L 139 vom 30.4.2004, S. 1 ff.) vor. Nach dieser Norm haben Lebensmittelunternehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die der Primärproduktion nachgelagert sind, die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II sowie etwaige spezielle Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 zu erfüllen. Die Hygienevorschriften, gegen die im Einzelfall verstoßen wurde und im Anhang II der genannten Verordnung aufgeführt sind, werden im Kontrollbericht jeweils genannt. Bestand durch den festgestellten Verstoß die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung der im Betrieb hergestellten, behandelten oder in den Verkehr gebrachten Lebensmittel, so lag zugleich ein Verstoß gegen § 3 Satz 1 der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) vor, der nach § 10 Nr. 1 LMHV mit einem Bußgeld geahndet werden kann, wobei sich die Höhe der Geldbuße nach § 17 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) bemisst. Bestand dagegen keine Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung, lag zumindest ein Verstoß gegen § 12 LFGB vor, der vor allem das Inverkehrbringen ekelerregender Lebensmittel betrifft. Insoweit ist der Ordnungswidrigkeitentatbestand der §§ 60 Abs. 1 Nr. 1, 59 Abs. 1 Nr. 9, § 12 LFGB erfüllt, wenn man von einer fahrlässigen Begehungsweise ausgeht (vgl. dazu unten 2 b) dd)) .
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Das Gericht hat im vorliegenden Eilrechtschutzverfahren darauf verzichtet, die einzelnen Verstöße näher zu überprüfen; denn die seitens des Antragsgegners geplante Veröffentlichung weist aus Sicht der Verbraucherschaft, an die sie gerichtet ist, lediglich auf Hygiene- und Reinigungsmängel bei der Kistenwaschanlage hin. Der Antragsgegner hat ausdrücklich erklärt, dass er im Falle der Veröffentlichung unter der Kategorie „Produkt“ das Wort „S …“ einfügen möchte. Auch wenn daher mehrere Hygienemängel, und zwar auch in anderen Bereichen des Betriebs festgestellt wurden, wird der unvoreingenommene Leser der Veröffentlichung den festgestellten Mangel nur auf die ausdrücklich genannte Kistenwaschanlage beziehen. Die beabsichtigte Veröffentlichung belastet die Antragstellerin daher nur insoweit, als diese Anlage betroffen ist. Dies wird auch dadurch deutlich, dass sie in ihrer Antragsschrift im Wesentlichen auf diesen Mangel eingeht. Für die Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Veröffentlichung reicht es daher aus, wenn dieser festgestellte Hygiene- und Reinigungsmangel die Veröffentlichung trägt.
31
(2) Dass die Kistenwaschanlage zum Zeitpunkt der Kontrolle am …2024 verschmutzt und somit in einem unhygienischen Zustand war, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Es lag insoweit unzweifelhaft ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kap. I Nr. 1 VO (EG) Nr. 852/2004 vor. Nach Art. 4 Abs. 2 der genannten Verordnung haben Lebensmittelunternehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die der Primärproduktion nachgelagert sind, die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II zu erfüllen. Anhang II Kap. I Nr. 1 VO (EG) Nr. 852/2004 bestimmt, dass Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, sauber und stets instandgehalten sein müssen. Der Verstoß zieht ein Verkehrsverbot nach § 12 LFGB nach sich. Danach ist es verboten, andere als dem Verbot des Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. b) der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (BasisVO – Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 28.2.2002, ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1ff,) unterliegende Lebensmittel, die für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind, in den Verkehr zu bringen. Nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. b) BasisVO gelten Lebensmittel als nicht sicher und unterliegen einem Verkehrsverbot nach Art. 14 Abs. 1 BasisVO, wenn davon auszugehen ist, dass sie für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind. Der deutsche Gesetzgeber geht davon aus, dass unter diese Regelung nur solche Lebensmittel fallen, die aufgrund einer stofflichen Beeinträchtigung (z. B. Fäulnis) für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind. Andere als dem Verbot des Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b) BasisVO unterliegende Lebensmittel, die für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind, sollen daher nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers solche Lebensmittel sein, die als für den Verzehr ungeeignet eingestuft werden, ohne dass eine stoffliche Veränderung nachweisbar ist, wofür die Gesetzesbegründung als Beispiel Brot erwähnt, über das Mäuse gelaufen sind (Begr. BT-Drucks. 19/25319, S. 50; vgl. dazu auch Sosnitza in: Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, 190. EL August 2024, § 12 LFGB Rn. 1 ff.). Erfasst vom Verbot des § 12 LFGB werden insbesondere Fälle, in denen ein Lebensmittel ohne äußerlich erkennbare Veränderung Ekel oder Widerwillen bei einem normal empfindenden Verbraucher auslösen würde, wenn er von bestimmten Herstellungs- oder Behandlungsverfahren Kenntnis hätte. Auf eine tatsächliche Kenntnis des Verbrauchers kommt es nicht an. Es muss aber ein objektiver Anknüpfungspunkt für das Empfinden von Ekel oder Widerwillen vorhanden sein (VG München, B.v. 30.10.2023 – M 26a E 23.5106 – juris Rn. 88, Sosnitza in: Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, 190. EL August 2024, § 12 LFGB Rn. 10 f.).
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In ihrer Antragsbegründung bestreitet die Antragstellerin den Hygieneverstoß nicht. Sie führt jedoch aus, dass die am Tag der Kontrolle festgestellten Verunreinigungen nur von geringem Ausmaß gewesen seien und daher das Tatbestandsmerkmal eines Verstoßes gegen hygienische Anforderungen in „nicht nur unerheblichem Ausmaß“ nicht erfüllen würden. Das Bundesverfassungsgericht führt zur Auslegung dieses Rechtsbegriffs in seinem Beschluss vom 21.3.2018 (1 BvF 1/13 – juris Rn. 54) Folgendes aus: „Der unbestimmte Rechtsbegriff des „nicht nur unerheblichen Ausmaßes“ ist durch die zuständigen Behörden, im Klagefall auch durch die Verwaltungsgerichte, anhand von quantitativen und qualitativen Kriterien zu konkretisieren. Dabei können nur solche Verstöße als erheblich gelten, die von hinreichendem Gewicht sind, um für die betroffenen Unternehmen potenziell gravierende Folgen zu rechtfertigen.“
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Nach Auffassung der entscheidenden Kammer ist danach – wie vom Antragsgegner in der Antragserwiderung ausgeführt – eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Aspekte des Einzelfalls vorzunehmen. Insoweit können unter anderem die Menge der in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse, die Anzahl der von dem Verstoß betroffenen Verbraucher und die Schwere des Verstoßes und die daraus resultierenden Nachteile für den Verbraucher berücksichtigt werden. Zur Bewertung kann insoweit auf die seitens des Antragsgegners vorgelegte Stellungnahme eines an der Kontrolle teilnehmenden Lebensmittelüberwachungsbeamten vom 11.12.2024 zurückgegriffen werden (Gerichtsakte S. 49 f). Dieser hat ausgeführt, der Innenraum der Kistenwaschanlage sei mit alten Rückständen verunreinigt gewesen. Die Kistenwaschanlage sei im gesamten Innenbereich über die verschiedenen Spritzzonen mit einem zum Teil rot- und schwarzschimmelähnlichen Belag verunreinigt gewesen. Der Geruch der Maschine sei muffig bzw. schimmelähnlich gewesen. Nur eine saubere Maschine könne die Kunststofftransportkisten ordnungsgemäß reinigen. Die Kisten würden zum Transport von verzehrfertigen Backwaren verwendet, die in der Regel direkt in den Kunststofftransportkisten liegen würden. Es bestehe somit ein direkter Kontakt zwischen den Lebensmitteln und den Kisten. Auch wenn die Kisten augenscheinlich sauber aussähen, würde es beim Verbraucher Ekel und Widerwillen auslösen, wenn er vom Herstellungs- oder Behandlungsverfahren Kenntnis hätte, zumal durch die Beläge in der Kistenwaschanlage eine mikrobiologische Kontamination auch der „gereinigten“ Kisten entstehen könne. Aufgrund dieser schriftlichen Ausführungen, an deren Richtigkeit für das Gericht keine Zweifel bestehen, und auch aufgrund der sich in den vorgelegten Behördenakten befindlichen Lichtbilder (Bild-Nrn. P1200469, P1200470, P1200471, P1200472, P1200473, P1200485 und P1200486, Behördenakte Bl. 48 ff.) ist es für die entscheidende Kammer offensichtlich, dass hier ein „nicht unerheblicher Verstoß“ gegen Hygieneanforderungen vorlag. Auf den Lichtbildern ist zu erkennen, dass die Kunststoffkisten auf einem Förderband einen tunnelähnlichen Bereich durchlaufen, in dem sie offenbar mit heißem Wasser und Reinigungsmittel besprüht werden. Die Kisten fuhren somit in unmittelbarer Nähe der Innenwände dieses Tunnelbereichs vorbei, die ersichtlich mit einem rot- und schwarzschimmernden Belag, der einen ekelerregenden Eindruck vermittelt, verschmutzt waren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bäckerei der Antragstellerin nach ihrer Homepage über … Filialen verfügt, die vom Hauptbetrieb beliefert werden (https://www. …de/ …). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass eine erhebliche Menge von Backerzeugnissen in Kunststoffkisten an die Filialen ausgeliefert wird, die wiederum von einer großen Menge von Verbrauchern gekauft wird.
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Im Ergebnis waren die Hygienemängel somit erheblich und im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB relevant. Die Frage, ob auch ein wiederholter Verstoß gegeben war, spielt daher keine Rolle.
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Keine Rolle spielt es, dass die Kunststoffkisten, wenn sie die Anlage durchlaufen, nicht unmittelbar mit den Verschmutzungen in Berührung kommen und somit die Waschanlage auch aufgrund der dort vorherrschenden Temperatur „sauber“ verlassen, so dass möglicherweise gar keine Verunreinigungen der darin transportierten Backwaren erfolgt, wie dies die Antragstellerin meint. Informationen über Hygienemängel können nämlich grundsätzlich auch dann erfolgen, wenn Lebensmittel zwar nicht unmittelbar in hygienisch mangelhafter Weise bearbeitet werden, jedoch im Umfeld des Umgangs mit ihnen generelle Hygienemängel festgestellt wurden (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2013 – 9 CE 13.80 – juris Rn. 20; OVG RhPf, B.v. 13.2.2013 – 6 B 10035/13 – juris Rn. 19; VG Ansbach, B.v. 18.11.2021 – AN 14 E 21.00581 – juris Rn. 62). Daher setzt eine Information über solche Hygienemängel nicht voraus, dass eine nachteilige Beeinflussung bestimmter Lebensmittel nachgewiesen worden ist (VGH BW, B.v. 21.3.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn. 18; HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – juris Rn. 29 ff.; Rathke in: Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, 190.EL August 2024, § 40 LFGB Rn. 109).
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bb) § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB lässt die Information der Öffentlichkeit „unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels“ zu. Aus dieser Formulierung forderte die Rechtsprechung einen Produktbezug, sodass die betroffenen Lebensmittel zumindest als Sammelbezeichnung in der Veröffentlichung angegeben werden mussten (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 20 CE 19.1995 – juris Rn. 47; VGH BW, B.v. 21.3.2019 – 9 S 584/19 – juris Rn. 15; HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – juris Rn. 28). Nach der Rechtsprechung konnten daher Verstöße gegen Hygieneanforderungen nicht veröffentlicht werden, wenn diese nicht auf bestimmte Lebensmittel oder Futtermittel beziehbar waren. Dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber entgegengewirkt, indem er § 40 Abs. 1a Satz 3 LFGB mit Wirkung vom 10.8.2021 in das Gesetz eingefügt hat (vgl. BT-Drs. 19/25319, S. 55). Danach können bei Verstößen gegen hygienische Anforderungen abweichend von Satz 1 in der Information der Name des Lebensmittelunternehmers sowie der Betrieb, in dem der Verstoß festgestellt wurde, genannt werden. Satz 3 ermöglicht also einen Verzicht auf die Nennung des betroffenen Lebensmittels, der durch die Nennung des betroffenen Betriebs ausgeglichen wird (VG Frankfurt, B.v. 2.11.2021 – 5 L 2444/21.F – juris Rn. 46; VG Ansbach, B.v. 18.11.2021 – AN 14 E 21. 00581 – juris Rn. 64). Diesen Anforderungen genügt die beabsichtigte Veröffentlichung; denn es geht deutlich daraus hervor, dass der Hauptbetrieb der Antragstellerin betroffen ist. Zudem beabsichtigt der Antragsgegner, auch den Ort des Hygienemangels – nämlich die Kistenwaschanlage – näher zu bezeichnen, sodass der Mangel auch innerhalb des Betriebes näher eingegrenzt wird, was aufgrund der noch vorhandenen weiteren Hygienemängel nicht notwendig gewesen wäre, aber der Antragstellerin entgegenkommt. Der Leser der Veröffentlichung wird nämlich nach seinem Verständnis davon ausgehen müssen, dass ausschließlich im Bereich der Kistenwaschanlage ein Hygienemangel vorhanden war, weshalb die übrigen Beanstandungen der Lebensmittelüberwachungsbeamten hier keine Rolle spielen.
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cc) Der Umstand, dass der vorgefundene Hygienemangel bereits am Tag der Kontrolle durch die Antragstellerin beseitigt wurde, hindert die geplante Veröffentlichung nicht. Erforderlich ist in einem solchen Fall gemäß § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB lediglich, dass in der Information der Öffentlichkeit auf die erfolgte Beseitigung des Mangels hinzuweisen ist, damit nicht der Eindruck entstehen kann, der jeweilige Grund für die Beanstandungen bestünde fort (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 40). Einen solchen Hinweis plant der Antragsgegner ausweislich seines Ankündigungsschreibens vom 17.10.2024 aber gerade. § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB ist auch auf Fälle, in denen die Beseitigung schon vor der Veröffentlichung stattgefunden hat, anzuwenden (vgl. auch BT-Drs. 19/8349, S. 20). Denn nicht nur die Publikation anhaltender, sondern auch die Veröffentlichung bereits beseitigter Verstöße ist geeignet, zur Transparenz am Markt beizutragen, und entspricht der gesetzlichen Intention. Die lebensmittelrechtliche Unzuverlässigkeit eines Unternehmers in der jüngeren Vergangenheit kann durchaus für die Konsumentenentscheidung des Verbrauchers in der Gegenwart und Zukunft eine relevante Tatsache darstellen, auch wenn die festgestellten Verstöße zwischenzeitlich beseitigt wurden. Nach dem Gesetz soll dem Verbraucher überlassen werden, welche Schlüsse er aus Verstößen gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch zieht. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den generalpräventiven Zweck der Regelung. Die Publikation behobener Verstöße erhöht die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und fördert damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften (so NdsOVG, B.v. 15.11.2022 – 14 ME 339/22 – juris Rn. 5 f. unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 38; VG Würzburg, B.v. 31.8.2021 – W 8 E 21.1045 – juris Rn. 55 m.w.N.).
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dd) Ferner ist aufgrund des Hygieneverstoßes im Zusammenhang mit der Kistenwaschanlage auch ein Bußgeld von mehr als 350,00 EUR zu erwarten. Der Bußgeldtatbestand folgt insoweit aus den §§ 60 Abs. 1 Nr. 1, 59 Abs. 1 Nr. i.V.m. § 12 LFGB. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der Antragstellerin um eine juristische Person des Privatrechts handelt. Bezüglich des zu erwartenden Bußgeldverfahrens ist daher auf die Geschäftsführer abzustellen, wobei es auf der Hand liegt, dass der Geschäftsführung hier ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden muss. Aufgrund der sich in den Akten befindlichen Lichtbilder war es offensichtlich, dass bei der Kistenwaschanlage ein ganz erheblicher Hygieneverstoß vorlag. Bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten dies die verantwortlichen Personen ohne weiteres erkennen können. Mithin muss von Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle bei der Firma der Antragstellerin ein erheblicher Personalmangel geherrscht hat, kann insoweit keine Berücksichtigung finden; denn ein Lebensmittelunternehmer muss stets dafür Sorge tragen, dass seine Produktion einwandfrei und im Einklang mit dem geltenden Recht erfolgt. Dies gilt zumal dann, wenn gegen Hygienevorschriften verstoßen worden ist, die dem Schutz des Endverbrauchers dienen.
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Dass bislang noch kein Anhörungsschreiben im Ordnungswidrigkeitenverfahren an die verantwortlichen Personen gerichtet wurde, spielt dabei keine Rolle. Maßgeblich ist allein, dass der Antragsgegner ein Bußgeldverfahren eingeleitet hat. Er hat dazu im Rahmen der Antragserwiderung ausgeführt, dass durch die Lebensmittelüberwachungsbeamten grundsätzlich ein Vorschlag über die Höhe des Bußgelds an die Verwaltung unterbreitet wird. So geschah dies auch im vorliegenden Fall. Auf der Rückseite von Blatt 2 der Behördenakte hat ein Kontrollbeamter vermerkt, dass die Bußgeldgrenze von 350,00 EUR in jedem Fall überschritten werde. Die im Kontrollbericht aufgelisteten Verstöße sind dort nach den Nummern im Kontrollbericht aufgelistet, wobei für alle aufgelisteten Verstöße ein Bußgeld vorgeschlagen wird. Allein für den Verstoß im Zusammenhang mit der Kistenwaschanlage (Verstoß Nr. 28) wird dort für diesen Hygienemangel ein Bußgeld von 900,00 EUR vorgeschlagen. Für alle vorgefundenen Verstöße ergibt sich eine aufaddierte Geldbuße von insgesamt 3.000,00 EUR. Nach alledem wird die geforderte zu erwartende Mindesthöhe des Bußgelds ohne Weiteres überschritten.
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ee) Zuletzt beabsichtigt das Landratsamt auch eine „unverzügliche“ Veröffentlichung, wie dies § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB fordert. Die Hygieneverstöße wurden anlässlich der Kontrolle vom …2024 festgestellt. Bereits mit Schreiben vom 17.10.2024 informierte das Landratsamt die Antragstellerin, dass eine Veröffentlichung geplant sei und hörte sie zur geplanten Veröffentlichung an. Eine Veröffentlichung ist bislang ausschließlich deshalb unterblieben, weil die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht hat und das Gericht im Interesse der Antragstellerin darum gebeten hat, von einer Veröffentlichung während des Eilrechtsschutzverfahrens zunächst abzusehen. Wird die Veröffentlichung nur aufgrund der Dauer eines gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahrens verzögert, so führt dies grundsätzlich nicht dazu, dass nicht mehr von einer „Unverzüglichkeit“ der Veröffentlichung ausgegangen werden kann (ausführlich dazu: BayVGH, B.v. 4.11.2022 – 20 CE 22.2069 – juris Rn. 17 ff. insb. Rn. 19 m.w.N.).
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Nach alledem ist die beabsichtigte Veröffentlichung voraussichtlich rechtmäßig. Insbesondere räumt § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB der zuständigen Behörde kein Ermessen ein. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Veröffentlichung gegeben, muss diese erfolgen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. dort Nr. 25.2). Dabei hat das Gericht von einer Reduzierung des Auffangstreitwerts im Eilrechtschutzverfahren abgesehen, weil durch die Entscheidung die Hauptsache vorweggenommen wird (vgl. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).